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Julchen spinnt

Welch Wunder, draußen liegt ausnahmsweise kein Schnee!
Während mein Magen den ersten Latte Macchiato - milchig leicht, mit dem Kick Espresso der unbedingt dazugehört - gerne in sich aufnimmt, setzte ich mich mit Zaudern an den PC, denn gestern Abend ist er mir bei der Übermittlung eines Bildes in eine Mail abgestürzt und zeigte etliche Fehlermeldungen an.

Nachdem mir Julchen heute morgen ins Ohr krähte
„ Mami schreib doch mal wieder “ und eine ihrer unnachahmlichen Weckattacken gestartet hatte, liegt nun endlich erster Frühlingshauch in der Luft.
Null Minusgrade zeigt das Thermometer.
Julchen gurrt wie ein Täubchen im Hintergrund, sitzt auf der Fensterbank und guckt den Vögeln nach. Sie
„ plappert“ gerne. Wenn ich sie anspreche, zirpt sie mit Kinderstimme und baut dem Hampelmann am Fenster die Füße ab.
Mit unnachahmlichem „ mmhrrhhrrauh..mauuhhaa“ unterhält sie sich mit Fräulein Meise auf dem Futterkasten und guckt mit spitzem neugierigen Gesicht nach, ob die Hunde schon im Garten sind. Außerdem muss sie ja unbedingt kontrollieren ob Aikiko der Haushund schon seinen Morgenspaziergang hatte, schon mit dem Ball in der Schnauze draußen war, was sie – wenn sie ihn erspäht hat – fröhlich kommentiert und dabei mit der Sonne um die Wette strahlt...

Ich habe frei, obwohl es Freitag ist. Meine Chef’s sind auf einer Fortbildungsreise und ich habe ihnen bestimmt und nachdrücklich bei der letzten Zusammenkunft verkündet, dass ich nicht die Absicht habe, in einer drei Tage lang geschlossenen Praxis die Zeit abzusitzen.
Mit ein wenig sauertöpfischer Miene wurde mir bestätigt, wir könnten gehen sobald die Arbeit gemacht wäre, und somit habe ich auch für meine Kolleginnen Freizeit herausgeschunden, die sie sonst nicht bekommen hätten, denn sie waren zu feige, um nochmals nachzufragen.

Julchen dankt es mir mit einem „etwas späteren wecken“ dafür, dass ich ihr den Vormittag widme.
Es ist schon ein zu Herzen gehendes Gefühl, wenn sich dir ein magerer Katzenkinderpopo aufs Gesicht zu setzen versucht und eine kleine feuchte Katzennase zärtlich und leise in deinem Ohr herumstochert.

Julchen hat’s wirklich drauf, mich schon morgens vor dem ersten Augenaufschlag zum Lachen zu bringen.

Entweder sie setzt sich auf mich, was heißt, sie beglückt mich mit „ einmal bitte warmer Kinderbauch um den Hals wickeln“ oder „ Tatze auf Mund", wohlgemerkt meinem natürlich - und darauf herumrumtrommeln als wäre ich ihr Bass oder Schloagzeug.
Dabei kommt fröhliches Krähen aus ihrem spitzen Schnäuzchen, während Paulchen aus seiner Schlafecke zuguckt ohne sich zu rühren. Wenn ich nicht sofort aufstehe, krabbelt sie hinten rum - nämlich vom Halseingang in mein Nachtgewand und robbt sich dann langsam am Rücken hinunter, bis sie an den Füßen angekommen ist, die sie zärtlich, aber sehr bestimmt durchzukauen versucht.
Doch nun will sie mir und Paulchen erst einmal zeigen, was sie wieder alles gelernt hat.
Ich hatte gestern, als die Praxis schon Patienten verwaist war, alle alten Blumengestecke mit nach Hause genommen um sie umzutopfen und neue Arrangements daraus zu gestalten.
Julchen war beglückt, als sie das sah und raste wild um mich herum.
Ich hockte auf dem Fliesenboden im Esszimmer und grub die moosbedeckten Körbe mit Fettpflanzen aus. Jule grub mit.
Einzelne kleine Dekorsteine waren in der Erde vergraben und sie buddelte mit wild wehenden Öhrchen dort ein Pflänzchen, hier ein Steinchen aus und brachte es mir.
Autsch, unter meinem Hintern hatte sich etwas versteckt und drückte mich.
Ich sah nach und entdeckte, dass es Bonbons in Stanniolpapier eingewickelt waren.

