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Piraten vor Barth

Das Schiff glitt mit gerefften Segeln an den Anlegesteg. Der Posten am Fischertor beobachtete die Seeleute beim Vertäuen des Schiffes. Er kannte die Besatzung und den Schiffer. Er brachte mit seinem Fahrzeug regelmäßig englische Wolle in die Stadt. Der Posten nickte den Trägern zu, die das Schiff entluden. Sie brachten die Ware durh das Fischertor zu den Magazinen der Kaufleute. Die die Stadt einschlließende fünf Meter hohe Stadtmauer wurde außredem noch vom Dammtor dem Wiecktor und dem Langentor unterbrochen. Auch dort hatten Posten der Stadtwache Dienst. Der Posten am Fischertor ließ seinen Blick über den Bodden schweifen. Dann sah er am Horizont Segel. ' Wieder Schiffe, die Ware bringen.', dachte er,' Mal sehen, wer das ist'. Angestrengt spähte er zum Horizont. Plötzlich riß ihn ein heftiges Glockengeläut aus den Gedanken. Erschrocken drehte er sich um. Vielleicht brannte es irgendwo, aber er konnte keinen Rauch entdecken. Da sah er auch schon einen anderen Posten die Fischerstraße entlang laufen. Der baute sich vor ihm auf, und sagte: " Sofort das Tor schließen. Die Schiffe dahinten sind Piratenschiffe!" Der Torposten nahm das Horn, das ihm über der Brust hing, und blies hinein. Das Signal bedeutete den Seeleuten, das das Tor gleich geschlossen werden würde. Sonst wurde das Signal bei Sonnenuntergang gegeben, weshalb erstaunte die Männer, daß es zu dieser ungewohnten Zeit gegeben wurde. Aber sie ließen trozudem sie alles stehen und liegen, und eilten zum Tor um sich hinter den schützenden Mauern zu bringen.. Gemeinsam mit den beiden Posten schlossen sie die schweren Tore und zogen die Zugbrücke hoch. Während die Männer weiterliefen, um sich zur Verteidigung fertigzumachen, bezogen die Posten ihre Stellung auf den Zinnen des Turmes. Die Bürger hatten sich mit dem Bürgereid verpflichtet, ihre Stadt mit zu verteidigen. Kurze Zeit später kamen dann auch die ersten Männer der Stadt zum Fischertor gelaufen. Die Tischler, Schneider und Goldschmiede hatten sich Brustschilde übergezogen und hielten Armbrüste in der Hand. So bewaffnet bezogen sie ihre Stellungen auf dem Wehrgang der Stadtmauer, um den Feind abzuwehren. In der Zwischenzeit waren die feindlichen Schiffe bedeutend näher gekommen. Die beiden Schiffe legten am Anlegesteg an. Ihre Mannschaften, etwa vierzig Mann , gingen zum Fischertor. Sie hatten Enterbeile und Schwerter in den Händen. In der anderen Hand trugen sie Leiter, mit denen sie die Stadtmauer stürmen wollten. Plötzlich begannen die Angreifer auf die Stadtmauer zuzulaufen. Das war für die Verteidiger das Zeichen, die Armbrüste zu spannen. Es regnete Armbrustbolzen auf die Angreifer, die sich hinwarfen. Aber die Holzplatten, die die Angreifer vor sich hertrugen ließ die meisten Schüsse abprallen, so daß sie wirkungslos blieben. Während die Verteidiger ihre Armbrüste spannten, näherten sich die Angreifer vorsichtig dem Tor. Die Stadtposten warfen ihre langen Lanzen, die auch in den Holzschilden stecken blieben. Dadurch wurden diese so unhandlich, daß die Piraten sie wegwarfen. Trotz vieler Verwundeter war nach einigem Hin- und Her die Schar der Angreifer am Tor angelangt. Sofort begannen sie, es mit ihrem Beilen aufzubrechen. Zwar waren die Armbrüste der Verteidiger wirkungslos geworden, aber diese hatten noch ein wirksames Mittel. Als die Piraten den ersten Versuch machten, das Tor einzuschlagen, gossen die Barther Bürger siedendes Wasser durch die Pechnasen. Erst die vielen Verwundeten und nun das - Das war für die Piraten nun doch zuviel. Sie flohen zu ihren Schiffen. Weil sie die Armbrustbolzen fürchteten, besetzten sie schnellstmöglich ein Schiff und verschwanden. Ihre Verwundeten ließen sie zurück, genau wie ihr zweites Schiff. Das kurze Zeit später einsetzende Kirchenläuten signalisierte das Ende der Gefahr. Die Bürger verließen ihre Posten auf den Zinnen, und gingen zu ihren Häusern, uum ihrer normalen Arbeit wieder nachzugehen. Auch die Posten öffneten wieder das Tor. Glücklicherweise war nur das Fischertor angegriffen worden. Dadurch konnte der Rat der Stadt in der Zwischenzeit Posten von den anderen Toren abziehen die die verwundeten Piraten in die Stadt brachten, und sich um deren Schiff kümmerten.


