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Die etwas andere Weihnachtsgeschichte




Es kam einmal zu der Zeit, dass der König aus dessen-Namen-du-nicht-erwähnen-darfst eine Volkszählung veranstalten wollte. Er hatte in der Bildzeitung davon gelesen, dass der Kaiser von China das ebenfalls gemacht hatte und somit wusste, wer wo wohnte, was dieser verdiente und somit den Staat nicht um die Steuern betrügen konnte.
Der König schickte all seine Boten aus. Sie gingen zu jedem Dorf und bedrohten es mit Außerirdischen, die folgenden Satz stockend aufsagten: „Wir sind die Borg. Sollten Sie sich nicht an die Bedingungen halten, werden Sie assimiliert werden.“
Die Boten, die schicke pinkfarbene Tütüs trugen, näselten danach folgende Botschaft: „Unser König, dieses Schnuckelchen, lädt zur Volkszählung. Jedem, der kommt, verspricht er ein altbackenes Brötchen.“
Seltsamen Schrittes hüpften sie wieder von dannen.

In einem Ort, der nicht weit fort von dessen-Namen-du-nicht-erwähnen-darfst lag, lebte Joe, ein gelernter Zimmermann. Von dieser Nachricht aufgebracht, ging er schnurstracks, nachdem ein Bote noch versucht hatte, ihn zu einem Candle-Light-Dinner einzuladen, nach Hause.
In dem warmen Heim wartete bereits seine Ehefrau Mary auf ihn. Durch die Schwangerschaft, die sich bald dem Ende entgegen neigte, war sie immer schlecht gelaunt. Na ja, davor war das eigentlich auch nicht anders.
„Schatz?“, flüsterte er mit unsicherer Stimme. „Der König lädt zur Volkszählung. Wir müssen nach dessen-Namen-du-nicht-erwähnen-darfst.“
Herrisch sah Mary ihn an. „Und wie soll ich da bitte hinkommen? Ich kann doch kaum laufen!“
„Irgendwie wird es schon gehen ...“
„DU BESORGST MIR SOFORT EIN TRANSPORTTIER!“

So wurde der arme Joe wieder in die Eiseskälte hinaus geschickt. Ihm kamen lauter Leute mit Eseln entgegen.
„Entschuldigung? Woher haben Sie diesen Esel?“
„Dort hinten ist ein Eselmarkt. Jetzt boomt dieser Markt total. Sie folgen dem Weg ungefähr 2/3 lang, machen eine leichte Rechtsbiegung und drehen sich fünfmal im Kreis.“
Unsicher sah Joe dem Mann hinterher.

Tatsächlich fand Joe den Markt. Nachdem er sich fünfmal im Kreis gedreht hatte, torkelte er auf ein paar ziemlich komisch aussehende Gestalten zu. Sie boten keine Esel an, sondern irgendwelche hässliche Drachen. Einer von ihnen pries ihm sein kopfloses Tier an: „Von einer Frau erlegt.“
Von der anderen Seite drang ein „Ich hab auf euch gewartet“ herüber.
Verängstigt wich Joe von der vom Teufel besessenen Gestalt weg.
Eine Hand packte ihn und raunte nur: „Esel! Esel! Geschüttelt, nicht gerührt!“
Joe sah die armen Tiere an, die sich nach der Schüttelattacke im Stall übergaben.
Irgendwann blieb Joe vor einem Stall stehen. Der Esel sah ihn breit grinsend an.
„Hey Shrek! Wir haben Kundschaft!“
Ein grüner Riese wandte sich um. Von der Größe beeindruckt fragte Joe blöderweise: „Verkaufen Sie Esel?“
„Und was ist das?“ Der Riese namens Shrek deutete mit seinem Daumen auf den sprechenden Esel.
„Oh“, meinte Joe nur. „Wie viel soll er kosten?“
Der Esel wandte sich jammernd an Shrek: „Du kannst mich nicht verkaufen! Wir sind Freunde!“
„Ach, halt dein Maul. … Ich will 25 Euro.“
Joe stutzte. „Ich nehme ihn für 20.“
„15?“
„Hm, okay.“
Mit einem Handschlag besiegelten sie den Kauf und Joe bezahlte mit seiner EC-Karte.

