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Kapitel 1 – Die erste Nacht

„Bis zu den Sommerferien wird dieser Junge bei euch in der Klasse sein.“ Wahrscheinlich hätte ich mich darüber wundern sollen, dass wir zwei Wochen vor den Sommerferien einen neuen Schüler bekamen, aber ehrlich gesagt interessierte mich das auch überhaupt nicht. Ich hasste meine Klasse und war froh, dass ich sie bald nie wieder sehen musste. Warum also sollte ich mir nun über einen weiteren Schüler Gedanken machen, wenn ich ihn ohnehin nicht mehr lange sehen würde? Der Junge setzte sich an einen freien Platz am Fenster und sah auf die Stadt hinaus. Trotz dessen, dass er mich nicht interessierte, sah ich ihn mir kurz an. Er war ungefähr einen Kopf größer als ich, hatte etwa schulterlange, gestufte schwarze Haare und eisblaue Augen. Zudem war er extrem blass und trug schwarze Kleidung. Eine Lederjacke, darunter ein Shirt, eine dazu passende schwarze Hose, Stiefel und eine sehr teuer aussehende Armbanduhr. Ausnahmsweise silbern und nicht schwarz. Wären an seiner Kleidung nicht überall Nieten befestigt, hätte man seinen Kleidungsstil als recht unauffällig bezeichnen können. Doch so stach er geradezu aus der Menge heraus. Ein merkwürdiger Junge, entschied ich und widmete mich wieder meiner Lehrerin, die irgendetwas über Asymptoten erzählte.

Nach Unterrichtsende stürmten alle zur Bushaltestelle und ich trottete alleine vor unsere Schule und wartete auf meinen Vater, welcher mich abholte. „Hi!“ hörte ich eine fröhliche Stimme hinter mir rufen und drehte mich um, da er nur mich gemeint haben konnte. Ich erkannte unseren neuen Schüler – dessen Name ich im Übrigen überhört hatte – auf mich zukommen. „Hallo.“ antwortete ich resigniert und sah zu ihm hoch als er neben mir stand. Meine Güte, er war tatsächlich über einen Kopf größer als ich. Bei meiner Größe war das allerdings auch nicht allzu schwer. Er lächelte mich freundlich an und fragte auf wen ich warten würde. „Auf meinen Vater.“ war meine knappe Antwort. Er grinste und meinte, dass auch er abgeholt werden würde. Von wem, verriet er mir allerdings nicht. Also warteten wir gemeinsam. Ich kniff leicht meine grünen Augen zusammen und fluchte innerlich darüber warum ich keine Sonnenbrille mitgenommen hatte. Wir hatten über 30° und ich wunderte mich ohnehin warum der Junge eine lange Hose und eine Lederjacke trug, sagte aber nichts. Doch er schien nicht gerade ein introvertierter Typ zu sein. „Wo wohnst du?“ „Wieso? Hast du vor mich zu stalken?“ antwortete ich leicht schmunzelnd. Er kicherte kurz und verneinte dies. „Ich wollte nur wissen ob wir in der Nähe wohnen …“ „Bestimmt nicht.“ meinte ich. Ich wohnte in einem ziemlich kleinen Vorort der Stadt, den so gut wie niemand an meiner Schule kannte. Wenn er dort wohnen würde, würde ich ihn kennen. „Wo wohnst du?“ Diese Frage kam diesmal von mir. „Wieso? Hast du vor mich zu stalken?“ Er grinste mich an. Ich musste unwillkürlich lächeln und schüttelte den Kopf. „Ich antworte dir, wenn du mir antwortest.“ schlug er einen Deal vor. Ich seufzte. „Hohenwart.“ „Ich wohne hier in der Stadt.“ gab er sogleich Auskunft. Ich nahm nicht an, dass er wusste wo mein Ort war. Er meinte er wäre gerade erst hergezogen und deswegen auch nur zwei Wochen bei uns in der Klasse. Bei dem Gedanken an meine Klasse verfinsterte mein Blick sich augenblicklich. Er hatte es gemerkt und fragte mich warum ich meine Klasse so hassen würde. Es war ihm wohl aufgefallen, dass ich in den Pausen alleine irgendwo saß und mit keinem geredet hatte. Ich zuckte nur mit den Schultern. Weder wusste ich eine vernünftige Antwort noch ging es ihn etwas an. Er gab sich nicht damit zufrieden und fragte ob er mich umarmen dürfte. Verwirrt sah ich ihn nun doch an. Bisher hatte ich nur gerade aus auf die Straße gestarrt. Mit wehleidigem Gesicht meinte er, dass er mich aufmuntern möchte und mich gerne einmal lachen sehen würde. Dabei dachte ich sofort an meine beste Freundin. Sie war eine der wenigen Personen, bei der ich niemals schlechte Laune hatte. Bei dem Gedanken musste ich lächeln. Er sah mich verwirrt an und mein Grinsen wurde noch etwas breiter. Ich erklärte es ihm und nun standen wir beide wieder da. Eine Weile sagte keiner etwas bis zwei Autos vorbeifuhren und anhielten. Das eine war von meinem Vater, das andere offensichtlich von dem Chauffeur des Jungen. Und damit meinte ich einen richtigen Chauffeur. Mit etwas großen Augen sah ich zu, wie mein Mitschüler in die Limousine stieg und mir noch kurz zum Abschied zuwinkte. Ich nickte zurück und stieg ebenfalls in unser Auto ein. Auf die Frage meines Vaters hin wer der Junge war, sagte ich einfach, dass er aus meiner Klasse kam. Mehr nicht. Mehr konnte ich auch gar nicht sagen, da ich nicht einmal seinen Namen kannte. Also holte ich meine Kopfhörer raus, steckte sie mir in die Ohren und schaltete Musik an. Ich hatte einen etwas eigenen Stil. Sei es bei dem Kleidungsstil, bei meinem Musikstil oder auch der Einstellung gegenüber anderen Dingen. Alles in allem betrachtet war ich in dieser Gesellschaft wohl ein ziemliches Individuum. Im Grunde war ich nichts wirklich Besonderes, mit Ausnahme dessen, dass ich eine eigene Meinung besaß. Was man von anderen in meinem Alter nicht gerade behaupten konnte. Was auch ein wesentlicher Grund dafür war, dass ich meine Klasse nicht mochte. Oder alle anderen in meiner Schule. Generell hatte ich Probleme mit Gleichaltrigen. Ehrlich gesagt konnte ich die meisten nicht einmal auseinander halten. Für mich sahen sie alle gleich aus. Die Mädchen trugen die gleichen Klamotten, ebenso wie die Jungs. Alle hatten dieselben Frisuren, dieselbe Meinung, mochten dieselben Dinge, hatten denselben Musikgeschmack. Aus irgendeinem Grund schien es hier keine Individualität zu geben. Sobald jemand kam und sagte, dass er etwas mochte, mochte es alle anderen automatisch auch. Selbst wenn es noch so hässliche Klamotten, oder noch so furchtbare Musik war. Alle zusammen waren sie langweilig. Darum hielt ich mich auch so auf Distanz anderen gegenüber.

Zuhause angekommen ließ ich mich genervt von allem auf mein Bett fallen. Müde blieb ich eine Weile liegen und entschloss mich irgendwann doch dazu meine Schulsachen für Montag schon einmal zu packen. Hausaufgaben würde ich ohnehin nicht machen, also war das das mindeste was ich heute für die Schule tun konnte. Als ich fertig war warf ich mich wieder auf mein Bett und wollte eigentlich ein wenig schlafen als ich eine SMS bekam. Genervt hoffte ich, dass es niemand aus meiner Klasse war und sah auf mein Handy. Etwas verwirrt las ich die SMS.

Danke für die nette Unterhaltung heute. Ich würde dich gerne näher kennen lernen. Hast du Lust dich morgen mit mir zu treffen? Du könntest zu mir kommen. P.S.: Ich habe heute in der Schule in der Pause dein Handy geklaut und mir deine Nummer geholt. Sorry dafür. Darius.
Kurz musste ich lachen, dachte dann aber nach wann er mein Handy genommen haben könnte. Immerhin kannte ich jetzt seinen Namen. Aber dann dachte ich darüber nach, ob ich mich wirklich mit ihm treffen sollte. Er kannte mich nicht und persönlich war ich nicht so freundlich wie in der Schule. Anderseits war der Kerl offenbar reich oder zumindest aus einer wohlhabenden Familie. Er sah nicht schlecht aus und war definitiv merkwürdig. Intelligent schien er auch zu sein. Auf jeden Fall keiner von diesen 0815-zombies wie ich sie nannte. Das war schon Grund genug um es sich tatsächlich zu überlegen. Ich überlegte kurz und fragte ihn letztendlich nach seiner Adresse. Was sollte schon groß passieren? Ich würde mich mit ihm treffen und wenn ich ihn nicht mochte, würde ich eben wieder gehen. Eigentlich war das ja keine große Sache. Also verabredeten wir uns für abends zum Essen bei ihm.