Das weiße Pulver

Das 17. Jahrhundert war noch jung. Der dreißigjährige Krieg hatte noch nicht begonnen, aber Spanien beutete schon seit hundert Jahren seineKolonien auf dem "Neuen Kontinent" aus. Die Ware von dort kamen auf Karawanenwegen in den entferntesten Winkel Europas. Die Kaufleute stellten ange wagenkolonnen zusammen und durchreisten Europa. Auch die barther Kaufleute tauschten Fisch und Salz gegen andere Erzeugnisse. So war auch Kaufmann Krüger vor zwei Jahren mit einer Karawane ins Süddeutsche gereist. Wie jedes Kaufmannshaus hatte auch seins Haus in der Langen Strae im erdgeschoß das Handelskontor und die Lagerräume und im Obergeschoß die Privaträume der Kaufmannsfamilie. Gestern nun kamen die schweren Wagen an, und die Ware wurde in das Kontor entladen. Auch die Kinder des Kaufmannes waren noch aufgewesen, um ihren Vater zu begrüßen. Als die Eltern nach oben in die Wohnräume gegangen waren, schlichen sie sich noch mal ins Kontor. Aus allen Säcken duftete es. Außer aus einem, der für sich alleine in der Ecke stand. Vorsichtig öffneten die Kinder die Schleife und schauten beim Licht ihres Kienspanes hinein. Ein weißes Pulver war im Sack.Was das wohl sein mochte? Johannes und Elisabeth schlichen in ihre Betten. Morgen würden sie ihren Vater nach dem weißen Pulver fragen. Am nächsten Tag sollte ein Willkommensfest stattfinden. In der Küche des Kaufmannshauses stand die Kaufherrin und rührte Kuchen an. Neben ihr standen die "Naschkatzen" Elisabeth und Johannes. Meist fiel immer ein Teigrest zum Vernaschen an. Sie hatten schon oft beim Kuchenmachen zugeschaut, so daß sie wußten was alles hineingehört. Aufmerksam überprüften sie, ob auch alle Zutaten für einen leckeren Kuchen auf dem Tisch standen. Mehl war da, Eier auch, Milch, Salz- aber Honig ? "Wieso steht denn kein Honig auf dem Küchentisch?", fragte Elisabeth. "Brauchen wir nicht!" sagte die Mutter. Die Kinder sahen sich erstaunt an. "Gibt es denn keinen süßen Kuchen?", fragte Johannes enttäuscht. "Doch, aber ...", plötzlich stutzte die Mutter, und sah ihre Kinder mit gerunzelter Stirn an, " Ach so, jetzt versteh ich." Das mochte ja sein, aber die Kinder waren immer noch ratlos. Da nahm die Mutter einen Beutel aus dem Küchenregal. Sie griff hinein und ein weißes Pulver kam zum Vorschein. Es sah genauso aus wie das in dem geheimnisvollen sack im Kontor. "Hier ist etwas, das kommt von hinter dem großen Meer. Es schmeckt auch süß. Das machen wir jetzt in den Kuchen." IWie gesagt, getan. Die Mutter schüttete einen Löffel in die Schüssel und rührte den Kuchen. Johannes hatte einige Krümel des Pulvers gesehen.Er fegte sie sich in die hand und stopfte sie sich in den Mund. ja es schmeckte wirklich süß. In diesem Moment ging die Küchentür auf. Ihr Vater stand in der Küche, um nach dem rechten zu sehen. Als Johannes ihn ansah, begann dieser schallend zu lachen. "Du hast genascht Johannes. Der Zucker klebt dir noch um die Nase" Johannes fuhr sich mit seinem Hemdsärmel über das Gesicht. ' Zucker-Was ist denn Zucker?, überlegte Johannes. Noch nie gehört davon. Aber vielleicht...Da ging ihm ein Licht auf. Dieses krümelige Zeug war Zucker. Endlich war das Rätsel der letzten Nacht gelöst. Das mußte er unbedingt nachher seiner Schwester erzählen. Inzwischen war der Kuchen fertig, und die Mutter ihn in den Ofen geschoben. Sie wies die Kinder aus der Tür, damit sie das Geschirr abwaschen konnte. Am Nachmittag aß dann die Familie mit ihren Gästen den Kuchen. Er schmeckte sehr gut, aber doch irgendwie anders als alle Kuchen,die sie vorher gegessen hatten.