Auf dem Weg Heim stellte Joe den Esel in die Waschanlage und kaufte an der Tanke noch eine Tafel Schokolade und Essiggurken für seine Frau.
Mary freute sich, als er mit einem Esel auftauchte. Sie hatte haufenweise Gepäck vor dem Haus stehen.
„Was … ist … das … alles?“, fragte Joe unsicher.
„Mein Gepäck“, war die knappe Antwort.
„Und wo ist meins?“
Sie wies nur still auf eine kleine Aldi-Süd-Tüte.
Der Esel machte nur große Augen. „Das soll ich alles tragen?“
Mary lächelte, zum ersten Mal seit der Hochzeit vor zehn Jahren, den Esel an. „Nein, du trägst mich. Mein Mann trägt das Gepäck.“
„Aber … aber … aber ...“, stammelte Joe und seufzte resigniert: „Ooookay.“
Mary versuchte auf den Esel aufzusteigen, jedoch behinderte der große Bauch ihren kläglichen Versuch.
„Joe?“, säuselte sie verführerisch.
„Ja?“, fragte er überrascht.
„HILF MIR!“

Der Esel schnaufte, als sie der Steigung folgten. „Boah! Ey, Lady, haben Sie einen Elefanten gegessen?“
„Nein“, sagte Mary sanft, „ich bin schwanger.“
„Oh scheiße! Wissen Sie wenigstens, wer der Vater ist?“
Joe spitzte die Ohren.
„Ja, natürlich“, kicherte sie. „Ich erfuhr es von meinem Frauenarzt. Auf seinem Schild stand 'Erzengel Gabriel – Verkünder von göttlichen Botschaften und freiberuflicher Gynäkologe'. Da dachte ich mir, dass ich dem vertrauen kann.“ Sie erinnerte sich lächelnd: „Er sagte mir, dass es der Sohn Gottes sei. Er verteilte sogar schon das erbrochene Brot unter seinen Armen.“
„Aha, dann ist also Gott das arme Schwein, das Alimente zahlen muss?“
Mary sagte nichts, aber das Lächeln war vielsagend.

Es hatte in der Zwischenzeit angefangen zu schneien. Keine Menschenseele war weit und breit zu sehen und der Schnee auf dem Weg war bereits festgetreten, sodass Joe nach jedem zweiten Schritt ausrutschte.
„JOOOE! PASS AUF MEINE SACHEN AUF!“
„Wäre es nicht an der Zeit, mal eine Pause einzulegen?“, keuchte und schnaufte er.
„Ja, Lady, Sie haben auch nicht gerade das Idealgewicht einer Mücke.“
Etwas beleidigt maulte Mary nur: „Aber du bist doch so ein starker Esel. Siehst du nicht? Dort vorne, dort sind Lichter. Bis dahin wirst du es doch noch schaffen, oder?“
Geschmeichelt von den Worten trabte der Esel weiter. Joe fiel immer weiter zurück.

Mary erreichte mit Esel zuerst den Fluss, der durch dessen-Namen-du-nicht-erwähnen-darfst floss und zusammen warteten sie noch eine halbe Stunde auf Joe.
„Zivilisation“, keuchte Joe.
Der Esel und Mary fingen hämisch an zu lachen. „Zivilisation? Hier? Dessen-Namen-du-nicht-erwähnen-darfst ist die toteste Stadt der Welt!“
Just in diesem Moment trieb eine tote, umgedrehte Ente an ihnen vorbei – gefolgt von einem großen Laib Brot.
Mary seufzte: „Jetzt brauchen wir nur noch eine Unterkunft.“

Aber Pech gehabt! Die toteste Stadt der Welt war bis zum Rand gefüllt. Da half auch nicht mehr das verzweifelte Babybauchherausstrecken. Dessen-Namen-du-nicht-erwähnen-darfst war komplett ausgebucht, wovon die sonst so armen und unausgelasteten Gastwirte natürlich profitierten.
Auf einer Brücke fragten sie einen starren Mann, wo die nächste Unterbringung wäre. Er antwortete nicht.
Joe legte seine Finger an den kalten, starren Hals und sagte zu Mary: „Er ist tot, Jim.“
Aus der Ferne erklangen die Glocken der Kirche.
Da kam ein Mann heran getorkelt und rülpste Ihnen ins Gesicht. „Dassis die Schdaduä von unneren Könnich. Die befegt sich nisch ...“
Mit hochgezogenen Augenbrauen sahen sie dem Mann nach, ehe sie weitergingen.
„Scheiße!“, fluchte Mary. Aber nicht, weil sie keine Wohnstatt fanden, sondern weil der Esel verschwunden war.
Doch schon hörten sie ihn herangaloppieren. Er warf Joe mit einem Radau um. Die ganzen Habseligkeiten von Mary verstreuten sich auf dem Kopfsteinpflaster.
Joe und der Esel dachten, der Racheengel war in Mary gefahren und stünde leibhaftig vor ihnen, so finster sah Mary die beiden an. „WAS IST LOS?“
„Da … da … Ich musste eben für kleine Esel. Und da waren MONSTER auf der Toilette.“
Sie hörten schwere Schritte.
„Da sind sie.“ Der Esel zitterte vor Angst.
„Hey Sully! Der große Kindererschrecker der Monster AG hat Angst vor Eseln?“
„Tut mir Leid, Mike. Er kam so schnell in das Toilettenhäuschen und hat mich dabei erschrocken.“

