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Vorwort - Grußworte RegRat BSI RegRat Robert Novakovits; Obmann HGÖ Burgenland

Oberwart und das Burgenland- Ausgangspunkt der Integration in Österreich




 Im heurigen Jahr 2013 jährt sich zum zwanzigsten Mal die gesetzliche Verankerung der Integration in allgemeinbildenden Pflichtschulen. In der 15. Novelle des Schulorganisationsgesetzes im Jahr 1993 wurde der Grundstein für den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern, zunächst in den Volksschulen, gelegt. 
Dies wäre für Oberwart und das Burgenland nicht bedeutsamer wie andere Novellen unserer Gesetze, WENN nicht in Oberwart die erste Integrationsklasse österreichweit gewesen wäre. Bereits 1983, also 10 Jahre vor der gesetzlichen Verankerung für alle Pflichtschulen des Bundesgebietes, war an der damaligen Volksschule von Oberwart ein Schulversuch eingerichtet und für zehn Jahre galt der Standort als Pionierschule für die heutige Form der Integration. 

„Es war nicht immer leicht, Kollegenschaft und Eltern von den Vorteilen der neuen Art von Schule zu überzeugen!" berichten „Zeitzeugen" dieser Jahre, aber der Erfolg gab den Pionieren Recht und führte letztendlich zur gesetzlichen Umsetzung und zur Entwicklung der Schule von heute mit all ihren Besonderheiten und Möglichkeiten. 
In den Jahren nach 1993 wurden schrittweise wichtige Rahmenbedingungen und gesetzliche Grundlagen geschaffen, um den Anforderungen integrativer Beschulung gerecht zu werden und um den Kindern der „gemeinsamen Schule" die bestmögliche Förderung zukommen zu lassen. Neben der notwendigen geänderten Aus- und Fortbildung für Lehrer/innen mussten barrierefreie Schulen, ausgestattet mit modernen Medien und Arbeitsmitteln, seitens der schulerhaltenden Gemeinden errichtet werden. Zur Koordination sonderpädagogischer Belange einer Region wurden Sonderpädagogische Zentren eingerichtet und für die speziellen Belange der Pädagogik Expertinnen und Experten ausgebildet. 
Heute präsentieren sich die Integration, die Sonderpädagogischen Zentren und die Allgemein- und Sonderpädagogik des Burgenlandes von einer weit über die Grenzen reichenden herzeigbaren Qualität.

Die vorliegende Festschrift wurde auf Initiative der Sonderpädagogik Burgenland mit Unterstützung des bm:ukk, des Landesschulrates für Burgenland, der Pädagogischen Hochschule Burgenland und der Heilpädagogischen Gesellschaft/Landesgruppe Burgenland verfasst, um die Entwicklung der Integration, von den Anfängen bis zum heutigen Entwicklungsstand aus der Sicht unterschiedlichster Disziplinen, aufzuzeigen und einen Blick auf künftige Schwerpunkte zu wagen. Die abgebildeten Texte und Bilder wurden von den jeweils angeführten Autorinnen und Autoren zur Veröffentlichung freigegeben und somit liegt die inhaltliche und sachliche Verantwortlichkeit der Artikel bei der jeweiligen Verfasserin, dem jeweiligen Verfasser.


Die Festschrift „20 Jahre Integration im Bildungsland Burgenland“ ist auch als eBook erhältlich. 

 

 IMPRESSUM  „20 Jahre Integration im Bildungsland Burgenland”

Herausgeber:  Sonderpädagogik Burgenland c/o Reg.Rat BSI Robert Novakovits Landesschulrat für Burgenland Alle Rechte vorbehalten

 Schriftleitung/Redaktionsadresse: Dir. Knut Becha ASO/SPZ Oberwart *7400 Oberwart, Schulgasse 29 Redaktionelle Mitarbeit: Reg.Rat BSI Robert Novakovits, Dir Günther Tuczay, SOL Eva Kainz, vSL Silke Krutzer, VB Alexandra Traxler

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Reg.Rat BSI Robert Novakovits Leiter der UA Sonderpädagogik/Abt. APS/ LSR f. Bgld

Obmann der HGÖ Burgenland

 

Es ist eine Frage der Kultur, wie eine Gesellschaft mit ihren Schwächsten umgeht.“

 

Eine Aussage von Rudolf Scholten, des damaligen Bundeministers für Bildung, als er zu den Integrationsgesetzen befragt wurde. Eine Aussage, die treffender nicht sein könnte und die Basis für ein Gelingen des gemeinsamen Unterrichtes beschreibt: die Haltung, die wir als System Schule den betroffenen Kindern gegenüber einnehmen. Schade ist nur, dass in diesem Satz zwei weitere grundlegende Faktoren nicht erwähnt werden. Die Rahmenbedingungen, die diesen Umgang unterstützen und die Fertigkeit, das Handwerk, ja die Kompetenz (um einen heutigen Ausdruck zu gebrauchen) der Lehrerinnen und Lehr

Die vergangenen 30 Jahre waren gekennzeichnet durch ein Ringen um diese drei Bedingungen. Vor allem die Sonderschullehrerinnen und Sonderschullehrer hatten zu Beginn ihre liebe Not damit, dass ihre Arbeit, ihr Einsatz und ihr Können radikal in Frage gestellt wurden.

Es ist aber eine Tatsache, dass diese Diskussion auch zu einer Qualitätsentwicklung im Sonderschulsystem beigetragen hat. Die Entwicklung neuer Lehrpläne in allen Förderbereichen mag als ein Beispiel genannt werden. Oder dass in unserem Land plötzlich die Ausbildung von Lehrpersonal für Sinnes- und Körperbehinderte, der Aufbau eines Beratungslehrerinnen – Systems notwendig wurde, die es bis dahin nicht gegeben hat.

Die Auseinandersetzungen der ersten Jahre waren getragen durch die Suche nach Hindernissen. Gründe für das Nichtgelingen der Integration wurden genau so vehement vorgetragen wie die radikalen Forderungen nach totaler Auflösung der Sonderschule.

In den Klassen aber dominierte die Suche nach Lösungen. Die Zahl jener, denen ein konstruktives Miteinander wichtig war, wurde immer größer. Aus meiner Sicht waren es vier Leute, die diese Entwicklung entscheidend beeinflussten: der damalige Landesschulinspektor Fritz Krutzler, der Sonderschulinspektor Franz Halper, der Leiter der Schulpsychologe Werner Wagner und der Leiter des Pädagogischen Institutes Helmut Wallmann. Sie waren auch die kritischen Freunde und später Unterstützer der Entwicklung von Sonderpädagogischen Zentren.

 

Die Haltung der Heilpädagogischen Gesellschaft Burgenland war zu Beginn durch Ablehnung und Skepsis getragen. Diese wurde abgelöst durch eine kritische, am fachlichen Diskurs orientierte Unterstützung der Sonderpädagogik im Burgenland. Dabei wurde und wird nicht die Systemfrage in den Mittelpunkt gestellt, sondern die Qualität des Bildungsangebotes. Einen wichtigen Impuls stellten die Vorbereitungsjahre für den Heilpädagogischen Kongress in Güssing dar.

Heute setzen die burgenländischen Schulen das Recht aller Menschen auf Erziehung und Bildung im Pflichtschulalter um. Ungefähr ein Prozent dieser Kinder befinden sich in Sonderschulklassen, alle anderen in Volksschulen, Neuen Mittelschulen und Polytechnischen Schulen. Man kann davon ausgehen, dass bereits an allen Pflichtschulstandorten Kinder mit Sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet wurden. Die Zahl jener Schülerinnen und Schüler, die Höhere Schulen besuchen, steigt langsam. Immer mehr Jugendliche absolvieren eine integrative Berufsausbildung in Berufsschulen.

Wie kann diese Entwicklung fortgeführt werden? Die Basis steht im Einleitungszitat. Oder, um es mit Urs Haeberlin, einem Heilpädagogen aus der Schweiz stammend, zu sagen: das Wort ‚Heilpädagogik' ist nun nicht mehr einfach ein Synonym zu ‚Sonderpädagogik' oder ‚Behindertenpädagogik'. Sondern Heilpädagogik wird zum Namen einer Weltanschauung, für welche es weder ‚Besondere', ‚Abgesonderte' noch ‚Behinderte' gibt. Heilpädagogik wird zum Namen jener humanistischen Haltung, welche jedem Menschen Personalität und Humanität zuschreibt (HAEBERLIN 1985).

 

 

Grußworte Bildung und Politik

Hans Niessl
Landeshauptmann für Burgenland, Präsident des LSR f. Bgld

 „20 Jahre gesetzliche Integration“ in Österreich geben Anlass für eine intensivierte Auseinandersetzung mit dem Thema Inklusion im Bildungsbereich. Ich begrüße es sehr und halte es für enorm wichtig, dass dieses Thema mit dem Projekt „Inklusives Bildungsland Burgenland“ auch im Burgenland verstärkt beleuchtet wird. Zumal sich das Burgenland schon sehr früh der Integration, dem gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung, verschrieben hat: beginnend mit dem ersten Schulversuch in Oberwart sowie mit der ständigen Weiterentwicklung und dem Ausbau integrativen Unterrichts, wie er in den vergangenen zwei Jahrzehnten erfolgt ist.

Wenn heute 99% der Schülerinnen und Schüler in Pflichtschulklassen gemeinsam beschult werden, kann durchaus von gelungener Inklusion gesprochen werden. Als ehemaliger Pädagoge, der 25 Jahre unterrichtet hat, weiß ich natürlich, dass ein Erfolg in diesem Bereich nicht nur in Zahlen gemessen werden kann. Inklusive Bildung ist eine große Herausforderung, die nur durch die gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten und durch gute Rahmenbedingungen erfolgreich bewältigt werden kann. Vielmehr als Herausforderung ist sie aber vor allem eine Chance für alle Kinder und Jugendlichen. Eine erfolgreiche schulische Integration ist das Fundament und die erste Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in der Gesellschaft.

Richard von Weizsäcker sagte einmal sehr passend dazu die Worte: „Was wir zu lernen haben ist so schwer und doch so einfach und klar: Es ist normal verschieden zu sein.“

Ich danke der Heilpädagogischen Gesellschaft Burgenland für die Aktivitäten, die in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule, dem Landesschulrat für Burgenland, der Landesregierung und dem Unterrichtsministerium zum Projekt „Inklusives Bildungsland Burgenland“ gesetzt werden. Ich wünsche dabei viel Erfolg ganz besonders im Interesse einer erfolgreichen Integration der Schülerinnen und Schüler im Burgenland.

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Mag. Franz Steindl
Landeshauptmannstellvertreter für Burgenland

Geschätzte Pädagoginnen und Pädagogen, Eltern, Schülerinnen und Schüler!

 Als Landeshauptmann-Stellvertreter des Burgenlandes ist es mir eine aufrichtige Freude, mit Optimismus und Zuversicht zum guten Weg der schulischen Integration im Burgenland zu gratulieren. Die pädagogischen Anstalten widerspiegeln einerseits die gesellschaftliche Entwicklung, andererseits beeinflussen sie die sozialen Werte und Lebenshaltungen durch den Unterricht und die Wissensvermittlung. In den vergangenen Jahrzehnten und vor allem in den letzten 20 Jahren hat die Schule auch hinsichtlich der Integration von Schülern einen dynamischen Werte- und Einstellungswandel erlebt. Es geht darum, junge Menschen verschiedener Dispositionen gemeinsam zu fördern, sie zu Eigenverantwortung und solidarischem Handeln, zu sozialem Denken und Verständnis zu erziehen. Ich freue mich, dass die Inklusion im Bildungsbereich durch die vielen Maßnahmen und Aktivitäten spürbar greift. Dem trägt die Heilpädagogische Gesellschaft Burgenland in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Burgenland, dem Landesschulrat für Burgenland, dem bm:ukk und der Burgenländischen Landesregierung mit dem breit gefächerten Projekt „Inklusives Bildungsland Burgenland“ Rechnung.  

Ein ebenso informatives wie repräsentatives Projekt, zu dem ich allen Teilnehmern und Organisatoren herzlich gratuliere und alles Gute wünsche! 

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Mag.Dr. Gerhard Resch
Amtsführender Präsident des LSR f. Bgld 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe KollegInnen! Liebe junge Freunde!

 Da ich in meinem „früheren Leben“ auch Deutsch unterrichtet habe, habe ich zum Thema „Inklusives Bildungsland Burgenland“ sofort auch an Felix Mitterer gedacht! 

Ein Tiroler Fremdenverkehrsort im Jahre 1974. Eine Mutter wird mit ihrem behinderten Kind aus einem Gasthaus gewiesen, damit das Geschäft nicht leidet. Den Touristen sei nicht zumutbar, was eine „Strafe Gottes“ für alle sei. Wahrscheinlich durch Inzest oder Alkoholrausch hervorgerufen, knorrig zwar und seltsam, aber grässlich anzuschauen, ein „Nichtsnutz“ halt. Der Autor Felix Mitterer selbst war Zeuge des Geschehens und schrieb daraufhin das Stück „Kein Platz für Idioten“.

Was die Tiroler in ihrer schön plakatierten Welt damals angetrieben hat, war in Varianten nicht nur hinter den Bergen Brauch. Überall wollte gebaut, geschaffen und aufgeholt werden, und überall hat gestört, wer dabei nicht von Nutzen war. Am gescheitesten wäre es ja, wenn es solche Leute überhaupt nicht gäbe, oder wenn man sie einfach wegsperren könnte. Separieren.

Zaghaft änderte sich die Einstellung zu Behinderten; Menschen wie der „Plattl-Hans“ aus Mitterers Stück, der sich für Menschen wie den „Wastl“, den zurückgebliebenen Jungen, einsetzt, weil er ihn entgegen allen anderen für entwicklungsfähig hält, ihm sogar Lesen und Schreiben beibringt, wurden mehr. Der Filmemacher Niki List drehte eine Trilogie, „Mama lustig?“, „Muß denken“ und „Mein Boss bin ich“, in welcher er den Weg eines Burschen beziehungsweise späteren jungen Mannes mit Down Syndrom dokumentierte. Anders schon als noch „Wastl“, dem sein harmlos erwachendes Interesse am anderen Geschlecht zum bitteren Verhängnis wird, und er kommt in eine geschlossene Anstalt, entwickelt sich Niki Lists Hauptfigur (und zugleich Hauptdarsteller) zu einem geachteten Mitglied seiner Umgebung. Längst schon ist es kein Skandal, dass er in einer integrativen Wohngemeinschaft, also auch mit Mädchen und jungen Frauen, lebt und schließlich tanzend, für alle seine lieben Gäste, Geburtstag feiert.

Und heute, weitere gefühlte zwanzig Jahre später, vernehmen wir Nachrichten, dass höchst technifizierte Branchen unserer Wirtschaftswelt auch Autisten suchen und einstellen und sie als hoch spezialisierte und gut bezahlte Fachkräfte in ihre Geschäfte inkludieren.

Alle, so wie wir da sind, haben unsere Begabungen und Talente, verschieden zwar, wie die Berge oder „Inseln“, und doch gleichermaßen wertvoll. Vor zwanzig Jahren sind die Schulgesetze beschlossen worden, sodass Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam unterrichtet werden können. Die Oberwarter Schulversuche waren ein Beginn, heute haben wir Schulen im Burgenland, die in einem durchdachten pädagogischen Entwurf die Vielfalt aller Begabungen abdecken. Darauf sind wir alle stolz und deshalb auch bereit, solche wertvollen Einrichtungen kräftig zu unterstützen.

Felix Mitterer hat schon Recht, hier ist kein Platz für Idioten, weder in unseren Schulen, noch in der Welt an sich. Wobei jedoch die Frage dem legendären Wirt von 1974 noch genauer zu stellen wäre: Wen meinte er denn eigentlich mit Idioten?

Herzlichen Dank allen, die dazu beigetragen haben und beitragen, dass es immer weniger dieser Idioten in unserer Gesellschaft gibt – wir alle wissen, welche gemeint sind!

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HR Franz Fischer
Vizepräsident des LSR f. Bgld

Inklusives Bildungsland Burgenland

 Entwicklungen in der Bildungslandschaft geschehen nicht von heute auf morgen. So war der Weg zur Integration in unserem Bundesland ein wichtiger und richtiger. Jedoch ist es Faktum, dass Integration unter quantitativen Gesichtspunkten ein sektorales Phänomen ist: im Kindergarten, VS und NMS flächendeckend und in der Sekundarstufe II geradezu exotisch.

Ist man seit den Anfängen in der Praxis der Zwei-Gruppen-Theorie (behindert/nichtbehindert) gefolgt, so entwickelte sich in den Jahren immer mehr das umfassende System für alle, das Leben und Lernen für alle Kinder in einer heterogenen Gruppe.

Das Verständnis für Integration geht weit über den Rahmen des gemeinsamen Unterrichts mit nicht behinderten und behinderten Schülerinnen und Schülern hinaus – so erlebe ich es in unseren Schulen.

Wenn Inklusion ein optimiertes und erweitertes Verständnis von Integration bezeichnet – so sind wir im Burgenland gut unterwegs.  

Was es jedoch braucht ist:

•eine entsprechende Anpassung der Pädagog/innenbildung •Handlungsbedarf bei der  Ressourcenzuteilung, d.h. stärkere Blickwinkel auf Prävention, statt jener der „Reparatur“ •die Steuerung durch Politik und Verwaltung anstelle eines freien Spiels der Kräfte. Denn permanent Neuerungen zum schulpolitischen Prinzip zu erheben ist schlicht systemlos. Was zählt ist der/die einzelne Lehrer/in.

Kann er/sie sich für das, was er/sie unterrichtet, selbst begeistern?? 

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Dr. Rüdiger Teutsch
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

Auf dem Weg zur inklusiven Schule ...

Auf gesellschaftspolitischer Ebene zeigt sich die Aktualität des Themas „Inklusion“ in den laufenden Diskussionen um die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Diese Konvention wurde von Österreich im Jahre 2008 ratifiziert und definiert Ziele und Maßnahmen, die die Umsetzung einer umfassenden Partizipation aller Menschen am gesellschaftlichen und beruflichen Leben sicherstellen sollen.

Der im Juli 2012 beschlossene „Nationale Aktionsplan Behinderung 2012-2020“ der österreichischen Bundesregierung ist auch die Grundlage für die Weiterentwicklung eines inklusiven Bildungssystems, in dem die Teilhabe aller sichergestellt ist. Es geht dabei um eine Schule für alle, die sich an den Bedürfnissen, Interessen, Begabungen und Stärken der Schülerinnen und Schüler orientiert. Eine „inklusive Schule“ ist vor allem aber auch ein gemeinsamer Lern- und Lebensraum, in dem junge Menschen mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten angenommen und die individuelle Leistungsbereitschaft so gefördert wird, dass die bestmögliche (Aus-)Bildung möglich wird.

Der Formulierung des Kapitels „Bildung“ im Nationalen Aktionsplan ging ein intensiver Diskussionsprozess voraus, der unter der Leitung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur stattgefunden hat und an dem Expert/inn/en von Behindertenorganisationen, Vereinen, Dachverbänden und Interessenvertretungen ebenso wie Vertreter/innen des Ministeriums, der Schulbehörden, der Lehrer/innenbildung und der schulischen Praxis teilgenommen haben. Dabei wurde klar, welche Entwicklungen notwendig sind, um einem inklusiven Schulsystem schrittweise näher zu kommen. Die wichtigsten Handlungsfelder betreffen naturgemäß die pädagogische und organisatorische Entwicklung von Schule und Unterricht, die Verbesserung der regionalen Unterstützungsstrukturen, die zukünftige Ausbildung von Pädagog/inn/en und die bedarfs- und bedürfnisgerechteFörderung.

Viele Expert/inn/en waren sich aber auch einig, dass es zunächst einer Erprobungs- und Konkretisierungsphase in „Inklusiven Modellregionen“ bedarf, bevor eine kontinuierliche, österreichweite Umsetzung von Inklusion gelingen kann.

In dieser Hinsicht sind die langjährigen Erfahrungen im Bereich der Integration im Burgenland von unschätzbarem Wert, zeigen sie doch, wie man von der Erprobung an einzelnen Standorten zu einem Konzept für ein ganzes Bundesland kommen und dadurch ein Zeichen für eine österreichweite Entwicklung setzen kann. 

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Dr. Ernst Tatzer
Präsident der Heilpädagogischen Gesellschaft Österreich

Oberwart machte den Anfang und setzte bei der Integration von Kindern mit Behinderung im Regelschulwesen sehr viel in Bewegung. Es brachte aber auch einen Glaubenskrieg artigen Diskurs in Gange, in dem sich Befürworter und Skeptiker einer allgemeinen Integration mit oft hochgehenden Emotionen gegenüberstanden. Leider wurde diese Diskussion in meinem damaligen Erleben manchmal auch auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen. Die gesetzlichen Grundlagen zu den Schulversuchen und später zur verpflichtenden Wahlfreiheit für Eltern ermöglichten einen kreativen Umgang und führten zu regional stark unterschiedlich ausgeprägten Wegen.

Mit der Diskussion zur „Inklusion“ stehen wir vor einer neuen Entwicklung, in die viele große Hoffnungen setzen. Die Heilpädagogische Gesellschaft steht mit voller Überzeugung zum Wunsch nach Errichtung einer inklusiven Gesellschaft. Persönlich erwarte ich mir davon das Vorantreiben einer prozesshaften Entwicklung, die alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens (auch der Schule) erfasst - und nicht nur eine Debatte über die Schließung der Sonderschulen.

 Den Pionieren von Oberwart gilt Dank und Anerkennung.

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Landesrat Dr. Peter Rezar

„20 Jahre gesetzliche Integration“

 Ein Jahr nachdem in Österreich 1993 die Gesetze zum gemeinsamen Unterricht beschlossen wurden hat die UNESCO in Salamanca ein neues Ziel gesteckt: die  Inklusion in der internationalen Bildungspolitik. Schulen sollen alle Kinder, unabhängig von ihren physischen, intellektuellen, sozialen, emotionalen, sprachlichen oder anderen Fähigkeiten aufnehmen. Ich bin sehr stolz, dass wir dieses Ziel im Burgenland bald erreicht haben. 99% der SchülerInnen werden in gemeinsamen Klassen unterrichtet. Alle Pflichtschulstandorte haben die Integration umgesetzt. Umfassende Teilnahme von Kindern mit Behinderung am System Kindergarten und Schule ist nur so möglich. Nicht alle Menschen können sich am ersten Arbeitsmarkt behaupten, die Inklusion ist aber Garant dafür, dass die Entscheidung des Arbeitgebers nicht schon beim Betrachten des Zeugnisses fällt. Vielen Dank allen PädagogInnen, die Integration und Inklusion in den burgenländischen Kindergärten und Schulen leben.

