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Nur eines meiner kleinen Abenteuer auf dem Dorfe



Man denkt ja immer auf dem Dorf, na ja, da passiert nicht viel, es ist eine kleine heile Welt und die hält, sie ist in Ordnung.
Pustekuchen würde ich sagen, auch hier stimmt so einiges nicht, wenn man genauer hinguckt.

Heute am frühen Abend:
Der Tag fängt schon langsam an, sich zu verabschieden, ich komme in mein Schlafzimmer mit Ausblick auf die Felder und Wiesen vor ihm, was höre ich...
Geräusche, mampfende, schabende Geräusche, ich lausche, woher kommen die?
Ich sehe hinaus und hinunter, auf den Hof und davor obwohl eine dichte grüne Hecke mir die Sicht auf die kleine graue Straße, den einzigen Zugang der zu uns führt - versperrt.
Ein graues Horn schiebt sich durch die Hecke während die schabenden Geräusche immer lauter werden.
Ach, du meine Güte, denke ich mir noch, die Kühe haben sich befreit.



Was mag eine Kuh dazu bewegen, sich von ihrer Herde zu entfernen?
Schon im Laufe des Tages habe ich die eine oder andere wandern sehen, doch da sie weiter entfernt waren, ich schätzte die Entfernung so auf ca 300 Meter, konnte ich nicht einschätzen ob sie innerhalb ihres Pferches oder außerhalb waren.
Nun wusste ich es und rief sie.
„Kooooomm, komm, komm, was machst du her“, rief ich ihr vom Fenster aus zu, da schob sich ein zweiter mächtiger Kopf durch den grünen Zaun, ich erstarrte. Noch mehr?
Was machen die hier, war mein Gedanke und was mache ich?
Ich war noch alleine im Hause. Mein Vermieter war beim Sport, dort ist er manchmal stundenlang, also war mit ihm nicht zu rechnen und seine Frau befand sich sicherlich noch im Dienst. Sie ist Richterin in G und macht oft Überstunden.
Also musste ich mit dem Problem selber fertig werden.
Mein zweiter Gedanke waren die Katzen, wo sind die? Doch nicht mittendrin?
Ich kenne Merlin, der mich oft genug in Angst und Schrecken versetzt wenn er völlig unerschrocken zwischen den gefährlichen Hufen der Pferde hindurchschlendert, so, als wäre es für ihn ein normaler Stadt-Wald und Wiesenspaziergang.
Mir bleibt bei dem Anblick immer fast das Herz stehen.
Ein zermantschter Kater im Leben reicht mir eigentlich völlig als Albtraum.

Ich schlüpfte in meine Schuhe, schnappte mir die Camera und das Telefon und sauste nach unten in den Hof.
Dort erwarteten mich keine schabenden Geräusche mehr, mittlerweile waren es mampfende, schlürfende mit lautem Muhen durchzogene, irgendwie klang es kläglich, die Tiere, so schien es – hatten mordsmäßigen Durst.
Direkt neben unserem Eisentor, einem grünen stabilen Gatter, befand sich schon seit Jahren eine alte, leicht angerostete 2 Meter lange Eisenwanne, dicht überwachsen von stacheligen Brombeerblättern, inmitten von Unkraut und Steinen, die übereinandergetürmt vom letzten Bauvorhaben noch da lagen.



Darauf kletterten nun die Kühe ungelenk mit ihren Hufen herum, rutschten ab und muhten...
Dicke Köpfe versuchten sich mehrfach nebeneinander in die Eisenwanne hineinzubohren, denn an dessen Grunde befand sich noch ein Rest schlammiges brackiges Wasser.
8 kräftige, große Tiere waren es, die sich aus ihrem Wiesengehege befreit hatten.
Ich vermutete, dass sie das Wasser gerochen hatten und sich schnurstracks dahin begaben.
Große runde wunderschöne Augen blickten mich an, manche Köpfe waren gesenkt auf der Suche nach Wasser.
Einige hatten kleine Krönchen auf den Hörnern, Brombeerranken und Grünes aus dem Zaun, dass sie herausgerissen hatten.
Sehr unruhig waren sie, stampften mit den Hufen und drängten sich wild aneinander, es entstand ein richtiger Tumult zwischen ihnen, denn jeder wollte an das letzte Tröpfchen brackiges Nass.
Ich schüttelte nur leicht entsetzt den Kopf, die armen Viecher...
Sooo ein Durst, wie viel trinken Kühe an einem Tag?



