Cover



Ich stehe im Treppenhaus. Mein neues Fahrrad habe ich bereits die 3 Stockwerke nach unten getragen. Mein erster Arbeitstag nach fast 2 Jahren Hartz IV. Irgendwie bin ich nervös, aber auch glücklich. Ich werd das schon schaukeln, jetzt, wo ich endlich wieder eine Chance bekommen habe. Plötzlich erschrecke ich. Habe ich auch alles dabei? Vor allem den Mitarbeiterausweis, den ich an der Pforte vorzeigen muss. Wär doch peinlich, wenn ich gleich am ersten Tag meinen Chef auf dem Handy anrufen müsste, damit er dafür sorgt, dass ich ins Büro reingelassen werde. Und das nur wegen meiner Vergesslichkeit. Ich drehe den Kopf, um einen Blick auf meinen Rucksack zu werfen. Ich stutze. Na super, statt nur dem Ausweis habe ich gleich meinen ganzen Rucksack in der Wohnung gelassen. Zum Glück noch rechtzeitig gemerkt! Ich schaue mein Rad an. Soll ich das jetzt die ganzen 3 Stockwerke wieder hochtragen? Auf keinen Fall! Abschließen kann ich es ja. Aber das dauert. Nicht viel zwar, aber die Minuten und Sekunden läppern sich und aufgeschlossen muss es ja dann auch wieder werden. Nicht, dass ich dadurch noch zu spät komme. Ich beschließe, es schnell stehen zu lassen, lehne es ans Treppengeländer und spurte los. In rekordverdächtiger Geschwindigkeit versteht sich.
Da steht er ja, mein Rucksack. Jetzt noch ein Blick hinein. Alles klar, Mitarbeiterausweis, Geldbeutel, alles da. Und schnell wieder runter zu meinem Rad. Ich schließe die Wohnungstür und will die Treppe nach unten hasten, da vertrete ich mir doch glatt den Fuß. Scheiße! Aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Und so schlimm ist es auch wieder nicht, wie ich nach ein paar Stufen merke. Ich komme bei meinem Fahrrad an. Oder eben nicht. Also ich komme schon unten an der Treppe an, aber mein Rad ist weg. Zuerst realisiere ich es nicht wirklich, dann versuche ich, es zu verdrängen. Ich schaue an den unmöglichsten Stellen im Treppenhaus nach. Natürlich ist es nirgends. Wieso hätte ich mein Rad auch hinter die ganzen Kinderwagen meiner Nachbarn stellen sollen? Oder besser gesagt legen? Denn aufrecht hätte es in die kleine Nische nicht gepasst. Ich muss mich wohl damit abfinden, obwohl es mir schwer fällt, nicht auf den Boden zu stampfen, zu schreien und zu heulen.
Aber ich habe keine Zeit! Jetzt muss ich auch noch mit den Öffentlichen fahren! Zum Glück sind es nur ein paar Stationen mit der U-Bahn und umsteigen muss ich auch nicht. Ich schaue auf die Uhr. Es ist zu schaffen. Also los! Ich komme an der Haltestelle an. Habe auch nur leicht humpeln müssen. Wow, da kommt auch schon die U-Bahn. Und kaum Leute da. Ich zücke meinen Geldbeutel. Mist! Kein Kleingeld für den Fahrkartenautomaten. Na ja, die paar Stationen wird schon nichts passieren. Ich steige ein und lasse mich auf einen Sitz fallen. Nach ein paar Minuten hat sich mein Atem beruhigt.
Gerade als ich halbwegs entspannt bin, dröhnt der Ruf „Fahrscheine bitte“ an mein Ohr. Oh, nein! Kann es denn sein, dass ein einzelner Mensch in weniger als einer halben Stunde so viel Pech auf einmal hat?! Ich werde natürlich erwischt und muss die Bahn verlassen, meine Daten werden aufgenommen. Nach einer gefühlten Ewigkeit bin ich frei. Gut, nur noch eine Station, da kann ich laufen. Oder besser gesagt rennen. Denn die Zeit wird knapp. Ich lege einen Sprint hin, der seinesgleichen sucht und sehe nun auch schon das Firmengelände an der nächsten Ecke auftauchen. Und habe noch 2 Minuten. Na, wunderbar, immerhin pünktlich.
Während ich diesen Gedanken noch zu Ende denke, starre ich plötzlich in eine Schlammpfütze, Direkt vor meiner Nase. Wie ist das möglich? Na klar, ich liege mitten drin. Das wird mir um so klarer, als ich jetzt die Nässe spüre, nicht nur im Gesicht, am ganzen Körper. Ich muss wohl gestolpert sein. Ich humpele die letzten Meter zum Eingang. In der Glastür sehe ich mein Spiegelbild. Oder besser gesagt, wird mir erst nach ein paar Augenblicken klar, dass die verdreckte, stolpernde Gestalt wohl ich sein muss. Sonst ist ja keiner da. Wieso eigentlich nicht? Ist doch ne große Firma und kurz vor Arbeitsbeginn. Da müsste hier am Eingang doch Bienenstockatmosphäre herrschen. Ich drehe mich um. Die ganze Straße macht einen verschlafenen Eindruck. Plötzlich geht mir ein Licht von den Ausmaßen eines Kronleuchters auf.. Heute ist Sonntag, mein erster Arbeitstag ist also erst morgen. Zum Glück! So wie ich aussehe, hätte ich bestimmt keinen guten ersten Eindruck gemacht.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.09.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /