... entliebt und vorbei.
Weihnachten stand vor der Tür und sie feierte es, wie letztes Jahr, allein.
Sie betrachtete nachdenklich ihre eigenen Hände, die schmal und zart aus dem braunen Pullover schauten.
Wann hatte sie das letzte Mal ein Mann zärtlich berührt?
Über ihre Hand, die Schulter und Haut gestreichelt mit seinen, gedankenverloren oder mit Bedacht?
Lang, lang war es her. Kaum konnte sie sich mehr daran erinnern, aber in Gedanken fühlte sie noch die Wärme und das Gefühl wie es sich anfühlte.
Schön war das immer gewesen.
Doch sie hatte sich entliebt.
Irgendwann war es geschehen, fast unmerklich im Laufe der letzten Jahre hatte sich das Gefühl nach Nähe und Zärtlichkeit, das Bedürfnis nach Berührung und menschlicher Wärme in Resignation und leichte Melancholie gewandelt, es war ihr irgendwie abhanden gekommen.
Sie trug das Schicksal aller Frauen die alleine zurückblieben.
Freiwillig, unfreiwillig, das war letzten Endes egal.
Man suchte es sich nicht aus, es passierte einfach.
Sie konnte ihre Freundin verstehen, jetzt konnte sie es, früher war das nie so, diese sagte immer:
„Egal welcher, Hauptsache ich wache am Morgen nicht alleine in meinem leeren Bett auf“.
Es war schon ein völlig anderes Gefühl, wenn sich neben ihr ein Atem bewegte, ein Arm oder Bein sich regte.
Sie selbst dachte nicht so.
Wie kann man nur so wenig Ansprüche haben, dachte sie sich – man kann doch nicht sagen; egal welcher, Hauptsache nicht allein, das ist doch total egoistisch und wie eine Fahnenflucht vor dem Feind Einsamkeit.
Aushalten muss man es – irgendwie, und irgendwie geht es auch.
Sicher, es ist nicht so schön, es gibt Schöneres oder Erstrebenswerteres was man sich wünschen kann, aber, schließlich können nicht alle Wünsche im Leben erfüllt werden und; wer weiß, ob ich mir das überhaupt wünsche, dachte sie.
Was bleibt ist leise Melancholie.
Was fehlt ist ein Gespräch, aber hatte er überhaupt lange und so mit ihr gesprochen wie sie es sich gewünscht hatte? Nie, wenn sie ehrlich war, immer hatte irgendetwas gefehlt.
Er war wortkarg wenn sie sich ihn wortgewandt gewünscht hatte, er war eine Plaudertasche in nichts sagenden oberflächlichen und gedankenlosen Füllworten wenn sie sich sein Schweigen wünschte.
Also war er der Falsche und so hatte sie sich entliebt.
Unmerklich im Laufe der Zeit hatte sich ihr Gefühl für ihn in Kritik umgewandelt, sie sah immer mehr was ihr nicht gefiel, was sie störte und irgendwo passte ja auch gar nichts an ihm zu ihr, ihren Neigungen und Interessen. Richtige Gemeinsamkeiten entwickelten sich auch nicht zwischen ihnen und jeder ging nach einiger Zeit seine eigenen Wege.
Jeder von ihnen hatte ein Hobby, dass den anderen nicht die Bohne interessierte und so kam es, dass sie sich immer weiter voneinander entfernten. Die wenigen Gespräche zwischen ihnen verstummten immer mehr.
Eigentlich war es traurig, dass es so gekommen war.
Er interessierte sie auch nicht mehr und sie gestand sich ein, dass er langweilig und einfallslos war. Ihm fehlte der Esprit. Doch war das für ihn vielleicht ebenso?
Sie fragte sich nach einer gewissen Zeit, was sie überhaupt je ernstlich in den Anfängen an ihm gefunden hatte.
Waren es seine Augen, sein Mund, seine Hände, seine Sprache, seine Intelligenz, sein Wissen oder seine Gedanken gewesen? Seine Figur, sein ganzes Äußeres, seine Bewegungen, irgendetwas – waren es die kleinen Spiele, die sie zusammen erfunden hatten, die Alltäglichkeiten miteinander? Sie versuchte sich zu erinnern.
Oder war es der wilde, ungezügelte, hemmungslose Sex den sie hatten, das Fremde, Ungewohnte, verführerisch, verlockende daran und doch nicht die Persönlichkeit die dahinter stand?
Ein Glück hatte er ihr nie einen Antrag gemacht und so musste sie sich nicht entscheiden, brauchte weder ja noch nein zu sagen und dann, war es plötzlich vorbei.
Von einem Tag auf den anderen war es vorbei.
Für ihn und für sie.
Und nun war ihr Leben etwas langweilig geworden, nicht eintönig, auch nicht wirklich einsam, denn für Abwechslung sorgte sie selbst, aber es war nichts aufregendes mehr darin. Keiner, der sie ärgerte, über den sie sich aufregte, keiner, der sie anregte und in Aufregung und Schwingungen versetzte.
Fast dachte sie, sie dachte schon wie ein Mann.
Nur Männer denken doch so, dachte sie, denen ist doch egal, wenn sie auf die Pirsch gehen und sich die Beute des Abends suchen, was hinter dem Äußeren steckt, sie wollen nur das schnelle leicht zu gewinnende Vergnügen und möglichst am nächsten Morgen nicht daran erinnert werden, wenn sie selbst keine Fortsetzung wünschen.
Und wenn sie eine suchen, dann sorgen sie dafür möglichst lange interessant zu bleiben. Undurchsichtig, aufregend, möglichst auch noch ein wenig geheimnisvoll, eben fremd, ein kleines bisschen fremd, damit es schön anregend blieb.
Früher, in den Zeiten der ihr heute erscheinenden törichten Verliebtheit hatte sie immer gerne Briefe geschrieben, kleine Zettelchen auf denen stand, was sie für ihn fühlte und wie sie sich fühlte, sie verfasste selbst erfundene kleine Gedichte die sie ihm ins Büro schickte oder an den Kühlschrank heftete wenn er nach Hause kam, heute, fiel ihr nichts mehr ein, was sie wem schreiben sollte, denn das Gefühl war vorbei.
Sie waren – wie man so schön sagt, nicht zusammen gewachsen.
Keine Schmetterlinge mehr im Bauch und schon war das euphorische Gefühl sich jemandem mitteilen zu wollen – vorbei.
Ach, seufzte sie, hätt` ich doch nur noch einmal das Gefühl, dass ich mich neu verlieben könnte, aber, wie es schien, war auch dies vorbei.
Die Wirklichkeit hieß: nicht einsam, aber allein.
Was wohl aus ihm geworden war?
@ Angelface
Texte: copyright Angelface
Tag der Veröffentlichung: 24.12.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
für Stefanie