Mutter, wo gehn die Menschen hin,
wenn sie gestorben sind?
So fragte an des Vaters Grab
mein einzig süßes Kind.
Sie werden goldne Sterne klein,
dort drobn am Himmelzelt,
und wachen über dich und mich
überall auf der weiten Welt.
Mutter ich möcht ein Sternlein sein,
so golden und wunderschön,
dann könnte ich meinem Papa
dort oben spazieren gehn.
Da nahm ich es in meinem Arm:
und sprach: Bleib bitte hier,
der Vater würd sich sicher freun,
doch was wird dann aus mir?
Dem Vater ist es eine Freud
bei Nacht für dich zu schein’n
doch wäre er gar traurig schwer
ließest du mich allein.
Da sah mich an mein Bübelein
mit traurigen Gesicht
und sprach: Ein traurig Sternelein?
Nein, nein, das will ich nicht.
So legten wir die Blumen dar
und ging bald nach Haus.
Mein Kind winkte dem Grabstein nach
und sah so selig aus.
Und Tags drauf bracht es ein Stern,
geschnitten aus Goldpapier.
Drauf stand: Lieb Vater, nimm diesen Stern,
ich bleib bei Mutter hier.
Schwester, wo ist die Mutter hin?
Oh, sag es mir, wohin?
Bei dir und mir in Herz und Sinn,
Darin, Bruder, darin.
Papa, wo geh‘n die Menschen hin,
wenn sie gestorben sind?
So fragte am Grabe meiner Frau
ihr dummes Sorgenkind.
Das kann ich dir gern sofort zeig‘n,
bring dich auf der Stelle um.
Dann kannst du auch da unten lieg‘n,
bei Made und Regenwurm.
Du, du allein hast Schuld daran,
dass Muttern nicht mehr ist.
Hast sie gequält, geärgert gar.
Was baust du auch so’n Mist?
Ich, ich, ich allein hab sie geliebt,
vergöttert jeden Tag.
Du, du allein hast Schuld daran,
dass sie im Sterben lag.
Ach wärest du, du dummes Balg,
gestorben an ihrer Statt.
Ach, hau bloß ab, verpiss dich, los,
ich hab dich einfach satt.
Nun wird‘s bald? Nun? Ein Messer zückt
er, sticht den Buben ab.
Nun liegen Mutter und Kind zusamm,
in einem kühlen Grab.
Bildmaterialien: Georges Miller 2016
Tag der Veröffentlichung: 18.11.2016
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