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Landesrätin Mag. Michaela Resetar

20 Jahre gesetzliche Integration

 Für viele Eltern ist der Umgang mit einem behinderten Kind zunächst einmal schwierig. Und auch für ein Kind mit besonderen Bedürfnissen ist es nicht immer leicht, sich in seinem Lebensumfeld zu Recht zu finden. Wir müssen daher Lebensräume wie etwa Kindergärten und Schulen so gestalten, dass jedes Kind in seiner persönlichen Entwicklung optimal gefördert werden kann. Dass es bereits zahlreiche Integrationsgruppen im Burgenland gibt, zeigt einerseits den Bedarf, andererseits auch die Aufgeschlossenheit und das Engagement unserer PädagogInnen in diesem wichtigen Bereich. Daher unterstütze ich alle Maßnahmen, welche die Integration von Kindern mit besonderen Bedürfnissen erleichtern. Ich hoffe, dass auch die vorliegende Broschüre einen Beitrag dazu leistet. Ich bin überzeugt, dass durch die Förderung der Integration bereits im Kindergarten und in weiterer Folge in den Schulen ein wichtiger Grundstein dafür gelegt wird, Kindern mit besonderen Bedürfnissen den Weg zu einem selbstbestimmten Leben zu erleichtern.

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Landesrätin Verena Dunst

„Gewalt bringt keine Pflanze zum Wachsen. Sie reißt höchstens ihre Wurzeln aus.“ – Walter Ludin.

Unsere Kinder und Jugendlichen werden täglich mit dem Thema Gewalt in Print- und Onlinemedien konfrontiert. Schockierende Nachrichtenbilder von weinenden und verletzten Kindern, führen uns immer wieder vor Augen, dass auch im 21. Jahrhundert eine enorme Gewaltbereitschaft besteht. Unser Alltag ist voll mit Gewalt, sei es in der Familie, Nachbarschaft oder Schule. Persönlichkeitsbildung und Soziales Lernen, sind in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Materie an Schulen geworden. Der Umgang mit Gewalt und konstruktive Konfliktlösung können durchaus gelernt werden. Fakt ist, Gewalt hat in der Schule nichts verloren. Daher ist es mir ein besonderes Anliegen verstärkt Maßnahmen zur Gewaltprävention zu setzen.

Das Burgenland nimmt eine Vorreiterrolle in der Gewaltprävention ein. Seit dem Jahr 2007 besteht in Kooperation mit ÖSFK, dem Landeschulrat Burgenland und der Kinder- und Jugendanwaltschaft des Landes Burgenland, das Projekt „Friedenswochen“ auf der Burg Schlaining. Ziel dieses Projekt ist es Gewalt im schulischen Miteinander noch vor Ausbruch zu verhindern und Konflikte, die natürlich zu jedem Miteinander gehören, gewaltfrei zu lösen. Dazu gibt es Methoden, die erfahrbar und erlernbar sind – und genau dies ist das Ziel der Friedenswochen. Im Rahmen einer schulischen Projektwoche und unter Anleitungen von ExpertInnen wird ein interaktiver und reflektierter, alters- und wissensadäquater Zugang zu ihren eigenen Gefühlen, zu ihren Mitmenschen, zur Umwelt und Natur sowie zu den zentralen Themenbereichen Konflikt und Frieden vermittelt.

Dabei wird im Rahmen von schulischen Projektwochen den SchülerInnen ein altersadäquater Zugang zu den Themen Konflikt und Frieden vermittelt. Jährlich nehmen daran mittlerweile fast 1000 Schülerinnen und Schüler teil. Neben dem Projekt „Friedenswoche“ gibt es auch mit der pädagogischen Hochschule Burgenland eine Kooperation im Bereich Gewaltprävention in Form von Fortbildungsseminaren für Lehrerinnen und Lehrer. Thematische Schwerpunkte sind hier Diskriminierung, Mobbing und konstruktiver Umgang mit Konfliktsituationen in Schulen.

Zuletzt möchte ich noch auf ein weiteres wichtiges Ergebnis unserer Kooperation mit dem ÖSFK, dem Landesschulrat und der Pädagogischen Hochschule verweisen,  das Buch  „Meine Schule gegen Gewalt“ für PädagogInnen zur Anwendung in der Schule mit Hintergrundinformation und Methoden für Gewaltprävention im Klassenzimmer. Dieses Buch findet großen Zuspruch und die erste Auflage war innerhalb weniger Monate vergriffen.

 All diese Maßnahmen zeigen, dass wir im Burgenland auf einem guten Weg in Richtung gewaltfreiem Umgang in der Schule sind. Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht, dennoch gibt es noch viel zu tun. Als zuständige Jugendschutzlandesrätin verspreche ich Ihnen, dass ich mich auch zukünftig gegen Gewalt an Schulen einsetzen und weitere Präventionsmaßnahmen setzen werde. 

 

Wie alles begann! Zeitzeugen 1983 -2013; HR LSI i.R. Franz Halper

Interview mit HR Franz Halper, LSI i.R. :

 

Wie ist es gelungen Integration umzusetzen, obwohl wenig ausgebildete Sonderschullehrerinnen und Sonderschullehrer zur Verfügung standen?

Zu Beginn des Schulversuches Integration wurde nach einer gewissen Zeit ein Integrationslehrgang angeboten um die in den Schulversuchen tätigen Integrationslehrer auszubilden. Es gab zu der Zeit wenig Sonderschullehrer in der Integration, aber in meiner damaligen Mitarbeitertätigkeit am Pädagogischen Institut habe ich als Landesschulinspektor gemeinsam mit dem Schulpsychologen HR Dr. Wagner Werner Lehrämter für Lernbehinderte und Schwerstbehinderte, für Beratungslehrer und für Sprachheillehrer über das Pädagogische Institut installiert. Somit wurde die Qualität in der Integration sehr gefördert.

Zusätzlich boten wir Fortbildungsveranstaltungen für Teamarbeit an, weil es anfangs große Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit der Volksschullehrer und der Sonderschullehrer gab. Die Teamarbeit und das ungewohnte Zweilehrersystem stellten für alle Lehrer eine große Herausforderung dar.

Durch die Ausbildung der Sonderschullehrer und durch die Fortbildung der Volksschullehrer hat sich die Zusammenarbeit in der Klasse natürlich wesentlich verändert.

Eine weitere Herausforderung war die Umsetzung der Integration in der Hauptschule. Der erste Schulversuch, der 1983 in der Volksschule gestartet wurde, sollte in der Hauptschule nahtlos weitergeführt werden. Die Integrationsklasse in der Hauptschule wurde von derselben Lehrerin wie in der Volksschule weitergeführt. Danach wechselte die Pädagogin in eine Integrationsklasse im Bezirk Jennersdorf. Die Vielzahl an Pädagoginnen und Pädagogen in der HS stellte uns vor neue Hürden. Daher wurden Fortbildungsveranstaltungen für Hauptschullehrer mit dem Hauptaugenmerk auf Teamarbeit installiert. Daraus bildeten sich engagierte Gruppen von Hauptschullehrern, die die Integration im Burgenland gemeinsam mit Sonderpädagogen umsetzten.

 

Wie verlief gleichzeitig die Entwicklung der Sonderschulen im Burgenland?

Die Integration war für die Sonderschule eine große Herausforderung. Als ich 1985 Direktor der Allgemeinen Sonderschule in Oberwart wurde, war mir bewusst, dass das Team der Sonderschule zwar täglich tüchtige Arbeit leistete, diese aber der Öffentlichkeit nicht präsentierte. Da der damalige Landesschulinspektor und Bezirksschulinspektor diese Öffentlichkeitsarbeit befürwortete, hatte ich die Möglichkeit auf die Aktivitäten der Sonderschule hinzuweisen. So wurde die Sonderschule in der Medienlandschaft präsent und wir begannen zahlreiche Projekte zu organisieren.

Mit der Unterstützung meines damaligen sehr engagierten Lehrerteams absolvierten wir gemeinsam mit der Bundesbildungsanstalt für Kindergartenpädagogik Projekte und ermöglichten auf diese Weise Schülerinnen für Kindergartenpädagogik wöchentliche Hospitationen in der Sonderschule. Aufgrund dieser Kooperation erhielten wir die Möglichkeit mit unseren Schülerinnen und Schülern bei der Adventfeier in den Räumlichkeiten der Hauptschule öffentlich aufzutreten.

 

Wie sehen Sie im Rückblick die Ideen der Sonderpädagogischen Zentren (SPZ)? Konnten die ursprünglichen Visionen und Ideen umgesetzt werden?

Das erste Sonderpädagogische Zentrum im Burgenland und das erste SPZ in Salzburg waren die einzigen Schulversuche für sonderpädagogische Zentren in Österreich. Ab 1992 wurde durch die Unterstützung des Amtsführenden Präsidenten in jedem Bezirksvorort ein SPZ eingerichtet. Im Bezirk Güssing gab es zwei SPZ. Die SPZ Leiter wurden für das Erstellen sonderpädagogischer Gutachten eigens geschult. In engster Zusammenarbeit mit den Schulpsychologinnen und Schulpsychologen und durch die Unterstützung von HR Dr. Wagner Werner ist es wirklich gelungen, dass die Gutachter bei den kommissionellen Beratungen seitens der Eltern angenommen wurden. Das Erstellen eines sonderpädagogischen Gutachtens wurde gesetzlich verankert, während das Einholen eines schulpsychologischen Gutachtens nach Einwilligung der Eltern schon längere Zeit beantragt werden konnte. Bei jeder kommissionellen Beratung im Rahmen der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs bei Kindern war der jeweilige Bezirksschulinspektor anwesend, der Schulpsychologe des jeweiligen Raumes, die Eltern, der SPZ Leiter und ich in meiner Funktion als Landesschulinspektor für Sonderpädagogik. Durch die Zusammensetzung verschiedener Experten wurde in erster Linie auf das Kind geachtet und auch die Eltern wurden bei der Wahl der Schulart, ob Integration oder Sonderschule, miteingebunden.

Das Team des SPZ bestand aus Experten: Sonderschullehrern, Integrationslehrern, Sprachheillehrern, Betreuungslehrern für verhaltensauffällige Kinder, Lehrern für Blinde und Sehbehinderte, Lehrern für Schwerhörige und Hörbehinderte und Lehrern für Körperbehinderte. Die Vision bestand darin einen Lehrgang für diese Experten zu ermöglichen, was im Rahmen von bundesweiten Lehrgängen verwirklicht wurde.

  

Wie haben Sie den Rollenwechsel „vom Sonderschuldirektor zum Landesschulinspektor“ erlebt? Was war dabei für die Sonderpädagogik wegweisend bzw. zielführend?

1992 übernahm ich als Schulinspektor den Bereich Sonderpädagogik für das Burgenland. Dazu gehörten alle Bereiche der Sonderschule, der Integration und alles, was mit der Sonderpädagogik zu tun hatte. Der Weg vom Direktor zum Schulinspektor war für mich ganz neu und ich machte eine persönliche Entwicklung durch. Als Direktor hatte ich einen überschaubaren Bereich, als LSI vergrößerte sich dieser von Kittsee bis Kalch, im gesamten Burgenland. Die vielfältige Arbeit stellte für mich eine große Herausforderung dar, da ich mit allen Experten, mit Schulpsychologen, mit den Lehrern der Volks-, Sonder- und Hauptschulen kooperieren und kommunizieren musste. Als Südburgenländer ermöglichte mir meine offene Mentalität einen leichten Zugang zu anderen Menschen. Dadurch wuchs unter anderem die Zusammenarbeit mit dem Pädagogischen Institut, wo HR Dr. Wagner Werner und ich den Direktor des PI von der Notwendigkeit einer sonderpädagogischen Lehrerausbildung und Fortbildung im Burgenland überzeugen konnten.

Rückblickend kann ich sagen, dass uns mit der Unterstützung des Amtsführenden Präsidenten sehr viel gelungen ist.

 

Wie empfanden Sie das Auftreten der Eltern, die an der Umsetzung der Reformpädagogik beteiligt waren?

Die erste Integrationsklasse war an die Sonderschule Oberwart angeschlossen. Ich unterrichtete dort im Ausmaß von zwei Wochenstunden katholischen Religionsunterricht. Durch meine sonderpädagogische Kompetenz konnte ich den Bedürfnissen der behinderten Kinder gerecht werden und stellte mich so der Herausforderung. Die Eltern der nicht behinderten Kinder waren überrascht, dass ein Sonderschullehrer in der Integration tätig war.

Ihr öffentliches Auftreten war zielgerichtet und von großem Durchsetzungsvermögen geprägt. Durch diese Öffentlichkeitsarbeit wurden andere Eltern ermutigt und der Schulversuch wurde österreichweit ausgeweitet.

Zur gleichen Zeit begann auch ein Umdenken bei den Lehrern. Unter Reformpädagogik verstehe ich, dass das jeweilige Kind im Mittelpunkt steht und der Förderplan individuell auf das Kind zugeschnitten wird. Das Erarbeiten der speziellen Fördermaßnahmen soll stets vom gesamten unterrichtenden Team erfolgen. Diese enge Zusammenarbeit zwischen Eltern, Lehrern und Schülern trägt zur Verbesserung des Klassenklimas bei.

 

Wenn man die Integration der vergangenen 20 Jahre betrachtet - wie können Sie aus heutiger Sicht den Zugewinn für die Schüler und Schülerinnen (mit bzw. ohne SPF) einstufen?

Da ich bis 2003 im schulischen Dienst tätig war, kann ich nur rückblickend antworten. Auf Grund meiner Erfahrungen, die ich bei Begegnungen mit ehemaligen Kollegen bekommen habe, haben durch die Reformpädagogik beide Schülergruppen, Kinder mit SPF und Kinder ohne SPF, individuelle große Vorteile erhalten. Einerseits stellt das Teamteaching in den Klassen und das gemeinsame Erstellen von Förderplänen keine unüberwindbare Hürde mehr dar und andererseits versuchen beide Gruppen die Förderplanarbeit gemeinsam umzusetzen. Die einstige Ablehnung von Kindern mit Behinderung in den Integrationsklassen hat sich deutlich reduziert. Man hat den Zugewinn sozialer Kompetenzen für alle Schüler erkannt.

Das Interview wurde von SOL Eva KAINZ (Redaktionsmitglied) geführt. 

Wie alles begann! Zeitzeugen 1983 -2013; HR Dr. Werner Wagner

Schulpsychologische Initiativen für schulische Integration

 Die Mehrzahl der Kinder, die mir zur schulpsychologischen Beratung vorgestellt wurden, konnte dem Unterricht nicht folgen und/oder hat scheinbar nicht in die Klassengemeinschaft gepasst. Schul-psychologische Arbeit war daher vielfach Integrationsberatung. Als Lehrer (1963 bis 1969) war Integration für mich noch kein Thema. Unsere Schule war in den 60ern eine gemütliche. Die drei Prozent eines Jahrganges (Maturaquote 1963) wären so oder so zur Matura gelangt. Da gab es vor allem noch die Volksschuloberstufe, in der behinderte Kinder gut aufgehoben waren. Sie konnten jeweils mit der Stufe mitlernen, die sie bewältigten, sie hatten gute Vorbilder und viele gleichaltrige Tutoren. In der einklassigen Volksschule Neuberg-Bergen (32 SchülerInnen, 1. bis 8. Schulstufe) habe ich deshalb nie eine Aussonderung der Nachzügler überlegt. Im Sprengel gab es zwar bereits eine Sonderschulklasse, die als „Zigeunerschule“ abgestempelt war; es bestand aber keine Verkehrsverbindung in die 12 km entfernte Schule. Die Landessonderschule Wimpassing führte ein Internat, eine Internatsunterbringung ist vor dem 14. Lebensjahr nicht ratsam.

Die Schulgesetze 1962 haben das 9. Schuljahr, den 2. Klassenzug der Hauptschule uvm. eingeführt sowie die Volksschuloberstufe abgeschafft. Im Bgld. begann diese erst 1969/70 auszulaufen. Die Zahl der MaturtantInnen stieg von 98 (in 3 maturaführenden Schulen) im Jahr 1960 auf 1006 (in 21 maturaführenden Schulen) im Jahr 1980. Diese „explosionscolaire“ brachte das Bgld. in dieser Statistik vom Schlusslicht auf den Weg an die Spitze aller Bundesländer. Die Eltern verstanden sehr rasch die Aufstiegschancen ihrer Kinder durch Bildung; LehrerInnen und SchülerInnen gerieten unter zuvor unbekannten Leistungsdruck. Der Unterricht konzentrierte sich vorwiegend auf die Begabteren, die Langsameren waren auf Nachhilfe durch ihre Eltern angewiesen oder sie blieben zurück und fielen heraus. Und sie hatten zudem nur mehr vier statt acht Jahre Zeit sinnverstehend lesen zu lernen. Ich erinnere mich z.B. an einen Sprechtag an der Hauptschule Jennersdorf, an dem wir sieben AnfängerInnen identifizierten, die sich nicht zurecht- und einfinden konnten. Als wir gemeinsam mit den Schulinspektoren eine zusätzliche Sonderschulklasse begründeten, hielten wir diese Maßnahme für sinnvoll.

Wir hatten damals noch nicht das Verständnis späterer Jahre: Untersuchungen meiner Mitarbeiter-Innen sollten zeigen, dass SchülerInnen bei gleicher Intelligenz und schulischer Leistung nach Absolvierung der Hauptschule großteils einen Lehrplatz ergatterten, nach der Sonderschule nur in Einzelfällen. Aus der Entwicklungspsychologie hätten wir wissen sollen, dass der schulische Erfolg von 10- bis 14jährigen mehr von Gleichaltrigen als von LehrerInnen beeinflusst wird. Das nur mehr in Österreich praktizierte Auseinanderdividieren der Zehnjährigen (in AHS, HS bzw. NMS und ASO) nützt den Begabteren nachweislich nicht, bringt aber für die weniger Begabten gravierende Nachteile mit sich.  Wir beobachten z.B, dass 85% der österreichischen 10jährigen verstehend lesen können und gehen darüber hinweg, dass es bei den 15jährigen nur mehr 75% sind? Aus ideologischen Gründen wird von der zu frühen Selektion vorläufig noch nicht abgegangen.

Die Emanzipation der Frauen, die mit den 68ern Fahrt aufgenommen hat und mit einiger Verspätung auch im Bgld. wahrnehmbar wurde, hat das Konzept der schulpsychologischen Beratung nachhaltig verändert. Einzelne Mütter begannen Sonderschulempfehlungen mit plausiblen Argumenten abzulehnen. Als eine Mutter aus Rohrbach mit Selbstmord drohte, hat der Bezirkshauptmann die Um-schulung verständlicherweise nicht mit Polizeigewalt durchgesetzt.

Gertraud Schleichert, eine der innovativsten Schulpsychologinnen überhaupt und Brigitte Leimstättner, eine progressive Lehrerin aus der Sonderschule Stegersbach, haben nicht nur aus dieser Zwickmühle heraus 1984 einen Gegenentwurf präsentiert: Zwei LehrerInnen sollten Behinderte und Nichbehinderte gemeinsam unterrichten.  

 Bei der Tagung der LandesreferentInnen 1985 in Mörbisch fand ich für die“ Kinderschule“ Oberwart noch kein Verständnis. Der Streit war vergleichbar mit dem bei den Tagungen der bgld. BezirksschulinspektorInnen. Heute bedaure ich, dass mir damals die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Integration erst zum Teil zur Verfügung standen. Die erste integrative Klasse Österreichs mit dem Zwei-Lehrer-System in Oberwart wurde jedenfalls ein Erfolg. Die Eltern der behinderten Kinder haben 1993 - nach jahrelangem Ringen - die Übernahme in das Regelschulwesen durchgesetzt.

Der Sonderschulinspektor und die SonderschullehrerInnen erlebten unsere Initiativen als existenzgefährdend, es kam zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb und außerhalb des Bundeslandes. Erziehung ohne Ausgrenzung bedeutet aber nicht, dass es weniger Spezialisten braucht, sondern dass sie eine neue Rolle einnehmen. Franz Halper, Sonderschulinspektor ab 1992, hat die Chance für die Sonderpädagogik erkannt, aus dem Abseits, das auch Eltern und SonderschullehrerInnen betraf, herauszukommen. Unsere regelmäßige Zusammenarbeit bei den mündlichen Verhandlungen zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und das gemeinsame Verfassen von Handreichungen und Broschüren führten zu einer besseren Zusammenarbeit als je zuvor.

Bei der Durchsetzung des neuen Schulversuches „Integrative Betreuung verhaltensauffälliger Schüler“ erlebten wir weniger Widerstand. Als 1985 erstmals ein Hauptschüler wegen Impulsivität (Er hatte seinen Schulleiter gegen die Tafel geschleudert.) vom Schulbesuch vorübergehend suspendiert werden musste, hat die BSI-Konferenz meine Modellbeschreibung einstimmig angenommen. Wir haben damals diskutiert, ob die Schule Heranwachsende stützen muss, wenn die Familie ausfällt oder versagt. Aus schulpsychologischer Sicht muss in der Schule zumindest darauf geachtet werden, dass die Nöte eines Kindes nicht noch verstärkt werden. LehrerInnen dürfen sich nicht auf Eltern ausreden. Sie müssen sich selbst geeignete Hilfestellungen überlegen, um Kinder zu integrieren und nicht auszuschließen.