„ Juulchen „ fragte ich strafend und drohte ihr mit dem Zeigefinger, doch sie zirpt nur gelassen. Das ist ihr doch wurscht und schnurzpiepegal.
Dann hüpft sie auf den Esszimmertisch und zieht sich
mit den Pfoten aus der dort befindlichen Glasschale ein Mini - Snickers heraus, um es mit „ brumm, brumm“ unter dem Teppichläufer zu verstecken.
Ich hatte mich schon seit Tagen gewundert, warum die Süßigkeiten in der Schale so rapide abnahmen, obwohl ich doch, weiß Gott keine Süßigkeitsfanatikerin bin und das Zeugs manchmal lange in der Schale herumliegt. Meist ist es eh nur für Gäste gedacht, die es gerne futtern.
Nun hat Julchen aber einen neuen Sport entdeckt.
Apportieren, heißt er.

Rauf auf den Tisch, Bonbon mit spitzen Zähnchen geschnappt und „wegtragen“.
„ Ist sie ein Hund“? frage ich mich und lächle ihr nach.
Sie bringt ihre Beute zu Paulchen und legt sie ihm vor die Katzenpfoten, als wolle sie ihn damit auffordern
„ komm Alter, spiel mit mir! „.
Und - wer soll es glauben, wenn er es nicht selbst gesehen hat? Paulchen, dieser schwere große Kater - kommt der Aufforderung tatsächlich nach und erhebt seinen trägen Alabasterkörper aus seiner Ruhephase, um mit ihr „ ich hole und bringe wieder - ich bin ein Hund - du Katze „ zu spielen. es ist nicht zu fassen, diese Kinder...
Nun habe ich die Ehre und dankenswerte Aufgabe unter jedem verfügbaren Teppichläufer in der Wohnung, unter Kissen und im Bett, dem Badezimmerläufer und zwischen den Blumentöpfen meine Bonbons wieder einzusammeln.
„ Kinder, Kinder “ seufze ich nur, und bin dennoch glücklich, sie so versunken und entspannt spielen zu sehen, denn damit geht’s mir automatisch gut und außerdem hab ich einen stressfreien Tag geschenkt bekommen, was will der Mensch mehr….






