„Ich komme nicht.“ André sah seine Freundin geschockt an und fragte, was sie damit meinte, sie komme nicht zu seinem Geburtstag. „Über die Feiertage bin ich zu Hause bei meiner Familie.“ Also von Weihnachten bis Neujahr. Und eben da hatten André und sein Zwillingsbruder Ciel Geburtstag. Sie wohnten in Paris. Ihre Freundin war aus Deutschland. Und dorthin wolle sie über die Ferien zurück. „Du kannst doch Silvester mit ihnen feiern und dann wieder herfahren.“ versuchte André einen Kompromiss auszuhandeln. Aber sie schüttelte ihren Kopf, sodass ihre roten Strähnchen ins Gesicht fielen. Beinah verzweifelt sah André seinen Bruder an, der nur stumm daneben stand und das Geschehnis betrachtete.
So fuhr sie also über die Feiertage nach Deutschland. Und ließ ihre Freunde zurück. Die organisierten trotz allem ihre Geburtstagsfeier im großen Salon. Beide waren wohlhabend und so kam es zu einer großen, prunkvollen Veranstaltung. Ihre Freundin dagegen war aus einer normalen Familie und feierte wie gehabt mit ihren Verwandten Silvester. Den Tag darauf waren die Zwillinge mit ihrer Verwandtschaft und den engsten Freunden großzügig am Feiern. Nur genießen konnten sie es nicht so recht. Irgendwann, schon spät am Abend, zogen sie sich zurück – hinaus zu einem kleinen Springbrunnen in den Garten – während ihre Gäste vergnügt und ausgelassen weiter tanzten. Ciel saß etwas beklemmt und still am Wasser, doch André war das reinste Nervenbündel. Er lief auf und ab und fluchte, dass das so nicht ging. Sie fehlte ihm. Eben an diesem Tag – seinem Geburtstag war sie nicht da. Er fragte sich, wie sie das tun konnte und schimpfte weiter vor sich hin, bis sein Bruder irgendwann aufstand und zu ihm kam. Er solle sich nicht so aufregen, war sein Rat. Dieser – mit dem Rücken zu dem Haus – fragte ihn halb aufgebracht, wie er denn so ruhig bleiben konnte. Doch sah er seinen Bruder als Antwort nur stumm an ihm vorbeilächeln. Fragend drehte André sich um und erkannte in der Dunkelheit seine Freundin strahlend in ihrem schönen Kleid, stehend am Ende der Treppe, die zum Balkon und zum Festsaal führte. Sie lächelte ihn herzlich an und trat auf ihn zu als er zu ihr gerannt kam, fest in seine Arme schloss und fast heulte und sich freute, dass sie doch erschienen war. Lachend sagte sie ihm nur, dass sie ihn an seinem besonderen Tag im Jahr fröhlich wissen wolle. Glücklich kam nun auch sein Bruder in die Umarmung hinzu und zu dritt gingen sie wieder hinaus, um zu feiern. Drinnen wurden sie von ihren besten Freunden froh empfangen und der eine, beste Freund von Ciel, fragte sie sogleich, wie sie es geschafft hatte doch noch herzukommen. Diese meinte, dass sie mittags noch gefeiert habe mit der Familie und anschließend in den nächsten Zug nach Paris gefahren wäre. Fast ein wenig verdutzt lachte dieser Freund und wünschte nun auch ihr zu ihrem zwanzigsten Geburtstag alles Gute. Daneben standen ganz perplex die Brüder, da sie anscheinend nicht gewusst hatten, dass ihre Freundin am selben Tag Geburtstag hatte wie sie selbst und André stand etwas beklemmt da, da er ihr solch gemeine Anschuldigungen gemacht hatte, während sie ihren Geburtstag – extra seinetwegen – stundenlang im Zug verbracht hatte. Doch ihr machte das anscheinend nicht das geringste aus. Sie schien nur glücklich ihren Freunden eine Freude gemacht haben zu können.
Tag der Veröffentlichung: 19.11.2017
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Widmung:
Für A. und C.