Dr. Werner Wagner 

Wie alles begann! Zeitzeugen 1983 -2013; Mag Dr Brigitte Leimstättner

INTEGRATIONSBEREITSCHAFT IM BURGENLAND –  EIN HEISSER STROM IM KALTEN WASSER

 „Mir scheint interessant, dass gerade aus jenem Bundesland – nämlich dem Burgenland – über das der Österreicher so gerne witzelt, dieser entscheidende Impuls kommt.“ 

Dass die erste offizielle Integrationsklasse Österreichs im Burgenland initiiert wurde, überraschte viele. Trotz der peripheren Lage, der besonderen Strukturen und des historischen Hintergrundes entwickelte sich hier im Vergleich zu anderen Bundesländern ein überraschendes Innovationsvermögen im Bereich der Integration von Kindern mit „besonderen Bedürfnissen“. Im Gegensatz zu vielen anderen Regionen Österreichs fehlten im Burgenland Sonderkindergärten, daher wurden behinderte Kinder in die Regelkindergärten aufgenommen und dort integriert. Durch die so bereits erfolgte Praxis von Integration an den Kindergärten konnten Eltern von behinderten und nichtbehinderten Kindern, aber auch alle anderen institutionell Beteiligten, Sicherheit darüber gewinnen, dass Integration funktioniert. Im Rückblick mag dies sicherlich mit ein Grund sein, weshalb die vom Burgenland ausgehende Integrationsbewegung Verbündete fand und Synergien nutzen konnte. 

1984 startete die erste Integrationsklasse Österreichs an der Volksschule Oberwart unter meiner Leitung. Die Genehmigung des Schulversuches gelang erst in letzter Minute. Gerade die erste Phase war von viel Engagement und Aufbruchsstimmung getragen. Die Kooperation zwischen Eltern und Lehrer/innen, die Unterstützung einzelner Vertreter/innen aus dem Verwaltungs- und Administrationsbereich auf Bundes- und Landesebene und die Bündelung vieler Kräfte ermöglichten diese „Reform von unten“, die auch an internationale Konzepte anknüpfte und Anerkennung über die Grenzen Österreichs hinaus fand.

Dieser für österreichische Schulen neue soziale und pädagogische Anspruch und die damit verbundenen Herausforderungen polarisierten die Lehrerschaft und die Schulpartner und dies nicht von ungefähr. Entstanden doch die Integrationsbemühungen innerhalb eines Bildungssystems, das nicht integrativ, sondern grundlegend selektiv ist. In der Phase des Schulversuches war es möglich, die dazu gehörenden gesellschaftlichen und politischen Analysen durchzuführen, sowie über deren mögliche Erkenntnisse und die daraus zu ziehenden Konsequenzen nachzudenken. Mit der Überführung des Schulversuches in den Regelschulbetrieb wurde die Weiterführung dieser umfassenden und durchgängigen Auseinandersetzungen nicht in der angemessenen Notwendigkeit beibehalten. Die Rahmenbedingungen und Ressourcen standen nicht in dem Maße zur Verfügung, wie die ursprüngliche Konzeption es vorsah. Das Gelingen wurde sukzessive in die Verantwortung und das individuelle Engagement einzelner Lehrpersonen gelegt. Das, was als heiße Bewegung begonnen hatte, wurde durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen Grad für Grad heruntergekühlt. Genau das meint Mario Erdheim, wenn er von Schule als einem „Kühlsystem des Staates“ spricht.

 Das „gründliche Denken der Integration“, das Georg Feuser fordert, beinhaltet auch, sie als Anlass zu nehmen, selektierende und segregierende Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtssysteme in Frage zu stellen und sie notwendigerweise umzubauen. Doch dies stößt an Grenzen. Die Voraussetzung für eine gelingende Integration wäre der Bruch mit dem „Modus der Evidenz“ des Schulsystems, als einer Unterschiede produzierenden und reproduzierenden Institution. Die Anerkennung von Differenz mit all ihren Überkreuzungen bedarf der Veränderung des individuellen und kollektiven Habitus, was – wie Pierre Bourdieu formuliert – nur durch eine „wahre Arbeit der Gegendressur, die ähnlich dem athletischen Training wiederholte Übungen einschließt“, erreicht werden kann.

 Der Satz, mit dem Gertraud Schleichert und ich 1983 unseren Modellvorschlag für die Integrationsklasse beendet haben, gilt für mich so auch noch heute:

„Mit dieser Utopie {dass das gelingen möge} wollen wir vorläufig abschließen.“

 Mag.aDr.in Brigitte Leimstättner

 

Der Text beruht auf einem Kapitel meiner unveröffentlichten Dissertation: „Vom inneren Tragen äußerer Veränderungen. Lehrer/innen und Schulleiter/innen in der Spirale der Schulentwicklung.“ Graz. 2010.

Anlanger, Otto: Behinderten Integration. Geschichte eines Erfolges. Dokumentation. Schulheft 70. Wien. 1993, S. 22.

Als Grundlage für diesen integrativen Schulversuch diente der schriftliche Entwurf dazu von Gertraud Schleichert und mir. Vgl dazu: Schleichert, Gertraud: Behinderte und Nichtbehinderte gemeinsam in Schulen. Integrierte Klasse in Oberwart. Dokumente aus acht Jahren Schulversuch. Innsbruck. 1993.

Erdheim, Mario: Psychoanalyse und Unbewusstheit in der Kultur. Frankfurt/M. 1988.

Feuser, Georg: Von Selektion über Integration zur Inklusion. Vortrag beim Symposium: Die inklusive Schule: JEDE/R IST WILLKOMMEN. KPH Graz. 4. und 5. April 2008.

Bourdieu, Pierre: Wie die Kultur zum Bauern kommt. Hamburg. 2001.

Zit. in Schleichert, wie Anm. 3, S. 42.

Wie alles begann! Zeitzeugen 1983 -2013; Gabriele Huterer

Wie alles begann

 Eigentlich entstand die erste Integrationsklasse 1984 in Oberwart ähnlich wie ein Bild in einem Kaleidoskop: Zufällig sind einige Steinchen zusammengerutscht, und daraus wurde eine bunte lebendige Bewegung – und das letztendlich in ganz Österreich.

Was sich traf:

Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen, die ihre positiven Integrationserfahrungen aus dem Kindergarten unbedingt weiterleben wollten,

andere Eltern, die dringendes Interesse an Reformpädagogik für ihre SchulanfängerInnen hatten,

ein bereits formulierter und eingereichter Schulversuch zum gemeinsamen Lernen von Kindern mit ganz unterschiedlichen Begabungen, der in einer Schublade wartete,

PädagogInnen, die verstanden hatten, dass Integration eine eigene Pädagogik braucht, manchmal an die Grenzen der eigenen Toleranz geht und Schwerstarbeit sein kann, und

Menschen im Schulsystem, die mutig wagten, Sinnvolles vor gesetzliche Vorgaben zu stellen.

Und dann waren da noch die SchülerInnen, die in diesem besonderen Rahmen den Erwachsenen vorlebten, wie es sozial gehen kann.

Damit „gut gemeint“ auch „gut gemacht“ werden konnte, wurde sehr viel Wissen zusammengetragen, Erfahrungen aus anderen Ländern wurden gesammelt und dann in Symposien diskutiert. Gegenargumente, Widerstände und zu überwindende Hürden haben diese wichtige schulische Veränderung durch Diskussionsprozesse genauso weitergebracht wie Fachwissen über Integrationspädagogik, Zuspruch und manchmal auch Trost.

Dass alles beginnen konnte, war letztendlich aber vor allem auch dem mutigen Bekenntnis und Einsatz Vieler zu verdanken: zu einer Gesellschaft, in der Menschen mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen zusammen und voneinander lernen.

Damals waren es Menschen mit unterschiedlichsten Einschränkungen, die uns die Chance gaben, unser soziales und pädagogisches Handeln vielfältiger zu gestalten. Heute sind es auch Menschen mit unterschiedlichsten Migrationshintergründen, die uns den Reichtum der Diversität eröffnen – viele bunte Kaleidoskopbilder...

 

Gabriele Huterer

 

Von der Integration zur Inklusion - Entwicklungsarbeit im Burgenland; Mag. Dr. Klaus Novak, PH Burgenland

Die Pädagogische Hochschule Burgenland – ein Ort der Zukunftsgestaltung am Beispiel der Einführung des gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne sonderpädagogischem/n Förderbedarf

 Die Entwicklung der Integration aus dem Blickfeld des Pädagogischen Instituts des Bundes für Burgenland

Das „Internationale Jahr der Behinderten“ 1981 brachte neue Anstöße zur Auseinandersetzung mit den Fragen der Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen. Interessierte und engagierte, weil betroffene Eltern und Lehrer/innen, entwickelten Konzepte zum gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder.1 1984 wurde die erste Integrationsklasse in Oberwart eröffnet. Eine Initiatorin dieses Schulversuches war Brigitte Leimstättner, mittlerweile eine Lehrende am Institut für Personal- und Schulentwicklung an allgemein bildenden Schulen der Pädagogischen Hochschule Burgenland mit dem Schwerpunkt der Schulentwicklungsberatung.2 Der Beginn der Entwicklung der Integration verdeutlicht sehr gut die Bedeutsamkeit der Pädagogischen Hochschule Burgenland3 für die Schulentwicklung im Burgenland, vor allem weil die Fähigkeit Visionen zu antizipieren und die damit einhergehende Volition als wesentliche Kompetenz für Mitarbeiter/innen der Pädagogischen Hochschule Burgenland am Beispiel von Dr. Brigitte Leimstättner ersichtlich wird.

Für die Evaluation der schulischen Integration wurden in jedem Bundesland wissenschaftliche Begleiter/innen eingesetzt. Da das Pädagogische Institut des Bundes für Burgenland explizit kein Mandat für Forschung hatte, war die wissenschaftliche Begleitung am Landeschulrat für Burgenland angedockt. Hier hat sich mit der Hochschulwerdung und dem damit verbunden Forschungsauftrag4 eine sehr wichtige Aufwertung der Lehrer/innenbildung ergeben. So werden nunmehr Schulversuche (z.B. Neue Mittelschule) und Innovationsprojekte des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur unter anderem auch von den Pädagogischen Hochschulen auf ihre Wirksamkeit und Umsetzungsmöglichkeiten überprüft.

 Zu den Aufgaben des Pädagogischen Instituts zählten einerseits Maßnahmen zur Professionalisierung der Lehrer/innen in Form von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen und andererseits die Beratung von Schulen und Lehrerinnen/Lehrern im Rahmen der Schulentwicklung auf landesweiter, regionaler und schulischer Ebene. Exemplarisch wird nachfolgend für jede Ebene je ein Beispiel eines gelungenen Schulentwicklungsprojektes im Bereich des gemeinsamen Unterrichts im Bundesland Burgenland angeführt:

1.Auf Landesebene wurden Qualitätsstandards für die Integration und ein Leitbild für die Sonderpädagoginnen/-pädagogen entwickelt. Diese haben noch heute Gültigkeit und sind auf der Homepage der Abteilung Sonderpädagogik des Landesschulrates für Burgenland5 abrufbar. Das Pädagogische Institut war durch Expertinnen/Experten in den eigens dafür eingerichteten Qualitätsforen vertreten. Auch für die Moderation der landesweiten Steuergruppe und die Zusammenführung der Ergebnisse zeichnete das Pädagogische Institut des Bundes in Burgenland. Als Publikationen sind die zwei Broschüren „Das Sonderpädagogische Gutachten“ und „Schüler/innen mit SPF“ entstanden. 2.Österreichweit fand das regionale Bildungskonzept für den Bezirk Oberwart „Sonderpädagogik Miteinander“6, welche in der gleichnamigen Broschüre veröffentlicht wurde, beachtliches Interesse. Dieses Konzept wurde auch bei überregionalen Tagungen (z.B. bei der Enquete „Regionale Bildungsplanung durch die Schulaufsicht – Anspruch und Wirklichkeit“) vorgestellt.7 3.Auf Schulebene war die Entwicklung des Schulprogramms des Sonderpädagogischen Zentrums Stegersbach beispielgebend, da es die unterschiedlichen Einflussfaktoren zweier Institutionen, nämlich die eines Sonderpädagogischen Zentrums und die der Allgemeinen Sonderschule zu berücksichtigen hatte und diese in einem einjährigen Schulentwicklungsprozess ausgehend von einem Leitbild in einem Schulprogramm zusammenführte. Die im Rahmen dieses Prozesses gemachten Erfahrungen sowie die entwickelten Methoden und Instrumente wurden in einer Diplomarbeit festgehalten8. Wissenschaftlich begleitet wurde diese Arbeit von Univ.-Prof. Dr. Helmut Seel. Die Probleme, die mit der oben genannten Thematik verbunden waren, lagen primär darin, die umfassenden literarischen Quellen, die bloß in ausreichender und mannigfaltiger Weise für die allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen zur Verfügung standen, in einer möglichst probaten Form auf die Sonderpädagogischen Zentren und die mit ihnen verwandten und in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Schulen umzumünzen.

 Diese Prozesse, die sich zeitlich am Ende der 90er-Jahre und zu Beginn des neuen Jahrtausends datieren lassen, bildeten die Basis für die weitere Entwicklung der schulischen Integration im Burgenland, wobei in dieser Phase die Hauptlinien der Entwicklungsdynamiken in einem Abstimmungsprozess zwischen Pädagogischem Institut und Landesschulrat festgelegt wurden. Die Aufgabenbearbeitung und -erfüllung liefen jedoch in den Organisationen relativ unabhängig voneinander ab.

Eine weitere wichtige Aufgabe neben der Schulentwicklungsberatung war für das Pädagogische Institut die Lehrer/innen in den verschiedenen sonderpädagogischen Disziplinen weiterzubilden, da es einen beträchtlichen Mangel an qualifizierten Sonderpädagoginnen/Sonderpädagogen gab. So gab es drei Lehrgänge, in denen die Lehrer/innen die klassische Kombination an Lehrämtern, nämlich jene für die Allgemeine Sonderschule und für die Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder, erwerben konnten. Weiters wurden Sprachheillehrer/innen, Lehrer/innen für schwer erziehbare Schüler/innen und Beratungslehrer/innen ausgebildet. Lehrer/innen für Kinder mit Sinnes- und Körperbehinderungen wurden bundesweit qualifiziert.

Wie bereits oben erwähnt, hatte das Pädagogische Institut dezidiert keinen Forschungsauftrag und deshalb wurden Forschungsprojekte, zumeist vereinzelt und isoliert auf Grund persönlicher Interessen, von einzelnen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern - zumeist im Rahmen eines universitären Studiums – durchgeführt. Zu erwähnen ist hier die Dissertation „Berufsvorbereitung bei Schüler/innen mit einer Lernbehinderung – Evaluation verschiedener Organisationsmodelle“ vom Verfasser dieses Artikels, die zum Ergebnis kam, dass Schüler/innen mit einer Lernbehinderung, welche ihr letztes Jahr in einer Integrationsklasse der PTS absolvierten und Schüler/innen mit Lernbehinderungen, die das letzte Schuljahr im Berufsvorbereitungsjahr in einer Allgemeinen Sonderschule besuchten, hinsichtlich Fach-, Selbst-, und Sozialkompetenz keine signifikanten Unterschiede aufweisen, dass es jedoch für Schüler/innen aus Sonderschulen wesentlich schwieriger ist eine Lehrstelle zu finden.9

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Entwicklung der schulischen Integration in Österreich als eines der am konsequentesten und intensivsten evaluierten Schulreformprojekte der letzten Jahrzehnte bezeichnet werden kann und die Studienergebnisse für den gemeinsamen Unterricht sprechen.10

 Die Entwicklung der Integration aus dem Blickfeld der Pädagogischen Hochschule Burgenland

Mit Start der Pädagogischen Hochschule im Jahre 2007 und dem im Hochschulgesetz 2005 festgeschriebenen Forschungsauftrag für diese wurden auch im Bereich der Integration von der Pädagogischen Hochschule gezielt Forschungsvorhaben initiiert.11

Anzuführen ist hier die Studie über die Wirksamkeit der Sonderpädagogischen Zentren, welche im Jahre 2009 unter der Leitung von Dr.in Eva Burger im Auftrag des bm:ukk veröffentlicht wurde.

Auch die Studie „Integration in der Neuen Mittelschule“ von Ewald Ritter wurde konkret aus einem Auftrag heraus - diesmal vom Rektorat der Pädagogischen Hochschule - erstellt. Diese Studie befasst sich mit der Realisierung sonderpädagogischer Prinzipien in dem Schultyp „Neue Mittelschule“ und zeigt Möglichkeiten auf, die für alle Kinder und Jugendlichen offenstehen sollten.12

Im Bereich der Lehrer/innenbildung sind bis dato folgende Entwicklungen bzw. strategische Ausrichtungen an der Pädagogischen Hochschule im Bereich der Sonderpädagogik erwähnenswert:

•Die Ausbildung zur Sonderschullehrerin/zum Sonderschullehrer wird an der Pädagogischen Hochschule Burgenland in jedem Studienjahr angeboten. Auf Grund des geringen Interesses konnte jedoch bis zum heutigen Zeitpunkt noch kein Studiengang „Sonderpädagogik“ eröffnet werden. •Die Fort- und Weiterbildung für Sonderpädagoginnen und -pädagogen ist in der Pädagogischen Hochschule Burgenland im Institut Personal- und Schulentwicklung an allgemein bildenden Schulen angesiedelt. Es wurde bewusst eine Organisationseinheit geschaffen, die nicht mehr zwischen Schultypen und dem Subsystem Sonderpädagogik unterscheidet. Da der integrative Unterricht zum Regelfall geworden ist, bedarf es keiner explizit als Sonderpädagogik ausgewiesenen Einheit mehr. „Eine Pädagogik, die sich um die Bedürfnisse von Kindern mit Beeinträchtigungen annimmt, ist a priori integrative und damit Allgemeine Pädagogik“.13 •Integrationspädagogik findet sich vor allem im profilbildenden Schwerpunkt „Neue Lernkultur/Individualisieren/Differenzieren/Kompetenzorientierung“ wieder, welcher als Querschnittsthema alle inhaltlichen Bereiche der Pädagogischen Hochschule Burgenland betrifft. Jeder binnendifferenzierte Unterricht, der weitgehend die Lernbedürfnisse und Voraussetzungen aller Kinder berücksichtigt, ist bestens geeignet für die gemeinsame Unterrichtung von Kindern mit Behinderung und Kindern ohne Behinderung. Daher ist der Großteil des Angebotes im Fortbildungsprogramm – vor allem mit didaktischen und fachdidaktischen Inhalten - für alle Lehrer/innen offen und nicht für spezifische Schultypen eingegrenzt. Differenziert wird in diesen Feldern lediglich dann, wenn es das Alter der Schüler/innen erfordert. •Eigene Fortbildungsveranstaltungen, die sich ausschließlich an Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen richten, betreffen sonderpädagogisch spezifische Fachgruppen wie z.B. für Gutachter/innen, Lehrer/innen für Sinnesbehinderungen, Beratungslehrer/innen und Sprachheillehrer/innen. •

Die Umsetzung einer inklusiven Modellregion aus dem Blickfeld der Pädagogischen Hochschule Burgenland

Unabhängig davon, welchen tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Anteil das Subsystem Sonderpädagogik in Gestalt von Theorie, Institution und Berufsgruppe an der Tatsache hat, dass die Zahlen der Schüler/innen mit sonderpädagogischen Förderbedarf weiter steigen14: Eine Änderung ist nur zu erwarten, wenn sich das Gesamtsystem Schule in seiner Struktur grundlegend wandelt. Es sind jedoch, wie sehr oft gefordert, weder die Auflösung der Sonderpädagogik noch der Verzicht auf die spezialisierte Berufsgruppe der Sonderpädagoginnen/-pädagogen sinnvoll, sondern die Entwicklung einer Schule für alle, die Vielfalt anerkennt und beachtet und die die Zusammenarbeit verschiedener pädagogischer Professionen praktiziert. Seit Anfang 2011 treffen sich Fachleute aus ganz Österreich im Auftrag von Bildungsministerin Dr. Claudia Schmied regelmäßig zu Beratungen über die "Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte für Menschen mit Behinderungen im schulischen Bereich". Es geht - wie es die von Österreich ratifizierte Konvention vorsieht - um die Einführung eines inklusiven Schulsystems.

Die Pädagogische Hochschule ist in diese Entwicklung involviert und ist an einer Mitarbeit an einem Aktionsplan zur Umsetzung einer inklusiven Modellregion im Burgenland sehr interessiert, vor allem, weil Inklusion der nächste logisch folgende Schritt auf die Bemühungen der Integration ist.  Inklusion nimmt die Verschiedenheit und die Unterschiede zwischen den Schüler/innen wahr und baut auf diese den Unterricht auf. Es geht darum Barrieren in Bildung und Erziehung für alle Schüler/innen auf ein Minimum zu reduzieren.15

„Inklusion eröffnet allen Menschen die Möglichkeit, ihr Recht auf adäquate Bildung und auf Erreichung ihres individuell höchstmöglichen Bildungszieles wahrzunehmen und damit ein möglichst selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben zu führen“.16 Dieser Entwicklung kann sich auch das Burgenland nicht entziehen.

Die erste Maßnahme, die es an der Pädagogischen Hochschule Burgenland umzusetzen gilt, ist es, in den anstehenden  Curriculaentwicklungen – die aus der Umstellung der Lehrer/innenbildung resultieren werden – neu festzulegen, welcher sonderpädagogischen Kompetenzen es in einem inklusiven Schulsystem bedarf. Hier bilden die Überlegungen von Feyerer eine wichtige Grundlage. „Inklusion braucht Sonderpädagogik! Die Notwendigkeit eines sonderpädagogischen Beitrages zu einer inklusiven Pädagogik ist völlig unstrittig. Es geht nicht um die Frage, ob Sonderpädagogik gebraucht wird, sondern darum, welche Sonderpädagogik gebraucht wird.“17

Aber auch die Allgemeine Pädagogik muss sich ändern. Bei der Umsetzung von inklusiver Pädagogik geht es nämlich nicht darum, einen ansonsten unveränderten Unterricht mit sonderpädagogischen Maßnahmen zu ergänzen. Eine solche Herangehensweise führt nämlich, wie in vielen Integrations- oder Stützlehrerklassen oft zu sehen, zu einem Nebeneinander und zu häufigen Trennungen der Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen anstatt zu einem wirklich inklusiven Unterrichtsgeschehen.

 

Wenn es um eine grundlegende Reform des Bildungswesens in Österreich hin zu einem inklusiven Schulsystem gehen soll, ist auch die Pädagogische Hochschule in ihrem Entwicklungsprozess, nämlich von einer in einem gewissen Maße doch noch selektierenden Hochschule18 hin zu einer diversitätskompetenten Hochschule, gefordert. Dieser Organisationsentwicklungsprozess würde wichtige Erfahrungen im Bereich der Inklusion ermöglichen - wobei es hier vor allem um die Anerkennung des Fremden/des Anderen im Sinne einer Haltungsänderung gehen muss -, die die Lehrenden der Pädagogischen Hochschule Burgenland in ihren Aufgabenfeldern, der Lehrer/innenausbildung, der Lehrer/innenfort- und -weiterbildung, der Forschung und der Schulentwicklungsberatung, im Umgang mit Diversität professionalisieren würde. Gleichzeitig positionierte sich die Pädagogische Hochschule Burgenland im Zuge dieses Organisationsprozesses als ein „Best Practice-Modell“ für Inklusion in der burgenländischen Bildungslandschaft.