Julchen und die frische Luft

Ursprünglich wollte ich noch ein wenig warten, bevor ich das Katzenkind mit Licht - Luft, Sonne und grenzenloser Freiheit bekannt mache.
Aber heute ist ein richtig milder heller, fast goldener Oktobertag obwohl es längst Ende November ist. Die Sonne schien so verführerisch und auf der Terrasse lag so viel welkes Laub herum, dass ich Lust hatte den Nachmittag im Freien zu verbringen.
Paulchen hatte mich schon in der Wohnung begrüßt als ich nach Hause kam und schien mir träg und müde zu sein.
Julchen schlief noch fest, aber als sie mich hörte, dauerte es nicht lang, bis sie mit fröhlichem Gezirpe auf mich zusprang.
“ Auuuha..... ja, Mami ist da...“
Der Einkaufskorb war im Nu ausgepackt, Julchen saß natürlich als erste drin und räumte fleißig schon mal für mich aus und ich zog mir schnell etwas Bequemes an.
Die Fliegengazetür war beim letzten Sturm aus einer der Angeln gehoben worden und hing schräg in der Kurve.
Paulchen zwängte sich gleich durch die halb geöffnete Balkontür, anstatt wie gewohnt die Katzenklappe zu benutzen und Julchen flitzte schnell wie der Blitz hinter ihm drein.
Au weia...... da wurd’s mir aber bang, denn es gab doch so einige Möglichkeiten zwischen den Blumenkästen hindurch auf das Vordach und den Dachfirst zu gelangen, aber dann dachte ich mir, Paulchen passt schon auf und wer hoch kommt, kommt auch wieder runter.
Man soll ja nie zu ängstlich sein, denn dann erst passiert etwas, man kennt das ja von Kleinstkindern, die zum ersten Mal die Füße alleine bewegen, ewig hat man das Gefühl, gleich fallen sie hin.
Julchen und im Freien – sie war entzückt!
Wie ein kleiner Kobold, ein Sprung in den nächsten Steintrog und sie grub, als wäre sie eine wild gewordene Harke, zielgerecht durch den Boden, alles warf sie fröhlich hinter sich, Broken, Erde, Blümchen....
Paulchen guckte nur verblüfft, so schnell war sie.
Dann sprang sie ins hohe Büschelgras, das noch üppig und saftgrün bepflanzt war, danach mit einem Satz auf den Tisch, von dort über die Korbstühle und dann landete sie etwas unsanft auf ihrem mageren Graupopo, als sie den Absprung nicht richtig berechnete.
Sie schüttelte ein wenig verdutzt den Kopf und schon ging es weiter.
Paulchen hatte richtig seinen Spaß, er begann sie tüchtig zu jagen und damit ging die wilde Hopserei erst richtig los. Schnell duckt man sich ins Gras, ein Brummen aus kräftiger Männerkehle und Hoppsassa ging es, natürlich in Richtung Dach, wie konnte es auch anders sein.
Paulchen zeigte ihr wo es lang ging und sie hoppelte fröhlich quietschend hinter ihm her.
Ich begann beruhigt meine Aufräumaktion, denn ich wusste sie in guten Pfoten.Lang blieben sie jedoch nicht oben, wahrscheinlich blies der Wind zu laut.
Als ich mich bückte und begann, ein paar verweste und halb verfaulte Wurzeln auszugraben, enterte sie mich, als wäre ich ein Segelschiff, sprang mir auf den Rückenund rutschte mir im wahrsten Sinne des Wortes den Buckel rückwärts hinunter, autsch... Katzenkrallen, das tat weh....
Auaah,..... schon wieder eine neue riesige Schramme da hinten, hab ich nicht davon schon genug?
Ich zog los und suchte mir eine Strickjacke zum Schutz, krempelte aber bald die Ärmel auf, denn mir wurde richtig warm.
Irgendwann hörte ich im Hintergrund Geraschel und Gefiepse, die Beiden hatten ein Mäuschen entdeckt, dass sich auf den Balkon verirrt und im Büschelgras der Einfriedung versteckt hatte.
Ihre erste Maus, gleich zwei wunderbare Erlebnisse für das kleine Katzenmädel.
Julchen wusste sich kaum zu halten und ganz schnell sah man, woher sie kam, nämlich vom Bauernhof....
Das ist einfach drin in ihr, das Wilde...
Mit einem Satz sprang sie auf die Maus, transportierte sie mit viel Geschick in der Schnute, warf`s Mäuschen in die Luft, tatzte nach ihm und biss zum Schluss mit kräftigem Ruck in den zarten Hals.
Stolz leuchteten ihre Schrägaugen und ihr lautes stolzes Schnurren drang durch den stillen Nachmittag.
Paulchen gratulierte ihr, er sah aus, als wolle er sofort in die Pfoten klatschen.
Den Rest vom Mäuschen durfte ich dann entsorgen, die mittleren Happen bis auf die saure Galle hatte er sich geholt.
Danach ging es wieder auf das Vordach. Von da aus sahen die beiden einträchtig zur Wiese hinüber. Der Bauer hatte sich den Nachmittag dafür ausgesucht seine Pferde ein wenig zu bewegen und schaukelte seine Enkel auf dem Pferderücken über die Wiese. Sie quietschten und lachten laut.
Julchen fielen fast die Augen aus dem Kopf, das kannte sie nicht.....

