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Umstellung auf eine andere Zeit.

Batsch, Bumm, was ist passiert? Hat mich ein Hammer im Schlaf getroffen?
Ein blass übernächtigtes Gesicht blickt mich im Spiegel an, völlig zerknautscht. Trockene Hautschuppen grüßen mich in den Morgen, Igitt, die Haare hängen auch, irgendwie sehe ich aus wie ein wildgewordener Handfeger auf Tauchstation.
Bleischwer sind meine Knochen
„Wie hast du denn geschlafen. Warum fühlst du dich, als wäre ein Bagger quer über dich gerollt“?
Die Vögel zwitschern
Die Luft ist mild...
alles scheint laut zu jubilieren...
ich jedoch wuchte mich eher langsam wie eine geprügelte Eule aus meiner warmen Kuhle. Meine Güte, ich fühle mich völlig erschlagen, eher wie in Richtung Achtzig und halb gelähmt, doch die Bande ruft schon zum Frühstück.
Sie hat Hunger.
Kasimir steht mit trampelnden Füßchen an der Tür, glotzt in den Spiegel und quakt laut.
Er ist darauf eingestellt, wenn noch Schnee liegt, dass ich ihn die Treppe zum Morgenpischi halb herunter trage, schließlich will ich nicht, dass sich der arme alte Bub die Haxen bricht.
Ich sag ihm „Kannst du nicht selber laufen? Es ist doch schon längst alles weg“, folge aber brav und öffne ihm unten die Tür. Dort steht er dann unschlüssig, - ein Bein drin, eines schon draußen und kann sich nicht recht entscheiden.

Ich schubse ihn liebevoll einen Schritt weiter, worauf er fast kopfüber in einer Pfütze landet, ein empörter Blick zurück und er haut ab um sich auf dem Mülleiner niederzulassen, von dort quakt er dann laut seine Beschwerde in den Morgen..
Ich jedoch komme kaum mehr die Treppe hoch. Alles tut irgendwie weh. Muskeln, Sehnen, Knochen, ich könnte sie einzeln nummerieren und würde sie doch nicht mehr zusammen kriegen. Alles ist bleischwer und hängt an mir wie ein Zentnersack.

Mimi hat sich nach dem Frühstück wieder gemütlich oben im Sessel zusammengekuschelt, sie will nur schlafen, ihre zur Schnecke mutierte Figur verkündet mir: "Ab sofort nie mehr aufstehen", nur Merlin scheint es gerafft zu haben, der Frühling ist da.



Wrumms... von einer Stunde auf die andere.
Gestern noch brauchte man Wollmantel oder Anorak, heute riecht es schon verdächtig hinter der Eingangstür nach nur T-Shirt und kurzen Socken.
Am besten Schlappschuhe die gleich von den Füßen fallen.
Zweistellige Plusgrade sind uns vom Wetterbericht gemeldet worden, doch keiner glaubte recht daran.

Ich hatte mich gestern schon gewundert. Nach 5 Stunden Stadtgang, der mir sonst nichts ausmacht, war ich völlig zerschlagen, müde und kaputt.
Noch ein Telefonat und ich sank wie ein Stein in mein Sofakissen. Mein Schädel fühlte sich leicht gespalten an, so, als hätte mir jemand draufgeschlagen.

Merlin war die ganze Nacht unterwegs, Mimi fuhrwerkte albern wie ein wild gewordenes Eichhörnchen quer über den Gang und räumte die Einkaufskörbe durcheinander, Kasi brachte sich eine Maus zum Abendbrot mit nach oben und ich drohte ihm mit schwacher Stimme von meinem gemütlichen Platz unter der Stehlampe eine Wurmkur an.

Eine nicht grad muntere Stimme klang durch meine Telefonstrippe und fragte mich:"Und wie geht’s dir?"
Meine Begleiterin von nachmittags war dran und klagte über Rückenschmerzen, bleischwere Knie, Kopfschmerzen und Appetitlosigkeit.
Ich sagte zu ihr; guck mal in den Kalender, ab heute Nacht um 12.00 ist Frühlingsanfang.
Unser Organismus ist nicht darauf eingestellt, sich so plötzlich von Winter auf Sommer einzustellen.
Sommer?

Ich glaub es hakt.

Früher Morgen. Dunstige Nebelfelder liegen noch über den Wiesen, alles ist matschig und grau, die Äste der Büsche und Bäume sind kahl, wie abgefressen vom Frost und der Kälte und dennoch sitzen ganze Vogelscharen zwitschernd in den Zweigen. Und ganz weit Hinten, da kommt schon die Sonne hinter dem Hügel hervor.
Ein Kranichzug fliegt flügelrauschend vorbei, quer übers Haus und verschwindet in den Wolken, Krah, Krah...
Aha, die sind auch schon da.
Nun kann es ja losgehen. Ich sollte etwas unternehmungslustiger sein, mir ein Beispiel an meinen Jungs nehmen.
Ich stecke müde meine Nase aus dem Fenster und rufe meinen jüngsten Buben. Wo steckt er denn?

Antwort bekomme ich nur von einem einsamen Spaziergänger der seinen Labrador an der Leine den Berg herauf führt, guten Morgen, grüßt er freundlich.
Es dauert eine Weile und dann donnert einer mit wild um sich schlagenden Hufen, als wäre er ein Trakehner in den Raum, springt mir auf den – bis jetzt noch sauberen Schoß – und putzt sich seine Füßchen an mir ab.

"Du spinnst wohl, geh weg, du Lümmel", sag ich zu ihm und er maunzt empört.
Hunger hat er keinen, aha, wahrscheinlich wälzen sich noch dicke fette Mäuse in den Gedärmen.
"Duhu", drohe ich ihm, gleich gibt’s Profender auf den Hals, woraufhin er mir verächtlich den Rücken zuwendet: Machste doch nicht, Alte!
Hast du eine Ahnung meckere ich ihn zurück an, erst mal entwurmen, dann impfen.
Frühling ist nicht nur für dich in den Wiesen herumstreunen, auf Bäume klettern und ins Dorf spazieren, Frühling ist auch Vorsorge gegen Zecken und Flöhe, Würmer und Spinnen.
Spinnen, au ja, leuchtet sein Auge, er frisst Spinnen für sein Leben gern. Dann rauscht er mit elegantem Hüftschwung durch die Katzenklappe wieder ab auf den Balkon und hockt sich neben die Vogeltränke.
Dort patscht er begeistert im Wasser herum, endlich ist’s nicht mehr zugefroren.
Meister Meise sitzt im Vogelhaus und sieht ihm von oben herab zu.
Ein Schwarm Krähen fliegt von der Wiese auf, gesammelt in einer Gruppe saßen sie da und suchten die ersten Regenwürmer, Halme, Körner und was es sonst noch so zu picken gab.
Ein gefundenes Fressen für den Buben, wie ein eleganter Windhund stürmt er die Katzenleiter hinunter und scheucht den Rest der schwarzen Gesellen auf, die wie kleine alte Männer zwischen dem abgestorbenen Grün saßen.
Nun werde ich ihn wohl nicht mehr so häufig sehen. Wieder ein Jahr älter - entwickelt er sich mehr und mehr zum Wanderbuben.
Dort ein Schwatz mit den Mädels, da die Bekanntschaft mit einer Kuh, er findet schon Kameraden, die sich mit ihm unterhalten.
Und ich werde mich ebenfalls gedanklich auf den Frühling einstellen, vielleicht kommt ja mein Körperchen irgendwann nach.



@ Angelface


Impressum

Texte: Text @ Angelface
Tag der Veröffentlichung: 01.03.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
den Vögeln, Blättern, Halmen, kurzum dem Frühling natürlich, auf den wir uns alle freuen....

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