  Literatur:

Boban, I. & Hinz, A. (2003): Index für Inklusion. Lernen und Teilhabe in Schulen der Vielfalt entwickeln. URL:  http://www.eenet.org.uk/resources/docs/Index%20German.pdf

Eberwein, H. (1998): Integrationspädagogik als Element einer allgemeinen Pädagogik und Lehrerausbildung. IN: Hildeschmidt, A. & Schnell, I. (Hsg.): Integrationspädagogik – auf dem Weg zu einer Schule für alle.  Juventa. Weinheim und München

Grubich, R. (2011): Zur schulischen Situation von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) in Österreich – Analyse im Lichte der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung. IN: Zeitschrift für Inklusion, Nr. 3. URL: http://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion/article/viewArticle/107/108

Halper, F, & Novak, K. (2002): Sonderpädagogik Miteinander. IN: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Hg.): Regionale Bildungsplanung durch die Schulaufsicht – Anspruch und Wirklichkeit (Tagungsbericht). Wien. Eigenverlag

Novak, K. (2000): Das Schulprogramm des Sonderpädagogischen Zentrums Stegersbach. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Graz

Novak, K. (2004): Berufsvorbereitung bei Schülern mit einer Lernbehinderung. Evaluation verschiedener Organisationsmodelle. Unveröffentlichte Dissertation, Graz

Jonak, F. & Münster, G. (2006): Die Pädagogische Hochschule. Hochschulgesetz 2005, Innsbruck

Feyerer, E. (2011): SonderschullehrerInnenausbildung NEU. Konzeptionelle Überlegungen zur momentanen Diskussion um die Neugestaltung der LehrerInnenausbildung in Österreich. IN: Zeitschrift für Inklusion, Nr. 3: URL: http://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion/article/view/121/119

Specht, W. et al. (2006): Qualität in der Sonderpädagogik. Ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt. Forschungsansatz, Ergebnisse, Schlussfolgerungen. (ZSE-Report Nr. 70). Graz. Zentrum für Schulentwicklung

Ritter, E. (2012): Integration in der Neuen Mittelschule. Eine Bestandsaufnahme im Burgenland. IN: Pädagogische Hochschule Burgenland. ph publico. Heft 2. Mattersburg

 1 Scheipl & Seel 2004, S. 95

2 siehe Leimstättner in diesem Heft

3Vor September 2007 waren die Pädagogischen Institute/Akademien für die Lehrer/innenbildung zuständig und werden als Vorläuferorganisationen der Pädagogischen Hochschulenen bezeichnet.

4§ 8, Abs. 1, 2 und 6 im Hochschulgesetz 2005

5http://www.sonderpaedagogik-burgenland.at

6LSR Für Burgenland. „Sonderpädagogik Miteinander“. Eisenstadt 2001

7vgl. Halper & Novak 2002, S. 112 – 120

8vgl. Novak 2000

9vgl. Novak 2004

10vgl. Specht et al. 2006, S. 30 ff.

11§ 8, Abs. 1, 2 und 6 im Hochschulgesetz 2005

12vgl. Ritter 2012, S. 75

13Eberwein 1998, S. 359

14vgl. Grubich 2011

15vgl. Boban & Hinz 2003, S. 11

16ebenda

17Feyerer 2011

18§ 15 des Hochschulgesetzes schreibt eine genaue Eignungsfeststellung vor

Die Rolle der Schulaufsicht, Landesschulinspektor HR Erwin Deutsch, MAS Msc; LSR f. Bgld, Abt. APS

Der Weg der Schulaufsicht zur Inklusion

Die Schulaufsicht war im Burgenland von Beginn in die Integrationsversuche eingebunden. So wie in der gesamten pädagogischen Landschaft war auch hier die Haltung nicht eindeutig. Man sah das Bemühen der Sonderschulen um die behinderten Kinder, erlebte aber auch den Widerstand vieler Eltern gegen die Einweisung in diese Schulart. Die Zustimmung zum Schulversuch war daher auch pragmatisch bestimmt.

In der Vergangenheit  gab es im Land im Vergleich zu anderen Bundesländern einen geringen Anteil an SonderschülerInnen. Zu Beginn der Schulversuche hatte man vornehmlich den Förderaspekt und sicher auch die zusätzlichen Ressourcen im Auge. Die Zahl der behinderten Kinder (den Ausdruck SPF kannte man noch nicht) in der Integration stieg rasch. Die Eltern nahmen die zusätzliche Hilfe durch mehr Lehrerstunden gerne an, zumal die Förderung nicht zwingend mit einem Sonderschullehrplan verquickt war. Die Koordination und fachliche Begleitung dieser Schulversuche lag in den Händen des wissenschaftlichen Betreuers Dr. Manfred Weiß. Gemeinsam mit der Schulaufsicht bemühte er sich eine Zusammenarbeit zwischen Sonderschulen und Integrationsklassen zu implementieren. Dieses Bemühen führte dann zu Versuchen, die Sonderschulen als „Zentrum für Integration“ im Bezirk zu etablieren. Daraus entstanden die Sonderpädagogischen Zentren. Auf diese Art war schon nach wenigen Jahren aus kontroversiellen Diskussionen ein konstruktives Miteinander entstanden.

Da im Land zu den wesentlichen Aufgaben der Schulaufsicht die Personalentwicklung und die Erstellung des Stellenplanes zählen, war und ist dies eine zentrale Herausforderung für die BezirksschulinspektorInnen. Koordiniert durch die Landesschulaufsicht ist man  bemüht, die vorhandenen Ressourcen für den Unterricht der betroffenen Kinder optimal einzusetzen. Dabei gewinnen der präventive Einsatz im Grundschulalter und die Betreuung von Jugendlichen mit sozial-emotionalem Förderbedarf ohne Bescheid eine immer stärkere Bedeutung.

Durch die gesetzlichen Regelungen sah sich die Bezirksschulaufsicht aber plötzlich einer Reihe von neuen Aufgaben gegenüber.

Die wichtigsten seien hier genannt:

•Überprüfung, ob sonderpädagogischer Förderbedarf besteht •Einholen von Gutachten •Beratung der Erziehungsberechtigten •Bescheid über Befreiung vom Schulbesuch •Beratung über Fördermöglichkeiten und zweckmäßigsten Schulbesuch •Ermöglichen von probeweisen Schulbesuch in einer anderen als der vom Kind gerade besuchten Schulart •Einrichtung von Kursen zur Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs (Beobachtungszeit) •Übertritt von Kindern mit Körper- bzw. Sinnesbehinderung in die Sekundarstufe I •Höchstdauer des Schulbesuchs, Überprüfung und Bewilligung •Evaluation der Förderung •Laufende Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen und der Entwicklung des Kindes, insbesondere bei Übertritten in andere Schularten •Aufhebung des Bescheides über sonderpädagogischen Förderbedarf

 In der Praxis bedeutet das: Die BSI sind sehr nahe an den Kindern, den Familien und ihren Problemen. Unterstützt werden sie in dieser Arbeit von den LeiterInnen und GutachterInnen der Sonderpädagogischen Zentren.

 Die strategische Ausrichtung, die sonderpädagogische Fachkompetenz und die Entwicklung von Schwerpunkten liegen bei der Schulaufsicht für Sonderpädagogik im Landesschulrat, die in der Pflichtschulabteilung integriert ist.

Die Verantwortung für die operative Umsetzung, das Konflikt- und Krisenmanagement, die Beratung, aber auch das Aufzeigen sonderpädagogischer Erfordernisse nehmen die Bezirksschulaufsicht in Zusammenarbeit mit den SPZ wahr. Dabei gibt es im Land traditioneller Weise eine enge Kooperation mit der Schulpsychologie und mit der Pädagogischen Hochschule.

 Besonders die Funktion der SPZ war am Beginn umstritten. Ressentiments wie  „kleine BSI“ oder „Minipsychologen“ waren vereinzelt durchaus wahrnehmbar. Eine Definition der Rolle und des Aufgabenfeldes brachte hier Klarheit. Dazu wurden seitens des Landesschulrates  Expertengruppen, bestehend aus LehrerInnen, LeiterInnen, Schulaufsicht und Schulpsychologie eingerichtet. In gleicher Weise erfolgte die Entwicklung von Standards für sonderpädagogische Schwerpunkte wie Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs, Richtlinien für den Schuleintritt, Grundsätze zum gemeinsamen Unterricht, Einsatz von EingliederungshelferInnen, Einsatz von BeratungslehrerInnen, Verhalten bei körperlicher Gewalt, Grundsätze für spezielle Lernunterstützung, Beendigung der Schulpflicht,um nur einige zu nennen. Die Mitarbeit der Bezirksschulaufsicht hatte in diesen Entwicklungsgruppen die Praxis in den Schulen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die pädagogischen Zielrichtungen gleichermaßen im Auge.

 Immer wieder wird Kritik laut, dass die Funktion als SPZ für Sonderschulen eine Problematik darstellt. Deswegen erfolgte auch im Jahre 2008 eine Evaluierung der Wirksamkeit der Sonderpädagogischen Zentren im Burgenland.

 Die Ergebnisse bezüglich der Bezirksschulaufsicht seien hier kurz zitiert:

„Die BezirksschulinspektorenInnen sind mit der Qualität der Arbeit der SPZ-LeiterInnen sehr zufrieden. Zuschreibungen wie kompetent, empathisch, verlässlich, verantwortungsbewusst, problemorientiert, lösungsorientiert und flexibel sind durchgängig vorhanden. Die SPZ-Leitungen agieren kooperativ, nahe an den SchülernInnen und deren Erziehungsberechtigten und seriös.“ (Aus: Die Wirksamkeit Sonderpädagogischer Zentren; Bericht über eine Evaluation der Arbeit der Sonderpädagogischen Zentren des Bundeslandes Burgenland, die im Juni 2008 abgeschlossen wurde. Herausgeber: Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Abteilung I/8,Minoritenplatz 5, 1014 Wien)

 Aus den Erfahrungen der letzten 30 Jahre kann festgehalten werden, dass im Burgenland eine Weiterentwicklung zu einem inklusiven Schulsystem durch eine Fortführung der Kooperation aller Beteiligten, jedenfalls unter Einbindung der Schulaufsicht,  umgesetzt werden kann.  

 

 

Die Rolle der Schulpsychologie im Pflichtschulbereich; HR Dr Elfriede Jud, Leitung Schulpsychologie/Bildungsberatung Burgenland

Inklusion als Prozess

 Integration von Kindern mit Behinderung ist seit dem Schulreformpaket 1993 Aufgabe der Volksschule, 1996 folgte die gesetzliche Verankerung in der Sekundarstufe, 2012 in den Polytechnischen Schulen.

Der erste Staatenbericht Österreichs bezieht sich auf die Verdienste der Integration, das ist der derzeitige Stand in Österreichs Schulen. Dabei können Kinder das Pech haben, von der Lehrperson geduldet zu werden oder das Glück haben, dass der/die Lehrer/in von der Persönlichkeit her eine inklusive Haltung hat. In dieser Haltung wird jedes Kind als Bereicherung erlebt und kann sich entwickeln.

Der Staatenbericht wurde vom bm:ask vorgelegt, in Zusammenarbeit mit dem bm:ukk wurde die breite Basis miteinbezogen, diejenigen, die Inklusion täglich leben sollen. In mehreren Veranstaltungen „Runder Tisch“, wurden Meinungen und Vorschläge erhoben, Ideen entwickelt. Das konkrete Ergebnis sind die „Inklusiven Regionen“, eine Erweiterung der Sonderpädagogischen Zentren.

Inklusive Bildung kann nur in einer inklusiven Gesellschaft stattfinden, alle Ministerien sind gefordert. Inklusion ist ein werteorientiertes Denken und Handeln. Inklusion bedeutet, jeden Menschen willkommen zu heißen. Inklusion heißt, Vielfalt zu erkennen und wertzuschätzen. Inklusion bedeutet Bildungsgerechtigkeit nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern anerkennt auch kulturelle Verschiedenartigkeit, stärkt Antirassismus, stellt Geschlechtergerechtigkeit her, lässt Diversität der sozialen Lebensformen zu und erweitert die sozio-ökonomische Gerechtigkeit.

Inklusion ist ein Prozess, in dem die Hürden und Stolpersteine sichtbar werden.

Für das Kind zählt die Haltung der Lehrperson. Es können inklusive Strukturen geschaffen werden, Unterrichtsmaterial, therapeutische Angebote, Vernetzung zwischen Schule und Familie, Schule und Freizeit – die Person des/der Lehrer/s/in erweckt Inklusion zum Leben oder verurteilt sie zum Scheitern. Inklusion als Haltung greift tief in die Persönlichkeit des/der Lehrer/s/in ein, hinterfragt Vorurteile bei Lehrpersonen, die in einer homogenen Gesellschaft beschult und ausgebildet wurden. Jahrelang hat der Rahmen einer homogenen Sichtweise gereicht, für viele ist Vielfalt wie ein Überfall.

Bis in die Achtzigerjahre wurden Kinder bequem sortiert, dann haben Eltern für ihre behinderten Kinder Plätze in der Regelschule eingefordert, Roma bekamen ihre Anerkennung als Volksgruppe, Zuwanderer häufen sich in Dörfern, in denen Wirte ein gutes Geschäft mit der Bundesbetreuung machen, in Ballungszentren sowieso, Geschlecht/gender wurde ein Thema, zuerst die Förderung von Mädchen, dann die Bubenarbeit, dann die Auseinandersetzung mit dem eigenen Mann- und Frausein.

Aus vielen Berichten, zuletzt aus dem Nationalen Bildungsbericht, wird klar, dass der Bildungsstand und das Einkommen der Eltern entscheidend  für den Schulerfolg der Kinder sind.

Vielfalt ist mittlerweile unübersehbar. Das soll Schule leisten, die Förderung aller Kinder mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen in ihrer individuellen Entwicklung.

Dazu kann die Schulpsychologie viel beitragen:

•Diagnostik, die nicht nur den IQ, sondern die gesamte Persönlichkeit des Kindes mit seinem kulturellen und familiären Hintergrund erfasst •Psychologischer Beitrag zum Dialog, in dem pädagogische, psychologische und medizinische Sichtweisen zusammengeführt werden •Coaching und Supervision für Lehrer/innen, die in diesem Prozess stark gefordert werden •Beratung der PH, wie inklusive Haltung  in der Grundausbildung und in der Fortbildung unterstützt werden kann

Das heißt, die Schulpsychologie arbeitet auf mehreren Ebenen, auf der individuellen in der Fallarbeit und bei der Beratung der Lehrpersonen, auf der systemischen mit der Behandlung von allgemeinen Themen  wie Inklusion  und in der Lehrer/innenfortbildung.

Inklusion ist  auch für die Schulpsychologie eine Herausforderung, die sowohl intern als auch im Dialog mit der Pädagogik und interdisziplinär bewältigt werden wird.

Leitbild der SPZ Leiter/innen Burgenland

Begründung

Wir haben den gesetzlichen Auftrag zur Umsetzung der Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.  

Grundlegende Ziele 

•die bestmögliche sonderpädagogische Förderung aller SchülerInnen unter Berücksichtigung ihrer individuellen Voraussetzungen und Ausschöpfung aller möglichen sonderpädagogischen Unterstützungsmaßnahmen
•ein ganzheitlicher Ansatz der Förderung
•eine möglichst hohe Akzeptanz  bei allen Beteiligten
•die Evaluierung der Maßnahmen und etwaige Änderungen
•die Hilfe zur gesellschaftlichen und beruflichen Integration

Aufgaben und Verantwortung 

Bei den Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs orientieren wir uns an den Bedürfnissen der Kinder. Dabei berücksichtigen wir sowohl ihre Stärken als auch ihre Probleme.  

Eine ganzheitliche Sicht des Kindes ist Ausgangspunkt unserer Beratung. Diese Beratung sowie die Informationen von Erziehungsberechtigten und LehrerInnen führen zu individuellen Strategien in der Förderung.  

Die bestmögliche Förderung für jedes Kind organisieren und koordinieren wir im Rahmen der gesetzlichen und schulorganisatorischen Bedingungen.  

Besonderes Augenmerk legen wir auf die Umsetzung sonderpädagogischer Maßnahmen. Dazu dienen individuelle Förderpläne für jedes Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Dabei nehmen wir beratende Funktion ein.  

Sonderpädagogischer Förderbedarf wird von uns regelmäßig überprüft.

Leistungen 

Ab dem Zeitpunkt der Beantragung des sonderpädagogischen Förderbedarfs beraten wir BezirksschulinspektorInnen, DirektorInnen, LehrerInnen, Erziehungsberechtigte, Schulerhalter und Behörden im Hinblick auf die Entwicklung und die Bedürfnisse des Kindes sowie über mögliche Fördermaßnahmen. 

Die SCHILF der sonderpädagogischen Maßnahmen bieten wir allen LehrerInnen der betreuten Region an, die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichten. 

Die thematischen Schwerpunkte wählen wir bedarfsorientiert. ExpertInnen der sonderpädagogischen Zentren arbeiten in Arbeitsgemeinschaften auf Landes- und Bundesebene mit und sind wichtige MultiplikatorInnen. 

Notwendige sozialpädagogische Hilfsmittel für die individuelle Förderung der Kinder stellen wir vom sonderpädagogischen Zentrum zur Verfügung beziehungsweise organisieren wir deren Anschaffung. Dabei berücksichtigen wir neue Entwicklungen.

Unsere Beobachtung der Kinder – mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf – in der Schule dient der Diagnose. Die darauf aufbauende Prognose ist Basis weiterer unterstützender Maßnahmen. 

Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf bieten wir administrative Hilfe für die begleitende schulische und außerschulische Unterstützung. 

Um Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf die optimale Förderung zu ermöglichen, achten wir auf die Bedürfnisse der LehrerInnen-Fortbildung in den einzelnen Schulen. Dabei arbeiten wir im Bereich der Personalentwicklung mit der Schulaufsicht und der Pädagogischen Hochschule zusammen.

 Grundsätze 

Wir sehen die Kinder in ihrer Ganzheitlichkeit und fühlen uns ihren besonderen Bedürfnissen verpflichtet. 

Unsere Grundhaltung in der Arbeit mit den Kindern ist respektvoll und wertschätzend.  

Den Umgang mit allen Beteiligten gestalten wir auf partnerschaftlicher Basis.  

Wir legen Wert auf Vertraulichkeit.  

Wir akzeptieren das Wahlrecht der Eltern bezüglich der Schulform im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen.  

Bei der Erstellung von Gutachten gehen wir mit entsprechender Sorgfalt vor, weil wir der Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs existentielle Bedeutung für das Kind zumessen. 

Eine vollständige schulische Integration ist unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht möglich. Daher ist unser Leitgedanke: „ So viel Integration wie möglich, so wenig Segregation wie notwendig.“ (Jakob Muth)

 Zusammenarbeit im Team 

Wir als LeiterInnen der sonderpädagogischen Zentren des Burgenlandes sehen uns als Team.  In unserer Zusammenarbeit legen wir Wert auf respektvollen und wertschätzenden Umgang.

Durch die enge Vernetzung, regelmäßigen Erfahrungsaustausch, die gemeinsame Fortbildung, nationale und internationale Kooperationen sowie durch Fremd- und Selbstevaluation unserer Arbeit bemühen wir uns, die Qualität der Umsetzung sonderpädagogischer Maßnahmen im gesamten Bundesland sicherzustellen.

 Innovative Ideen und Visionen im Bereich der Sonderpädagogik werden von uns gemeinsam beobachtet, entwickelt und in Zusammenarbeit mit Verantwortungsträgern, Eltern und LehrerInnen umgesetzt.

 Im Sinne der Rechte des Kindes und der Eltern legen wir Wert auf einheitliche Standards in den Bereichen Diagnostik, Beratung, Förderung und Unterricht.

 

Kommunikationsmodell der Sonderpädagogischen Zentren

 

 

 

 

 

Standortdarstellung 2013



Qualitätsforum "Legasthenieförderkurse"; Mag. Klaus Fand, Schulpsychologie

Legasthenieförderkurse

 Das Hauptmerkmal ist eine langanhaltende und bedeutsame Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lese- und/oder Rechtschreibfertigkeiten. Inzwischen werden Begriffe wie „Lese- Rechtschreibschwäche“, „Lese-Rechtschreibstörung“ oder einfach die Abkürzung „LRS“ synonym verwendet. Die Legasthenikerbetreuer/innen fördern Kinder in Kleingruppen mit einer maximalen Gruppengröße von 5 Kindern in zwei Stunden pro Woche. Die Diagnostik erfolgt durch die sprengelmäßig zuständigen Mitarbeiter/innen des schulpsychologischen Dienstes, die Organisation der Kurse durch die jeweils zuständigen SPZ-Leiter/innen. Die Leiter/innen der Förderkurse sind alle Absolvent/innen einer - größtenteils normierten - Grundausbildung an PHs (früher Päd.Ak. oder PI). Für die inhaltliche Ausrichtung der Kurse kann die zum download bereitstehende Broschüre http://www.schulpsychologie.at/uploads/media/lrs_evidenzbasiert.pdf als Orientierung dienen. Für eine Auseinandersetzung mit der Gesamtthematik Legasthenie, kann die Broschüre http://www.schulpsychologie.at/uploads/media/legasthenie_01.pdf , oder die in Kürze erscheinende diesbezügliche Neuauflage hilfreich sein. 

Qualitätsforum "Heilstättenklassen", SDir Anita Kneschitz, ASO/SPZ Eisenstadt

Kinder im Krankenhaus
Die Arbeit der burgenländischen Heilstättenlehrerinnen

 Jedes kranke Kind hat das Recht auf Unterricht mit dem Ziel der Fortführung von Bildung und Erziehung und die Erhaltung der Stellung als Schüler. Im Krankenhaus Eisenstadt und im Landeskrankenhaus Oberwart ist eine Heilstättenklasse installiert, die an der jeweiligen Sonderschule angeschlossen ist.