Ich sah ihr an, dass sie am liebsten einen Luftsprung in den Hof gemacht hätte um den Pferden und den Enkeln Gesellschaft zu leisten, aber ich fand; das war wohl doch noch zu früh.
Ich schnappte sie mir am Bauch und trug sie ins Zimmer, während sie heftig protestierte, allein wäre sie sicher nicht in die Wohnung mit mir zurück gekehrt, zu schön war hier das Toben auf freier Wildbahn für sie.
Jetzt liegt sie, nach ihrem ersten Ausflug, das vorwitzige Näschen zwischen die ausgestreckten Pfoten gesteckt auf ihrem Kinderkratzbaum am Fenster und guckt mit müden Schlitzaugen durch die mittlerweile dunkle Fensterscheibe.
Aber – was heißt schon dunkel, auch kleine Katzenmädchen können in der Dunkelheit sehen. Vielleicht guckt sie ja auch nur sinnend Paulchen nach, der seine Nacht wieder im Freien verbringt und träumt schon mal davon mit ihm draußen gemeinsam zu jagen.






Julchen wächst

Jule hat den Jagdtrieb in sich entdeckt.
Seit einer Stunde lag sie etwas müde in einem ihrer Katzenkörbchen, wobei man erwähnen sollte, dass es viele von ihnen in meiner Wohnung verteilt gibt, denn sie wechselt sie so schnell aus, wie ein Mann seine Hemden.
Schon Paulchen hatte da seine Vorlieben, mal lag er in einem der Korbstühle im Esszimmer, mal bevorzugte er seinen Corpus im Rattansessel zu vergraben, mal gönnte er sich seine Ruhephasen auf dem Kratzbaum oder legte sich in diverse Pappkartons die ich mitbrachte, wenn ich vom Einkaufen kam.

dies ist Paulchen...von ihm gibt es an anderer Stelle eigene Geschichten..


Jule hat es ihm nachgemacht, wie so vieles was sie von ihm lernt.
Sie lag da, ganz unschuldig und süß, als könne sie
„ kein Wässerchen trüben“, putzte ihren dicken Kinderbauch, knabberte mal hier an einem Zeh, mal dort an ihrem Rattenschwanz und äugte nur von Zeit zu Zeit zu mir herüber.
Schon am frühen Morgen hatte sie ihr Vergnügen genossen mal wieder „ Staubsauger zu fahren“, indem sie es sich auf dessen langem Plastikrücken bequem gemacht hatte und sich fröhlich kreischend auf ihm herumkutschieren ließ.
Ich werde nie begreifen was sie dabei empfindet, aber - wie es scheint, macht es ihr einfach Spaß dem laut röhrenden Geräusch zu folgen und sich dabei mit ihm laut zu unterhalten, als wäre es ihr Spielgefährte.

Auch die Kehrschippe liebt sie und turnt darauf herum, wenn ich versuche die Blumenerdkrümel aufzufegen, dabei schmeißt sie meist alles wieder herunter und verteilt es geschickt unter dem Teppichläufer.
Paulchen war in seinen Kinderzeiten nie so ungezogen und verwegen, doch Julchen kann das und macht es auch, und zwar mit Wonne.
Sie liebt es, wenn ich scherzhaft schimpfe und sielt sich in meiner ungetrübten Aufmerksamkeit.

Heute regnet es mal wieder, obwohl die Frühlingsboten schon angekündigt waren, doch für morgen ist schon Sonne und erste Wärme angesagt worden.
Während ich meinen samstäglichen Haushaltsputz hielt, das Geschirr vom Frühstück wegspülte und sie mir andauernd zwischen den Füßen herumstrich, war mir aufgefallen, dass die Vögel heute außer Rand und Band waren, auch waren mittlerweile ganz andere Vogelarten als sonst üblich auf der Terrasse und den umliegenden Bäumen zugegen. Es zwitscherte laut rings um uns herum.
Julchen setzte ihren mageren Kinderpopo auf die Fensterbank und unterhielt sich so lautstark mit den Vögeln vor dem Fenster, dass ich von der Küche ins Wohnzimmer schlich um ihr zuzugucken, denn das heimliche Belauschen erlaubt mir ein besseres Verstehen ihrer Empfindungen.
Sie „ geckert „ ganz leise mit Klapperzähnchen bei einem Habicht, zirpt bei einer Meise und holt ganz hohe Töne tief aus der Kehle, wenn sie einen Rüttelfalken oder Raben sieht.
All das - und mehr ist bei uns schon vertreten.
Bei den Kranichen und Schwänen guckt sie nur verträumt, wahrscheinlich bewundert sie das elegante Gleiten der herrlichen Tiere am Himmel und staunt nur Bauklötze..
Schon überlege ich, ob ich sie nicht mit zum Badesee nehme, um ihr die Schwäne und die Kinder der Entenfamilie auf dem Wasser zu zeigen.
Ich stelle mich nach einiger Zeit neben sie ans Fenster, stütze mich auf dem Ellbogen auf und höre ihr zu.
Schon „ erzählt „ sie mir mit aufgeregt eifriger Miene, was da draußen alles rum kreucht und fleucht, peitscht mit ihrem Rattenschwanz und saust dann mit einem Satz durch die Katzenklappe..
Von Innen kann ich nun beobachten wie sie sich anpirscht.





Ein leichtes Ducken ihres runden Bauches auf den Boden, die Füße zieht sie lang aus wie eine Kaulquappe und robbt sich langsam an eine Meise näher, die mit leichtem Flügelschlag auf den kargen Essigbaumresten sitzt. Die guckt aufmerksam zu Julchen herüber....
Julchen zirpt und blinkert mit den Augen bevor sie sie zu schmalen Schlitzen zusammen zieht.
Die Meise schimpft, Julchen schimpft zurück, ein herrliches Gespann - Freund oder Feind - fragt man sich, was soll das werden?

Paulchen hat ja auch in der Vogelwelt seine bevorzugten Freunde, ich denke da nur an das Fräulein Buntmeise vom letzten Sommer, mit der er oft einträchtig, Pfote an Vogelzeh auf dem Dachfirst saß, obwohl er ein Kater ist, der eigentlich die Vögel fangen sollte.
Mit der und den übrigen Familienmitgliedern hatte er eindeutig Freundschaft geschlossen.
Ob Julchen auch die Unterschiede kennt?

Die Vögel außerhalb des Gartengeländes sind zur Jagd bestimmt wenn sie alt, schwach oder krank sind, aber die lebendigen Hausfreunde, die uns besuchen und aus den Wassertöpfchen trinken, die auf der Terrasse stehen - sollten tabu sein.
Ich muss mal ein ernstes Gespräch mit ihr darüber führen, dass nicht alles was fliegt, zur Jagd bestimmt ist..
Wenn ich nur daran denke, so klein war sie mal.. aber nun...





...Julchen wächst eben auch, wie eine ganz normale Katze, schläft nicht nur, und bleibt nun mal nicht ewig Kind.
Sie und ich lernen, Tiere können grausam sein, wie Menschen, die um’s überleben kämpfen







Hat man Kinder, hat man Sorgen
Da macht es keinen so großen Unterschied, ob es Katzenkinder oder Menschenkinder sind.
Jetzt haben wir den Salat, eine ganze Salatschüssel voll.
Julchen ist krank. Naja, ich will nicht übertreiben, ein wenig „ krank“.
Schon seit Tagen dachte ich mir, sie ist nicht ganz in Ordnung.
Nicht - dass sie etwa krank oder hinfällig wirkte, nein – aber sie fühlte sich „ heiß“ an, wenn ich an ihr kleines rundes Bäuchlein fasste.
Auch dass sie so ungewöhnlich stark schmuste ließ dies vermuten und der Umstand, dass sie ständig neuerdings mit dem ganzen Körper förmlich in die Heizungsrillen hineinkriecht, sie brauchte Wärme. Viel Wärme…
Wahrscheinlich hat sie sich das bei ihrem 4 – stündigen unfreiwilligen Schreckausflug in der letzten Woche geholt und die Tatsache, dass sie es sich nicht nehmen lässt, bei Wind und Wetter die Dachterrasse zu bevölkern und den Dachfirst zu erklettern, macht es auch nicht gerade besser.
Aber – sie ist ja unbelehrbar, wie alle Kleinkinder.
Vor zwei Tagen hing sie wie gebannt auf dem kalten Glasdach des Wintergartens vom Hausbesitzer, das direkt an unser Dachfenster anschließt.
Während es schon Stunden leise vor sich hin nieselte, saß sie bewegungslos und schaute den spielenden Hunden von meiner Nachbarin zu, die im Garten herum tollten, und nichts und aber auch gar nichts konnte sie bewegen, sich in Richtung Fenstersims zu bequemen. Sie saß stundenlang mitten in den Regenpfützen herum und schlenkerte nur von Zeit zu Zeit ein dürres Vorderpfötchen.