Da Samstag war hatten wir keine Schule und würden uns erst heute Abend sehen. Solange überlegte ich schon einmal was ich anziehen sollte. Eigentlich war es ja kein Date oder dergleichen. Ich war ja nur zum Essen eingeladen bei einem Mitschüler. Und er selbst trug auch eher schwarze Kleidung, gegebenenfalls mit Nieten und Ketten. Auf der anderen Seite dachte ich, dass er wohl aus einem wohlhabenden Verhältnis stammte. Und seine Eltern würden wohl kaum solche Art von Klamotten tragen. Ich wollte ja auch keinen schlechten Eindruck hinterlassen. Also entschied ich mich für ein zwar schwarzes, aber elegantes Oberteil. Ich hatte es mal wegen meiner besten Freundin gekauft, da sie im Gegensatz zu mir nur sehr hochwertige und edle Klamotten trug. Das Oberteil war eng geschnitten und betonte meine ohnehin schon sehr schlanke Taille. Zudem ließ mich das schwarz noch blasser aussehen als ich sowieso schon war. Aber genau das fand ich an diesem Teil so schön. Es betonte meinen hellen Teint sehr und das mochte ich. Die Ärmel waren aus feinen Fäden genäht und hatten ein Rosenmuster. Auch mein Dekolleté wurde durch das eng geschnittene Teil hervorgehoben. Dazu zog ich eine schwarze Röhrenjeans und ein Paar Ballerinas an. Heute war es glücklicherweise nicht so warm wie die letzte Woche und es war sogar Regen für Abends angekündigt. Noch während ich meine Sachen packte, versuchte ich meine Eltern zu beruhigen. Sie waren nicht besonders begeistert davon, dass ich zu einem Jungen ging. Und das, obwohl mein Freundeskreis fast ausschließlich aus Jungs bestand. Man sollte meinen, meine Eltern seien daran gewöhnt. Außerdem hatte ich ihnen nie einen Grund zum Misstrauen gegeben. Ich war immer pünktlich zu Hause, trank kein Alkohol, rauchte nicht, ging auf keine Partys und ich hatte noch nie einen Freund gehabt. Obwohl ich bereits siebzehn Jahre alt war. Ich war geradezu ein Musterkind und verstand deshalb ihre Besorgnis nicht. Trotzdem versprach ich nach spätestens zwei Stunden anzurufen und zu versichern, dass alles in Ordnung war. Ich trug meine hüftlangen rotbraunen Haare zu einem Pferdeschwanz. Erst hatte ich überlegt, ob ich sie nicht doch offen lassen sollte, war im Nachhinein allerdings froh darüber es so gelassen zu haben. Der Wind war unerträglich und blies einen förmlich davon. Ich war heilfroh, als mein Vater endlich zu unserem Auto hinaus kam und es aufschloss. Wir waren zwar recht früh dran, trotzdem drängelte ich, dass er sich beeilen sollte. Als wir zu seiner Adresse fuhren, sagte mir mein Vater bestimmt noch zwanzigmal, dass ich ja aufpassen sollte und wenn irgendwas wäre ich sofort anrufen sollte und so weiter. Eigentlich hörte ich gar nicht richtig zu. Das erzählte er mir jedes Mal mindestens eine Million mal, wenn ich ausging. Und noch nie war irgendetwas passiert. Als wir ankamen wollte er erst noch mit hineingehen und schauen, ob wirklich alles okay wäre, doch ich wimmelte ihn ab und stapfte genervt davon. Seine Besorgnis war zwar nett gemeint, aber etwas übertrieben. Ich war ja kein Kind mehr. Aber was sollte man auch anderes von einem Polizisten erwarten?

An dem Haus – eher der Villa – angekommen staunte ich erst kurz, klingelte dann aber einfach. Kurz darauf wurde mir von meinem Klassenkameraden geöffnet und ich wurde freundlich hineingebeten. Er trug ein ähnliches Outfit wie gestern in der Schule, strahlte mich aber fröhlich an und zog mich hinter sich her eine Treppe hinauf in sein Zimmer. Ich hatte mich nicht richtig umsehen können, doch seine Wohnung war sehr groß und alles war in hellen Tönen gehalten. Auch sein Zimmer verwunderte mich ein wenig. Er selbst war komplett in schwarz gekleidet, trug Nieten und Ketten und hatte an beiden Ohren oben insgesamt fünf Piercings, wenn ich recht gesehen hatte. Sein Zimmer war das genaue Gegenteil von ihm. Komplett in weiß, bis auf den Laminatboden, eine Wand bestand fast komplett nur aus einem großem Fenster und einer Glastür, welche nach draußen auf einen Balkon führte. Auch die Schränke bestanden mehr aus Glas als aus Holz. Am Fenster stand ein perfekt aufgeräumter Schreibtisch und in einer Ecke stand ein riesengroßes Bett. Ebenfalls mit weißer Bettwäsche. Ich traute mich kaum hier etwas anzufassen. Darius musste auf meinen Blick kurz lachen und ließ sich elegant auf sein Bett fallen. Ich setzte mich neben ihn und mein Blick schwirrte immer noch etwas im Raum umher. „Du hast ein wirklich schönes Zimmer.“ sagte ich fast schüchtern mit Blick auf die moderne Lampe, welche an der Decke befestigt war. Er grinste mich an und nahm das Kompliment dankend an. Dann wurde sein Gesicht etwas trüber, aber nicht ernst. „Möchtest du vor dem Essen noch meinen älteren Bruder kennen lernen?“ Nickend sah ich ihn kurz an. Ich hatte nicht gewusst, dass er einen Bruder hatte. Seine Eltern hatte ich allerdings auch noch nicht gesehen. Viellicht waren sie noch arbeiten. Er stand auf, nahm meine Hand und zog mich hinter sich her. Eigentlich mochte ich großartigen Körperkontakt nicht besonders, beschwerte mich aber auch nicht. Das Zimmer seinen Bruders war gegenüber von seinem eigenen. Er klopfte kurz an und öffnete die Tür. Drinnen blieb mir sprichwörtlich der Mund offen stehen. Langsam verstand ich warum er nicht so begeistert gewesen war, als er mich gefragt hatte, ob ich seinen Bruder kennen lernen mochte. Wenn er so war wie sein Zimmer aussah, wusste ich schon, dass er kein netter Zeitgenosse war. Sein Zimmer war alles in allem dunkel. Eine Wand war komplett schwarz angestrichen, die übrigen mit schwarzen Verzierungen versehen. Es waren recht alte Möbel vorhanden, welche mich ein wenig an das viktorianische Zeitalter erinnerten. Ein Schrank war komplett mit CDs befüllt, ein anderer mit Büchern. Und den Covern nach zu urteilen waren es keine Liebesbücher. Auf dem Boden waren einzelne Klamotten – ebenfalls hauptsächlich schwarz – verstreut, ein paar Schuhe und ein Paar Kopfhörer lagen ebenfalls auf dem Laminatboden. Das Zimmer war spiegelverkehrt zu dem seines Bruders gebaut und eine Wand bestand auch aus einem riesigen Fenster. Er hatte auch ein genauso großes Bett, allerdings mit dunkelblauem Bezug. Er selbst lag auf einer Couch und beobachtete uns resigniert. Genau konnte ich ihn im Dunkeln nicht erkennen, doch er hatte wie sein jüngerer Bruder schwarzes Haar und dieselben eisblauen Augen. Er war sogar noch ein kleines Stück größer als Darius und hatte denselben Klamottenstil. Ihr Aussehen war aber wohl das einzige was die beiden teilten. „Ash, das ist meine Mitschülerin Nikita. Und das ist mein reizender ein Jahr älterer Bruder Ash.“ Er deutete auf den Jungen und sah dabei wenig begeistert aus. Sie verstanden sich also nicht gut. Okay. Das kannte ich von mir und meiner jüngeren Schwester. Also versuchte ich zu lächeln und begrüßte den Jungen. Der wiederum sah uns noch immer gelangweilt an, zuckte mit den Schultern und steckte seine Kopfhörer wieder rein. Sein Bruder zog die Augenbrauen hoch, seufzte kurz und schob mich dann aus dem Zimmer ehe er die Tür wieder schloss. Zurück in seinem Zimmer entschuldigte er sich für das Verhalten seines älteren Bruders, doch ich winkte ab. Dafür brauchte er sich nun wirklich nicht zu entschuldigen. Den Abend verbrachten wir damit über unwichtige Dinge wie das Wetter zu reden, da er keine Anstalten machte etwas von sich zu erzählen, obwohl ich ihn öfter etwas gefragt hatte. Er grinste mich nur an und meinte, dass ich es herausfinden sollte. Nach einer Weile hatte ich die Fragerei aufgegeben und beschäftigte mich nun mit seinem Bücherregal. Er hatte offenbar einen ähnlichen Geschmack wie ich. Ich fand ein paar Krimis, einige Detektivromane, ein paar Fantasybücher, aber hauptsächlich beinhalteten alle ein Thema: Vampire. Schon als kleines Kind war ich immer ein totaler Freak gewesen was Vampire betraf. Diese Besessenheit hatte sich in den Jahren nicht geändert. Darius lächelte mich an. Ich fragte ihn nach seinem Lieblingsbuch, doch er meinte er habe eigentlich kein wirkliches. „Und welches ist deines?“ „Blutrote Küsse.“ gab ich unvermittelt Auskunft. Er sah mich ratlos an. Ich musste lächeln. „Ich hab es auch im englischen. Ursprünglich wollte ich mir das sechste Buch der Reihe auf Englisch kaufen, weil ich das Cover am meisten mochte, doch dann kam es mir komisch vor nur das sechste Buch einer Reihe zu kaufen, also habe ich mir das erste gekauft. Ich wollte einfach ein Originalbuch der Autorin haben. Im englischen heißt es 'Halfway to the grave'.“ Als ich den Titel ausgesprochen hatte, bekam er große Augen. „Ich glaube mein Bruder hat die Reihe auch gelesen.“ Ich wunderte mich, dass er englische Bücher las, schenkte mir die Bemerkung allerdings. Dann fiel mir ein, dass ich mir extra für diese Buchreihe ein Lesezeichen aus Metall hatte anfertigen lassen und holte es aus meiner Tasche hervor. Noch eine Weile unterhielten wir uns und ich rief noch schnell meinen Vater an, dass alles in Ordnung wäre. Danach fragte Darius mich, ob ich irgendeinen besonderen Wunsch fürs Abendessen hätte. Ich schüttelte den Kopf und wie auf Stichwort klopfte es an der Tür und Ash lehnte sich gegen den Türrahmen. Er sah auf uns herab und meinte: „Essen ist fertig.“ Dann trottete er langsam nach unten und wir folgten ihm.