Die Heilstättenlehrerinnen tragen durch die Vermittlung von vertrautem schulischen Alltag dazu bei, das Kind auf positive Weise von seiner klinischen Umgebung abzulenken und dadurch den Erholungsprozess zu fördern. Die Kinder werden entweder einzeln, in Kleingruppen oder am Krankenbett unterrichtet. Die Lehrerinnen sind Teil des multiprofessionellen Teams, das sich aus Ärzten, Psychologen, Pflegepersonal und Therapeuten zusammensetzt.

 

 

Qualitätsforum "Hörbehindertenpädagogik", SOL Gabriele Schreiner

Die Arbeit der Lehrer/innen für Hörbehinderte und Gehörlose im Burgenland

 Im Schuljahr 2012/13 werden 17 Schülerinnen/Schüler an 15 Standorten – von der Volksschule bis zur höheren Schule - betreut.  Dies erfolgt  durch Lehrer/innen mit dem Sonderschullehramt für Gehörlose und Schwerhörige Kinder, fallweise auch durch Sprachheilpädagogen/innen oder Integrationslehrer/innen.

Die Kinder sind mit Hörgeräten oder einem Cochlear Implantat – derzeit vier Kinder -  versorgt. Da wir keine Spezialeinrichtung für Sinnesbehinderungen haben, werden alle Schüler/innen integrativ beschult. Dabei werden oft lautsprachlich-begleitende Gebärden, fallweise die Österreichische Gebärdensprache oder auch Funkmikro-Anlagen eingesetzt. Die Kinder brauchen vor allem Textvereinfachung und –reduktion, dabei ist die Wortschatzarbeit immer sehr wichtig.

Unsere künftige Aufgabe sehe ich daher in der Entwicklung von einheitlichen Qualitätsstandards.

 Gabriele Schreiner

 HOL, SL für gehörlose und schwerhörige Kinder/Allgemeine Sonderschule und  Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder

 

 

Qualitätsforum "Sehbehindertenpädagogik", SOL Andrea Steiner

Pädagogik für sehbehinderte und blinde Kinder

 Im Burgenland werden alle sehbehinderten und blinden Kinder in ihren Schulen integrativ von speziell ausgebildeten, mobilen Sehbehinderten- und Blindenlehrer/innen betreut, die je nach Bedarf zu ihren Schüler/innen kommen.

Das Aufgabengebiet des siebenköpfigen Teams umfasst neben der Unterstützung im Unterricht die Erstellung von Gutachten, Gespräche mit Eltern und Lehrer/innen, Beratung bei der Auswahl spezieller Hilfsmittel und die Adaptierung von Unterrichtsmaterialien. Eine speziell ausgebildete Lehrerin vermittelt zusätzlich lebenspraktische Fertigkeiten, Orientierung und Mobilität.

 Unter www.seblibu.at betreibt das Lehrerteam eine Internet-Plattform zum Erfahrungsaustausch, die auch anderen interessierten Personen (Eltern, Lehrern, Betroffenen) zur Verfügung steht.

 

 

 

Qualitätsforum "Berufsorientierung", vSL Martin Pratl, SPZ Oberwart

Nahtstelle Schule Beruf, Schülerberater, Berufsorientierung im Burgenland

 Für die landesweite ARGE der Schülerberater und Zuständigen für Berufsorientierung an ASO bzw. SPZ ist die Nahtstelle Schule - Berufe das zentrale Thema ihrer Arbeit. Berufsorientierung und Bildungsberatung trägt zur Lebensorientierung bei. Ich denke jedem von uns ist es wichtig, wie es mit unseren Jugendlichen nach Ende der Schullaufbahn weitergeht. In diesem Sinne gilt es unsere Schülerinnen und Schüler beim Übergang von der Schule ins Berufs- und Erwerbsleben zu unterstützen. Sie sollen die Möglichkeit haben, Kompetenzen im persönlichen, theoretischen und praktischen Bereich zu erwerben, zu vertiefen und zu erweitern mit dem Ziel, bestmöglich auf ihre unterschiedlichsten Lebenswege vorbereitet zu sein.

Qualitätsforum "Sprachheilpädagogik", vSL Julia Resch-Wrenkh

Der Sprachheilunterricht

 „Sprache ist die Kleidung unserer Gedanken“  Samuel Johnson

Sprachheilunterricht ist ein fixer Bestandteil des Schulsystems und dient Kindern, die verstärkt Förderung in sprachlichen Bereichen brauchen. Der Sprachheilunterricht umfasst ein weites Aufgabengebiet und findet während der Unterrichtszeit in Form einer Gruppenförderung, im Einzelunterricht oder integrativ im Klassenverband statt. Ziel dieser komplexen Förderung ist es, die Sprachkompetenz bzw. Kommunikationsfähigkeit zu verbessern und somit den Lese- und Schreiblernprozess zu erleichtern. Das Kind mit seiner Individualität, seinen Lernvoraussetzungen und Förderbedürfnissen steht dabei im Mittelpunkt.

Durchgeführt wird der Sprachheilunterricht von SprachheillehrerInnen an Volksschulen und Sonderschulen. SprachheillehrerInnen sind SonderschullehrerInnen mit einer Zusatzausbildung für den Bereich der Sprachheilpädagogik.

Wer braucht Sprachheilunterricht?

Kinder mit Sprach-, Sprech- und Redestörungen brauchen Förderung. Dazu gehören folgende Auffälligkeiten:

•Schwierigkeiten im Bereich der Phonologischen Bewusstheit •Fehlerhafte Aussprache der Laute (S, R, SCH, …) •Verwechslung ähnlich klingender Laute (T/K, Gr/Dr/Br, …) •Schwierigkeiten im Bereich der Grammatik •Einschränkung im Wortschatz •Stottern •Wenn Kinder sprechen können, es aber nicht tun

Wie und wo erfolgt Sprachheilunterricht? Zu Schulbeginn ermitteln SprachheillehrerInnen den Bedarf mittels Diagnoseverfahren. Wird eine Sprachbeeinträchtigung festgestellt, werden die Eltern informiert. Nur mit deren Zustimmung kann das Kind in den Sprachheilunterricht aufgenommen werden. Die Mitarbeit der Eltern ist sehr wichtig, die Zusammenarbeit und Absprache mit dem Klassenlehrer ist Grundbestandteil dieser Förderung. Durchgeführt wird dieser Unterricht an den Volks- und Sonderschulen im Rahmen des Unterrichts – integrativ, in Kleingruppen oder einzeln.

 Was tun Sprachheillehrer?

Sie überprüfen die Sprachentwicklung, führen Beratungsgespräche mit Eltern/Lehrern durch, sind in Kontakt mit lokalen LogopädInnen, erstellen einen Förderplan, sie verbessern Aussprache und Ausdrucksmöglichkeiten durch:

•Förderung der phonologischen Bewusstheit •Motorische Förderung (Mundmotorik, Grob,- sowie Feinmotorik, Koordination) •Wahrnehmungsförderung (auditiv, visuell, taktil, serial, intermodal,..) •Förderung der sensorischen Integration •Arbeit an Artikulation, Syntax, Wortschatz •Förderung der Kommunikationsfähigkeit (Zuhören, Gesprächsbereitschaft, Sprachverständnis, Gedanken in eigene Worte fassen)

 „Die Menschen zur Freiheit zu bringen  heißt, sie zum Miteinanderreden zu bringen.“  Karl Jaspers

 Sprachheilunterricht ist wichtig, weil er dem Kind beim Überwinden seiner sprachlichen Schwierigkeiten hilft. Weil er das Entstehen eines Störungsbewusstseins beim Kind aufgrund der sprachlichen Auffälligkeiten verhindert. Weil Sprachheilunterricht zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit führt und weil er zur Vermeidung von Problemen im Schriftspracherwerb beiträgt. Selbstwert und Selbstbewusstheit werden gestärkt! 

 

Qualitätsforum "BeratungslehrerInnen", vSL Silke Krutzler, SPZ Oberwart

Seit dem Schuljahr 1986/87 werden Beratungslehrer/innen (BL) zur Unterstützung aller Menschen im System Schule in den Hauptschulen und ab dem Schuljahr 2009/10 in allen Allgemein Bildenden Schulen im Burgenland eingesetzt.

Zielgruppe der Beratungslehrer sind Schülerinnen und Schüler, die - vorübergehend oder dauernd - sozial-emotionale Stütze brauchen, dissoziales Verhalten zeigen oder vom Schulausschluss bedroht sind. Die Kinder und Jugendlichen machen durch Signalverhalten (Aggressivität, unangepasstes Verhalten, Lernblockaden, Lern- oder Schulverweigerung, Rückzug, Suchtverhalten, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, Kontaktschwierigkeiten, …) auf sich aufmerksam. Als mögliche Ursachen kommen neben den sozialen Entwicklungsstörungen auch die physischen und psychischen in Frage.

Beratungslehrer/innen verfolgen das Ziel, Lehrer/innen, Schüler/innen sowie Eltern und Erziehungsberechtigte bei der Bewältigung von Problemen zu unterstützen und durch Betreuungs-, Beratungs- und Fördermaßnahmen innerhalb und außerhalb der Schule auffälliges Verhalten zu reduzieren. Weiter soll durch die Betreuungsarbeit Verständnis und Einsicht für den Hintergrund der Problematik auffälligen Verhaltens geweckt werden.

Ziele im Detail sind:


•Eingliederung in die Klassengemeinschaft
•Erlangung von Sozialkompetenz
•Erhöhung der Frustrationstoleranz
•Konstruktiver Umgang mit Aggression
•Förderung der Persönlichkeitsentwicklung
•Stärkung von Selbstwert und Selbstbewusstsein
•Kooperation mit dem familiären Umfeld
•Steigerung der Lernbereitschaft
•Erweiterung der Konfliktlösungs- und Handlungsfähigkeiten
•Erhöhtes Verständnis, vermehrte Einsicht und Erweiterung der Handlungsfähigkeit der Lehrer im Umgang mit auffälligen Kindern und Jugendlichen
•Krisenmanagement

 Im Burgenland gibt es regional unterschiedliche Modelle zum Einsatz von Beratungslehrerinnen und Beratungslehrern (BL):

•Beratung und Unterricht an einem Standort

Der ursprüngliche Einsatz von BL beschränkte sich bis zum Zeitpunkt der Richtlinie 2009/2010 auf die HS/NMS. Aus diesem System heraus sind nach wie vor BL an APS nur an einem Standort eingesetzt.

•Beratung und Unterricht an mehreren Standorten

In der Vorbereitung zu den Richtlinien 2009/2010 zum Einsatz von BL an APS wurden und werden einzelne BL mit Stammschule NMS auch an umliegenden Volksschulen eingesetzt.

•Beratung an mehreren Standorten mit Stammschule SPZ/ASO

BL als unterstützende Systeme eines Sonderpädagogischen Zentrums werden von diesen im Bedarfsfall an alle Schultypen der APS mit systemischen Aufträgen, aber auch mit konkreten Betreuungsaufträgen entsendet. Der Einsatz ist zeitlich flexibel und steht im regelmäßigen direkten Kontakt mit dem SPZ, der Schulaufsicht und der Schulpsychologie.

 

Schuljahr 1986/87  12 BL an 10 Hauptschulen und einem Polytechnischen Lehrgang
Schuljahr 1995/96  50 BL an 28 Hauptschulen und 4 Polytechnischen Lehrgängen
Schuljahr 2012/13  91 BL an 39 Neuen Mittelschulen,  5 Polytechnischen Lehrgängen, 78 Volksschulen

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Schuljahr 1986/87  192 Schüler/innen betreut
1995/96  2040 Schüler/innen betreut, davon 869 einzeln, 967 in der Gruppe und 204 im Klassenverband
2011/12  4184 Schüler/innen betreut, davon 2095 einzeln, 545 in der Gruppe und 662 im Klassenverband

 

 

 

Erfahrungsbericht - Inklusion gelebt; am Beispiel der Volksschule Bernstein

Das Leitbild der Volksschule Bernstein enthält folgenden Leitsatz: An unserer Schule ist uns jedes Kind gleich viel wert! Im Schuljahr 2012/2013 werden 2 Schüler mit autistischen Behinderungen integriert. Diese schulische Integration gelingt, weil die Rahmenbedingungen mit einer Klassenlehrerin, einer IG-Lehrerin und einer Eingliederungshilfe passen.

Individualisiertes und differenziertes Lernen, Auszeiten zur Erholung, aber auch Belohnungen für getane Arbeiten werden angeboten. Das Ziel des Klassen-Teams ist die Schaffung gemeinsamer Lernsituationen von behinderten und nichtbehinderten Schüler/innen, um voneinander lernen zu können. Besonders wertvoll sind Projekte, in denen die Kinder in Gruppen arbeiten und die behinderten Schüler mit einer Selbstverständlichkeit integriert werden.

 

Unterstützungssysteme - Eingliederungshilfen - Förderwerkstätten - aus dem Alltag einer Eingliederungshilfe

Mag. Eva Horvath
Fachbereichsleiterin von "Rettet das Kind"

Eingliederungshilfen in burgenländischen Schulen

Seit dem Schuljahr 2009/10 verwaltet und koordiniert RETTET DAS KIND – Österreich/Burgenland im Auftrag des Landes Burgenland flächendeckend die Begleitung von Kindern mit körperlichen, geistigen und mehrfachen Behinderungen oder starken Verhaltensauffälligkeiten im Pflichtschulbereich durch rund 140 Eingliederungshilfen.

Den Antrag für eine Eingliederungshilfe stellen die Eltern bei den Sozialämtern der Bezirkshauptmannschaften. Eine Landeskommission entscheidet aufgrund von Gutachten und der Kriterien, die im §18 des Burgenländischen Sozialhilfegesetzes 2000 festgelegt sind, über die Notwendigkeit dieser Begleitung.

Basierend auf gesetzlichen Rahmenbedingungen (§ 56 SchUG) und im Einvernehmen mit dem Dienstgeber RETTET DAS KIND obliegt der Schulleitung die Entscheidung über den Einsatz einer Eingliederungshilfe, die Personalauswahl sowie die Festlegung der zeitlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen. Die Schulleitung trägt auch die Verantwortung für alle unterrichtlichen, erzieherischen und administrativen Aufgaben.

Eingliederungshilfen stehen den Kindern unterstützend zur Seite, damit sie am Unterricht teilnehmen und ihren Schulalltag erfolgreich bewältigen können. Dabei führen sie in der Regel folgende Tätigkeiten aus:

•Mobilitätshilfe (SchülerInnentransport, Begleitung inner- und außerhalb des Schulgebäudes, etc.) •Unterstützung beim Umkleiden •Betreuung der Kinder im Unterricht unter Anleitung der LehrerInnen •Unterstützung bei der Hygiene und Nahrungsaufnahme •Beaufsichtigung von Kindern bei notwendigen Situationen außerhalb des Klassen- oder Gruppenraumes - unter Anweisung der PädagogInnen •Mitwirkung im Gesundheitsbereich

 Die Kosten der Eingliederungshilfen werden von der Burgenländischen Landesregierung getragen.

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Förderwerkstätten im Burgenland

Für Jugendliche, die aufgrund von geistigen und  mehrfachen Behinderungen keine weiterführenden Schulen besuchen konnten und denen auch eine Eingliederung in das Arbeitsleben nicht möglich war, richtete RETTET DAS KIND zwischen 1980 und 1995 im Auftrag der Landesregierung sechs Förderwerkstätten ein: Oberpullendorf, Jennersdorf, Mattersburg-Walbersdorf, Stegersbach, Großpetersdorf, Eisenstadt.

Eine Besonderheit innerhalb der Förderwerkstätten stellt die Arbeitsgruppe Siegendorf als Teil der Förderwerkstätte Eisenstadt dar. Dieses Projekt, in dem Jugendliche mit weniger schweren Behinderungen Tätigkeiten verrichten, die sich bereits deutlich an den Herausforderungen eines Arbeitsalltags orientieren, ist an der Schnittstelle zur Arbeitswelt angesiedelt. Nach einer Phase des Nachreifens schaffen hier einzelne Jugendliche auch immer wieder den Schritt in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis.

Die Beschäftigungstherapie in den Förderwerkstätten orientiert sich an den handwerklichen, künstlerischen oder sportlichen Talenten und Fähigkeiten der anvertrauten Menschen, die es unter Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bestmöglich zu fördern gilt.

Durch Ausstellungen und Tage der offenen Tür, aber auch durch die Übernahme von Auftragsarbeiten in den jeweiligen Orten, sind wichtige Schritte in Richtung Öffnung und Integration der Förderwerkstätten erfolgt. Auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft gibt es aber noch viele Barrieren, die die Teilnahme und Teilhabe erschweren oder unmöglich machen, abzubauen und Förderfaktoren und Erleichterungen auszubauen.

Derzeit werden in den Förderwerkstätten rund 170 erwachsene Menschen mit Behinderung von pädagogischen Fachkräften unterstützt. Die Finanzierung erfolgt durch die Burgenländische Landesregierung.

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Franziska Marlovics
Eingliederungshelferin am SPZ Oberwart

Seit fünf Jahren arbeite ich am SPZ Oberwart als Eingliederungshilfe mit verhaltensauffälligen Schülern. Meine Priorität liegt darin die Individualität der Kinder zu wahren und sie in ihrer Einzigartigkeit im schulischen Alltag zu unterstützen. Ich sehe mich als Coach der Kinder, der sie in ihrem SEIN und in ihrem TUN begleitet. Viele von den Kindern mussten Erfahrungen aushalten, die sie belasten. Es ist für sie schwierig im Schulalltag immer aufnahmefähig zu bleiben. Demotivation, Aggression und viel aufgestaute Wut brechen häufig auf und entladen sich im Klassenzimmer an Mitschülern, Lehrern oder auch an ihnen selbst. In solchen Fällen ist es meine Aufgabe, für die Schüler da zu sein und sie davor zu beschützen, sich selbst oder andere zu verletzen. Die Inanspruchnahme einer Auszeit ist für die Schüler oft wichtig um neu starten zu können. In meinem Beruf ist es von Vorteil mit gewaltiger Wut umgehen zu können und in Konfliktsituationen vielfältige Lösungswege anzubieten. So werden für die Schüler neue Chancen möglich. Ich mag meine Arbeit, dadurch spüren Kinder, was Chancen bedeuten können!

 Franziska Marlovics, Eingliederungshilfe mit langjähriger Erfahrung im Umgang mit verhaltensauffälligen und lernbehinderten Schülern

 

 

 

Unterstützungssystem - Kindergartenpädagogik

Kindergarteninspektorin Kornelia Berlakovich

Integration in burgenländischen Kindergärten

 Im burgenländischen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz 2009 ist unter §6 die Integration in burgenländischen Kinderbetreuungseinrichtungen „Fachberatung Integration“  – verankert bzw. genau definiert.

 1.Beispiel:

Vor Anmeldung des Kindes in den Kindergarten wird bereits erkannt oder bekanntgegeben, dass das Kind besondere Bedürfnisse hat. Die Eltern werden gebeten, zur Beratung und Diagnostik in die Bezirksstelle zu gehen, um eine Befürwortung für die Integration ihres Kindes zu erlangen (Führen einer Integrationsgruppe heißt:  Zwei Pädagoginnen arbeiten gleichzeitig in einer Kindergartengruppe, wobei eine Pädagogin  intensiv mit dem Integrationskind arbeitet). Die PsychologIn und KinderärztInbegutachten das Kind.

Nach Eintreffen des Gutachtens beim Bürgermeister und bei der Kindergarteninspektorin ladet die Leiterin zum Integrationsgespräch in den Kindergarten ein (Teilnehmer: Kindergartenleiterin, Integrationskindergartenpädagogin, Kindergarteninspektorin, PsychologIn von Beratung und Diagnostik, Sonderkindergartenpädagogin, Bürgermeister oder Amtsleiter, Eltern des Integrationskindes). Hier wird die Stundenanzahl der Integrationsstunden pro Woche noch einmal festgesetzt und pädagogische Arbeit bzw. Förderung am Kind besprochen. Der Bürgermeister befürwortet oder lehnt ab. Bis dato gab es keine Ablehnungen. Ein Gesprächsprotokoll wird an alle Beteiligten versendet.  Die Personalförderung erfolgt über die Gruppenförderung (Abteilung 2).

2. Beispiel:

Die Kindergartenpädagogin merkt im Laufe des Kindergartenjahres verschiedene Defizite beim Kind (z.B. sehr auffällig in der Gruppe, beißt, zwickt, schreit, Verhalten dem Alter des Kindes nicht entsprechend, usw......). Die Pädagogin bittet die Eltern das Team Beratung und Diagnostik aufzusuchen. Weitere Vorgehensweise folgt wie bereits oben angeführt.

 Eine Sonderkindergartenpädagogin begleitet die Integrationsgruppe das ganze Jahr. Einmal pro Woche kommt sie in den Kindergarten und arbeitet mit dem I-Kind. Die I-Pädagogin schaut dabei zu und versucht die ganze Woche mit dem Kind dementsprechend weiter zu arbeiten. Die pädagogischen Ziele  und weitere Vorgehensweise werden mit der Sonderkindergartenpädagogin und  Integrationskindergartenpädagogin gemeinsam besprochen und festgesetzt.  Die Integrationspädagogin schreibt jede Woche eine schriftliche Vorbereitung mit Zielen, Inhalten und Reflexion  - in Absprache mit der Sonderkindergartenpädagogin. Die Kindergarteninspektorin überprüft die Vorbereitung der Integrationskindergartenpädagogin.

Die Pädagoginnen müssen regelmäßig Fortbildungen besuchen (mindestens 3 pro Jahr). Diese werden von der PH-Eisenstadt organisiert (im Auftrag und nach Rücksprache  des Landes).

 Die Kindergarteninspektorin  arbeitet bereits seit mehr als 22 Jahren sehr erfolgreich mit dem Team der Beratung und Diagnostik zusammen. Alle Kinder, die für eine Integrationsgruppe vorgesehen sind, müssen beim Team Beratung und Diagnostik vorgestellt werden bzw. begutachtet werden , damit die Gutachten immer unter den gleichen Kriterien geschrieben werden können. Dafür gibt es eine Vereinbarung  zwischen dem Land und  dem Bundessozialamt.

Das Team von Beratung und Diagnostik besuchen die Integrationskinder regelmäßig im Kindergarten.

In den meisten Fällen  werden diese Kinder bis zur Schulpflicht in einer Integrationsgruppe geführt bzw. gefördert und auf die Schule vorbereitet.

 

Unterstützungssystem - Integrative Berufsausbildung in den Berufsschulen des Burgenlandes

Landesschulinspektor HR Ing. Friedrich Luisser, MAS
Abteilung BPS am LSR f. Bgld

Nach der Begründung eines Lehrverhältnisses mittels Lehrvertrag besteht grundsätzlich Berufsschulpflicht, womit der Jugendliche verpflichtet ist alle Pflichtgegenstände in der Berufsschule zu besuchen und positiv abzuschließen, um dann die Lehrabschlussprüfung ablegen zu können.

Für Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen beinhaltet das Berufsausbildungsgesetz einerseits die Möglichkeit, einer Teillehre – hier ist als Abschluss eine Arbeitsprobe vorgesehen – und die Möglichkeit einer verlängerten (um 1 Jahr) Lehrzeit.

Beide Varianten stellen die Begabungen und die Sozialkompetenz des Jugendlichen individuell in den Mittelpunkt, um hier quasi maßgeschneidert jenen Bildungsabschluss zu ermöglichen, der in enger Kooperation mit der Arbeitsassistenz erarbeitet und angestrebt werden kann.

„Maßgeschneidert“ heißt in diesem Fall, dass sehr individuell Unterrichtsgegenstände und Lehrplaninhalte ausgewählt werden, die die vorhandenen Kompetenzen des Jugendlichen fördern sollen, um dann eventuell darauf aufbauen zu können.

Ziel ist es, den Jugendlichen nach seinen Begabungen so gut es geht persönlich und fachlich so weit zu unterstützen, damit er ein möglichst eigenständiges und eigenverantwortliches Erwerbsleben führen kann.

Dieser für das Lehrerpersonal und die Schulorganisation sehr aufwendige Weg ist immer dann von Erfolg gekrönt, wenn die Grundlagen aus den Zubringerschulen sehr gut gebaut wurden, das Verständnis der Eltern und der Ausbildungsinstitutionen (Rettet das Kind, Vamos, Dialog, …) vorhanden sind und vor allem Wirtschaftsbetriebe bereit sind, diesen Jugendlichen IHR Betätigungsfeld zu geben.

Ganz wesentlich erscheint uns in den Berufsschulen, dass in den Grundschulen, nicht (nur) nach „einfachen Lehrberufen“ (diese gibt es in der Detailbetrachtung eigentlich nicht) gesucht wird, sondern das vorhandene Potential des Jugendlichen bestmöglich gefördert und gefordert wird. Wir meinen in diesem Bereich muss diese Individualisierung – die nicht bedeutet einfache Aufgaben für die „Dummen“ sondern Förderung des Gesamtpotentiales -  ganz bewusst eingesetzt werden.

Der Mensch in seiner Gesamtheit mit seinen vorhandenen Kompetenzen und seinen Handycaps muss im Mittelpunkt stehen und nicht „Sachverständigengutachten“ (=Schulzeugnis) durch Lehrerpersonal, die immer wieder sehr gute und gute Noten bescheinigen, die in späterer Folge sich als nicht wahr erweisen, weil eben gewisse Bildungs- und in der Arbeitswelt entstehende Stresslevel nicht erreicht werden bzw. erfüllt werden können.

 Beispiel aus dem Schulalltag

 Im Lehrberuf Köchin bzw. Koch beträgt der Prozentanteil der Lehrlinge mit integrativer Berufsausbildung rund 20 Prozent. Nachdem die Einschränkungen der Lehrlinge in der integrativen Berufsausbildung sehr unterschiedlich sind, stellt das eine besondere Herausforderung für die Lehrpersonen dar. Dem begegnet man in der Berufsschule Eisenstadt damit, dass der Unterricht kompetenzorientiert geführt und ein sehr individueller Zugang gewählt wird. Das heißt, dass die Aufgabenstellungen die gleichen, aber die Lösungsansätze der Schülerinnen und Schüler sehr unterschiedlich sind. Ziel ist es, dass die Lehrlinge in der integrativen Berufsausbildung möglichst viele Erfolgserlebnisse haben und motiviert werden, möglichst viele der gestellten Aufgaben zu bewältigen. Im Mittelpunkt steht dabei die Weiterbeschäftigung in der privaten Wirtschaft. Hier wird gemeinsam mit den Arbeitsassistentinnen und Arbeitsassistenten versucht, Möglichkeiten aufzuzeigen, in welchem Bereich die angehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Firmen eine Beschäftigung finden können. 

 

Unterstützungssystem - "Schulintern begonnen und extern begleitet!"

Dr Elisabeth Scheikl-Pourkhalil
Fachbereichsleiterin RETTET DAS KIND

Der Mobile Heilpädagogische Dienst von Rettet das Kind und der Caritas Burgenland betreut burgenlandweit Kinder mit besonderen Bedürfnissen von Geburt bis zum Schuleintritt. Beginnend mit einem „Ein-Frau-Team“ im Jahr 1967 hat sich der Mobile Heilpädagogische Dienst von Rettet das Kind bis heute zu einer Institution mit 43 MitarbeiterInnen entwickelt. Das interdisziplinäre Team besteht zur Zeit aus 24 Sonderkindergartenpädagoginnen, acht Frühförderinnen, sieben PhysiotherapeutInnen, drei Musiktherapeutinnen und einer Logopädin. Vier weitere Sonderkindergartenpädagoginnen sind beim Mobilen Heilpädagogischen Dienst der Caritas Burgenland angestellt. Im Jahr 2012 konnten durch unsere MitarbeiterInnen 1202 Kinder betreut werden, 408 Mädchen und 794 Buben. Während die Betreuung im Bereich der Frühförderung und der Physiotherapie meist im familiären Umfeld unserer KlientInnen stattfindet, ist die Betreuung durch die übrigen Berufsgruppen in der Mehrzahl der Fälle im Kindergarten angesiedelt. Vereinzelt findet die Betreuung auch an den Stützpunkten statt. Durch die Übernahme der Lohn- und Reisekosten der MitarbeiterInnen durch das Land Burgenland kann den KlientInnen die Betreuung kostenlos angeboten werden.

Orientiert an den individuellen Bedürfnissen der KlientInnen ist es allen MitarbeiterInnen ein großes Anliegen, die uns anvertrauten Kinder zu einem größtmöglichen Maß an Selbständigkeit heranzuführen, ihre Gesamtpersönlichkeit zu festigen und die Eigenwahrnehmung zu verbessern, um Selbstvertrauen und Sicherheit zu entwickeln. Die MitarbeiterInnen des Mobilen Heilpädagogischen Dienstes von Rettet das Kind und der Caritas sind somit maßgeblich an der Integration von Kindern mit besonderen Bedürfnissen beteiligt und wirken auch als WegbereiterInnen für die Inklusion im vorschulischen Bereich.

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WHR Mag Elvira Waniek-Kain
Hauptreferatsleiterin Sozialwesen - Abteilung 6 - Soziales, Gesundheit, Familie, Sport des Landes Burgenland

Eingliederungshilfen nach dem Bgld. Sozialhilfegesetz

 Das Burgenländische Sozialhilfegesetz 2000 (Bgld. SHG 2000) sieht in § 19 Z 3 vor, dass behinderten Kindern und Jugendlichen Hilfe zu gewähren ist, damit diese Kinder und Jugendlichen eine ihren Fähigkeiten entsprechende Erziehung und Schulbildung erhalten können (§ 23 Bgld. SHG 2000). Aufbauend auf diesen gesetzlichen Grundlagen übernimmt das Land Burgenland als Träger der Sozialhilfe die Gehaltskosten von sogenannten „Eingliederungshilfen“, die entweder durch die Gemeinde als Schul- bzw. Kindergartenerhalter oder durch „Rettet das Kind“ angestellt werden. Die Eingliederungshilfen stehen den Kindern und Jugendlichen unterstützend zur Seite, damit sie ihren Schul- oder Kindergartenalltag erfolgreich bewältigen können. Dabei führen Eingliederungshilfen in der Regel folgende Tätigkeiten aus: Mobilitätshilfe beim Transport in die Schule, Begleitung innerhalb und außerhalb des Schulgebäudes, Unterstützung beim Umkleiden, Betreuung der Kinder im Unterricht/Kindergarten unter Anleitung der LehrerInnen bzw. KindergartenpädagogInnen, Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme, Unterstützung bei der Hygiene. Insgesamt sind derzeit 184 Eingliederungshilfen in Schulen und Kindergärten tätig. 

Unterstützungssystem - "Schulintern begonnen und extern begleitet!"

Mag Gerhard Kuich
Geschäftsführer Verein VAMOS

Vom Jugendcoaching zum Beruf

 Jugendcoaching, als Instrument der beruflichen Eingliederung von Jugendlichen und Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen, wird seit 2013 flächendeckend in Österreich durchgeführt.

 Das vom Bundessozialamt getragene Projekt steckt im Burgenland in den Kinderschuhen und hat mit Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen. Positiv zu sehen ist, dass die beteiligten Ministerien, das Unterrichts- und das Sozialministerium, die Notwendigkeit erkannt haben, dieses Angebot für alle Jugendlichen, bis zum Alter von19 Jahren, und für alle Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen, bis zum Alter von 25 Jahren, ins Leben zu rufen.  

Arbeit mit und für Jugendliche ist aber immer und jederzeit Beziehungsarbeit. Es braucht Vertrauen, es braucht eine Phase des Kennenlernens und es braucht Verständnis und vor allem, wie schon angesprochen, Vertrauen.  

Erfolgreich bei der Lehrstellensuche sind vor allem Jugendliche, welche über ein intaktes Beziehungsgeflecht in ihrem persönlichen Lebensumfeld verfügen. Dies gilt für alle Jugendlichen und vor allem auch für Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen.  

Der vom Bundessozialamt vorgegebene Ablauf des Jugendcoaching stellt sich folgend dar:  

Die Schule identifiziert die Jugendlichen, die nach ihrer Meinung das Jugendcoaching benötigen und macht die Jugendlichen den Jugendcoaches namhaft.

 Phase: Kurzberatung der Jugendlichen (bis zu drei Stunden)

Diese Phase dient dem Kennenlernen, der Abklärung der aktuellen Situation, einer ersten Anamnese und dem Erheben von relevanten Daten.

 Phase: Beratung mit Case Management Ansatz (bis zu acht Stunden)

Auf Basis der ersten Phase sollen eine vertiefende Abklärung der individuellen Situation und gleichzeitig eine Einbindung des familiären Umfeldes geschehen.

 Phase: Begleitung im Sinne eines Case Management (bis zu dreißig Stunden)

Auf Basis der Informationen aus der ersten Phase ist ein Clearing, d.h. ein Neigungs- und Fähigkeiten Profil, eine Stärken-Schwächen-Analyse unter Einbeziehung des familiären Umfeldes zu erstellen.

 Eingangs haben wir festgestellt, dass eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit mit und für Jugendliche Beziehungsarbeit ist. Eine weitere Annahme ist, dass der Erfolg bei der Lehrstellensuche von der jeweiligen Einbindung des Jugendlichen in sein soziales Umfeld abhängt. 

Was das Jugendcoaching jedenfalls leisten kann, ist Information über die Begleitungsmöglichkeiten, sei es nun Arbeitsassistenz, Berufsausbildungsassistenz oder auch die Möglichkeiten der integrativen Berufsausbildung anzubieten. Was es nicht kann, ist den Jugendlichen einen Platz im sozialen Raum sichern und ihnen auf der Beziehungsebene Sicherheit und Vertrauen bieten.  

Nachdem diese beiden Grundvoraussetzungen für eine glückliche Berufswahl vom Jugendcoaching nicht abgedeckt werden können, wird es noch weitere Formen der Unterstützung bedürfen. Ob es sich dabei um Begleitung durch Unterstützerkreise oder andere Formen der Beziehungsarbeit handelt, ist egal, notwendig ist allerdings ein personenzentrierter, aber auch sozialräumlicher Begleitungsansatz. 

Die Weiterentwicklung hat längst begonnen_Nationaler Aktionsplan für Menschen mit Behinderung (Auszug)

Bearbeitet und Umgestzt von SOL Eva Kainz, SPZ Oberwart

1.Behindertenpolitik

 Die Bundesregierung hat am5. Oktober 2010– im Zusammenhang mit (…) der UN-Behindertenrechtskonventionin Österreich – festgehalten, dass die Erstellung eines Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Behinderungen (NAP Behinderung) in Österreich beabsichtigt ist und dass dieser Aktionsplan die Leitlinien der österreichischen Behindertenpolitik bis 2020 beinhalten soll.

 1.1. Allgemeine Zielsetzungen

(…) Dieser Plan soll die Leitlinien der österreichischen Behindertenpolitik biszum Jahr 2020 darstellen und die Zielsetzungen und konkreten Maßnahmen im Behindertenbereich umfassen. Wesentlich bei der Erstellung und Durchführung des Aktionsplans ist die Einbeziehungder Behindertenorganisationen und der Zivilgesellschaft. (…)

 1.2. Grundsätze der Behindertenpolitik

Menschen mit Behinderungen sollen ein selbstbestimmtes Leben in Würde führen können, und es soll ihnen die vollegesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden. Behinderte Menschen dürfen weder schulisch, beruflich, noch sozial ausgegrenzt und benachteiligt werden. Ihre diesbezüglichen Rechte müssen gestärkt werden. Ihr Anderssein ist als solches zu respektieren, und ihr Beitrag für die Gesellschaft soll anerkannt werden. Behinderung soll als das angenommen werden, was es ist: eine mögliche und gleichwertige Lebensform in einer durch Vielfalt gekennzeichneten Gesellschaft.

Die zentrale Vision bis zum Jahr 2020 ist – in Übereinstimmung mit der UN-Behindertenrechtskonvention

– eine inklusive Gesellschaft, die behinderten und anderen benachteiligten Menschen die Teilhabe an allen Aktivitäten der Gesellschaft ermöglicht. Inklusion überwindet – im Gegensatz zum Integrations- und Rehabilitationsansatz – den Anspruch, behinderte Menschen müssten „eingegliedert“ werden bzw. sich so weit wie möglich den Anforderungen der nicht behinderten Menschen anpassen, um nicht von den gesellschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen zu sein. (…)

Das gestärkte Selbstbewusstsein der Menschen mit Lernbehinderung soll u.a. auch dadurch gefördert werden, dass die Selbstvertretungsinitiativen von Menschenmit Lernbehinderung ausreichende staatliche Unterstützung erhalten und sie auch im Bundesbehindertenbeirat Gehör finden.

 1.3. Definition von Behinderung

Unter Behinderung im Sinne der Einschätzungsverordnung ist „die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.“

Durch die Anwendung der sogenannten MAS Tabelle (eine valide Klassifikation sozialer Kompetenzen im Rahmen psychischer Fähigkeitsbeurteilungen) werden bei der ärztlichenBegutachtung nach der neuen Einschätzungsverordnung soziale Aspekte der begutachteten Menschen teilweise berücksichtigt.  Eine ständige Herausforderung ist die ausreichende und bestmögliche Gewichtung der sozialen Komponente bei der Einschätzung von Behinderungen. Die Definitionen und die Einschätzung von Behinderung müssen das soziale Modell von Behinderung im Sinne der UN-Konvention widerspiegeln.

 1.4. Kinder mit Behinderungen

Kinder mit Behinderungen sollen frühzeitig gefördert werden und die individuell erforderliche Therapie erhalten. Jede rechtzeitig angesetzte und qualitativ hochwertige Therapie im Kleinkindalter trägt zur Reduktion einer möglichen dauerhaften schweren Behinderung bei.  Eltern und Angehörige eines behinderten Kindes sollen in ihrem Vorhaben, ihr Kind im Familienverband zu betreuen, besonders unterstützt werden. Dem Leben daheim bei der Familie ist einem stationären Aufenthalt im Heim der Vorzug zu geben.  Behinderte Kinder sollen untertags – um die Erwerbstätigkeit der Eltern zu ermöglichen bzw. zu gewährleisten – am Angebot der öffentlichen und privaten Kinderbetreuungseinrichtungen teilhaben können (Kindergärten, Kinderhorte). Sie sollen möglichst wohnortnah pädagogisch gefördert und betreut werden.  Behinderte Kinder sollen die für sie nötigen Hilfsmittel im bestmöglichen Ausmaß erhalten. Leistungen der Kinderrehabilitation sollen auf der Basis einer Studie der Gesundheit Österreich GmbH ausgebaut und sinnvoll und unkompliziert angeboten werden. Diesbezüglich sollen klare Zuständigkeitsabgrenzungen geschaffen werden. (…)

 2. Diskriminierungsschutz

 2.1. Verfassungsrechtlicher Diskriminierungsschutz

Respekt und Anerkennung gegenüber Menschen mit Behinderungen drücken sich auch in der Sprache aus. Veraltete Begriffe in der Rechtsordnung (z.B. „Invalidität“, „Gebrechen“) sollen daher durch zeitgemäße und diskriminierungsfreie Begriffe wie „Behinderung“ oder „Menschen mit Behinderungen“ ersetzt werden.

 2.2. Behindertengleichstellungsrecht

Bessere Information über das Behindertengleichstellungsrecht und insbesondere über erfolgreiche Einigungen in Einzelfällen soll allen Beteiligten helfen, effektiv individuelle Lösungen zu erreichen. Angestrebt wird eine effektivere Bekämpfung von Diskriminierungen durch Erweiterung und Verbesserung des Rechtsschutzinstrumentariums für die Betroffenen, sowohl für individuelle Klagen als auch für die Verbandsklage. Das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Behinderung soll im Bereich der privaten Versicherungen in die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften Eingang finden. Die Unterstützungsmöglichkeiten des Behindertenanwaltes sollen im Interesse der Menschen mit Behinderungen zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung erweitert werden.(...)

 2.3. Gebärdensprache

Gehörlose Menschen sollen in allen Bereichen der Bundesverwaltung in Österreichischer Gebärdensprache kommunizieren können. Dies erfordert zum einen eine ausreichende Anzahl von Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher und zum anderen die Übernahme der Kosten der Gebärdensprachdolmetschung. Bei der Vergabe von Förderungen ist darauf zu achten, dass Fördernehmer die entsprechenden Vorkehrungen treffen, um Kommunikation in Österreichischer Gebärdensprache zu ermöglichen.

 3.Barrierefreiheit 

(...) Das Thema Barrierefreiheit soll verstärkt in das Bewusstsein der Gebietskörperschaften, der Wirtschaft und der Bevölkerung gerückt werden. Untersucht werden soll der volkswirtschaftliche Nutzen von Barrierefreiheit insbesondere im Bereich des Bauens und Wohnens. Geplant sind eine Koordinierung von Beratung und Unterstützung sowie die Schaffung von Bewusstsein über die Bedeutung von Barrierefreiheit als Menschenrecht. Aufnahme von Barrierefreiheit und „Design for All“als Pflichtfach in alle entsprechenden Ausbildungen 

4.Bildung

 Gleichberechtigte Teilhabe im Bildungsbereich ist von elementarer Bedeutung für eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Menschen mit Behinderungen brauchen eine inklusive, barrierefreie Bildung als grundlegende Voraussetzung für berufliche Teilhabe, ökonomische Absicherung und die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Von Inklusion im Bildungsbereich profitieren aber auch nicht behinderte Kinder und Jugendliche, da durch inklusive pädagogische Ansätze die Unterrichtsqualität (im Sinn der Individualisierung und Kompetenzorientierung) generell erhöht werden kann. In der EU-Behindertenstrategie 2010-2020 (KOM(2010) 636 endgültig) wird explizit auf die Wichtigkeit der Inklusion im Bildungssystem hingewiesen, die Förderung inklusiver Bildung und lebenslangen Lernens für Menschen mit Behinderungen ist einer der zentralen Aktionsbereiche der Strategie.

Die UN-Behindertenrechtskonvention spricht in Art. 24 vom Recht auf Bildung für Menschen mit Behinderungen und der Verpflichtung der Staaten, angemessene Vorkehrungen in diesem Bereich zu treffen.

4.1. Zielsetzungen

4.1.1. Vorschulische Bildung

Die vorschulischen Bildungsmöglichkeiten für alle Kinder sollen weiter verbessert werden.  Die Absicherung der Professionalisierung des pädagogischen Personals in den Kindergärten, Horten, Heimen und Einrichtungen der außerschulischen Jugendarbeit ist durch entsprechende Bildungsangebote sicherzustellen.

 4.1.2. Schulen

Es soll eine partizipative Strategie zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im österreichischen Schulwesen mit folgenden Schwerpunkten entwickeltwerden:

- Inklusiver Unterricht als Regelform

- Organisationsformen und Rahmenbedingungen inklusiven Unterrichts

- Schulversuche bzgl. inklusivem Unterricht an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen sowie an der dreijährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe

- Verstärkung der Unterstützungssysteme

- Zugänglichkeit und Barrierefreiheit

- Weiterentwicklungen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie im professionellen Selbstverständnis der Lehrerinnen und Lehrer

- Forschende Begleitung der Umsetzung

 Der inklusive Unterricht soll auch nach der 8. Schulstufe weitergeführt werden.

 Die Qualität bei der Feststellung des SPF soll weiter verbessert, um sonderpädagogische Förderung noch klarer von Maßnahmen der Sprachförderung unterscheiden zu können. Auch im Bereich der Beratung für Eltern und Erziehungsberechtigte von Kindern mit Behinderungen sind Verbesserungen erforderlich. Flächendeckende Fortbildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrern in Österreichischer Gebärdensprache sind notwendig, ein Ausbau der Fortbildungen ist dahergeplant. Im Bereich der Bildungsmedien und Medienpädagogik ist auf das Prinzip der Inklusion umfassend zu achten. Die Teilnahme an europäischen Projekten (z.B. „MIPIE“ – Mapping theimplementationofpolicyforinclusiveeducation) soll dazu beitragen, steuerungsrelevante Daten zu identifizieren, die statistische Datenlage zu verbessern und schließlich die Inklusionsquote zu erhöhen. Die Teilnahme am Projekt „Teacher Education forInclusionacross Europe“ wird für Entwicklungen der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern in Österreich genutzt.

 4.1.3. Schulen - Barrierefreiheit4.1.3. zur Zielerreichung:

Allen Schülerinnen und Schülern soll die barrierefreie Teilhabe am Unterricht gewährleistet werden. Eine bestmögliche Förderung der Schülerinnen und Schüler nach individuellen Voraussetzungen ist ein wesentliches Ziel im Rahmen der Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen. Die Unterrichtsqualität insbesondere im Hörbehindertenbereich soll durch geeignete Maßnahmen verbessert werden.

 4.1.4. Universitäten/Fach-Hochschulen zur Zielerreichung:

Die Inklusion behinderter Studierender soll im Rahmen der Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten und den Begleitgesprächen zu ihren Umsetzungen verstärkt als bildungspolitisches Ziel thematisiert werden.. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang auch die Schaffung des Bewusstseins für die Inklusion behinderter Studierender.Aufgrund des steigenden Bedarfs wird ein Ausbau der Gebärdensprachdolmetsch-und Gebärdensprachlehrer-Ausbildung angestrebt.

 4.1.5. Erwachsenenbildung und lebensbegleitendes Lernen

Non-formale Bildungsangebote für Menschen mit Behinderungen sollen in den „Nationalen Qualifikationsrahmen“(NQR, ein System, in dem alle Ausbildungsniveaus miteinander in Beziehung gesetzt und dadurch vergleichbar gemacht werden sollen) eingeordnet werden und damit soll eineVerbesserung der beruflichen Verwertungsmöglichkeiten bzw. eine höhere Anerkennungdieser Qualifikationen in Gesellschaft und Arbeitsmarkt.

 5.Beschäftigungzur Zielerreichung:

Anzahl von Absolventinnen und Absolventen der Ausbildung für Gebärdensprachdolmetsch Im Sinne inklusiver Arbeit sollen Modelle der Durchlässigkeit entwickelt und evaluiert werden, die gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen bei größtmöglicher Wahrung der Sicherung durch Einkommensersatzleistungen schrittweise ins Erwerbsleben (zurück) finden können. (…)

 Die Integrativen Betriebe sollen durch strukturelle Anpassungen abgesichert werden. Bei Auftragsvergaben des Bundes sollen Integrative Betriebe verstärkt herangezogen werden.  Durch einen einheitlichen umfassenden Begriff des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin soll sichergestellt werden, dass eine rechtliche Schlechterstellung in Arbeitsverhältnissen aus dem Grund einer Behinderung auszuschließen ist.

 5.1. Förderungen zur beruflichen TeilhabeBehinderungen in Integrativen Betrieben

Entwicklung und Umsetzung der Kombilohnbeihilfe:

Der Kombilohn des AMS dient zur Sicherung des Lebensunterhaltes und kommt dann zum Einsatz, wenn eine existenzsichernde Beschäftigung nicht gefunden werden kann. Zielgruppen sind Personen über 50 Jahre, Wiedereinsteigerinnen und Menschen mit Behinderungen.

Förderung von Beschäftigungsverhältnissen:

Diese Förderungen des AMS sollen in Zukunft verstärkt werden. Es sind entweder Eingliederungsbeihilfen für einen einzelnen Arbeitsplatz, sozialökonomische Betriebe oder gemeinnützige Beschäftigungsprojekte. Alle diese Förderungen dienen der (Wieder)Eingliederung von benachteiligten Personengruppen in den Arbeitsmarkt, insbesondere auch Menschen mit Behinderungen.

Ausbau und Qualitätssicherung von Unterstützungsstrukturen:

Im Übergang von integrativen zu inklusiven Modellen der Beschäftigung im Sinne der UN-Konvention soll die Maßnahmenpalette des BSB konsolidiert und ausgebaut werden, wobei der Grundsatz des selbstbestimmten Lebens beachtet werden muss, alle Phasen des Erwerbslebens abgedeckt sein sollen und Dienstleistungen unabhängig vom Grad der Behinderung – nötigenfalls auch unbefristet – angeboten werden sollen.

Ausbau des Jugendcoachings:

Diese Maßnahme für Jugendliche am Übergang von der Schule in das Berufsleben soll flächendeckend ausgebaut werden.

 5.2. Beschäftigungstherapie

Für Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen der Beschäftigungstherapie solldie Möglichkeit geschaffen werden, sozialversicherungsrechtlich abgesichert zusein und bei Scheitern eines Arbeitsversuches die Transferleistungen nicht zu verlieren.

5.3. Zugang zu Berufen

Für Menschen mit Behinderungen soll ein chancengleicher Zugang zur Aus- und Weiterbildung geschaffen werden. Die Ausbildungen für pädagogische Berufe sollen für Menschen mit Behinderungen geöffnet werden. (…)

 6. Selbstbestimmtes Leben

 6.1. Persönliche Assistenz

Die persönliche Assistenz als ein wichtiges Hilfsmittel zum selbstbestimmten Leben soll deutlich ausgebaut werden. Auf Bundesebene soll dies in der Ausbildung (Schulen, Universitäten und Fachhochschulen) und in der Beschäftigung geschehen. Die länderweise unterschiedlichen Regelungen in den anderen Lebensbereichen sollen bundesweit vereinheitlicht werden. Schülerinnen und Schülern in Bundesschulen, die eine entsprechende Unterstützung benötigen, sollen weiterhin persönliche Assistenz bekommen, um einen Schulabschluss zu erreichen.

In diesem Zusammenhang wird auch von den Ländern erwartet, dass sie die persönliche Assistenz in Pflichtschulen weiter ausbauen.

 7. Bewusstseinsbildung und Information

 7.1. Aus-, Fort-, und Weiterbildung sowie Schulungen von Berufsgruppen

 Im Zusammenhang mit Gewalt an (pflegebedürftigen) älteren Menschen muss Beratungskompetenz

zum Thema Gewalt innerhalb von Einrichtungen aufgebaut werden, die für das Vorbringen von Beschwerden aus den unterschiedlichsten Bereichen genutzt werden kann (z.B. medizinischer Bereich, Seniorenorganisationen).

Viele Berufsgruppen sollten in ihren fachspezifischen Aus- und Fortbildungen über die Themen Behinderung, Behindertenrechte und Inklusion geschult werden,vor allem

Bundesbedienstete allgemein,

Lehrpersonal aller Schulformen,

Sportlehrer und Sportlehrerinnen,

Gesundheitspersonal,

Bedienstete der Exekutive und

Bedienstete im Strafvollzug.

Diese Aus- und Fortbildungen könnten in Zusammenarbeit mit den Behindertenorganisationen

durchgeführt werden. (…)

 

 

Die Weiterentwicklung hat längst begonnen_Gedanken des Sonderschulinspektors für Burgenland

Reg.Rat BSI Robert Novakovits
Leiter der UA Sonderpädagogik/Abt. APS/ LSR f. Bgld

Stell dir vor es ist Inklusion, keiner merkt’s und alle gehen hin! Oder: Auf die Haltung allein kommt es an. Denn nur sie allein ist von Dauer und nicht das Ziel, das nur ein Trugbild des Wanderers ist, wenn er von Grat zu Grat fortschreitet, als ob dem erreichten Ziel ein Sinn innewohnte. Ebenso gibt es keinen Fortschritt ohne eine Bejahung des Bestehenden. - Antoine de Saint-Exurpéry, Die Stadt in der Wüste

Im Jahre 1993 sind in Österreich die ersten Schulgesetze zum gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen beschlossen worden. Der erste dieser Schulversuche entstand 10 Jahre davor in Oberwart. Auch die Idee, die Sonderschulen zu einem unterstützenden System für das Gelingen des integrativen Unterrichtes „umzubauen“, wurde in unserem Bundesland schon sehr früh angedacht und in Schulversuchen erprobt. Diese Entwicklung  wurde in den letzten 20 Jahren weitergeführt.

Durch die Ratifizierung der UNO Konvention bezüglich der Rechte von Menschen mit Behinderungen ist in der Diskussion um eine inklusive Bildung neuerlich Dynamik entstanden. Seitens des bm:ukk wird an die Entwicklung inklusiver Regionen als Modelle gedacht.

Im Folgenden werden Aspekte, die seitens des bm:ukk für die Umsetzung der Inklusion als entscheidend formuliert wurden, kurz dargestellt. Als Grundlage dient das Arbeitspapier von Barbara Gasteiger-Klicpera und David Wohlhart. Es soll  versucht werden unter diesen Aspekten die Situation im Burgenland zu beleuchten und mögliche Entwicklungsschritte aufzuzeigen.

Als wesentliche Indikatoren werden „die Reduktion von Segregation und die Hebung der Qualität inklusiver Bildung gesehen. Letztere wird gemessen an der Qualität individueller Förderung, der inklusiven Qualität gemeinsamer Bildungsangebote, der systemischen Qualität inklusiver Bildungseinrichtung und der Qualität der internen und externen Unterstützung.“

Die angesprochene Verringerung der Segregation kann im Burgenland durchaus belegt werden:

In den letzten Jahren wurde ein flächendeckendes mobiles Frühfördersystem aufgebaut. Die Verantwortung liegt beim Bundessozialamt, das im Auftrag des Landes den Beratungsdienst für Kinder und Jugendliche koordiniert.

Es gibt im Land weder einen Sonderkindergarten noch separierte heilpädagogische Gruppen. Mittlerweile kann gesagt werden, dass für jedes Kind im Vorschulalter ein Kindergartenplatz zur Verfügung gestellt wird. Als Unterstützung stehen Eingliederungshelferinnen nach dem Sozialhilfegesetz, Integrationskindergärtnerinnen und der mobile Heilpädagogische Dienst mit durchwegs heil- und sonderpädagogisch ausgebildeten Fachkräften zur Verfügung. Diese werden durch „Rettet das Kind“ und Caritas eingesetzt. Eine detaillierte Beschreibung findet sich an anderer Stelle. Burgenland hat als einziges Bundesland keine speziellen Einrichtungen für Sinnes- oder Körperbehinderte. Nur ganz selten werden Kinder (derzeit sind es sechs), auf Wunsch der Eltern, in Einrichtungen in anderen Bundesländern schulisch betreut.

Integration im Pflichtschulbereich: Im Burgenland sind 1% der Schüler im Pflichtschulalter in Sonderschulklassen. 99% besuchen Volksschulen, Neue Mittelschulen und Polytechnische Schulen. 14 Menschen mit Behinderungen werden in Höheren Schulen unterrichtet. Ein Blick über die Grenzen zeigt uns, dass in Europa auch dort, wo kein eigenes Sonderschulsystem besteht, der Anteil von Kindern mit Behinderungen in Regelschulen sehr häufig geringer ist. Nur in Bezug auf Zahlen könnte also im Pflichtschulalter von Inklusion gesprochen werden.

In den Sonderschulklassen finden sich in erster Linie zwei Gruppen von Schülerinnen und Schülern: Menschen, die nach dem Lehrplan für schwerstbehinderte Kinder gefördert werden. Ein hoher Anteil hat den Bedarf von basaler Förderung und intensiver Pflege. Die zweite Gruppe besteht vornehmlich aus Jugendlichen mit einem hohen Anteil an Buben, die bereits in der Integration waren und auf Grund dissozialen Verhaltens oder ihrer sozial-emotionalen Entwicklung in den kleineren Sonderschulklassen unterrichtet werden.

Eine Auflösung des Schultyps der Sonderschule würde bedeuten, dass dann für ca. 220 Jugendliche ein adäquater Platz für schulische Förderung geschaffen werden müsste und für ca. 40 Jugendliche, die derzeit in einem freiwilligen Schuljahr sind, eine passende nachschulische Betreuung und Förderung notwendig wäre.

Strukturelle Rahmenbedingungen: Im Pflichtschulalter haben praktisch alle Schulstandorte Erfahrung im integrativen Unterricht. Auf Grund der Schullandschaft des Burgenlandes ist in der Volksschule die Einzelintegration die Regel. Es sind kaum Integrationsklassen mit mehr als zwei Schülerinnen und Schülern zu finden. Dies erhöht die soziale Integration, gleichzeitig aber auch den Bedarf an Lehrpersonen und Eingliederungshilfen für die zusätzliche Betreuung. Im Sekundarbereich ist der Anteil der Einzelintegration weit geringer. In Höheren Schulen finden sich Schülerinnen und Schüler mit Sinnes- und Körperbehinderung und solche, mit der Diagnose im Autismus-Spektrum.

Die Tatsache, dass 90% der Sonderschulklassen räumlich mit anderen Schularten verbunden sind, wird für gemeinsame Bildungsangebote individuell fallweise genützt. Hier ergibt sich aber noch die Chance von Projekt- und Modellentwicklungen.

Im Zuge der Diskussionen bei der Einführung der Neuen Mittelschule wurde das Modell einer inklusiven Sekundarstufe in unserem Bundesland intensiv diskutiert. Dabei bestand eine hohe Bereitschaft zu einer derartigen Entwicklung. Aber auch Konsens darüber, dass dies bei Aufrechterhaltung der Segregation, wie sie vor allem durch die AHS-Unterstufe gegeben ist, für die NMS eine Sonderstellung bedeuten würde, die die Grundsätze der Inklusion unbeachtet lässt.

Andreas Hinz und Ines Boban haben die Zielvorstellung und den Ansatz eines inklusiven Systems in einer Grafik festgehalten, die, obzwar schon sehr bekannt, hier dargestellt werden soll: 

Der Veränderungsbedarf  für unser Bildungssystem abseits von Prozentzahlen wird in dieser Darstellung deutlich  aufgezeigt. Inklusion ist nicht so sehr eine Herausforderung für die Sonderpädagogik, sondern in erster Linie für die so genannte Regelschule. Es bedeutet für alle Schularten heterogene Gruppen individuell zu unterrichten, unter Einschluss aller zu Unterrichtenden, in Schulen für alle. Inklusion ist kein anderes Wort für Integration, sondern der nächste Schritt. Sie ist nur möglich durch eine prinzipielle Veränderung von Schule. Nur wenn aus „Unterrichts- und Lehranstalten“ Orte des Lernens werden, kann auch Inklusion umgesetzt werden. Die nötige Kompetenz für ein selbst bestimmtes und eigenverantwortliches Leben wird von den Schülerinnen und Schülern individuell erworben. Dabei unterscheiden sich nicht nur die Lernwege, sondern auch die Lernziele. Jedes Kind hat dabei seinen eigenen individuellen Lehrplan. Lehrerpersonen und Assistenten  begleiten und unterstützen diesen Prozess, stellen Ressourcen zur Verfügung, arbeiten, reflektieren und lösen Probleme teamorientiert.

Aus der Sicht der Sonderpädagogik will ich jedoch drei für mich zentrale Aspekte für eine Weiterentwicklung aufzeigen. Diese basieren auf der praktischen Erfahrung, aber auch auf der Studie von Werner Specht zur Qualität in der Sonderpädagogik und den darauffolgenden Qualitätsforen.

Förderung, die sich an den Bedürfnissen von Kindern orientiert

Die Etikettierung von Kindern und Jugendlichen als „behindert“ oder „Schüler mit SPF“ wird den Bedürfnissen der betroffenen Kinder und einer inklusiven Pädagogik nicht gerecht. Vor allem im Bereich des Lernens und des Verhaltens ist die Feststellung durch einen Verwaltungsakt sehr diskussionswürdig. Es lässt sich zudem ein deutlicher Zusammenhang zwischen sozio-ökonomischem Umfeld und Feststellung des Bescheides beobachten.

Oft spielen auch Interessen von Schulen, bzw. Lehrerinnen und Lehrern bei dieser Entscheidung eine nicht unwesentliche Rolle, vor allem dann, wenn der Bescheid zu einer Ressourcenzuteilung an den Schulstandort führt. Leider kommt es nach der Feststellung  sehr häufig nicht zu den notwendigen Fördermaßnahmen. Es besteht die Gefahr der Unterforderung im gleichen Ausmaß, wie die der  Überforderung. Overprotection führt zu Unselbständigkeit und nicht selten dient der Bescheid als Begründung für zeitweise oder dauernde Aussonderung. 

In den letzten Jahren wurden im Land Anstrengungen unternommen, um bei der Feststellung genauer und treffsicherer zu sein. Dies mündete in einer intensiven Ausbildung von Gutachterinnen und Gutachtern in Zusammenarbeit mit Pädagogischer Hochschule und Schulpsychologie.

Ein Bündel von Maßnahmen soll Förderung ohne Bescheid, eine genaue Begutachtung, und eine Begleitung und Beratung der Schulstandorte sicherstellen. Dazu wurden Prozessstandards für die sonderpädagogische Förderung entwickelt. Die Zahl der neuen Bescheide sinkt kontinuierlich. Gleichzeitig werden mehr Kinder durch die so genannte „Spezielle Lernunterstützung“ präventiv betreut. Die Erfahrung lässt den Schluss zu, dass Ressourcen, die bedürfnisorientiert, flexibel und kurzfristig eingesetzt werden, besonders wirksam sind. Dazu bedarf es aber einer fundierten pädagogischen Begutachtung, die Wahrnehmung des Kindes in seiner Gesamtpersönlichkeit und die Zusammenarbeit von Personen mit unterschiedlichen Qualifikationen.

Regionale Inklusionszentren

Die Aufgaben der Sonderpädagogischen Zentren und ihre Organisationsform im Burgenland sind seit Mitte der 90er Jahre definiert. Seither wurden immer wieder Projekte zur Organisationsentwicklung und Grundlagenarbeit mit dem Ziel einer Qualitätsverbesserung durch den Landesschulrat für Burgenland  initiiert, gemeinsam mit allen Standorten konzipiert und durchgeführt.

Im Burgenland sind die sieben Leiterinnen und Leiter der Sonderpädagogischen Zentren gleichzeitig auch Direktorinnen und Direktoren  der Allgemeinen Sonderschule. Um dieser Rollenvermischung gerecht zu werden, sind Maßnahmen der Professionalisierung vor allem im Bereich der Beratung und der Begutachtung gesetzt worden. Dazu gibt es regelmäßige Dienstbesprechungen und Angebote für die  gemeinsame Reflexion. Unterstützung erhalten sie durch überregionale Qualitätsforen. Zielvorstellung ist in jeder Region ein Team von Expertinnen und Experten zu haben, das durch Unterricht, Beratung, Fortbildung und Vernetzung als stützendes System einer ganzheitlichen, inklusiven Förderung dient. Die Vielseitigkeit und die Vielschichtigkeit solch eines unterstützenden Systems sind im Kommunikationsmodell der Sonderpädagogischen Zentren dargestellt. Dabei ist die Zusammenarbeit mit der Schulaufsicht in ihrer steuernden und qualitätssichernden Funktion von besonderer Bedeutung.

Der Frage, ob Sonderschulen geeignet sind solch eine unterstützende und steuernde Einrichtung zu sein, haben wir versucht durch Begleitung seitens der Schulaufsicht, durch Evaluation und Qualitätsentwicklung zu begegnen. An anderer Stelle werden Zahlen, Modelle und Projekte präsentiert, die aus meiner Sicht zumindest zeigen, dass Sonderpädagogische Einrichtungen nicht auf Segregation abzielen müssen. Als Maßstab dienen die Bedürfnisse und die qualitätsvolle Förderung des Kindes.

Inklusive Haltung jedes Schulstandortes

Inklusive Schulen haben den Auftrag gemeinsames Leben und Lernen für alle anzubieten und sicher zu stellen. Die Grundvoraussetzung dafür ist ein Selbstverständnis der Schule und aller Lehrpersonen für alle Kinder Verantwortung zu tragen. Dieses Verständnis ist sicher noch nicht in genügendem Ausmaß ausgeprägt. Die „PädagogInnenbildung NEU“ soll diesem Umstand Rechnung tragen und Fragen der Diversität, der individuellen Förderung, besonderer pädagogischer Maßnahmen, um nur einige Themen zu nennen, für alle Lehrpersonen in den Mittelpunkt richten. Eine explizit sonderpädagogische Ausbildung wird erst im weiterführenden Studium angedacht.

Doch nicht nur für die Ausbildung, sondern auch für die alltägliche Unterrichtsarbeit sind Entwicklungsschritte  notwendig:  Sicherstellung des gemeinsamen  und individuellen Lernens für alle,  die Beachtung der emotionalen, sozialen und unterrichtlichen Ebene, ein individualisiertes Curriculum, die regelmäßige gemeinsame Reflexion und Planung aller Beteiligten, Sonderpädagogik als Unterstützung für Lehrpersonen,  Kinder und Klassen sowie das kollegiale Problemlösen im Team sollen hier nur als einige Beispiele genannt werden. Es kann nicht oft genug betont werden, dass diese Zielvorstellung für alle Schularten Gültigkeit hat.

Eine zentrale Aufgabe in diesem System kommt der Schulleitung zu. Nur wenn sie Inklusion als Anliegen und Auftrag sieht und die Umsetzung eines ganzheitlichen Bildungsbegriffes in einer heterogenen Lerngruppe  als Zielsetzung versteht, werden an den Schulstandorten die nötigen Schritte umgesetzt werden.

Im Zuge der Diskussion wurde ein Modell einer inklusiven Förderung für jede Schule erarbeitet. Es soll hier als eine Form der Zusammenfassung notwendiger Schritte angeführt werden. Barbara Gasteiger-Klicpera und David Wohlhart haben es wie folgt dargestellt:

Individuelle Förderung: Eine inklusive Bildungseinrichtung sorgt dafür, dass Kinder und Jugendliche auf ihrem jeweiligen Niveau am gemeinsamen Lernprozess teilhaben können. Sie weist ein Netz von Fördermaßnahmen auf, die in einem Förderkonzept zusammengefasst sind. Diese Fördermaßnahmen beziehen sich auf Lernrückstände, individuelle Problemsituationen sowie Krisen. Die Inanspruchnahme dieser Fördermaßnahmen erfolgt in Abklärung mit den Erziehungsberechtigten.

Präventive Förderung: Wenn eine Gefährdung im Hinblick auf den Bildungsprozess festgestellt wird, der nicht mit individuellen Fördermaßnahmen begegnet werden kann, muss möglichst schnell gehandelt werden. Der Zugang zu gezielter Förderung muss daher niederschwellig gehalten werden. Inklusive Bildungseinrichtungen müssen vor Ort über diagnostische Kompetenzen und geeignete Diagnoseverfahren verfügen, um solche Gefährdungen festzustellen. In Zusammenarbeit mit dem Inklusionszentrum ist dann ein Förderplan zu erstellen, der kurzfristig in intensiver Weise für eine vereinbarte Zeit implementiert wird. Die Förderung wird von kompetenten Personen durchgeführt; der Erfolg wird in Zusammenarbeit mit dem Inklusionszentrum evaluiert. 