Ich konnte mich schlecht selbst durch das Dachfenster zwängen, obwohl es groß genug gewesen wäre, doch die Waghalsigkeit traue ich mir denn nun doch nicht zu. Das Dach ist verdammt steil.

Bäume erklimmen, ja, das schaffe ich noch, selbst auf die Gefahr hin, dass ich mir die Haxen verknote oder gar breche, aber das ist des Guten doch zuviel.
Ich rief und lockte, Leckerlis raschelnd, Spielzeuge in den Händen – n e i n – Julchen wollte nicht und was sie nicht will, macht sie nicht – wie alle Katzen, egal ob groß ob klein.
Danach hatte ich die „ Ehre „ mich 2 Tage um ihren appetitlichen kleinen süßen Durchfall zu kümmern, was ich mit zusammengebissenen Zähnen tat.
So richtig wollte es aber bei dem kleinen Persönchen nicht besser werden, deshalb meldete ich mich bei der Tierärztin an.
Freundin Kati kam auch mit ihrem Kater hin, denn, geteiltes Leid ist halbes Leid, und ich verabredete mich, nicht ahnend wie es sich entwickeln würde - für Julchen war es der erste Tierarztbesuch.
Ach, du meine Güte, mit Paulchen war es ja schon
immer ein Drama, aber Julchen übertrifft ihn noch.

„ Auto fahren „ mit Julchen, welch ein Graus.
Ab in den Katzenkorb, das war schon gar nicht gut, sie quäkt, quietscht und kreischt. Wehrt sich mit Vorder und Hinterpfoten, plötzlich sind es wie durch ein Wunder Pfoten, keine Pfötchen mehr...
Mit den langen Haxen herausangeln, als fange sie Fische im See, in den Korb beißen, das wärmende Deckchen zerstrubbeln und aus vollem Halse krähen, nein, eher schon brüllen wie ein kleiner Löwe – das war Julchen in Höchstform.

Dabei „ pumpt das kleine Herz, dass es zum Gottserbarmen ist. Mir tat sie leid und dann doch wieder nicht.
Was sein muss, muss sein, da helfen keine Pillen! Wer nicht hört, muss fühlen.
Ich sag ihr; Kind du hast noch dünnen Stuhl, wir müssen, da hilft nix, sie kreischt weiter, als wäre sie am Spieß festgenagelt ...
meine armen Ohren...
Ein Glück hatte ich mir einen neuen Tierarzt direkt in der Nähe ausgesucht, nicht den in der Stadt, das hätten meine zerschundenen Nerven sicherlich kaum ausgehalten.
Beinahe hätte ich mich doch noch von dem höllischen Geschrei erweichen lassen und sie aus dem Korb und in den Arm genommen um sie in meiner Jacke zu behüten, aber dann dachte ich – nein – besser nicht, das Risiko beim Fahren abgelenkt zu werden, ist einfach zu groß. Sie hält ja doch nicht still.