Ich hatte gar nicht gehört, dass jemand das Haus betreten hatte. Aber ihre Mutter konnte offenbar gut kochen, denn es roch unglaublich gut. Unten angekommen fanden wir einen bereits fertig gedeckten Tisch und das ästhetischste Essen, das ich je gesehen hatte. Ich kannte zwar den Spruch 'Das Auge isst mit', doch ich traute mich kaum etwas davon anzurühren. Es sah wirklich wundervoll aus. Und wenn es nur halb so gut schmeckte, wie es roch, war das das leckerste Essen, das ich jemals gegessen hatte. Allerdings sah ich niemanden außer uns drei. Auch war für nicht mehr Personen gedeckt. Ich fragte nun doch, ob ihre Eltern nicht mitessen würden und bekam als Antwort, dass sie keine Eltern mehr hatten und alleine wohnen würden. Weniger das schockierte mich als die Art wie Darius das sagte. Er hatte keine Trauer in der Stimme oder dergleichen. Es hörte sich eher kalt und abweisend an. Ich entschuldigte mich, doch er winkte ab und lächelte mich nun wieder an. Sein Bruder hatte immer noch nichts gesagt. Er nahm sich lediglich etwas zu essen und begann darin herumzustochern. Ich wusste nicht einmal was genau das war und fragte deswegen. Darius zuckte nur ratlos mit den Schultern und meine Antwort bekam ich von seinem Bruder. „Das ist Entenleberterrine mit Sauternesgelee, Zander mit Schuppen vom Staudensellerie an Safran-Estragon-Sauce und Tarte au fraise meringuée …“ Okay. Ich hatte absolut keinen Plan was das war, aber es schmeckte köstlich. Besonders das Dessert. Ich hätte nicht gedacht, dass er so gut kochen konnte. Nach dem Essen folge ich Darius wieder in sein Zimmer während Ash augenscheinlich noch immer mit nicht besserer Laune den Tisch abräumte. Nach kurzer Zeit stand der allerdings auch schon wieder bei uns im Zimmer und sah sich uns ignorierend um. Als er gefunden hatte wonach er suchte, ging er auf den Schreibtisch seines Bruders zu und nahm sich eine CD davon herunter, die er wohl hatte liegen lassen, denn ich sah in Darius' Zimmer weder andere CDs noch ein Radio. Er drehte sich wieder um und sah noch kurz zu uns bevor er wieder ging. Als er plötzlich stehen blieb und auf mich zukam, bekam ich erst große Augen und auch sein Bruder ging ein wenig in Position als wollte Ash auf mich losgehen und er musste mich beschützen. Dieser jedoch nahm sich einfach mein Lesezeichen und beäugte es. „Was ist das?“ waren seine ersten Worte nach einer Weile. Ich sah ihn kurz an und erklärte ihm dann, dass es ein Lesezeichen war, welches ich extra für eine bestimmte Buchreihe hatte anfertigen lassen. Er lächelte. Das war das erste Mal, dass ich ihn lächeln sah. Es sah bezaubernd aus. Aber aus irgendeinem Grund auch leicht gefährlich. „Für welche Buchreihe?“ fragte er schließlich. „Night Huntress.“ antwortete ich knapp. Er zog die Augenbrauen hoch und grinste mich gefährlich an. Richtig. Sein Bruder hatte ja erwähnt, dass Ash diese Bücher kannte. Das passte auch ganz gut wie ich fand. In den Büchern ging es im Grunde um nichts weiter als Gewalt und Sex. „Solche Bücher liest du?“ fragte er mich fast so, als wäre das ein schlimmes Verbrechen. Ich nickte. „Stehst du auf Vampire?“ Ein komische Frage fand ich. Aber ja, das tat ich in der Tat. Darum antwortete ich auch gelassen: „Das wäre eine Untertreibung.“ Sein Grinsen wurde noch etwas breiter, dann drehte er sich jedoch wieder um und ging wieder in sein Zimmer. Und er nahm mein Lesezeichen mit. Darius hatte meinen Gedanken wohl erraten, denn er beruhigte mich damit, dass ich es später wieder bekommen würde. Damit gab ich mich erst einmal zufrieden. Eine Weile unterhielten wir uns noch und ich bemerkte, dass mir wohl wirklich nichts anderes übrig blieb als irgendwie etwas über ihn herauszufinden Der Junge verriet aber auch nichts von sich. Außer seinem Alter. Er war achtzehn, sein Bruder demnach neunzehn. Als es schon recht spät geworden war meinte ich, dass ich vielleicht langsam mal gehen sollte und suchte bereits nach meinen Schuhen. Mein Lesezeichen hatte ich bereits aufgegeben. Als ich meine Schuhe jedoch endlich gefunden hatte, zuckte ich kurz zusammen. Ein Blitz. Ich hatte keine Angst vor Gewittern, aber in dem Moment fing es draußen an zu schütten als gäbe es kein Morgen mehr. Frustriert blieb ich in Darius' Zimmer stehen und sah zu dem schwarzen Himmel hinaus. Der Wetterbericht hatte leider ausnahmsweise einmal Recht behalten. Ich hatte weder eine Jacke, noch Regen geeignete Schuhe dabei. Ganz zu schweigen von dem Wind, welcher anscheinend noch stärker geworden war. Darius sah meinen leidenden Blick und fragte mich kurzerhand, ob ich hier nicht übernachten möchte. Kurz sah ich ihn verwirrt an. Aber im Grunde blieb mir nichts anderes übrig. Ich war wirklich nicht pingelig, aber ich hasste es nass zu werden. Und dank der Tatsache, dass es draußen bereits dunkel war und ich ein ziemlich aufreizend bekleidetes, nicht unbedingt starkes Mädchen war, nahm ich sein Angebot schließlich an und rief bei mir Zuhause an, dass ich wegen des Wetters erst morgen nach Hause kommen würde. Nach einer kurzen Diskussion stimmten sie auch zu. Immer dieses Theater. Es hatten schon öfter Jungs bei mir übernachtet und noch nie war etwas passiert. Ich verstand wirklich nicht was so schlimm daran war, dass ich Freunde des anderen Geschlechts hatte. „Möchtest du vielleicht einen Film oder so anschauen? Oder gleich schlafen gehen?“ fragte Darius mich schließlich. Ich schüttelte den Kopf. „Ich werde ohnehin nicht schlafen können. Einen Film schauen ist also okay.“ Er sah erleichtert aus und fragte, was ich gerne für Filme ansah. „Action Filme.“ antwortete ich knapp. Er zog seine Augenbrauen nach oben. Ich erklärte ihm, dass ich weder langweilige Liebesfilme noch Horrorfilme mochte, da ich furchtbar ängstlich war was das betraf. Alle anderen Genre interessierten mich nicht und bei Action Filmen passierte immer etwas und es wurde nicht langweilig. Lächelnd verschwand er und kam nach kurzer Zeit wieder und legte eine DVD ein. Wir saßen auf seinem Bett, denn er hatte keine Couch. Er versuchte sich näher an mich zu lehnen, doch ich nahm eines seiner Kissen und baute so eine Trennwand zwischen uns. Beleidigt startete er den Film. Ich musste schmunzeln. Er war ja wirklich süß. Aber ich mochte keine Nähe. Als der Film jedoch startete war ich es, die beleidigt schaute. Twilight. Ein Liebesfilm. Ein extrem langweiliger Liebesfilm mit noch langweiligeren Schauspielern. Darius lachte kurz als er mein Gesicht sah. Ich beklagte mich allerdings nicht, sondern sah mir den Film einfach an. Ich mochte Vampire und die Story war annehmbar. Besser als nur im Bett zu liegen und zu versuchen zu schlafen. Ich konnte nie schlafen, wenn jemand bei mir oder ich bei ihm übernachtete. Ohnehin war ich eher ein Nachtmensch, darum machte es mir nichts aus die Nacht durchzumachen. Auch Darius schien damit keine Probleme zu haben. Als der Film zu Ende war stand er auf um die DVD wieder zu verstauen und rutschte beinahe auf einer Lederjacke, welche unter seinem Bett hervorschaute aus. Er nahm sie hoch und seufzte. „Die gehört meinem Bruder … kann er denn seinen Kram nicht einfach mal mitnehmen und nicht bei mir immer alles liegen lassen?