Ich muss gestehen, dass ich im ersten Moment mit der Situation ein wenig überfordert war, man konnte nicht raus aus dem Hof, weder das Gatter öffnen, noch die Tiere wegtreiben, denn sie verbarrikadierten mit ihren mächtigen Leibern die gesamte Hofeinfahrt.
Was sollte ich tun?
Wasser! durchschoss der Gedanke meinen Kopf, gib ihnen Wasser..
ich eilte in den Garten und suchte Gefäße, eine Kanne, guckte in die Regenfässer.
Die hatten wir wegen des Bodenfrostes schon leergemacht, aber eines war noch bis zum Rande gefüllt weil es ein wenig im Hausschatten stand.
Einen 10 Ltr. Eimer fand ich auch, es war ein alter Malereimer, die Kannen zum Gießen standen daneben.
Ich packte die Kannen, füllte sie mit dem eiskalten, klaren Wasser, schnappte mir den Eimer und trug sie zurück über den Hof bis zum Tor, dort muhte es schon laut und verzweifelt.
Sie warteten mit großen Augen, bohrten zum Teil ihre Hörner in das Gatter und zerrten daran, es sah aus, als wollten sie hereinkommen, der Eisenhaken der das Tor zuhält, schepperte verdächtig und drohte sich schon aus der Verankerung zu lösen.



Halt, rief ich, halt, macht langsam, ich komme...
Doch der Anblick meiner Kannen oder der Geruch des Wassers, ich habe keine Ahnung - machte die Tiere halb verrückt. Wie die Wilden fielen sie über das Wasser her, dass ich ihnen in den Eimer goss und durch einen Spalt in der Tür auf die Straße stellte.
6 Köpfe auf einmal versuchten sich hineinzuzwängen, es war ein erbärmlicher Anblick.
Dabei muhten und muhten sie lang.. muhhhhhh...
Muh.....und rollten dabei mit den Augen.

Der Eimer fiel immer wieder von neuem um, rollte weg, das Wasser versandete.
Acht Mal lief ich insgesamt hin und her, jedes Mal mit zwei gefüllten Kannen und bei jedem Mal wurde das Rufen wilder, denn es reichte hinten und vorne nicht.

Eine versuchte das verschüttete Wasser mit ihrer langen fleischigen Zunge von der Straße aufzufangen, der Eimer ging binnen Minuten kaputt und tropfte, die Leiber drängten sich gegenseitig beiseite, bedrängten sich, sie kamen sich ins Gehege wenn sie ihre Köpfe aneinander drängten und rieben, es war ein wirres und lautes Durcheinander.



Längst hatte ich einen zweiten Eimer aufgetrieben, schwitzte beim Laufen, Arme, Beine und Füße waren Pitschenass, aber ich traute mich kaum auf die Straße um jedes Mal wieder den Eimer einzufangen um ihn erneut auffüllen zu können.

Merlin kam die Straße herauf, erstaunte Augen machte der kleine Bub und ich bekam es nun mit der Angst, Merlin, kusch dich, ab in den Hof, rief ich...
Doch seelenruhig spazierte er, wie ich es geahnt hatte, durch die Beine und vielen Hufe und sprang ruhig und gelassen auf das Gatter.
Dieser Schlingel, der hat wohl vor gar nichts Angst im Gegensatz zu mir.
Ein paar Mal versuchte er wieder die Seiten zu wechseln, zu aufregend war wahrscheinlich das glotzäugige Getummel vor ihm, dass er wohl eher als Spiel ansah.
Nun, mir war alles andere als nach Spielen zumute. Nun hatte ich schon zwei zu vertreiben, die Herde vor dem Gatter einigermaßen zu bändigen und meinen jüngsten Sohn der mit ihnen spielen wollte.

Ich schleppte weiter und tränkte sie...sah aber, dass ich unmöglich alle Tiere satt kriegen konnte. Mittlerweile zitterten mir auch unter dem ständig schwerer werdenden Gewicht die Knie und langsam dunkel wurde es auch.
Ein Auto kam den Berg herauf, ein Glück, dachte ich und winkte schon, doch der, der im Wagen saß, kriegte wahrscheinlich Schiss in die Hose vor all diesen mächtigen Leibern, die sich als Pulk zusammengerafft als Bedrohung darstellten und wendete, indem er einfach wieder rückwärts fuhr.
Memme, schimpfte ich hinter ihm her.
Doch die Tiere wurden langsam ruhiger, bohrten nicht mehr wild durcheinander drängend ihre Hörner in unser Gatter, sondern ließen sich sogar streicheln und anfassen, doch hinaus zu ihnen wagte ich mich doch nicht. Sie waren zu riesig mit ihren mächtigen Leibern und neben ihnen fühlte ich mich klein und schmächtig.
Wer ist hierfür zuständig dachte ich, wen rufe ich jetzt am besten zuerst an?

