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stromlos


Nur drei Tage ohne

Alltagsgeschichten
Bin ich auf einer Insel?
nein...
Ich sitze vor meinem Bildschirm und frage ein wenig ungläubig“ bist du wirklich?“, ein kleines Hündchen hält einen Briefkopf in den Pfoten und verkündet mir schnalzend und etwas augenzwinkernd, er hätte Post für mich, also ist es wahr.

Seit Tagen schon, genauer gesagt, seitdem die Bundesregierung von der alten Regierung in die neue Führung überwechselte, die eigentlich vordem die Alte war, sagt mir der Sprecher im Fernsehen, ich solle doch besser im www nachsehen, dort könne man es genauer nachlesen, denn dort stünden die neuen Zusammenschlüsse wer nun mit wem kollidiere oder das Händchen hielte, sie sagten mir auch, dass Strom und Gas nun billiger werden würde, auch dies könne man dort erfahren, aber ich hatte kein www.

Drei Tage lang, die sich endlos dehnen können.
Ein Grund zum Nachdenken, ich hatte ja nun Zeit und davon jede Menge.
Vom Alltagsleben abgewürgt, ausgestoßen, wie geradezu angefeindet und ausgegrenzt kommt man sich vor, wenn man keinen Kontakt zur Außenwelt hat.
Nach der Tagesschau habe ich mir schon oft Gedanken darüber gemacht, dass hier oben bei uns viele ältere Leute ohne Anhang wohnen, die alle keinen PC und damit auch kein www haben, hätten sie, die Tageszeitung nicht abonniert, woher bekämen sie ihre zusätzlichen Informationen?
Es gibt hier immer noch Straßen, die nicht an die DSL – Leitung im Netz der Telecom angeschlossen sind. Ein anderes gibt es nicht. Wir sind noch nicht soweit, heißt es immer wenn man nachfragt ob Arcor, Alise, oder Freenet, 1&1...oder ein anderes möglich ist, das so schöne Werbung macht.

Hätte ich nun kein Auto, kein Fahrrad, kein Handy oder wäre so alt und gebrechlich um diese Kommunikationsmöglichkeiten nicht mehr nutzen zu können, säße ich und die anderen rings um mich herum, ganz schön auf dem Trockenen.

Seit Tagen wird bei uns die Stromoberleitung, die bisher von einem Ort zum anderen führte, unter die Straße verlegt, das heißt, seitdem gibt es Baggerarbeiten,
eine aufgerissene Straße, die den Zugang zu uns versperrt und unglückselige Zufälle, - Unfälle oder Begebenheiten.
Ach, eigentlich ist es egal wie man es nennt.

Am Montag war der gesamte Strom in der Straße plötzlich weg.
Mitten im Arbeiten schaltete sich der PC aus, Batsch.... bumm, dunkel war`s doch der Mond schien nicht helle, es war mitten am Tag und das für mehrere Stunden.

Ein Grund mehr zu überdenken, wie abhängig wir doch in unserem Alltagsleben von so selbstverständlichem gewöhnlichen wie dem Strom sind.

Die Gefrierschränke sind daran angeschlossen,
der Fernseher,
das Radio,
das Telefon,
ja selbst unser Wasser lief nur über eine Pumpe, die wiederum wurde durch den Strom angetrieben, also hieß es,
wir haben auch kein Wasser.

Von einer Sekunde auf die andere ohne Strom, Licht und Wasser zu sein, ohne vorsorgen zu können, nun das hat was, da denkt man automatisch an früher als man noch ohne auskommen musste.

Wäre das in einem heutigen Haushalt überhaupt denkbar?
Wer hat überhaupt soviel Kerzen im Haus und was ist mit Streichhölzern, gibt es die überhaupt noch – wenn man nicht raucht?
Eine geradezu beängstigende Stille breitet sich in den Räumen aus, wenn das alles fehlt, man wird beunruhigt und ein wenig durcheinander.
Wie lange, fragt man sich, wer ist daran schuld und wer meldet den Schaden wenn man doch überhaupt nicht erreichbar ist.
Ein Glück gibt es Handys.

Doch hier oben in der Siedlung, die so weit ab, circa einen Kilometer vom Dorf liegt, wohnen viele ältere Leute, die sonst den ganzen Tag im Hause sind, die brauchen keine Handys, die haben ja normalerweise ihr Telefon mit dem sie sich mitteilen können.
Die Jungen, so überhaupt noch welche zuhause wohnen, sind am Tage zur Arbeit, wissen also nichts davon und sind auch nicht erreichbar.
Keiner ist mehr erreichbar.

Mein Vermieter war auch aus dem Haus, ich war alleine, er erzählte mir allerdings später, er wäre mitten in einem wichtigen Geschäftsabschluss per E-mail gewesen als sich der PC ausschaltete, daraufhin hätte er sich sofort per Pedes aus dem Haus gemacht um die Bauarbeiter am Ende der Straße aufzusuchen, denn er hätte gleich die dortigen Bauarbeiten im Verdacht gehabt.
Der Baggerarbeiter saß wohl auch fröhlich pfeifend in seinem verglasten Häuschen und merkte nicht, dass er einen riesigen Stein aus der Straße ausgebaggert und mitten auf die Kabel geworfen hatte und damit einen Kurzschluss verursachte.
Die Stadtwerke kamen nach einem erfolgreichen Handyanruf und einer guten Stunde, die sich endlos dehnte, bereinigten den Schaden, flickten das Kabel und wir hatten wieder Strom.

Doch der Schreck und die eigentlich unnütze Aufregung saß uns noch ein wenig länger in den Knochen, denn das sollte ja nicht alles gewesen sein.