“ Ich lächelte. Er meinte, dass er sie ihm schnell bringen würde, doch ich hielt ihn ab. Ich hatte schon vorhin einen kurzen Streit der beiden mitbekommen und ich wollte nicht, dass das wieder anfing. Darum schlug ich vor, dass ich sie ihm bringen würde. Darius willigte ein und ich machte mich auf den Weg zu seinem Zimmer. Ich klopfte leicht an und steckte dann vorsichtig meinen Kopf in das Zimmer. Wie vorhin lag er auf seiner Couch, hatte diesmal aber sein Radio laut an. Er sah mich desinteressiert an und fragte was ich wollte. Ich ging zu ihm und hielt ihm seine Jacke hin. „Die hast du drüben vergessen.“ erklärte ich. „Hm … leg sie einfach irgendwo hin.“ Weiter schenkte er mir keine Beachtung. Gut. Wenn er es nicht einmal nötig hatte mich zu beachten, musste ich auch nicht weiter freundlich sein. Ich nahm ihn also beim Wort und lies seine Jacke einfach auf den Boden fallen, steckte die Hände in die Hosentasche und sah ihn monoton an. Er schien offenbar belustigt darüber und grinste mich amüsiert an. Ich sah mich noch einmal kurz in seinem Zimmer um. Ich mochte seinen Stil irgendwie. Wir hatten sogar den gleichen Musikgeschmack. Und das war wirklich außergewöhnlich. Normalerweise war ich die einzige in meiner Umgebung, die J-Rock hörte. Also sprach ich ihn darauf an in der Hoffnung, er würde mich diesmal nicht ignorieren nachdem ich schon seine Aufmerksamkeit auf mich gezogen hatte. „Ich hab das Album von Kamijo auch.“ meinte ich mit einem Nicken in Richtung seines Radios. Sein Grinsen wurde breiter. Nun schien er doch interessiert zu sein. Er setzte sich auf und musterte mich zum ersten Mal richtig. „Komm her.“ befahl er mir und ich sah ihn zuerst kurz erstaunt an. Ich stand nicht weit von ihm weg also ging ich nur zwei Schritte auf ihn zu. Doch das genügte. Er packte mich bei der Taille und zog mich zu sich auf seine Couch. Überrumpelt ließ ich es geschehen und fand mich unter ihm liegend wieder. Mit großen Augen starrte ich in seine. Er hatte wirklich wunderschöne eisblaue Augen, doch er funkelte mich damit gefährlich an. Grinsend drückte er mich in seine Couch. Doch mehr wollte er offenbar nicht tun. Er musterte mich nur weiterhin und wartete wie ich reagierte. Ich dagegen entspannte mich nach kurzer Zeit wieder und fragte was das sollte. „Gar nichts.“ kam die prompte Antwort. Ratlos sah ich ihn an. Ein ebenso merkwürdiger Junge wie sein Bruder. Apropos Darius. Er würde sicher jeden Moment kommen und mich abholen. Kurz sah ich zur Tür und Ash folgte meinem Blick. Dann grinste er wieder und setzte sich wieder auf. Ich tat es ihm gleich, stand auf, sah ihn noch einmal kurz kopfschüttelnd an und machte mich dann auf den Weg zur Tür. Doch er ließ mich nicht gehen. Blitzschnell war er wieder bei mir und drückte mich gegen sein Bücherregal. Er war tatsächlich größer als sein Bruder. Somit ebenfalls über einen Kopf größer als ich. Er hatte auch einige Muskeln und so war ich ihm ohne weiteres unterlegen. Er machte allerdings keine Anstalten mir irgendetwas zu tun oder dergleichen. Offenbar machte es ihm wirklich einfach nur Spaß mich anzusehen wie ich reagierte. Das konnte er haben, dachte ich. Ich ignorierte ihn, schob seinen einen Arm weg und schlüpfte unter ihm hindurch. Kurzerhand verließ ich das Zimmer und hörte noch ein leises Lachen seinerseits. Kopfschüttelnd rannte ich fast in Darius hinein als ich sein Zimmer betrat. Der wiederum sah mich leicht besorgt an und fragte ob alles in Ordnung wäre. Ich nickte, sagte aber nicht mehr dazu. Die restliche Nacht verbrachten wir abermals mit unsinnigem Gerede. Als es morgen wurde und auch das Gewitter vorbeigezogen war, ging die Sonne endlich auf und ich merkte langsam wie ich Hunger bekam. Darius kicherte kurz als er meinen Magen hörte, stand auf und zog mich hinter sich her. Mal wieder. Unten setzte ich mich faul an den Tisch und sah ihm dabei zu wie er das Frühstück vorbereitete. Es störte ihn aber wohl nicht, dass ich nicht half. Er beschwerte sich zumindest nicht. Kurz darauf kam auch Ash die Treppe herunter geschlendert, setzte sich mir gegenüber und grinste mich an. Ich versuchte ihn zu ignorieren so gut es ging und sah Darius weiter dabei zu wie er den Tisch deckte. Während wir aßen, spürte ich Ashs Blicke ununterbrochen auf mir. Ich versuchte es zu ignorieren, was mir jedoch nicht wirklich gelang. Darum war ich auch froh als wir endlich fertig waren. Darius schien kurz zu überlegen und fragte mich dann, wann mein Vater mich abholen würde. Das hatte ich mir noch gar nicht überlegt. Darius meinte, dass er für das Mittagessen ohnehin noch einkaufen musste und ich solange ja in seinem Zimmer warten konnte, wenn ich nicht mitwollte. Ich stimmte zu und schrieb meinem Vater eine SMS, dass er mich in ca. zwei Stunden abholen sollte. Daraufhin ging Darius schließlich einkaufen und ließ mich mit seinem Bruder alleine. Der Gedanke gefiel mir nicht besonders. Also verschwand ich schnell in Darius' Zimmer. Doch sein reizender Bruder kam mir lachend hinterher. „Sei nicht so.“ säuselte er mir vor als er das Zimmer seines Bruders betrat. Ich jedoch hatte keine große Lust auf seine Spielchen und versuchte das Thema zu wechseln. „Ich will mein Lesezeichen wieder haben.“ Er grinste mich wieder an und kam langsam auf mich zu. Ich versuchte nicht zurückzuweichen und ließ zu, dass er meine Hand nahm und mich mit in sein Zimmer zog. Dort angekommen holte er mein Lesezeichen und hielt es mir vor die Nase. Bevor ich es mir allerdings nehmen konnte, zog er es wieder weg und grinste mich frech an. „Was bekomme ich dafür?“ wollte er wissen. Ich sah ihn empört an. „Das ist mein Lesezeichen!“ Er streckte mir nur die Zunge raus. „Ich weiß.“ Ich seufzte. Dieser Junge war anstrengend. Aber immerhin nicht langweilig. Also gab ich auf und fragte was er wollte. Er kam mir bedächtig nahe und flüsterte mir ins Ohr. „Ich will dich.“ Zuerst verstand ich nicht was er meinte. Mich? Meinte er, dass er mich ins Bett bekommen wollte? Das wäre die sinnvollste Erklärung. Als er meinen fragenden Blick sah, lachte er leise und sah mich anschließend wieder an. „Ich will dich. Ich will, dass du mir gehörst. Ich will, dass du mir alles von dir gibst.“ Er sagte das mit rauer Stimme und kam mir dabei immer näher. „Dein Körper, deine Liebe, dein ganzes Wesen, deine Lippen …“ während er das sagte, strich er mir langsam mit einem Finger über meine Lippen. Er murmelte noch etwas, was ich jedoch nicht verstand. Mein Kopf musste sicher so rot wie eine Tomate sein, als ich wieder zur Besinnung kam. Ich sah ihn arrogant an und sagte knapp: „Auf keinen Fall. Gib mir mein Lesezeichen wieder.