Die neue Handelsstaion

Der Wind fuhr scharf um das Häuschen, in dem der Händler seine Waren ausgebreitete hatte. Robert schlug sich die Hände um den Leib, um sich auzuwärmen. Aus einem kleinen Schlitz zwischen Bärenfellmütze und hochgezogenem Kragen schauten zwei kleine Augen heraus. Aufmerksam beobachteten sie die wenigen Schaulustigen. Da trat ein hochgewachsener Mann an den stand heran. "Hallo Robert", sagte der Pelztierjäger ," Du bist auch bei jedem Wetter unterwegs!" "Na endlich! Heinz, du alter Fallensteller", begrüßte der Händ- ler seinen Geschäftspartner ," Ich suche dich schon die ganze Zeit nach dir. Hast du bei diesem Winter überhaupt was gefangen? So ein Mistwetter ! Sag schon, hast du was für mich?" Wortlos griff der Jäger in seinen Rucksack und holte ein Bündel schöner Felle heraus. "Klar !", sagte er als er dem Händler die schönen Felle zeigte, "Schau nur hier diese schönen Zobelfelle! Aber müssen wir das hier im Wind bereden?" "Natürlich nicht", erwiderte der Händler," Warte einen Moment, ich muß nur zusammenpacken , dann können wir in meinen Wagen gehen." Kurze Zeit später saßen die beiden Männer mit warmem Wein in der Hand um das Kohlebecken im Inneren des Planwagens . Genüßlich zogen beide an ihren Pfeifen. "Um noch mal darauf zurückzukommen", begann der Händler und zeigte mit dem pfeifenstiel auf den Rucksack mit den Fellen," Gab wohl viele Zobel diesen Winter?" Der Jäger nahm erst mal einen langen Zug aus seiner Pfeife " Hier in der Nähe nicht mehr." antwortete er, "Ich mußte zwei Monate in Richtung Gebirge gehen. Dort oben trauen sich nur wenig Fremde hin, und die Einheimischen nehmen lieber die Wolle ihrer Schafe für ihre Kleidung. Aber Tiere soweit das Auge reicht. Man braucht wohl vier Wochen um sie zu zählen!" Der Händler beugte sich interessiert vor. "Was du nicht sagst ! Und wieviel Felle hast du mitgebracht?" " Nur die in meinen Rucksack passen"gab der Jäger zurück. Enttäuscht lehnte sich der Händler zurück. "Wieso denn das?", wollte der Händler nun wissen. "Ja," der Jäger nahm einen guten Zug," der Weg über das Gebirhge ist steil und man muß beide Hände frei haben. Der Weg über die Paßstraße ist mir zu weit." "Die Paßstraße, so,so", sinnierte der Händler, "da fällt mir ein, letztens hat jemand von einem Ort am Ende der Paßstraße gesprochen, der am Meer liegt." " Ja , das ist der Sitz unseres Königs", erklärte der Jäger," nur ein Einheimischer kennt den Weg durch die Klippen, um mt einenm Schiff dorthin zu gelangen." "Würdest du auf einem Schiff mit mir dorthin fahren?", fragte der Händler. Dem Jäger fiel bei diesem Gedanken fast die Pfeife aus dem Mund. "Wieso denn da ?" " Ich habe mir seit längerem überlegt in eurem Gebiet eine handelsstation zu eröffnen ", erklärte der Händler dem staunenden Jäger, " Ich kann die Ffelle an Ort und Stelle kaufen und ihr bekommt eure Waren an Ort und Stelle. Außerdem können wir die Ware an Ort und Stelle begutachten." " Hört sich ja gut an ", meinte der Jäger nach längerem Schweigen," ich muß aber erst mit meinem Stammesrat reden. Du wirst sicher verstehen, daß ich das nicht allein entscheiden kann. Wir wollen uns in einem Monat wieder hier treffen. Dann kann ich dir das Ergebnis mitteilen." das Ergebnis wurde mit Handschlag besieget und einvernehmlich trennten sich die beiden Männer. Da die Stammesoberen nichts dagegen hatten, konnte Robert seine Handelsstation eröffnen. Die Einheimischen konnten so auch viele andere kunstvolle Gegenstände gegen Waren tauschen, die sie dringend benötigten.


Schützenfest 1610

Die Sonne ging strahlend auf an Sonnabend im Juli des Jahres 1610, genau das richtige Wetter für den Beginn des traditionellen Barther Schützenfestes.

Den Schützenplatz lag weit vor der fürstlichen Residenzstadt. Um festzustellen, ob auch alles seine Richtigkeit hatte, schritt ihn der ehemalige Bürgermeister Burmeister als Provisor der Schützengilde noch mal ab. Nach dem Ende seiner Amtszeit hatte er dieses Amt des Vorstehers der Schützengilde angenommen. Er war im Fall eines Angriffs auf die Stadt auch verantwortlich für die Organisation des Einsatzes seiner Schützenbrüder und die Zusammenarbeit mit dem Gouverneur des Fürsten. Der ältere Mann blieb am Rand des umzäunten Geländes stehen, und sah in die Runde. An der einen Seite des Platzes stand der Pfahl, an den die Scheibe gehängt werden sollte. Er war genau so schön geschmückt wie die Plattform, von wo aus die Schützen ihre Schüsse abgeben würden. Sie befand sich an der gegenüberliegenden Seite, etwa fünfzig Schitte entfernt. Seitlich von ihr standen schon der Tisch für die Schreiber und den Vorstand aufgestellt und die Tribüne für die Ehrengäste. Auch die Bäume und der Zaun zur Absperrung waren mit Blumen und Fähnchen geschmückt und ergaben ein festliches Bild. Die Handwerker und Händler begannen ihre Stände aufzustellen und einzuräumen. Die Metzger heizten die Feuer, und die Wirtsleute stachen die Bier- und Weinfässer an. Es roch schon nach knusprigen Brezeln, Braten und frisch gezapftem Bier.

Nachdenklich schritt Bürgermeistzer Burmeister vom Festplatz in die Stadt. Dunkle Gedanken umwölkten seine Stirn. Seine Tochter hatte zwei jungen Schützenbrüdern den Kopf verdreht. Darüber war zwischen ihnen ein großer Zwist entbrannt. Um dem ein Ende zu machen, hatte er entschieden, daß der Sieger des Schützenfestes seine Tochter heiraten sollte. Er ging in die Stadt, um sich mit seinen Schützenbrüdern auf dem Markt zum Ummarsch durch die Stadt zu treffen. Auf dem Weg kamen ihm schon viele Leute entgegen, die dem Festplatz zustrebten und ihn ehrerbietig grüßten.