Nachdem sie alles aufgesammelt und gehört hatten, dass im großen Kreiskrankenhaus noch Zimmer frei wären, machten sie sich auf zu diesem mächtigen Gebäude, das auf einem ziemlich steilen Berg thronte.
„Wie … kommen … wir … da … jetzt … rauf?“, fragten sie alle unisono.
Ein netter junger Mann im engen rot-blauen Anzug half ihnen hoch.
Schweißfrei erreichten sie das Kreiskrankenhaus, in welchem sie eine singende Kerze begrüßte: „Seid hier Gast! Seid hier Gast! Wir bedienen ohne Hast!“
Ein wenig irritiert gingen die Drei weiter, als sich plötzlich der Esel meldete: „Oh, oh! Houston, wir haben ein Problem! Die Lady hat sich und mich nassgemacht!“
„Schaaaatz,“ jammerte Mary panisch, „der Kleine will raus!“
Plötzlich, alles vom Licht, Nebel und Glitzerpapier erfüllt, stand Gabriel, Erzengel und immer noch freiberuflicher Gynäkologe, vor ihnen. „Aha, es ist soweit. Der Kreißsaal ist bereits vorbereitet. Folgt mir.“

Der Kreißsaal war hell erleuchtet und eine Hebamme stand ebenfalls schon bereit. „So Mary, Sie wissen ja, was zu tun ist.“
„WAS? ICH HABE JEDEN UND GANZEN TAG DEN SCHEISS HAUSHALT GEMACHT! ICH HATTE KEINE ZEIT FÜR DEN HECHELKURS!“
Gabriel hatte dies mitbekommen und hielt Mary etwas Qualmendes unter die Nase.
„Uiii, ich sehe alles so bunt und fühle mich guuuut.“
„Doktor?“, Joe trippelte von einem Fuß auf den anderen.
„Keine Sorge, das hat keinerlei Nebenwirkungen. Nur wird der kleine Knabe denken, er könnte die Welt bekehren und wird später an ein Kreuz genagelt.“
„Das ist mir egal, aber könnten Sie mir etwas von der Wundermedizin mitgeben? So ruhig hab Mary schon lange nicht mehr erlebt.“

Im Inneren regte sich das Jesus-Child.
„Och nö, das warme Ding will mich loswerden.“ Es überlegte kurz und war berauscht. „Ich habe da aber so eine Idee: Ich muss die Welt bekehren und im Namen des Mondes vom Bösen befreien!“

Fern auf einem Hügel rasteten die Hirten.
Ein Blitz zerriss den Himmel und hoch über ihnen schwebte …
„Guten Abend, mein Name ist Legolas, gekommen aus Mittelerde und ich werde euch verkünden, dass ein Kind geboren wurde, das die Welt erretten wird. Geht zum Kreiskrankenhaus.“
Die Hirten sahen ihn regungslos an. „Warum sollten wir das tun? Was geht uns ein Blag an, das mal wieder zu viel von Gabriels Spezialmedizin hatte?“
„Ihr habt zu tun, was die Autorin schreibt.“
„Okay, das ist ein Totschlagargument.“ Die Hirten standen auf und gingen zum Kreiskrankenhaus.
Bevor Legolas wieder verschwand, wurde er von einem Blitz getroffen und platzte.
„Kay?“
„Yo, Jay?“
„Das Alien ist platt.“
„Gehen wir.“

Indessen hielt Mary ihren Sohn in ihren Armen und wiegte es mit einem irren Gesichtsausdruck hin und her. „Mein Eigen! Mein Liebling! Mein Eigen! Mein Schaaatz!“
Joe schluckte schwer. „Von wegen 'keine Nebenwirkungen' ...“

Ende

Impressum

Texte: Die Filmfiguren sind selbstverständlich nicht mir. ;)
Tag der Veröffentlichung: 18.12.2011

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