“ Er lachte als ich danach griff, doch er war schneller. Wir begannen ein kleines Gefecht und letztendlich stürzte ich mit ihm zu Boden und lag auf ihm. Ich entriss ihm mein Lesezeichen und lachte schadenfroh auf. Dass ich noch immer auf ihm saß bemerkte ich erst als er unter mir quälende Geräusche von sich gab. Beleidigt stand ich auf. „So schwer bin ich doch gar nicht!“ Wieder lachte er kurz auf als auch er aufstand. „Nein … aber ganz schön enthusiastisch.“ „Das hättest du dir sparen können, hättest du es mir gleich gegeben!“ „Du bist aber auch stur.“ meinte er lachend während ich schon wieder den Weg zur Tür suchte. Doch auch diesmal ließ er mich nicht. Allerdings nicht so euphorisch wie das letzte Mal. Im Gegenteil, er gähnte. Er hielt mich am Handgelenk zurück und zog mich in sein Bett. Bevor ich protestieren konnte drückte er mich an sich und murmelte in meinen Nacken: „Sei einfach still und spiele mein Kuscheltier …“ Tatsächlich schlief er kurz darauf ein und ich lag etwas hilflos in seinen Armen. Sich zu wehren hatte keinen Sinn, also tat ich wie mir befohlen und blieb brav liegen. Auch ich war müde, konnte jedoch nicht schlafen. Ich fragte mich wirklich warum ich immer an solche Freaks gerate. Aber eigentlich war es mir so lieber als mit den Idioten aus meiner Klasse einen Tag zu verbringen. Eine Stunde blieb ich bei ihm bis ich versuchte mich zu befreien. Ich schob seinen Arm langsam von mir herunter und stand leise auf. Knurrend hielt er mich allerdings am Arm zurück und sah mich böse an. Ich dagegen fand ihn wahnsinnig niedlich wie er so da lag. „Dein Bruder meinte er würde etwa eine Stunde brauchen und ich will nicht, dass er uns zusammen in einem Bett liegend findet. Dann würdet ihr gleich wieder streiten.“ versuchte ich vorsichtig zu erklären. Er ließ mich widerwillig los und ich ging erleichtert Richtung Tür. Bevor ich jedoch ankam wurde ich von hinten umarmt und erschrak. Er war wirklich schnell. Wie eine Katze schnurrte er mir ins Ohr und ließ seinen Kopf auf meiner Schulter nieder. Eine Raubkatze, dachte ich. Ich versuchte mich aus seiner Umarmung zu lösen und er gewährte es mir sogar. Zweifellos hätte er mich ohne Mühe aufhalten können. Er drehte mich noch einmal kurz zu sich um, lächelte mich müde an und küsste mich auf die Wange. Ganz zart. Ich wunderte mich zunächst über sein auf einmal so zahmes Verhalten und verschwand nun doch aus dem Zimmer. Draußen atmete ich erst einmal tief durch und hörte im selben Moment wie jemand zur Haustür herein kam. Ich sah die Treppe herunter und erkannte Darius. Fröhlich begrüßte ich ihn und er entschuldigte sich, dass es so lange gedauert hatte und fragte sofort, ob sein Bruder irgendetwas gemacht hätte. Ich musste schmunzeln. Dachte er sein Bruder würde mich anfallen oder so? Eigentlich fand ich ihn ganz nett. Momentan. Ich beruhigte Darius und half ihm seine Einkäufe zu verstauen. Danach hatte ich noch etwa eine Stunde Zeit bevor mein Vater mich abholen kam und ging mit ihm wieder in sein Zimmer hinauf. Dort gähnte auch er einmal herzhaft und sah sehnsüchtig auf sein Bett. Unwillkürlich musste ich lächeln und meinte, dass er ruhig schlafen gehen könnte. Ich würde auch eine Stunde alleine warten können. Nach kurzem Protest brachte ich ihn doch dazu schlafen zu gehen. Ihm fielen auch so beinah schon die Augen zu. Letztendlich gab er seiner Müdigkeit nach und legte sich schlafen während ich mich zu ihm aufs Bett setzte und ihm dabei zusah. Offensichtlich waren sie beide eher nachtaktiv. Damit hatte ich kein Problem und es leuchtete mir wirklich nicht ein warum Darius ausgerechnet mich zu sich nach Hause schleppen musste. Warum nicht jeden anderen beliebigen Schüler? Vielleicht weil ich einen ähnlichen Klamottenstil wie er hatte? Das wäre zumindest eine Erklärung. Ich dachte noch eine Weile über den Tag und die letzte Nacht nach bis ich mich entschied vor dem Haus auf meinen Vater zu warten. Wenn er klingelte, würde er die beiden nur aufwecken. Also sammelte ich meinen Kram zusammen und wartete vor der Haustür. Zumindest so lange bis diese sich wieder öffnete und der ältere der beiden Brüder verschlafen vor mir stand. Ich sah ihn fragend an und er meinte, dass ich nicht alleine warten sollte, da mein Vater sicher verwundert wäre, wenn ich alleine hier stehen würde. Da hatte er Recht. Also warteten wir gemeinsam bis mein Vater eintraf. Als dieser den Jungen neben mir sah, bekam er große Augen. Verständlich. Mein Vater war nicht klein, aber Ash war noch weitaus größer als er und war noch dazu recht gut gebaut. Dieser allerdings war ein wirklich guter Schauspieler wie ich feststellte, denn er lächelte meinen Vater wie einen alten Freund an und war die Höflichkeit in Person. Er erklärte, dass sein Bruder eigentlich mein Freund wäre und er mich erst seit gestern kennen würde, Darius jedoch noch beim Einkaufen war und er deshalb mit mir gewartet hatte. Das war zwar gelogen, aber was soll's? Als mein Vater ihn noch immer ein wenig misstrauisch betrachtete, schlug Ash vor, dass ich mit meinen Eltern und meiner jüngeren Schwester doch morgen Abend zu ihnen zum Essen kommen könnte und er sich selbst davon überzeugen konnte, dass sie vollkommen normal waren. Ich bezweifelte zwar stark, dass die beiden normal waren und auch, dass dieses Essen nicht in einem völligen Fiasko endete, doch ich entgegnete nichts. Mein Vater nahm die Einladung dankend an und wir fuhren nach Hause. Zum Abschied zwinkerte Ash mir noch einmal kurz zu und mir wurde bewusst, was er mit diesem Treffen eigentlich bezwecken wollte: Ich würde mich wieder mit ihm treffen. Seufzend lehnte ich mich in meinen Sitz zurück und schaltete die Musik an. Auf was hatte ich mich da nur eingelassen?

Kapitel 2 – Die zweite Nacht

Am nächsten Tag war zwar Montag, wir hatten allerdings keine Schule, ebenso am Dienstag, weil einige Lehrer wohl abwesend waren. Darum bekam ich am Morgen wieder nur eine SMS. Diesmal allerdings nicht von dem, von dem ich es erwartet hätte.
Heute Abend um 20 Uhr. Ist das okay? Ash.
Ja. Aber woher hast du meine Nummer?
Als ihr gestern das Frühstück vorbereitet habt, habe ich dein Handy geklaut.
Warum hast du mich nicht einfach gefragt?
Du hättest mir deine Nummer nicht gegeben.
Stimmt. Aus gutem Grund.
Also bis heute Abend, Schatz *grins*
*seufzt* bis später …

Dieser Kerl machte mich fertig. Missmutig berichtete ich meinen Eltern die verabredete Urzeit und machte mich anschließend selbst fertig. Diesmal zog ich ein etwas luftigeres schwarzes Shirt an. Es war schulterfrei und ich kombinierte es noch mit einem silbernen Gürtel. Dazu eine silbern schimmernde Hose und andere Ballerinas. Meine Haare ließ ich dieses Mal offen. Auch meine Eltern und selbst meine vierzehnjährige Schwester hatten sich herausgeputzt. Ich verstand mich zwar nicht sonderlich gut mit meiner Schwester, aber würde Ash ihr auch nur zu nahe kommen, hatte er ein Problem mit mir. Auf der Fahrt zu ihrer Villa wurde meine Laune immer miserabler. Ich freute mich zwar auf Darius, konnte jedoch auf ein Abendessen mit Ash und meinen Eltern wirklich verzichten. Hoffentlich riss er sich wie gestern zusammen.

Bei ihnen angekommen klingelten meine Eltern und wurden von Darius in Empfang genommen. Er stellte sich höflich vor und war der perfekte Gentleman. Ich musste lächeln als ich ihn sah. Auch er freute sich und begrüßte mich mit einer flüchtigen Umarmung. Von Ash war glücklicherweise noch nichts zu sehen. Drinnen angekommen staunten meine Eltern erst einmal und selbst meine Schwester sah sich neugierig um. Als sie Ash auf uns zukommen sah, bekam sie allerdings große Augen und versteckte sich hinter unserer Mutter, obwohl sie einen halben Kopf größer war. Mein Vater dagegen begrüßte ihn fröhlich und tat so, als ob sie sich schon ewig kennen würden. Ein Glück konnte Ash sich zusammenreißen und mimte tatsächlich den perfekten Gentleman. Sein Bruder war darin trotzdem überzeugender. Als alle am Tisch platz genommen hatten schaute ich mir erstmals Ashs nächstes kulinarisches Meisterwerk an. Ich hatte abermals keinen blassen Schimmer, was es war, doch es roch wundervoll. Es faszinierte mich immer noch, dass er so gut kochen konnte. Auch meine Eltern waren ganz überwältigt und lobten ihn für seine Kochkünste. Die ganze Zeit über gab er sich wie der wohlerzogenste Junge Mann aller Zeiten und warf mit Komplimenten förmlich um sich. Er war wirklich ein guter Schauspieler. Auch sein Bruder lachte ihn fassungslos an. Daraufhin musste auch ich lächeln. Nachdem wir zu Ende gegessen hatten, unterhielten sich alle noch ein wenig. Nur meine Schwester war sichtlich gelangweilt und spielte an ihrem Handy. Ich konnte sie verstehen. Sie unterhielten sich über so belanglose Dinge wie das Wetter. Bei der Frage wie die beiden Jungs ihren Lebensunterhalt verdienten, hörte ich jedoch auf. Da sie alleine wohnten und so eine riesen Villa besaßen, mussten sie ja irgendwie Geld verdienen. Und zwar nicht gerade wenig. Darius antwortete, dass sein Bruder Künstler wäre und für einige Kunsthochschulen ab und zu Dinge organisierte oder ihnen Projektvorschläge für die Schüler lieferte und von den Privatschulen reichlich gut bezahlt wurde. Er dagegen war wohl eine Art Schriftsteller und hatte viel mit verschiedenen Verlagen zu tun, kümmerte sich um organisatorische Dinge und schrieb auch selbst Bücher. Und das in ihrem Alter. Meine Eltern waren den beiden vollkommen verfallen. Immerhin konnte ich mir so sicher sein, dass ich sie noch öfter besuchen durfte. Warum ich mich so darüber freute, wusste ich selbst nicht so genau. Nach einer Weile beschlossen meine Eltern wieder zu gehen und meiner Schwester sah man die Erleichterung förmlich an. Auch ich wollte mich fertig machen als Darius mich zurückhielt und mit zuckersüßer Stimme fragte: „Willst du sie nicht fragen?“ Ich wusste nicht wovon er sprach und sah ihn mit ratlosem Gesicht an. Auch meine Eltern horchten auf, worauf er es wohl angelegt hatte, denn er wandte das Wort an sie. „Sie wollte fragen, ob sie nicht heute Nacht noch einmal hier übernachten darf. Wäre das denn möglich?“ So einen honigsüßen Unterton hatte ich bei ihm noch nie gehört, doch er schien zu wirken. Meine Eltern stimmten zu und fuhren mit meiner Schwester im Schlepptau nach Hause. Mich ließen sie verwirrt dort stehen.

Ich sah Darius mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wann hab ich das denn gesagt?“ Er lächelte mich zufrieden an. „Gar nicht. Ich habe das eben beschlossen.“ Ich seufzte. Warum hatte ich so etwas nicht kommen sehen? Aber nun war ich einmal hier. Also half ich den beiden Jungs noch dabei den Tisch abzuräumen und ließ mich danach von Darius in sein Zimmer ziehen. Erst dort fiel mir auf, dass er heute gar nichts Schwarzes trug, sondern ein weißes Hemd und eine normale Jeans. Vermutlich wollte er vor meinen Eltern einen guten Eindruck machen. Ash dagegen hatte seinen üblichen Auftakt zur Schau gestellt. Etwas anderes konnte ich mir an ihm auch nicht vorstellen. Ebenso wenig wie sein Bruder sich wohl die Hoffnung machte, dass dieser seine Sachen nicht immer bei ihm liegen lassen würde, denn er hatte abermals ein Shirt von ihm gefunden. Ich fand das ganz amüsant und schlug vor es ihm zu bringen. Ich klopfte wieder vorsichtig an und trat ein. Die beiden waren wirklich nachtaktiv. Diesmal fand ich ihn jedoch nicht liegend, sondern auf seiner Couch sitzend und er zeichnete etwas. Das erste, was mir auffiel, war, dass er wie ich Linkshänder war. Sofort musste ich lächeln. Aus irgendeinem Grund machte ihn das gleich sympathischer. Er sah mich an und ich hielt ihm lächelnd sein Shirt vor die Nase. Er nahm es, warf es zur Seite und meinte ich sollte ihm mein linkes Ohr zeigen. Verwirrt tat ich wie befohlen und sofort zeichnete er weiter. Er hatte wohl nach meinen beiden Piercings sehen wollen. Nach kurzer Zeit legte er den Stift zur Seite und betrachtete sein Kunstwerk lächelnd. Ich war zwar auch künstlerisch begabt, war mit meinen Bildern jedoch nie richtig zufrieden. Eine Künstlerin war ich noch lange nicht. Dann siegte bei mir doch die Neugier. „Was hast du gezeichnet?“ fragte ich und versuchte auf das Bild zu sehen.
Er drehte es um und präsentierte mir stolz sein Kunstwerk. Ich dagegen wurde augenblicklich rot. Er grinste und begutachtete es selbst noch ein mal. „Warum hast du mich gezeichnet?“ fragte ich noch immer ganz verlegen. Auf dem Bild sah man mich auf seinem Bett sitzend, nur mit Unterwäsche bekleidet und ich richtete mein Lächeln in seine Richtung. „Weil ich dich hübsch finde.“ war seine einfache Antwort und er packte seine Zeichensachen zusammen und legte sie beiseite. Ich wurde wahrscheinlich noch ein wenig roter, denn er fing an zu lachen als er mein Gesicht sah. „Du bist richtig süß.“ Sofort änderte sich meine Stimmung. „Ich bin nicht süß.“ protestierte ich sofort und meinte es auch so. Er kannte mich nicht wirklich. Ich war nicht süß. Ich war arrogant, eingebildet und mein Humor strotzte nur so vor Sarkasmus. Er fing an zu kichern. „Ich weiß. Manchmal bist du aber niedlich. Obwohl ich es tatsächlich mehr mag, wenn du nicht süß bist … ich mag es mit dir zu streiten und finde es lustig, wenn du dich wehrst und mir Paroli bietest.“ Ja, das hatte ich schon gemerkt. Nun gut, dann musste ich mich bei ihm immerhin nicht verstellen. Doch wie auf Stichwort schnappte er mich erneut und drückte mich gegen seinen Schrank. Diesmal jedoch sah ich ein gieriges Funkeln in seinen eisblauen Augen. Und dann fragte er mich etwas womit ich nicht gerechnet hätte. „Du magst doch Vampire, oder?“ Ich nickte stutzig. „Darf ich dich beißen?“ Augenblicklich färbten seine blauen Augen sich weinrot und als er anfing zu grinsen blitzten zwei spitze Eckzähne hervor. Wie zu Eis erstarrt, starrte ich ihn an und er fand das offenbar unglaublich lustig. Während er lachte, fasste ich mich wieder und versuchte ihn wegzuschieben. Erfolglos natürlich. Er demonstrierte mir etwas von seiner wahren Kraft und drückte mich zurück. Ich starrte ihn immer noch fassungslos an. Was war das bitte für ein Spinner? Es gab keine Vampire! „Was? Bist du wirklich überrascht? Hättest du dir das nicht denken können?“ fragte er als sei das offensichtlich gewesen. Ich hatte wieder meine Sprache gefunden. „Nein?! Was hätte ich mir denn denken sollen? Dass du ein totaler Spinner bist? Okay, zugegeben, das mit den Augen ist ein cooler Trick, aber es gibt keine Vampire!“ Ich redete mir das ein, während er wieder anfing zu lachen. Diese Ablenkung machte ich mir zu nutzen und entglitt seinem Griff. Ich stürmte Richtung Tür, kam aber nicht weiter, da er mich zurückhielt. Er war schneller als ein gewöhnlicher Mensch, soviel stand fest. Aber es gab keine Vampire! Fast schon panisch versuchte ich mich loszureißen, doch er ließ mich nicht. Er drückte mich gegen die Tür und funkelte mich gefährlich an. Diesmal wehrte ich mich heftiger und entkam, was allerdings nur zur Folge hatte, dass er mich erneut schnappte und auf sein Bett warf. Sofort drückte er mich nieder, strich eine Haarsträhne von mir beiseite und kam meinem Hals gefährlich nahe. Ich versuchte mich zu wehren, doch er war zu stark. Nicht einmal schreien konnte ich, meine Stimme wollte nicht. Also musste ich gezwungenermaßen zulassen, dass er mich erst auf den Mund küsste und mich schließlich in einen Zungenkuss verwickelte. Schon nach kurzer Zeit wurde mir ungewöhnlich schwindelig und ich versuchte von ihm abzulassen. Er ließ es zu und küsste nun meinen Hals um anschließend seine Zähne in mich eindringen zu lassen. Ich stöhnte kurz vor Schmerz auf und versuchte mich nicht zu bewegen, damit es nicht noch mehr wehtat. Ein paar Sekunden später hörte ich allerdings schon Darius an die Tür hämmern und er brüllte irgendetwas davon, dass er mich loslassen sollte und er mir nichts tun sollte. So genau hörte ich gar nicht hin, vielmehr versuchte ich den Schmerz zu verdrängen. Als Ash endlich von mir abließ, biss er sich kurz auf die eigene Zunge und benetzte meine Wunde damit. Was das bringen sollte wusste ich nicht, hatte aber auch nicht die Kraft etwas dagegen zu unternehmen. Wenn er tatsächlich ein Vampir war, stimmte die Version eines meiner Bücher wohl, dass der Speichel eines erregten oder hungrigen Vampirs einen Menschen schwindelig werden ließ. Doch ich verstrich den Gedanken sofort wieder. Es gab keine Vampire und ich war bei zwei völligen Freaks gelandet. Als Ash Darius schließlich die Tür öffnete, ging dieser sofort auf ihn los und griff ihn beinah an. Er brüllte ihn an, wie er das nur tun konnte und er seine Identität doch geheim halten sollte und lauter so sinnloses Zeug. Ich dagegen war wieder soweit klar, dass ich mich aufsetzen und erneut in Panik ausbrechen konnte. Während die beiden sich stritten, versuchte ich unbemerkt aus dem Zimmer zu fliehen, was natürlich nicht funktionierte.
„Dageblieben!“ befahl Ash mir und hielt mich am Handgelenk fest. Ich versuchte mich loszureißen und warf ihm Dinge an den Kopf wie, dass er bescheuert sei und es keine Vampire gäbe und wie er mich hatte beißen können. Es war gefährlich eine blutende Bisswunde am Hals zu haben! Ihm klebte sogar noch ein wenig von meinem Blut an den Lippen. Er dagegen fing erneut an zu lachen und sah mich nun doch mit einem etwas weicheren Lächeln an. „Du hast gar keine Wunde mehr. Mein Blut hat sie bereits geheilt.“ Ich starrte ihn an. Dann fragte ich wo hier ein Spiegel sei und rannte sogleich ins Badezimmer. Das war nicht möglich. Ich hatte eindeutig gespürt wie seine Zähne in meinen Hals eingedrungen waren. Mir klebte sogar noch Blut am Dekolleté, welches heruntergelaufen war. Das war definitiv echtes Blut. Mein Blut. Ich stellte mich vor den nächsten Spiegel und starrte meinen Hals an. Nichts. Da war tatsächlich keine Wunde mehr zu sehen. Nur die Reste seines getrockneten Blutes klebten noch an der Stelle, an der er mich gebissen hatte. Das durfte doch nicht wahr sein. Er war wirklich ein Vampir. Ein echter Vampir. Grinsend lehnte er sich neben mich lässig an die Wand. „Na, was hab ich gesagt? Ist doch praktisch, findest du nicht? Hey … hörst du mir überhaupt zu?“ Ich starrte immer noch mein Spiegelbild an. Dann musste ich plötzlich breit grinsen und fing an wie ein kleines Mädchen zu kreischen. Die beiden Jungs sahen mich fragend an. „Ihr seid wirklich Vampire? Wie cool ist das denn bitte?!“ Verwirrt sahen sich die Brüder an und Ash meinte beleidigt an mich gerichtet: „Das hab ich doch gesagt …“ Ich konnte es wirklich nicht fassen. Ich kannte Vampire. Echte Vampire. Wie lang hatte ich davon schon geträumt? Einem echten Vampir zu begegnen! Fröhlich umarmte ich die beiden überraschten Jungen und hüpfte in Darius' Zimmer. Ich setzte mich auf das Bett und grinste vor mich hin. Noch immer leicht verwirrt betraten die Brüder das Zimmer und musterten mich. Ash war wohl noch immer beleidigt, Darius dagegen sah eher erleichtert aus, was sich auch durch seinen nächsten Satz bestätigte. „Ich bin so froh, dass du keine Angst vor uns hast …“ Ich musste kichern. Er hatte wohl gedacht, ich würde den Kontakt zu ihnen abbrechen oder panisch kreischend die Flucht ergreifen. Dabei liebte ich Vampire doch so sehr! Außerdem musste ich mir eingestehen, dass ich die beiden inzwischen sehr lieb gewonnen hatte … Ich mochte sie wirklich. Warum genau wusste ich nicht, doch ich hatte das Gefühl ihnen vertrauen zu können. Und das wollte bei mir schon wirklich etwas heißen. Abgesehen von meiner früheren und meiner jetzigen besten Freundin hatte ich mich noch nie so schnell mit jemandem so gut angefreundet. Darius setzte sich glücklich neben mich auf sein Bett und strahlte mich an. Ash blieb weiter schlecht gelaunt im Türrahmen stehen. Faszinierend wie sich die Stimmung dieses Jungen so schnell ändern konnte. Aber ich selbst war ja auch sehr launisch. Also lächelte ich ihn nur an, woraufhin er verlegen den Kopf wegdrehte und in sein Zimmer verschwand. „Hey“ begann Darius leise. „Du wirst das doch niemandem sagen, oder? Weißt du, genaugenommen dürfen wir unsere Identität nicht preisgeben. Natürlich gibt es keinen Vampirrat oder so, der uns zur Rechenschaft ziehen würde oder dergleichen … aber andere Vampire sehen es nicht gern, wenn ein Mensch von uns erfährt.“ Ich sah ihn verständnislos an. Dann fing ich an zu lachen zu meinte gelassen: „Wer würde mir das denn bitte glauben? Und warum sollte ich das jemandem erzählen?“ Er seufzte erleichtert auf und umarmte mich zum ersten Mal richtig. Zuerst saß ich kurz erschrocken und starr da, erwiderte dann aber leicht seine Umarmung. Verwirrt über meine distanzierte Reaktion sah er mich fragend an. Ich sah schüchtern auf den Boden. Normalerweise war ich nicht so zurückhaltend, aber ich war es schlichtweg nicht gewohnt umarmt zu werden. Meine Eltern schenkten meiner jüngeren Schwester ungefähr fünfundzwanzig Stunden pro Tag Aufmerksamkeit und ich bekam den Rest. Ja, der Tag hat nur vierundzwanzig Stunden. Nur meiner besten Freundin gewährte ich es mir so nahezukommen und mich zu umarmen. Ich war so froh sie zu haben. Wenn ich jemanden wirklich liebte, bemühte ich mich auch darum in ihrer Nähe zu sein. Doch wurde ich schon so oft abgewiesen und verletzt. Jedes mal, wenn ich jemandem vertraut hatte, wurde ich wieder und wieder belogen, betrogen und verarscht. Darum mochte ich keine Nähe und hielt mich so auf Distanz gegenüber anderen. Das hatte ich laut erklärt und nachdem Darius verstanden hatte wie verletzlich ich war nahm er mich noch einmal demonstrativ in den Arm. Er drückte mich fest an sich und ich legte meinen Kopf in seine Schulter. Langsam schloss ich die Augen und versuchte seine Aufmerksamkeit zu genießen. Er roch wahnsinnig gut. Ob ich das auch tat? Man nahm seinen eigenen Geruch schließlich nicht selbst wahr und es wäre mir unendlich peinlich, wenn ich schlecht riechen würde. Doch er sagte gar nichts. Eine Weile verweilten wir in dieser Pose bis ich schließlich doch versuchte mich von ihm zu lösen. Im Gegensatz zu seinem Bruder ließ er es sofort zu und lächelte mich warm an. Ich versuchte seinem Blick stand zu halten und nicht verlegen weg zu sehen. So ungern ich es mir auch eingestehen wollte, ich mochte den Jungen. Eine weitere Ablehnung würde ich kaum ertragen. Bei dem Gedanken an meinen Zwilling, welchen ich so sehr geliebt hatte und welcher mich schließlich ebenfalls über Monate belogen und verarscht hatte, sodass ich letztendlich den Kontakt abgebrochen hatte, wurde mir beinah übel vor Hass. Darius merkte wohl meinen Stimmungswechsel und fragte, ob er irgendetwas falsch gemacht hätte. Ich schüttelte den Kopf und versuchte ihn zu beruhigen. Oder vielleicht auch eher mich selbst. Ich wusste nicht wie spät es mittlerweile war, doch draußen war es schon dunkel und ich wurde langsam wacher. Wirklich merkwürdig, dass ich als Mensch in der Nacht aktiver war als am Tag. Kein Wunder, dass ich bereits in der Grundschule als Spitznamen 'Vampir' hatte. Ich war blass, hatte eine ziemlich niedrige Temperatur und immer kalte Hände, hatte schon immer einen Fabel für Vampire gehabt und war nachtaktiv. Das einzige was noch fehlte, war, dass ich Blut trank. Bei dem Gedanken musste ich sofort wieder an Ash denken wir er mich gebissen hatte. Ich errötete komischerweise etwas und vermied Darius anzusehen. Er sollte nicht unbedingt mitbekommen woran ich dachte. Schlimm genug, dass Ashs Biss mich so angemacht hatte, dann musste das nicht auch noch sein Bruder mitbekommen, wo ich doch gerade dabei war mich besser mit ihm anzufreunden. Aber ich konnte nicht verleugnen, dass ich aufs beißen stand. Schon in einigen meiner zahlreichen Bücher fand ich das immer am erotischsten. Aber in Wirklichkeit war es sogar noch heißer als ich gedacht hatte. Zwar hatte er mich nur kurz gebissen und mir war dabei schwindelig gewesen und eigentlich hatte ich mich wehren wollen, aber der Schmerz hatte sich dennoch gut angefühlt. Wobei mir der Kuss wieder einfiel und ich auf die Frage stieß, ob der Speichel erregter oder hungriger Vampire einen tatsächlich schwindelig werden ließ. Auf meine ungewöhnliche Frage hin zog Darius zuerst die Augenbrauen hoch und bejahte dies dann. Nun stellte sich mir die Frage, ob Ash als er mich geküsst hatte erregt oder nur hungrig gewesen war. Ich beschloss ihn zu fragen. Das war vermutlich eine meiner schlechtesten Ideen, die ich je gehabt hatte, aber ich war zu neugierig um diese Frage auf mir sitzen zu lassen. So stand ich also kurz darauf vor Ashs Tür und trat nach kurzem klopfen ein. Er lungerte abermals mit Kopfhörern auf seiner Couch, welche er jedoch herausnahm als er mich sah. Immerhin ignorierte er mich nicht mehr. Ich atmete einmal tief ein und ging auf ihn zu. Natürlich ließ ich es bei einem gewissen Abstand, damit er mich nicht wieder packte.