Auf dem Marktplatz standen schon die Schützenbrüder in kleinen Gruppen beieinander. Sie trugen alle die Schützentracht. In die braunen Stulpenstiefeln waren die dunkelgrünen Hosen gesteckt. Darüber wurde die hellgrüne Jacke von einem breiten Ledergürtel zusammengehalten. Unter der Jacke wurde ein weißes Hemd getragen. Auf dem Kopf saß ein breitkrempiger Hut mit einer Feder. Jeder Schütze trug seine gut armlange Büchse über der Schulter. Die Büchsen besaßen ein Luntenschloß. Sie waren für den Schützen einzeln angefertigt worden und deshalb sehr sehr kostbar. Nach Musketierart waren an einem breiten Schultergurt Pulverflasche, Luntenbüchse, Kugelbeutel und einige vorbereitete Ladungen angebracht. Der ledige Tischler Joseph Klein starrte versonnen auf den Krug Bier in seiner Hand und hörte dem Gespräch der anderen Schützenbrüder gar nicht richtig zu. Auch er hatte schwierige Probleme zu lösen. Als Erbe der Werkstatt seines Vaters mußte er bis Weihnachten heiraten, um in das Tischleramt aufgenommen zu werden. Er war Elisabeth, der Tochter des Provisors Burmeister sehr zugetan. Da seine Schwester Gudrun eine Freundin Elisabeths war, hatten sie sich schon öfters im Verborgenen getroffen. Aber es gab noch jemand anderen. Als er aufsah, starrten ihn zwei wütend funkelnde Augen an. Sein ehemaliger Freund Karl Heyer war nun zu seinem Kontrahenten in der Gunst um Elisabeth geworden. Auch dieser müßte bis Weihnachten heiraten, um in die Kaufmannschaft aufgenommen zu werden. Karl Heyer mochte Joseph's Schwester Gudrun mochte gut leiden. Elisabeth mochte sich aber nicht zwischen den beiden Freunden entscheiden.

Da dieser Zustand nun schon fast ein Jahr andauerte, hatte der Provisor Burmeister die Beiden einzeln zu sich geholt und nach einer Lösungsmöglichkeit befragt. Er redete mit seiner Tochter und bestimmte sie, mit ihrem Einverständnis, zum ersten Preis beim Königsschießen.

Auf dem Markt wurde nach Ankunft des Provisors die Fanfare geblasen. Die Schützen formierten sich zum Ummarsch. Trommler und Pfeifer gaben den Schritt vor und der Zug setzte sich unter klingendem Spiel in Bewegung. Die Spielleute eröffneten den Zug. Ihnen folgte der Provisor Burmeister und das Provisorat als Vorstand. Dahinter marschierten in Viererreihen die anderen Schützenbrüder. Als Erstes wurde die Fahne vom Fahnenträger abgeholt. Sie nahm ihren Platz direkt hinter den Spielleuten ein. Danach wurde die neue Scheibe vom Oberschaffer abgeholt und hinter dem Provisorat eingereiht. Sie war ungefähr kreisrund und hatte etwa zwei Fuß im Durchmesser. Auf ihr war die Stadt mit Blick vom Wasser dargestellt. Da, wo sich in Wirklichkeit der Wetterhahn auf der Kirche befand, war nun ein etwa zollgroßer roter Fleck. Der Oberschaffer begleitete die Scheibe, seinen Schafferstab wie ein Gewehr geschultert. Der Schafferstab bestand aus ungefähr 12 zweizollangen Holzplättchen, die hintereinander befestigt waren. Die Plättchen waren abwechselnd rot und grün bemalt, und gegenüber dem vorhergehenden jeweils rechtwinklig verdreht. Anschließend wurde der alte Schützenkönig abgeholt. Nach einem kleinen Glas auf sein Wohl nahm er seinen Platz zwischen Fahne und Scheibe neben dem Provisor ein. Nachdem hierbei durch die ganze Stadt marschiert worden war, bewegte sich der Zug in Richtung Wiecktor, dem zum Schützenplatz führenden Stadttor. Bevor der Zug die Stadt verließ, wurde noch vor der fürstlichen Residenz haltgemacht, die neben dem Stadttor lag. Der fürstliche Vertreter eröffnete formell das Schützenfest, und marschierte an der Seite des alten Schützenkönigs und des Provisors im Festzug mit.