Am nächsten Morgen, so gegen 9°° war das Telefon weg. Der Strom ging zwar, aber das Telefon war tot. Mausetot.
Stille, nur das kleine Licht, nämlich die beiden Striche auf der Basisstation blinkte leise, und ich merkte mitten im speichern und Daten herüberholen dass mein DSL – online und LAN Lämpchen ausging.
Schnell speicherte ich noch und fuhr anschließend den PC herunter damit mir die Daten nicht verloren gingen.
Was jetzt?
Schon stand mein Vermieter an der Tür. „ Angel, das Telefon geht nicht, geht dein Handy?“ fragte er, denn seines war nicht aufgeladen, meines war natürlich auch nicht mit einer großen Summe beladen, denn normalerweise brauche ich es nicht.
Telecom, ja natürlich die Telecom anrufen, das war unser erster Gedanke, dann der zweite, die Bagger am Ende der Straße.
Zum Glück hatte eine Nachbarin, die ich kannte, noch ein altes Telefon, das nicht an eine DSL – Leitung angeschlossen war und rief die Telecom Störungsstelle an, regte sich aber tierisch darüber auf, dass sie ständig von einer Bandansage an die andere verwiesen wurde , dort nur Musik hörte und nur eine Computeransagestimme zum anhören unserer Probleme hatte, denn mittlerweile wussten wir, dass die ganze obere Siedlung ohne Telefon war.

Der Baggerkranführer hatte das Netzkabel der Telecom mitten durchgerissen.
Es hing und zappelte nur an den zwei Enden, mittendurch klaffte ein Loch.
Keine Verbindung zu Außenwelt.
Frage an die Menschheit...
Schon mal einer fast 3 Tage ohne Telefon gewesen?

Nun, das kann ja ganz erholsam sein, aber was, wenn man es tatsächlich braucht?
Um einen Arzt zu holen beispielsweise?

Ich brauche es nicht unbedingt, fühle mich aber doch sicherer wenn ich jemanden erreichen kann und auch erreichbar für andere bin.
Vielleicht kann man ja Brieftauben schicken, aber was, wenn man die nicht hat?
Er, mein Vermieter braucht sowohl Telefon als auch PC täglich 12 Std. rund um die Uhr weil er von zuhause aus arbeitet, anderen geht es vielleicht ebenso.
Online banking - Aufträge, Bestellungen, Post erledigen, allgemeine Kommunikation, alles ist ja heutzutage auf den PC ausgerichtet.
Die alten und oder älteren Leute sind vielleicht nicht mehr daran interessiert und brauchen vielleicht keinen PC, aber einen Arzt zum Hausbesuch oder haben sich Medikamente in der Apotheke bestellt, Lebensmittel aus dem Discounterladen, wollen eventuell jemanden dringend anrufen, das heißt so ganz ohne Telefon will wohl niemand sein, selbst wenn er es aktuell nicht braucht.

Informiert sein, jemandem anderen Bescheid geben, geht manchmal nur über Telefon.
Nein, Brieftauben habe ich hier oben noch nicht gesehen, nur Falken, Meisen und Amseln..
Ob die allerdings Nachrichten überbringen, bin ich mir nicht im Klaren, vielleicht sollte ich die Eichhörnchen, die Eichelhäher oder die Igel fragen.
Ich könnte nun natürlich auch die Katzen ins Dorf schicken, aber ob die wohl dort verstanden werden würden? Ich wage das zu bezweifeln.

Nun, drei Tage war ich ohne diesen Klingelton, konnte auch niemandem Bescheid sagen, führte unendlich viele und außerordentlich nervige, ein Glück kostenlose Telefonate über die Servicenummer per Handy mit der Telecom, die wiederum angeblich ebenso viele mit ihrem Subunternehmer, der den Schaden in Ordnung bringen sollte, der aber an einem Tag zuviel Arbeit hatte und woanders unterwegs war, am nächsten eine Gesprächszusammenkunft mit seinen Arbeitern hatte und damit nicht erreichbar war und am 3. Tag endlich versprach bis gegen Mittag würde man dem Problem näher rücken.

Drei Tage lang hatte ich Zeit mir vorzustellen ohne PC zu sein, woran man sich natürlich auch wieder gewöhnen kann, aber ich würde es vermissen nicht mehr darin schreiben zu können, keine Nachrichten mehr zu empfangen und mich mit dem Gedanken anzufreunden mich wieder auf die Briefpost einzustellen, die aber zur Zeit auch nicht unseren Berg herauf kann.

Woraufhin ich wieder beim Eingangspunkt bin, ausgegrenzt von jeglicher Kommunikation zu sein, ist kein angenehmes Gefühl und sich vorzustellen, da zu wohnen wo es das alles vielleicht nicht gibt, Strom und Telefon, keinen Fernseher und keinen PC, vielleicht sogar kein Wasser, nun, also praktisch in der Einöde oder Wüste oder in einem Blockhaus an einem kanadischen See, eine ansonsten vielleicht verführerische romantische Vorstellung im Sommer, im Urlaub, aber auf die Dauer, seufz, auf die Dauer, nein, da kann ich mir das heutzutage nicht mehr denken.
Vielleicht sollte man sich Flügel anschaffen um auf die Dauer beweglich zu sein.
Aber ein Glück, nun geht es ja wieder, der PC und das Telefon.
Aber der Baggerführer, der baggert fröhlich weiter, für den Schadensfall wird wohl die Versicherung der Firma aufkommen, den schert es nicht weiter, denn er hat ja Telefon..


© Angelfee



Impressum

Texte: Text by Angelface
Tag der Veröffentlichung: 29.10.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
vielleicht für die liebe Telecom?

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