Ich nahm das Telefon und wählte die Nummer des Ortsvorstehers, hatte ihn auch sogleich am Telefon, schilderte ihm den Vorfall, der verwies mich an die Besitzer.
„Ich kenne die Besitzer nicht,“ sagte ich, „letztes Jahr hatten wir schon mal Probleme als die Jungkühe ihre Kälber mitten im Schnee bekamen und sich keiner um sie kümmerte, tun sie etwas!“
Murrend erklärte er sich bereit, diese zumindest zu informieren.
Da kam, noch während ich mit ihm sprach, die Frau meines Vermieters mit ihrem Wagen an, ließ ihn am Fuß des Berges stehen und wagte sich vorsichtig und langsam mit beruhigenden Worten durch die Herde, sie ist Pferdebesitzerin und weiß mit den Tieren umzugehen
„Welch ein Chaos“, sagte sie, hast du schon jemanden erreicht?“
Hinter ihr drängten sich die Kühe durch das Gatter, vielleicht dachten sie, hier ist jetzt unser Zuhause?
Wir hatten alle Mühe sie abzuhalten uns zu sehr auf die Pelle zu rücken, holten nun gemeinsam Wasser, sie steuerte noch einen Eimer und eine Kanne bei und wir befüllten nun die Eisenwanne, die zumindest ein wenig abseits vom Tor war.
Erneut entstand Gedränge und Muhen...eines der Tiere rutschte auf den mittlerweile nassen spitzen Steinen aus und wir hatten schon Angst, dass es sich verletzt hatte. Aber Kühe sind zäh, es rappelte sich mit seinem mächtigen Körper wieder auf.
„mein Gott, wie lange haben denn die Tiere nichts mehr gehabt?“ fragte sie, was ich ihr nicht beantworten konnte.
Irgendwann, es erschien uns wie Stunden, beide waren wir erschöpft, die Dunkelheit war längst hereingebrochen, kaum konnten wir mehr erkennen wohin wir das Wasser gossen, schienen sie satt zu sein und trollten sich langsam und bedächtig ein Stück auf die Wiese, blieben aber in naher Sichtweite.
Dann warteten wir, dass jemand kam...und warteten und warteten...
Es kam keiner.
Doch, Roli mein Vermieter kam, sah die Bescherung und schimpfte auf den Bauern.
„Sich Tiere als Schlachtvieh zu halten und sich nicht darum kümmern, das liebe ich“, sagte er und rief nochmals den Besitzer an.

Den Namen kannten wir ja nun vom Ortsvorsteher.
Eine, ich nehme an, seine Frau - war am Telefon, Roli fragte: „Sagen sie mal, können sie sich nicht mal um ihre Tiere kümmern, die sind ja halb verdurstet gewesen, wir haben sie erst einmal getränkt, 8 Stück sind draußen, wollen sie nicht mal kommen?“
- die Antwort lautete, „Ach die gehen schon wieder zur Herde, gestern morgen in der Früh war mein Sohn da und da war noch einviertel Wasser in der Tränke. Die kommen schon klar“.

Heute morgen, nach einer sehr unruhigen Nacht voller Träume, sehe ich hinaus und sehe die Kühe, mindestens 10 an der Zahl, die noch immer außen herum wandern, innen im Gatter sind höchstens noch vier Tiere, es war also noch immer keiner da um sich zu kümmern.

Hier hat sich ein kleines Drama abgespielt, aber was schert es den Bauern, er wohnt weit genug weg um es nicht mitzukriegen,
für die Milch gibt’s nicht viel und was sie für das Fleisch bekommen entzieht sich meiner Kenntnis, aber über die Haltung der Tiere da rege ich mich auf.
Selbstverständlich, das ist keine Frage, kümmert sich auch keiner darum, ob die Tiere außerhalb ihrer eingezäumten Wiesen einen Schaden anrichten, nach unseren Hofgatter fragt auch keiner, ich bin gespannt, wann ich einen der Besitzer der Tiere sehe...

Eine kleine Demonstration: So gehen die Bauern mit ihrem Vieh um, in dieser angeblich so heilen kleinen Welt, die mit dem mangelndem Bewusstsein ebenso langsam in sich zusammenfällt.
Und so gibt es noch Geschichten von Schafen, die sich in Elektrozäunen verfangen, Schweinen, die in dunklen Ställen gehalten werden und nie das Tegeslicht erblicken und von Hühnern in Schlachthäusern, die nicht allzuweit weg sind.
Und bei dem Gedanken daran stehen mir sämtliche Haare zu Berge.
Und eigentlich heißt es doch immer, Tierschutz ist auf dem Lande groß geschrieben...
doch ist es das wirklich, frage ich ?
Und wenn sich sonst keiner kümmert, heute tue das ich.
Denn heute Nacht wurden die zwei ersten jungen Kälbchen geboren.



und fragen mit riesengroßen Augen und entzückenden Ohren:
" Mama, warum ist denn für dich, immer noch kein Wasser da?"

Nur ein kleines Abenteuer auf dem Dorfe, bei dem mir allerdings das Lächeln auf den Lippen gerinnt.



© Angelface


Impressum

Texte: Text und Bilder by Angelface
Tag der Veröffentlichung: 22.10.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
es sollten die Bauern hier lesen...vielleicht wachen sie dann auf

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