Auf dem Schützenplatz angekommen sprach der Stadtpfarrer ein kurzes Gebet, um den im letzten Jahr verstorbenen Schützenbrüdern zu gedenken und dem Schützenfest Gottes Segen und viel Erfolg zu wünschen. Die Spielleute spielten einen Tusch und die Scheibe wurde aufgestellt. Nachdem sich die Schützen bei einem Krug Bier gestärkt hatten, wurde zur Abgabe des ersten Schusses gerufen. Jeder Schütze erhielt aus einem Losbecher eine Marke mit seiner Startnummer. Der der Vertreter des Fürsten gab traditionell den ersten Schuß ab. Um Schwindel und Teufelswerk vorzubeugen, lud er unter Aufsicht des Vorstandes seine Büchse. Dazu füllte er Pulver in den Lauf und legte ein Filz und eine Kugel auf die Mündung. Mittels des Ladestockes trieb er Filz und Kugel in den Lauf. Danach entnahm er der Luntenbüchse das Luntenseil und blies es an. Als es glimmte, schraubte er das Ende in den Hahn. Soweit vorbereitet, begab er sich zum Feuerplatz . Dieser war hundert Fuß von der Scheibe entfernt. Er umfaßte die Büchse mit der rechten Hand am Kolbenhals. Mit ausgestrecktem Arm visierte er über Kimme und Korn den roten Punkt auf der Scheibe an, während er langsam seinen Zeigefinger bog. Dieser betätigte den Abzug, der die brennende Lunte dem Pulver näherte. Als die Lunte das Pulver erreichte, brach mit einer großen Rauchwolke der Schuß. Während die Schaffer kamen und mit ihren Schafferstäben den Abstand zwischen Ziel und Einschußstelle vermaßen, entnahm der Schütze die Lunte, packte sie ein und hängte sich die Waffe um. Der Abstand wurde in Zoll und seinen Teilen gemessen und laut ausgerufen. Von den Umstehenden wurde das Ergebnis lauthals bejubelt. Anschließend wurde die Einschußstelle verdübelt und der nächste Schütze kam an die Reihe. Nach dem Vertreter des Fürsten war der Amtierende Bürgermeister an der Reihe. Ihm folgten der alte Schützenkönig und erst danach die anderen Schützen in der ausgelosten Reihenfolge. Auf einer Tafel waren die Namen aller Schützen aufgeführt, und mit Kreide wurde darauf das jeweilige Ergebnis notiert. Nach dem Ablauf der ersten Runde, die vor dem Mittag zu Ende ging, konnten Joseph und Karl die Plätze zwei und drei erreichen. Nach dem Mittag, das traditionell von den Schützenbrüdern gemeinsam eingenommen wurde, wurde der zweite Schuß abgegeben. Leider verletzte sich der Schütze, der bisher den ersten Platz eingenommen hatte, so, daß er nicht weiter mitschießen konnte. Karl und Joseph standen nun mit jeweils "zwei Zoll" auf Platz eins und zwei. Die noch ausstehende dritte Runde mußte nun die Entscheidung bringen. Vorher wurden noch mal die Gewinne bekannt gegeben. Der zweite Preis betrug tausend Pfennige, vom Fürst gestiftet. Diese Summe reichte, um ein kleines Anwesen zu erwerben. In der letzten Runde ließ das Los Karl als Vorletzten und Joseph als Letzten schießen. Karl's Einschußloch lag auf dem Rand des zollgroßen roten Farbflecks. ' Besser kann es keiner machen!' , dachte er, und ging langsam auf Elisabeth zu. Dann schoß Joseph. Staunend rannten die Schaffer vor der Scheibe hin und her. Schließlich verkündeten sie:" Einschußloch genau in die Mitte". Jubelnd warf Joseph seine Waffe in den Sand und rannte zu seiner Elisabeth. Er nahm sie in den Arm und küßte sie. Karl schmiß voller Wut seinen Hut auf die Erde. Von hinten faßte ihn plötzlich jemand sanft am Arm. Als er sich umdrehte war es Gudrun, Josephs Schwester und eine Freundin aus Kindertagen. Er hatte sie schon oft bei Festen gesehen, ohne sich seinen Gefühlen ihr gegenüber bewußt zu sein. Heute war das jedoch ganz anders. Er redete mit ihr über das Glück ihres Bruders und konnte doch die Augen nicht von ihr lassen. Der Provisor hatte Joseph und seiner Braut gerade Glück und Segen gewünscht, als Karl seinen Namen als Gewinner der tausend Pfennige hörte. Als er mit dem doch recht schweren Beutel vom Podest herunterstieg, sah er Joseph, Elisabeth und Gudrun zusammenstehen. Er ging auf sie zu um ihnen zu gratulieren.

Auf dem abendlichen Schützenball feierten die beiden Männer dann Versöhnung. Gudrun tanzte oft mit Karl. Er vergaß Elisabeth. Am nächsten Tag ging Joseph zum Provisor Burmeister und Karl zu Josephs Vater . Dort hielten sie um die Hand ihrer Bräute an. Nach deren Zustimmung und Rücksprache mit dem Provisorat wurden beide Hochzeiten mit der gesamten Schützengilde und mit allen Verwandten am St. Martinstag gefeiert.

Zum nächsten Schützenfest hatten beide Frauen einen kleinen Schützenbruder im Arm.