Also hielt ich ihr Schreien und Kreischen aus, was sie - wie ich plötzlich bemerkte - mit Hingabe genoss, diese kleine Schauspielerin, sie war „ wichtig „ und Mamas Herz blutete, das kleine Rabenaas.Genauso will sie es.
An ihren Augen konnte ich erkennen, dass sie selbst das Schauspiel inszenierte, denn kaum hielt der Wagen und stand, krähte sie schon wieder ausgesprochen fröhlich vor sich hin...
Dieses kleine verrückte Biest, aber mich erst völlig narrisch machen...
Ich war schon leicht geschwitzt vor Aufregung, nicht jeden Tag fährt man schließlich Kranke, also schnell rein in die Praxis und den Korb geöffnet, um sie endlich auf den Schoß zu nehmen.
Wie der Blitz war sie draußen und beschnüffelte den nächstliegenden Hund, das arme Opfer eines Unfalls, er war in einen Mähdrescher geraten und äußerst unleidig.
Keine Angst, nicht einen Augenblick des Zögerns, Julchen ist Prinzesschen und wagt sich alles.
Ich denke, ich traue kaum meinen Augen, da krabbelt sie schon auf allen Vieren über den verblüfften Kerl und butzt an ihm herum, der kleine Schlingel, will sich wohl einschleimen....
Das hat man nun davon, dass sie mit den Hofhunden so vertraut ist.
Der arme Vierbeiner, war völlig perplex. Eine riesige blonde Dogge, ein Glück hatte er eine große dick verbundene Wunde am Bein und konnte sich nicht richtig bewegen, außerdem weiß man ja, dass diese relativ gutartig sind, leckt verlegen an seiner Haut über der Wunde, guckt ziemlich dümmlich und lässt es tatsächlich zu.
Zum Schluss bekam sie sogar eine große rosa Schnauze zwischen die Füßchen gesteckt und den Bauch einmal kurz geleckt…was sie mit frechem kräh..... .kräh. .....kommentierte und davon schoss.

Das nächste Körbchen stand für ihr neugieriges Schnäuzchen gerade richtig, sie fummelte mit langen Haxen solange an der Öffnung herum, bis eine große weiße damenhafte Katzenpfote ihr Einhalt gebot.
Doch Julchen lässt sich nicht abweisen, erst mal gucken geh’n, da sind ja noch mehr zum spielen, schnüffeln, schnuppern und kennen lernen.