 Kontinuierliche Begleitung und Unterstützung: Diese Stufe können Kinder und Jugendliche mit oder ohne Behinderung in Anspruch nehmen, die eine  längerfristige Begleitung und Unterstützung für die Teilhabe am pädagogischen Prozess benötigen. Die Feststellung dieses Förderbedarfs erfolgt auf der Basis einer umfangreichen Diagnose, dafür erforderliche Ressourcen werden über das Inklusionszentrum dauerhaft bereitgestellt. Im jährlichen Abstand erfolgt eine Überprüfung der Fördernotwendigkeiten.   

 

 Im Folgenden ist das System graphisch dargestellt.

Die Entwicklung des Schulsystems für Menschen mit Behinderungen war in unserem Land gekennzeichnet durch spektakuläre Umwälzungen,  durch Meilensteine in der Entwicklung, durch konsequente und beharrliche Versuche der Qualitätsentwicklung in der Sonderpädagogik und durch die tägliche Annahme der Kinder und der Herausforderungen des Unterrichtes in allen Schulen dieses Landes. Eine Weiterentwicklung in Richtung der Inklusion kann nur gelingen, wenn man bereit ist im Sinne des Eingangszitates das bisherige zu bejahen und alle Betroffenen auf dieser Gratwanderung mitzunehmen. 

 

Die Weiterentwicklung hat längst begonnen - "BrückenbauerInnen" zwischen Kindergarten und Schule

Reg.Rat BSI Gerlinde Potetz
Bildungsregion Jennersdorf - Güssing

„Brückenbauer/innen“ – Übergang zwischen Kindergarten und Schule

Die Problematik des Überganges vom Kindergarten in die Volksschule sowie Ansätze für eine möglichst frühe Sprachförderung schon im letzten Kindergartenjahr waren im südlichsten Schulbezirk Jennersdorf bereits vor zehn Jahren ein sehr wichtiges Thema. Bereits damals entstand in der südlichsten Gemeinde Neuhaus/Klb. als Pilotstandort ein Kooperationsprojekt zwischen den Institutionen Kindergarten und Volksschule. Damit wurde im Schuljahr 2003/04 erstmals ein Grundstein für eine dynamische Entwicklung gelegt, die Auswirkungen konnte damals noch niemand abschätzen.

In der Zeit des Planungsstadiums 2002 gab es europaweit kaum Vorbilder, die dem Planungsteam bestehend aus VDir. OSR Roswitha Fellner, Kindergartenleiterin Astrid Deutsch, VOL Rosemarie Lafer und BSI Gerlinde Potetz, die Arbeit erleichtert hätten. Gute Unterstützung erhielt die Projektgruppe von Dr. Brigitte Leimstättner vom damaligen Pädagogischen Institut des Burgenlandes, die diese Erarbeitungsphase sehr gut begleitet hat.

Projektziele:

Folgende Themenbereiche werden in der praktischen Arbeit mit der Gruppe der zukünftigen SchulanfängerInnen bearbeitet:

+ Sprachkompetenz fördern

+ Wahrnehmung und Sinne schärfen

+ die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder fördern

+ Sozialkompetenz vermitteln

+ Neugierde und Freude auf den neuen Lebensabschnitt wecken

+ Überzeugungsarbeit bei den Eltern leisten und Ängste abbauen

Die Umsetzung dieser Arbeit, die ausschließlich spielerisch erfolgt, wird von einem/einer Brückenbauer/in (im Normalfall ein/e Volksschullehrer/in) durchgeführt. Den Eltern der zukünftigen SchulanfängerInnen wird das Projekt im Kindergarten angeboten. Die Zustimmung der Eltern ist zwingend notwendig, was zu keiner Zeit ein Problem darstellte.

Nach dem ersten Jahr der Umsetzung interessierten sich jährlich weitere Standorte für das Kooperationsprojekt, in wenigen Jahren wurde diese Begleitung im Übergangsbereich fast flächendeckend umgesetzt. Vor allem die Eltern waren von der Sinnhaftigkeit des Projektes sofort überzeugt. Ab dem Schuljahr 2012/13 haben sich auch drei Standorte im Bezirk Güssing dazu entschlossen, das Projekt umzusetzen.

Wo stehen wir nach einem Jahrzehnt? Auswirkungen auf die Schule?

Die Kinder der ersten Schulstufe erleben gemeinsam mit ihren Eltern und LehrerInnen einen harmonischen Schulstart. Kinder können an Bekanntes anknüpfen, da der/die Brückenbauer/in sie in der Volksschule weiterbegleitet. Der Bereich der flexiblen Schuleingangsphase wurde passend adaptiert, um eine sinnvolle Fortsetzung zu gewährleisten. Die phonetische Bewusstheit, ein besonders schwieriges Kapitel im Leselernprozess, ist vorhanden. Mit diesem Integrationsprojekt kann auch Kindern mit einer anderen Erstsprache als Deutsch eine gute Entwicklung ermöglicht werden. Die Situation für „Risikokinder“ hat sich  wesentlich entschärft, die Anzahl der Kinder mit Sonderpädagogischem Förderbedarf (mit Lernbehinderung) konnte extrem reduziert werden. Kinder werden im richtigen Alter gut unterstützt und begleitet, spätere sehr kostenintensive Unterstützungen minimieren sich. Ergebnisse externer Testungen bestätigen ebenfalls den erfolgreichen Weg.

Die Haltung aller an Lernprozessen Beteiligten hat sich sehr stark verändert, nicht der Blick auf die Defizite hat zentrale Bedeutung, sondern auf motivierende und leistungsförderliche Begleitung wird besonderer Wert gelegt.

Die Weiterentwicklung hat längst begonnen - Spezielle Lernunterstützung im Burgenland

SDir Martina Bugnits
Leiterin Qualitätsforum "Spezielle Lernunterstützung"

Spezielle Lernunterstützung im Burgenland – präventive Förderung und Diagnostik in der Grundstufe 1

Im Burgenland hat sich in den letzten Jahren eine Veränderung im Bereich der Sonderpädagogik gezeigt. Die Anzahl der Kinder mit SPF Bescheiden auf Grund von Verhaltensbehinderung und Lernbehinderung steigt deutlich. Bei ca. 25% der Kinder im Pflichtschulalter besteht ein Risiko, dass sie nicht ausreichend kognitive Fähigkeiten erlernen. Diese Indikatoren machten ein Handeln erforderlich, um auch weiterhin eine optimale Versorgung und Förderung von Pflichtschulkindern gewährleisten zu können.

Im Burgenland wurde in den letzten Jahren vermehrt in die Weiterbildung von PädagogInnen investiert. Parallel dazu versuchen wir im Burgenland verstärkt auf Prävention zu setzen. Durch die spezielle Lernunterstützung sind wir bemüht, unterstützende Maßnahmen zur Erleichterung des Schuleintritts und zur Verminderung von Lernschwierigkeiten zu setzen.

SprachheillehrerInnen, BeratungslehrerInnen und VolksschullehrerInnen mit spezifischen Fortbildungskursen begleiten in den ersten Wochen die SchülerInnen und ihre KlassenlehrerInnen in den ersten Klassen der Volksschulen. Sie beobachten die Kinder flächendeckend im Bezirk und beraten KlassenlehrerInnen in der Lerndiagnostik und in der Entwicklung eines Förderkonzepts bei Risikokindern. Die Aufgaben und die Verantwortung der KlassenlehrerInnen bleiben im vollen Ausmaß aufrecht. Am Ende der Diagnosephase gibt es Bezirkskonferenzen, mit einer Reflexion der Beobachtungen in den einzelnen Schulen. Basierend auf diesen Erkenntnissen werden Fördermaßnahmen für die verschiedenen Schulstandorte festgelegt, Kurse eingerichtet und gegebenenfalls Ressourcen umgeschichtet.

Sprachheilunterricht erfolgt den Bedürfnissen der Kinder entsprechend - integrativ und/oder individuell. Ein kontinuierlicher Unterricht der SprachheillehrerInnen in den betreuten Schulen ist für den Erfolg maßgeblich. 

Wichtig dabei ist, dass Dauer und Art der speziellen Lernunterstützung – sowohl Diagnosephase als auch Förderphase - möglichst bedarfsorientiert und flexibel erfolgen.

Zusammenfassend sollen bei der speziellen Lernunterstützung folgende Ziele verfolgt werden:

Präventive Maßnahmen zur Erleichterung des Schuleintritts und zur Verminderung von Lernschwierigkeiten

Lerndiagnostik in den Bereichen: Sprache, Wahrnehmung, Motorik, Merkfähigkeit, mathematische Grundfähigkeiten, …

Verringerung von sprachlichen Problemen durch gezielte Fördermaßnahmen

Individuelle Lernunterstützung

Unterstützung im sozialen Lernen

Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und Stärkung von Selbstwert und Selbstbewusstsein

Stärken stärken

Zusammenarbeit mit den Kindergärten (Überleitung Kindergarten-Schule => Brücken bauen)

Beratung der KlassenlehrerInnen zur Entwicklung von Förderkonzepten (standortbezogen oder kindbezogen) RS 11/2005

Vernetzung mit Schulpsychologie, SPZ, LehrerInnen mit Spezialausbildung und mit außerschulischen Institutionen

Diese spezielle Lernunterstützung wird seit Herbst 2011 im Burgenland implementiert und stellt einen Entwicklungsprozess dar, der laufend evaluiert wird. Zielgerichtete Fortbildungen erfolgen parallel. Regelmäßige Reflexionstreffen ermöglichen Rückmeldeschleifen, die maßgeblich zur Qualitätsverbesserung beitragen.

Eine wichtige Erkenntnis aus der ersten Evaluationsschleife ist, dass eine umfangreiche Information an alle beteiligten Personen ergehen muss. Der Erfolg der Maßnahme ist von der Beratungskompetenz der LehrerInnen maßgeblich abhängig.

 

Die Weiterentwicklung hat längst begonnen - Systhemische & traditionelle Beratungstätigkeit in effektiver Symbiose

vSL Silke Krutzler
Text und Grafik

Systemische Beratung beinhaltet die beratende Unterstützung von unterschiedlichen Systemen. Entwickelt hat sich diese aus der Systemtheorie, welches ein interdisziplinäres Erkenntnismodell darstellt, in dem Systeme zur Beschreibung und Erklärung unterschiedlich komplexer Phänomene herangezogen werden.

Das Hauptaugenmerk bei der systemischen Beratung liegt im Stärken der Ressourcen und der Kompetenzen des zu beratenden sozialen Systems. Deshalb wird die systemische Beratung häufig auch als „ressourcenorientierte Beratung“ bzw. „lösungsorientierte Beratung“ bezeichnet. Die systemische Beratung ist – im Unterschied zum inhaltsorientierten klassischen Beratungsansatz -  überwiegend prozessorientiert.

Seit dem Schuljahr 2008/09 wird am Sonderpädagogischen Zentrum Oberwart die systemische Beratung durch die Beratungslehrerin an allen APS des Bezirkes angeboten, für Pädagoginnen und Pädagogen die Kinder und Jugendliche unterrichten, die aus dem Rahmen fallen. Der Unterschied zur herkömmlichen Aufgabe einer Beratungslehrerin oder eines Beratungslehrers ist nicht die Beziehungsarbeit mit dem Kind, sondern das Begleiten und Beraten aller mit dem auffälligen Kind betreuten Personen.

 Das heißt:   Systemische Beratung

.) ist respektvoll und wertschätzend gegenüber der geleisteten Arbeit aller Beteiligten in den Schulen, indem es versucht, Veränderungen aus dem bestehendem heraus in Kooperation mit den betreffenden Lehrkräften, Familien und professionellen Helfern zu entwickeln. 

.) unterliegt nicht dem Selbstmissverständnis, für jede Situation und jedes Problem ein Wundermittel zu sein.

.) fördert Sichtweisen innerhalb der Lehrer/innen wieder zu Agierenden zu werden (Ausstieg aus dem „Tunnelblick“).

.) versucht in einem kooperativen Prozess günstigere Voraussetzungen für die Fortsetzung eines konstruktiven Umgangs mit dem Kind, den Eltern und den eigenen Ressourcen zu schaffen.

 Insgesamt wurden und werden seit Beginn der systemischen Beratung 25 Schulen (23 VS, 3 NMS) und 52 Kinder bzw. Jugendliche im Bezirk Oberwart betreut.

 

Die Weiterentwicklung hat längst begonnen - Information/Bildung/Beratung - IBB am SPZ Oberwart

SDir Knut Becha
Leiter ASO/SPZ Oberwart

Regionales Fortbildungskonzept „Information – Bildung – Beratung“ – IBB am SPZ Oberwart

 Im Schuljahr 2007/08 wurde per Konferenzbeschluss des Kollegiums der ASO Oberwart zu gemeinsamen Topf „C“ Stunden  aus dem Bereich „Schulinterne schulspezifische Vereinbarungen“ der Grundstein für ein bis dahin beispielloses regionales Bildungsangebot gelegt. Die Grundintention zu diesem Schritt lag in der geregelten Form des Informationsaustausches und der regelmäßigen Möglichkeit der Kommunikation untereinander. Da am Standort sehr viele Fachkompetenzen tätig waren und sind, entsprechend  viel Wissen vorhanden war und ist, sollte dieses in von uns entwickelten „IBB-Tagen“ an alle Mitarbeiter/innen vergeben werden.

Sehr schnell stellte sich heraus, dass dieses Wissen der einzelnen Expertinnen und Experten des „Kompetenzzentrums Oberwart“ auch für Kolleginnen und Kollegen des gesamten SPZ Bereiches relevant und bedeutsam war. Die punktgenaue, bedarfsorientierte und stets aktuelle und rasch umsetzbare Wissens- und Informationsvermittlung  sollte besonders an Integrationsstandorten mit einem hohen Anteil an nicht  sonderpädagogisch ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen von größter Bedeutung sein. Die Durchführung der „IBB-Tage“ sah und sieht vor, in regelmäßigen Abständen (möglichst 1x pro Monat) zu sehr speziellen Themen Nachmittagsveranstaltungen am SPZ Oberwart zu organisieren. Die Referentinnen und Referenten rekrutieren vorwiegend aus dem Bereich des Kompetenzzentrums, in nur wenigen Fällen wurden und werden externe Expertinnen und Experten, finanziert durch die Schule, eingeladen. Besonders  wichtig, bezüglich Bedeutsamkeit der Veranstaltungen, war und ist die Haltung der Schulaufsicht. Durch die Verteilung der Einladungen und der regelmäßigen Erwähnungen im Rahmen von z.B. Leitertagungen haben sich die „IBB –Tage“ in kürzester Zeit zu einer unverzichtbaren, qualitätsvollen und überdurchschnittlich hoch frequentierten Bildungsreihe des Bezirkes Oberwart entwickelt. Seit Anbeginn der Veranstaltungen besuchen durchschnittlich 22 Leiter/innen, Lehrer/innen und Betreuer/innen die Angebote des SPZ pro Veranstaltungstag. Spitzenveranstaltungen mit über 60 Teilnehmern  wurden ebenfalls abgehalten.

Neben dem ursprünglichen Gedanken und Wunsch der schulinternen Vergabe von Informationen konnte durch die Öffnung in den Wirkungsbereich des SPZ auch die Einstellung, die Qualität und die entspannte Alltagssituation im Bereich der Sonderpädagogik nachweislich verbessert werden. Man(n) und Frau wissen, dass das SPZ Oberwart auch auf Wunsch , wenn auch manchmal von sehr kleinen Gruppen, bedarfsgerichtete Fortbildungsveranstaltungen organisiert und anbietet. Die Unterlagen aus bzw. zu den einzelnen Veranstaltungen werden und wurden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf dem LMS des Bildungsservers Burgenland zugängig gemacht.

Auf diese Weise der selbstorganisierten Fort- und Weiterbildung konnten bedeutsame Neuerungen und Anforderungen an die Tätigkeit der Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen einfach, unbürokratisch, regional und mit wenig Aufwand der Organisation  aktualisiert und umgesetzt werden, wie z. B. die Verordnung zum ASO Lehrplan  2008, die Umsetzung der Vorgabe zum individuellen Förderplan oder die steigenden Bedürfnisse im Bereich der Verhaltenspädagogik.

Diese und ähnliche Entwicklungen zur Steigerung der Qualität in der Arbeit am SPZ Oberwart haben 2010 zur Zuerkennung des „Hans Asperger Preises“ durch die Heilpädagogische Gesellschaft geführt. Eine Anerkennung der Leistungen und des Einsatzes aller Mitarbeiter/innen des Kompetenzzentrums Oberwart der besonderen Art. 

„IBB-Themen“ der letzten Jahre (Auszug):

Der ASO Lehrplan NEU – Der „IFP“ (Individuelle Förderplan) – Elterngespräche professionell führen – Meine Arbeit mit sozial-emotional instabilen Kindern – Sucht/ Prävention und Behandlung – Kennenlernen sonderpädagogischer Besonderheiten für „Junglehrer/innen“ – Krisenintervention – Kommunikationstraining – Sensorische Integration – Phonologisches Bewusstsein – Fördercoaching in der Grundschule – Gewalt versus Aggressionen – „Lehrer/innentraining für Junglehrer/innen“ – Rechtsgrundlagen – u.v.m.

Sonderpädagogisches Zentrum Frauenkirchen

Sonderpädagogischen Zentrum Eisenstadt

Sonderpädagogisches Zentrum Mattersburg

Sonderpädagogisches Zentrum Oberpullendorf

Sonderpädagogisches Zentrum Oberwart

Sonderpädagogisches Zentrum Stegersbach

Allgemeine Sonderschule Güssing

Sonderpädagogisches Zentrum Jennersdorf

Autoren- und Autorinnenverzeichnis

•Reg.Rat BSI Robert Novakovits - Leiter der Unterabteilung Sonderpädagogik der Abteilung allgemeine Pflichtschulen des Landesschulrates für Burgenland - Obmann der HGÖ Burgenland •Hans Niessl – Landeshauptmann für Burgenland - Präsident des Landesschulrates für Burgenland •Mag. Franz Steindl - Landeshauptmannstellvertreter für Burgenland •Mag. Dr. Gerhard Resch - Amtsführender Präsident des Landesschulrates für Burgenland •HR Franz Fischer - Vizepräsident des Landesschulrates für Burgenland •Dr. Rüdiger Teutsch - bm:ukk - SEKTION I - Allgemein bildendes Schulwesen, Abteilung 5 – Diversitäts- und Sprachenpolitik; Sonderpädagogik, inklusive Bildung; Begabungsförderung •Dr. Ernst Tatzer - Präsident der Heilpädagogischen Gesellschaft Österreich •Dr. Peter Rezar - Landesrat für Burgenland •Mag.a  Michaela Resetar - Landesrätin für Burgenland •Verena Dunst - Landesrätin für Burgenland •HR Franz Halper - Landesschulinspektor i.R. für Sonderpädagogik des Landesschulrates für Burgenland •SOL Eva Kainz – Pädagogische Mitarbeiterin am Sonderpädagogischen Zentrum Oberwart •HR Dr. Werner Wagner - Leiter der Schulpsychologie i.R. des Landesschulrates für Burgenland •Mag.a Dr.in Brigitte Leimstätter – Leiterin der ersten Integrationsklasse im Burgenland •Gabriele Huterer – Mutter eines der ersten Integrationsschülers im Schuljahr 1983/84 •Mag. Dr. Klaus Novak – Institutionsleiter der Pädagogischen Hochschule Burgenland •HR Erwin Deutsch, MAS, Msc - Landesschulinspektor für allgemeinbildende Pflichtschulen des Landesschulrates für Burgenland •HR Dr.in Elfriede Jud - Leiterin der Schulpsychologie/Bildungsberatung des Landesschulrates für Burgenland •Mag. Klaus Fandl - Schulpsychologe– Leiter des Qualitätsforums Legasthenie •SD Anita Kneschitz – Leiterin der Allgemeinen Sonderschule und des Sonderpädagogischen Zentrums Eisenstadt – Leiterin des Qualitätsforums Heilstättenklassen •SOL Gabriele Schreiner – Leiterin des Qualitätsforums Hörbehindertenpädagogik •vSL Silke Krutzler – Beratungslehrerin am Sonderpädagogischen Zentrum Oberwart •vSL Julia Resch-Wrenkh – Leiterin des Qaulitätsforums Sprachheilpädagogik •vSL Martin Pratl – Leiter des Qualitätsforums Berufsorientierung •SOL Andrea Steiner – Leiterin des Qualitätsforums Sehbehindertenpädagogik •Pädagogisches Team der Integrationsklasse an der Volksschule Bernstein – Klassenlehrerin und VD Christine Wallner – Integrationslehrerin Eva Artner – Eingliederungshilfe Bernadette Schuller •Mag.a Eva Horvath – Fachbereichsleiterin bei Rettet das Kind Burgenland •Franziska Marlovics – Eingliederungshilfe am Sonderpädagogischen Zentrum Oberwart •Kornelia Berlakovich – Kindergarteninspektorin, Amt der burgenländischen Landesregierung – Abteilung 2 - Kindergartenaufsicht •HR Ing. Friedrich Luisser, MAS - Landesschulinspektor für berufsbildende mittlere und höhere Schulen des Landesschulrates für Burgenland •Dr.in Elisabeth Scheikl-Pourkhalil – Fachbereichsleiterin RETTET DAS KIND Burgenland •WHR Mag.a Elvira Waniek-Kain – Hauptreferatsleiterin Sozialwesen – Abteilung 6 – Soziales, Gesundheit, Familie, Sport des Landes Burgenland •Mag. Gerhard Kuich – Geschäftsführer des Vereines VAMOS in Markt Allhau •Reg. Rätin Gerlinde Potetz - Bezirksschulinspektorin der Bildungsregion Jennersdorf-Güssing •SD Martina Bugnits – Leiterin der Allgemeinen Sonderschule Güssing – Leiterin des Qualitätsforums „Spezielle Lernunterstützung“ •SD Knut Becha – Leiter der Allgemeinen Sonderschule und des Sonderpädagogischen Zentrums Oberwart •

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 31.08.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Diese Festschrift sei allen Menschen gewidmet, die in der Vergangenheit, im Jetzt und in Zukunft die Interessen und Bedürfnisse unserer Menschen mit Handikaps vor Gesellschaft, Politik und Wirtschaft so vertreten, dass sie ihnen das Leben erleichtern, ihre Anlagen weiter gefördert werden können und das "Miteinander" nicht nur aufgrund einer weiteren "Konvention" geregelt werden muss.

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