Hilfe für Barth

Das Schiff erschien wie ein kleiner Punkt auf dem weiten Wasser. Die Kogge war etwa fünfundzwanzig Meter lang und fünf Meter breit. Sie wurde durch ein an der Bordwand herunterhängendes Ruder, das Seitenruder, gesteuert. Der mittschiffs stehende Mast trug ein Rahsegel. Es stand steif vor dem Wind, und ließ die Kogge gute Fahrt machen. Am Riemen ihres Heckruders stand der Schiffer, Johann Breitbart. Prüfend schaute er zum Himmel. Es war am Abend eines Tag Mitte Juni der ersten Jahre des 15. Jahrhunderts, und die Nacht würde klar bleiben. So konnte bis zum Morgen ohne Pause fahren, denn er hatte es eilig. Das Getreide, das er geladen hatte, mußte er dringend nach Barth schiffen. Alles begann vor zehn Tagen. Er hatte Fracht nach Stettin zu fahren. Wie jedes Mal war er dort angekommen, um die Ladung seines Schiffes zu löschen. Danach war er wieder frachtfrei, und mußte zu den Kaufleuten gehen, um zu erfahren, ob sie Ware zu transportieren hätten. Aber bereits im Hafenkontor wurde er fündig. Dort teilte man ihm aber auch schreckliche Neuigkeiten aus seiner Heimatstadt mit. In Barth, der ehemaligen Residenzstadt des Fürstentums Barth- Rügen, war eine schwere Mäuseplage ausgebrochen, und die Tiere hatten alle Vorräte weggefressen. Da eine Hungersnot drohte, und der Rat Aufstände befürchtete, hatte er sich an Stettin um Hilfe gewandt. Nun war der Schiffer Johann Breitbart ausersehen worden, diese Fracht zu befördern.

Der Schiffer stand am Ruder, und heftete seinen Blick an den Horizont. Wenn er die Fahrzeit richtig eingeschätzt hatte, mußte dort gleich die Südspitze Rügen auftauchen. Wie seine Vorfahren fuhr auch er nach Segelbeschreibungen, die sich an markanten Stellen an Land orientierten. Als die Sonne halb im Meer verschwunden war, sah er die Umrisse der erwarteten Spitze. Wenn er diese umfahren hatte, mußte er nur noch an Stralsund vorbei, und gelangte dann in die Grabow. Von dort war es nicht mehr weit bis Barth. Er erreichte die Grabow im frühen Morgengrauen. Doch da lösten sich zwei leichte Kähne aus dem Schilf. In der Morgensonne glänzten die Schwerter und Beile ihrer Insassen. 'Schiffsräuber', fuhr es dem Schiffer durch den Kopf. Er hatte mit seinen Männern das Schiff schon öfter erfolgreich gegen solche Angriffe verteidigt. Alles verlief nach einem festgelegten Plan. Der Schiffer rief den Steuermann, und übergab diesem das Ruder. Dann versorgte er die Männern, die keine Wache hatten, mit Armbrüsten und Piken zur Verteidigung des Schiffes. Im hinteren Teil der Waffenkanmmer lag ein neues Faustrohr aus Holland. Es verschoß mit einem lauten Knall halbpfündige Steinkugeln. Gemeinsam mit zwei Seeleuten nahm der Schiffer dies Rohr, die Kugeln und das Pulver. Als sie wieder an Deck waren, hatten sich die Angreifer auf etwa zweihundert Schritt genähert. Sie hatten also die Absicht das Schiff zu entern. Um zu verhindern, daß jemand an der Kogge heraufkletterte, beschloß der Schiffer zur Abschreckung eine Kugel abzufeuern. Als er an dem Rohr hantierte, standen seine Leute ehrfürchtig um ihn herum. Mit diesem Teufelszeug wollten sie nichts zu tun haben. Der Schiffer gab seinen Leuten ein Zeichen, sich die Ohren zuzuhalten. Als er den brennenden Holzspan ans Zündloch legte, entlud sich mit einem lauten Knall der Schuß. Die Angreifer erschraken sich so sehr über diesen Donner am hellichten Vormittag, daß die Boote kenterten. Sie schlugen um, und alle Insassen fielen ins Wasser. Die Besatzung des Handelsschiffes lachte, und die Männer brachten ihre Waffen wieder in die Kammer. Nachdem sie an der letzten Landzunge vorbeigefahren waren, war im Süden die Spitze der Barther Kirche zu sehen. Die Kogge ging auf Südkurs und landete am Holzsteg, der weit in den Barther Bodden reichte. Johann forderte seinen Steuermann auf, keinem etwas über die Ladung zu sagen, und auch niemanden an Bord zu lassen. Danach ging er zur Stadtwache am Fischertor, und zeigte seine Vollmacht des Rates von Stettin. Der Hauptmann der Wache schickte einen Posten mit dem Schreiben zum Rat, da er auch nicht Lesen konnte, genau wie Johann. Nach einiger Zeit kam der Posten wieder angelaufen, und besprach sich leise mit seinem Hauptmann. Der Hauptmann rief einige befehle und ging mit dem Schiffer, vier Wachposten und zwanzig Trägern zu dessen Boot. Unter Aufsicht der Stadtwache wurde die Kogge entladen, und das Getreide zum Rathaus auf dem Marktplatz gebracht, wo es dann verteilt wurde. Johann wurde zum Dank vor den "Ehrwürdigen und Ewigen der Stadt Rat Barth" geladen, der ihm mit einer ansehnlichen Summe für den erwiesenen Dienst dankte.