Die Tierärztin öffnete die Tür um die Patienten aufzuschreiben „ wer ist der oder die Nächste, ich brauche die Namen „? hieß es und dann kam ein erstauntes „ Ach, was ist DAS denn“! - von ihr, als sie Julchen erblickte, die wie ein kleines Reh durch das Wartezimmer sprang: Frech wie Oskar..Sie war wie ein kleiner Derwisch.
Ich murmelte leise mit niedergeschlagenen Augen
„ meine Katze“ und guckte etwas beschämt, doch alle, die im Zimmer saßen, hatten den Rummel den Julchen veranstaltete, längst mitgekriegt und lachten drüber.
Sie „ schnurrte „ laut als Mittelpunkt im Wartezimmer herum und genoss es sichtlich so bewundert zu werden. Kleines Aas, dachte ich, Frechdachs....
hast du es wieder geschafft, alle hier für dich einzunehmen!
..... Die Mamis und Hundepapies dachten anscheinend nichts anderes.....
„ Ach, wie süß „ kam es aus aller Munde, denn Katzenbaby`s, auch wenn sie langbeinig und rattig aussehen und zwei Fuchsohren wie eine Haube auf dem Kopf spazieren tragen, sind anscheinend doch ziemlich beliebt.
Eine Hundebesitzerin meinte sogar, ob ich sie ihr nicht überlassen könne, denn sie hätte eine Katze, die sich nicht so besonders gut mit dem Haushund vertragen würde.
Weil sie so zart und winzig erschien, so grazil und durchscheinend war, wurden wir vorgelassen und ich marschierte, mit Katrin, die mittlerweile auch mit ihrem alten kranken Kater eingetrudelt war, ins Sprechzimmer, das sich leicht sträubende Julchen auf dem Arm, sie wollte lieber weiter spielen.
Die Ärztin guckte streng: „ was soll das sein, ein Fuchs, eine Ratte, ein Wieselchen?“ meinte sie, zeigte mit spitzem Zeigefinger auf Julchen und grinste dabei in ihren Kittelarm.
Julchen wurde ein wenig kleinlaut. Jetzt rutschte ihr anscheinend doch ein wenig das Herz in die Höschen.
Ein großäugiger Blick kam von ihr und dann rutschte sie auf dem glatten Untergrund des Untersuchungstisches herum und quäkte einmal, nur einmal, kurz und hoch auf, danach hielt sie bravourös und mustergültig still, bei Allem, was mit ihr geschah.
„ Fieber messen im Po“, über 39 Grad ..oh.... .oh….
„ Mäulchen gucken“ die Zähne sind soweit in Ordnung“ hieß es, sie „ wechselt „ nur eben. Die spitzen Ohren? Auch in Ordnung und rosig sauber, der Bauch ? na ja, bisschen dick und rund…die Sehnen, die Beinchen, die Rattenfüße und Pfoten ..alles okay...... .doch eine Katze, lächelt die Ärztin und streichelt sie. Sie hat sicherlich vom Großvater die Rasse geerbt - ein Hauskätzchen ist sie nie, eher eine kleine wilde Falbkatze, hübsch und selten ist die Kleine, meinte sie…..
A b e r die Mandeln ! Ohhahh…...die sind aber groß…eine dicke Tonsillitis hat sie, bekam ich zu hören und nahm mein armes Julchen gleich in den Arm, wo sie sofort glücklich vor sich hinknetete. Ein kleines Sonnenkind eben. Und ich binde mir aus Sympathie gleich ein Schälchen zuhause mit um meinen Hals.
„ Sieeehst Du, Julchen“ flüsterte ich ihr in ihr kleines spitzes Ohr, „ das kommt vom nicht hören wollen und immer im Wasser herumplanschen“. Sie hört es, und schon steckt sie ihren Kopf tief in meine Jacke und verkriecht sich in mich.
Aber, nix da – hier wird nicht gefeiglingt…und sich gedrückt, Strafe muss sein.
Gleich gab es noch eine kleine Aufbauspritze unters Fell, ein neues Entwurmungsmittel ins Mäulchen gespritzt - was sie mit ungnädigem Kopfschütteln gerade mal so zuließ und dann waren wir entlassen, mit der Bitte uns zwei Tage später nochmals vorzustellen.
Nix mit „ impfen und kastrieren“ , das darf nun noch warten und die Ausflüge in den Garten natürlich auch.!
Oder ich werde ihr doch ein Strickmäntelchen anziehen müssen.








es gibt Dinge, die vergißt man nie
sie verschwimmen zwar in der Alltäglichkeit für ein Weilchen
einen Tag, eine Woche, ein Jahr
doch irgendwann unversehens
tauchen sie wieder auf
für einen Augenblick
eine Sekunde
Stunden
inmitten des Jahres
immer wieder
in einem Augenblick der Besinnung
der Erinnerung

ein schöner Trost

wundervolle Worte von einem Freund
Sie sind mir, ein echter Trost...
Denkmäler sind aus Stein,
die Schrift verblasst mit der Zeit,
recht hat er....
Julchen hüpft aus jedem meiner Worte,
das ich über sie schreibe.
so bleibt sie für mich lebendig und präsent..
Es ist völlig egal ob nun ihr Körper
unter dunkler Erde, Moos und Stein ruht,
eine weiße Kerze auf ihrem Grabe brennt
gedanklich ist und bleibt sie mir nah
das ist das Entscheidende.
so wird dem Vermissen eine andere Dimension gegeben,
der Traurigkeit ein anderes Gewand....








Inhaltsangabe

Julchen spinnt.........
Julchen und die frische Luft........
Julchen wächst......
Hat man Kinder, hat man Sorgen......


weitere Geschichten folgen...





Impressum

Texte: Bilder und Texte @ Angelface
Tag der Veröffentlichung: 11.10.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
zur Erinnerung an Julchen, die in schwarzer Erde ruht

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