Die neue Köchin

In der Küche des Barther Schlosses bereiteten die Köche das Mittagessen für ihre Herrschaften. Küchenjungen und Mägde liefen mit Tellern, Tassen und Töpfen umher, wurden angetrieben und gelobt. Aber von dieser alltäglichen Hektik blieb eine Person gänzlich unberührt. Das junge Mädchen, etwa zwöl Jahre alt mochte sie sein, stand am heißen Herd, dem unangenehmsten Platz im Raum. Trotzdem rührte Magda mit einem glückseligen Lächeln in ihrem Topf. Heute früh war sie aus ihrem Heimatdorf Glöwitz in die fürstliche Residenzstadt gekommen. Die Schwester ihrer Mutter war als Gärtnerin im Schloßgarten tätig. Dort hatte sie erfahren, daß daß noch eine Küchenmagd gebraucht wurde. So war Magda von ihren Eltern losgeschickt worden, diese Stelle anzutreten. Zu Fuß ging sie von Glöwitz über den Donnerberg nach Barth. Schon von weitem sah sie den hohen Turm der Stadtkirche. Als sie den Trebin herunterkam, sah sie die Stadtmauer. Nur das Tor des Schlosses gewährte Einlaß. Sein zweiflügiges Portal wurde von einem Wappenschild gekrönt,das den nach rechts gehenden schwarzen Greif zeigte, das Wappen der Lande Barth. Vorsichtig näherte sie sich dem Posten, der mit Schild und Lanze gewappnet dastand. Verängstigt sah magda sein starres gesicht. Aber als er sie sah, begann er zu lächeln . Er drehte sich zu ihr und sagte: "Wenn du nichts im Schloß zu tun hast, mußt du das Lange Tor benutzen." Magda nahm all ihren mut zusammen. "Doch" , begann sie, "Ich soll mich bei Meister Jonas, dem Koch melden. Frau Mareike schickt mich" "Ach so, das ist ja gut.", nickte der Posten und wies ihr den Weg zur Küche. Das Mädchen betrat durch das Tor das Gelände des Fürstenhofes. Sie ging am Wachhaus vorbei, das ganz aus Stein bestand. Bisher hatte sie nur ein Gebäude aus Stein gesehen und das war die Kirche in Kenz, die sie immer sonntags besuchte. Neben dem wachhaus lagen die Wirtschaftsgebäude und dahinter der Schloßgarten, das Reich ihrer Tante. Aber auf der anderen Seite des Tores stand das wahrscheinlich größte Gebäude, das sie je gesehen hatte. Doppelt so groß wie die Kenzer Kirche, mit einem hohen Glockenturm in der Mitte erhob sich der Barther Fürstenhof, der Sitz der Fürsten von Barth- Rügen. Der davor liegende Platz wurde von den Ställen, und den Werkstätten eingefaßt. Es war wie ein Traum für das Mädchen. Ihr ganzes Dorf hätte hier hineingepaßt. "Steh hier nicht rum, faß lieber mit an", fuhr sie da jemand von hinten an. Als sie sich umdrehte, stand ein etwa gleichaltriges Mädchen hinter ihr und hielt ihr zwei Holzkäfige entgegen, mit Gänsen darin. Das fremde Mädchen ging schnurstracks auf eine der Türen an der Strinseite des Fürstenhofes zu. Magda folgte ihr mit den Käfigen in die Küche, die aiuf der anderen Seite der Tür lag. Der raumwar so groß, daß ihr Vaterhaus ohne weiteres hereingepaßt hätte. Ein Junge entriß ihr die Käfige, so daß sie einsam im rauum stand. Da kam ein großer Mann mit einer einst weißen Schürze zu ihr. "Magda, richtig?", fragte er. Sie nickte schüchtern. "Gut. Ich bin Meister Jonas. Deine Tante hat Dich angemeldet. Geh zum Herd und rühr die Suppe dort um." Er faßte in einen Korb und hielt ihr einen angebrochenen Brezel hin: "Hier- Iß das !" Magda schob das Gebäck in den Mund und schob sich durch das Gewühl zum Herd. Eine ältere Frau zeigte ihr den Topf, und ließ das Mädchen allein. Die konnte ihr Glück nicht fassen. Es war warm, keine schwere Arbeit, und so einen Brezel,wie der, auf dem sie kaute, gab es sonst nur einmal im Monat. Aufmerksam beobachtete sie wie das Essen angerichtet und von uniformierten Dienern abgeholt wurde. Schnell gewöhnte sich Magda an das Leben unter so vielen Menschen, und die Küchenarbeit. Nach einigen Jahren hatte sie auch junge mädchen unter sich.


Der Bote

Der Reiter kam von Wolgast. Da sah er auch schon das blau-weiße Schilderhäuschen, das die Grenze der Stadt markierte. Ein Posten trat ihm in den Weg. Er trug einen leichten Panzerharnisch und führte eine Hellebarde. Über seinem Panzerharnisch hatte er ein Wappenlatz geworfen, auf dem Rudolf das Wappen der Stadt erkannte. Es zeigte in der unteren Hälfte drei Fische, und darüber zwei bärtige Köpfe. Das Wappen wurde von einem dritten Kopf gekrönt. "Was glotzt du so auf das Stadtwappen.", fragte ihn der Posten. Der Bote sah ihn an, warf sich in die Brust und sagte mit fester Stimme:." Ich war noch nie bei Euch. Ich habe einen Brief an euren Herren zu überbringen". Er langte in seine Tasche und zeigte dem Posten das zehnteilige Pommernwappen.. Der Posten nahm es und betrachtete es eingehend. Er sah das intakte Siegel und salutierte. Der Reiter gab seinem Pferd die Sporen und ritt weiter. Nach einiger Zeit führte sein den Weg auf die Pilgerkapelle der Wunderquelle in Kenz. Wie der Brauch es verlangte, betete der Bote für eine glückliche Reise. Statt den Weg über Divitz weiter nach Damgarten zu reiten, bog er nach Norden ab, um an sein Ziel zu gelangen. Da sah er auch schon den hohen Turm von St.-Marien. Auf seinem Weg kam er an dem Dorf Zarnevitz vorbei. Obwohl es aus dem Gasthaus herrlich roch, wollte er doch schnellstmöglich seine Aufgabe erledigen. Gegenüber des Gasthauses war das alte Schloß gelegen, ein uralter wendischer Herrschaftssitz, den die Pommerschen Fürsten jedoch aufgegeben hatten. Sie hatten nun ein neues Schloß innerhalb der Stadtmauern. Plötzlich blieb Rudolf stehen. Vor ihm erhob sich das Lange Tor der Stadt. Das Lange Tor sicherte die Stadt nach Süden, das Dammtor nach Westen, das Fischertornach Norden und das Wiecktor nach Osten . Wie die anderen drei Tore hatte auch das lange Tor ein Vortor, durch das gerade Unmengen von Wagen, Karren und Menschen strömten. Beidseitig des Vortores war ein Damm aufgeschüttet. Dieser bildete einen Ring um die Stadt. Vor dem Damm und zwischen Damm und Stadtmauer verliefen jeweils ein Wassergraben. Mit der hohen Stadtmauer bildete dies ein fast unüberwindbares Bollwerk gegen jeden Feind. Nachdem er wieder durch einen Posten kontrolliert wurde, betrat er die Stadt. Vorbei am St. Spiritus-Hospital führte er sein Pferd am Zügel die Lange Straße entlang zum Markt. Die Lange Straße war voll von Fuhrwerken und Menschen, die Waren der hier ansässigen Kaufleute und Handwerker ab- oder aufluden. Man sah auch einige Gestalten, die verwegen aussahen. Diese Seeleute hatten im Hafen der Stadt geankert, und warteten nun darauf das ihre Schiffe entladen wurden. Über den Markt kam der Bote am Rathaus vorbei zur Schloßstraße. An ihrem Ende lag ein wappengeschmückten Portal, der Eingang zum Barther Fürstenhof, seinem Ziel. Als er dieses Richtung Osten durchschritt, gelangte man am erkergeschmückten Torwärterhäuschen vorbei, das sich auf der linken Seite hinter dem Portal befand. Während der Posten ihm den Weg zeigte, stand der Reiter mit seinem Tier auf einer Durchgangsverbindung, da sich dem Portal gegenüber ein zweites Tor befand. Neben diesem stand ein erkergeschmücktes Häuschen, die fürstliche Druckerei, wo die berühmte "Barther Bibel" gedruckt wurde. Kurze Zeit später kam von den südlich gelegenen Ställen ein Stalljunge, um das Tier zu pflegen. In ihrer Mitte befand sich eine Tordurchfahrt, durch die man zum dahinterliegenden Garten gelangen konnte. Der Fürstenhof wurde durch eine hohe Mauer geschützt, die das gesamte Gelände umfaßte. Der Schritt des Mannes wandte sich nach Norden. Hier befand sich der Schloßbereich. Der quadratische Schloßhof wurde an der Nordseite durch Ställe gesäumt und an der Westseite durch Werkstätten und Unterkünfte für die Bediensteten. An seiner Ostseite stand das Schloß. Der Mann verweilte einen Augenblick um es mit dem Wolgaster zu vergleichen. Auf drei geraden Stockwerken saß ein gaubengeschmücktes Spitzdach, dessen reichgeschmückter Giebel in Nord-Süd-Richtung verlief. Der schräge Teil enthielt nochmals drei Stockwerke, so daß gesamte Schloß sechs Stockwerke hoch war. Aber den Giebel überragte noch der Turm, der sich mittig befand. Er hatte einen quadratischen Querschnitt und trug ein Helmdach. An seinen vier Seiten befanden sich Zifferblätter einer großen Uhr ähnlich einer Kirchturmuhr. Das Helmdach wurde durch einen Glockenturm gekrönt. Der Mann rückte seine Jacke zurecht und betrat das Schloß durch die große Pforte. Im Inneren befand sich naturgemäß der Audienzsaal. Von dem Posten verständigt saß der Fürst zu Barth auf seinem Thron und wartete auf den Boten. Nach einer tiefen Verneigung gab dieser ihm den Brief. Der Fürst besah das Siegel und erbrach es. Dann gab er den Brief seinem Berater, damit dieser ihn vorlesen möge. Der Bote konnte nicht wissen, daß der Fürst den Brief so wenig lesen konnte wie er selbst. So wartete er ehrerbietig, bis der Fürst ihm huldvoll gestattete den Raum zu verlassen. In der Fürstlichen Küche bekam der Bote etwas zu essen. Am Abend war er bereits mit der Antwort auf dem Weg nach Wolgast.

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Tag der Veröffentlichung: 18.12.2008

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