Erwartungsvoll sah er mir in die Augen. Ich konnte mich kaum von seinem durchdringenden Blick abwenden, schaffte es aber mit Mühe doch und fragte schließlich geradeheraus. „Als du mich vorhin gebissen hast … warst du da erregt oder nur hungrig?“ Er sah mich mit großen Augen an und fing an zu lachen. Als er mich angrinste, musterte er mich noch einmal eindringend. „Und das fragst du mich einfach so?“ „Offensichtlich.“ war meine knappe Antwort. Ich war ein direkter Mensch. Wenn ich etwas wissen wollte fragte ich eben. Er streckte mir die Zunge raus und kicherte kurz. „Was wäre dir denn lieber? Möchtest du hören, dass du mich erregt hast? Oder hat dir der Kuss etwa nicht gefallen?“ Wieder grinste er mich an. Ich dagegen antwortete ernsthaft auf seine drei Fragen. „Mir wäre es am liebsten, wenn du mir die Wahrheit sagen würdest. Und ja, der Kuss hätte mir mit Sicherheit gefallen, wenn du nicht so gemein gewesen wärst.“ Ich war tatsächlich etwas beleidigt darüber, dass mein erster Kuss so grob gewesen war. Er setzte sich auf und sah mich entschuldigend an. Zumindest sollte es wohl so aussehen, doch er gab sich keine große Mühe überzeugend zu wirken. Noch einmal ließ er seinen Blick über mich schweifen. „Komm her.“ befahl er mir diesmal mit etwas weicherem Ton. Kurz zögerte ich, tat dann aber wie befohlen und war nicht allzu überrascht als ich mich kurz darauf abermals unter ihm liegend befand. Er lächelte mich weich an und flüsterte mir rau ins Ohr. „Ich war hungrig. Aber jetzt bin ich viel mehr als das …“ er beugte sich noch ein wenig weiter zu mir herunter und begann meinen Hals zu liebkosen. Ich musste mich zusammenreißen um nicht zu stöhnen. Diesen Triumph würde ich ihm nicht gönnen. Dafür war er schon zu gemein zu mir gewesen. Auch wenn das nicht böse gemeint war. Kurz hörte er auf meinen Hals zu küssen und kicherte mich von der Seite an. „Tut mir übrigens leid, dass du deinen ersten Kuss nicht richtig genießen konntest …“ säuselte er mir ins Ohr und ich wurde augenblicklich rot. Wieder fing er an zu kichern. „Ich hatte recht? Das war wirklich dein erster Kuss?“ Ja, er hatte voll ins Schwarze getroffen. Kurz darauf befand sich sein Gesicht direkt vor meinem und er schaute mich verspielt an. Er erinnerte mich wirklich an eine Katze. „Verzeih mir …“ hauchte er mir dicht an meine Lippen. „Ich mache es wieder gut.“ Und daraufhin spürte ich auch schon seine kühlen Lippen zärtlich auf meinen liegen. Er war, was sexuelle Dinge betraf, definitiv aktiver als ich, jedoch erwiderte ich seinen Kuss nach kurzer Zeit. Ich schloss die Augen und gab mich ihm hin. Er leckte mir über die Lippen und ich gewährte ihm Einlass. Sicher sah ich bereits wie eine Tomate aus, doch das war mir in dem Moment so egal. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und drückte ihn so enger an mich. Er ließ sich darauf ein und presste seinen muskulösen Oberkörper näher an meinen zarten. Unser Zungenkampf wurde immer heißer und mir wurde immer schwindeliger. Doch ich wollte nicht aufhören. Ich wollte mehr von ihm. Plötzlich kamen mir unsere Kleider wie ein Hindernis vor und ich wollte sie nur noch loswerden, um noch näher bei ihm sein zu können. Doch ich war nicht mehr in der Lage uns unserer Kleider zu entledigen. Mir wurde fast schwarz vor Augen und ich versuchte mich doch von ihm zu trennen. Er ließ es zu als er bemerkte was sein Speichel mit mir angerichtet hatte. Er ließ von mir ab und setzte sich auf. Ich hörte nur vage eine Entschuldigung und bemerkte, dass er aufstand und das Zimmer verließ. Kraftlos blieb ich einfach liegen und wartete bis er wieder kam. Als er sein Zimmer wieder betrat war ich bereits wieder so zurechnungsfähig, dass ich mich aufgesetzt hatte und ihn träge ansah. Er setzte sich neben mich und hielt mir ein Glas Wasser vor die Nase. „Trink. Dann wird es gleich besser.“ Ich nahm das Glas und trank es gierig leer. Die Wirkung des Speichels ließ allmählich nach und ich versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. „Alles wieder okay?“ fragte er mich leicht besorgt und stellte das Glas beiseite. Ich musste lächeln. „Diesmal warst du aber erregt.“ Er schmunzelte und umarmte mich von der Seite. Ich ließ es zu und war überrascht wie gut sich seine Umarmung anfühlte. Da er ein so direkter und ehrlicher Junge war, war ich mir sicher, dass er mich nicht anlügen würde. Selbst wenn er mich beleidigte, war mir das lieber, als wenn er mir etwas vorspielte. Ich lehnte mich näher an ihn und sog seinen Geruch ein. „Du riechst gut …“ waren meine ersten Worte nach einer Weile und ich war erstaunt, dass ich so verlegen klingen konnte. Ash lächelte mich müde an. „Du auch.“ Als er kurz darauf gähnte, viel mir auf, dass es bereits dämmerte. Wie lange hatten wir uns denn geküsst? Als ich wieder zu ihm sah, gähnte er noch einmal herzhaft und ich musste unwillkürlich lächeln. Er war so zahm richtig niedlich. Wenn man einen so großen, muskulösen und groben Jungen niedlich nennen konnte. Als er aufstand, nahm er meine Hand und zog mich abermals mit in sein Bett. Er hielt das wohl für selbstverständlich, dass ich mit ihm in einem Bett schlief. Wobei er vermutlich schon wieder vergessen hatte, dass ich tagsüber nicht schlief und in ein paar Stunden Zuhause sein musste. Er zog mich an sich und kuschelte sich dich an mich. Die Augen hatte er bereits geschlossen und schnurrte mich noch einmal an als ich seufzte. Er wusste, dass ich bei ihm bleiben würde, da ich ohnehin keine Chance hatte mich von ihm zu befreien. Zufrieden lächelte er und schlief mich im Arm haltend ein. Da auch ich erschöpft war schloss ich ebenfalls meine Augen und versuchte mich ein bisschen zu entspannen. Schlafen konnte ich nicht, also schmiegte ich mich näher an ihn und war erstaunt, dass ich seine Nähe so sehr liebte. Nein, es war nicht nur seine Nähe. Er selbst verzauberte mich vollkommen. Seine grobe und doch so zahme Art ließen mein Herz schneller schlagen und sein Lächeln war einfach atemberaubend schön. Ich streifte durch seine schwarzen Haare und dachte, dass sie sich tatsächlich wie die einer Katze anfühlten. Ganz weich und zart. Auch wenn seine Augen geschlossen waren faszinierte mich allein der Gedanke an dieses gefährliche Eisblau und mir lief ein Schauer den Rücken hinunter. Ich musste mir wohl eingestehen, dass ich mich ein wenig in ihn verliebt hatte. Dabei hatte ich mir doch gesagt nicht mehr so schnell etwas Derartiges für jemanden zu empfinden. Letztendlich siegte meine Müdigkeit doch und ich schlief mich an ihn kuschelnd ein.

Irgendetwas schüttelte mich leicht. Ich knurrte und schlug widerwillig die Augen auf. Es war so hell und ich brauchte einen Moment um ganz wach zu werden. Ash schlief nach wie vor neben mir und sein Bruder stand neben seinem Bett und sah mich an. Ich war zu müde um zu erschrecken oder mir Gedanken darüber zu machen, dass er mich mit seinem Bruder liegend im Bett gefunden hatte. So ließ ich mich müde von ihm aus dem Bett und die Treppe hinunter ziehen. Erst unten angekommen sah er mich vorwurfsvoll an und brach unser Schweigen. „Es freut mich ja sehr, dass du dich so gut mit meinem Bruder verstehst. Aber du könntest wenigstens ein bisschen auf die Zeit achten. Ich hatte nämlich auch schon geschlafen und wurde durch deinen Vater geweckt, welcher dich eigentlich vor einer halben Stunde abholen wollte.“ Entschuldigend sah ich ihn an. Wenn ich schlief, bekam ich nichts mit. Man könnte mit einer Trompete durchs Zimmer laufen, ich würde es nicht hören. „Jedenfalls habe ich ihm freundlicherweise erklärt, dass mein Bruder mit dir unbedingt noch in die Stadt wollte und sich ein wenig umsehen, da wir noch nicht allzu lange hier wohnen und uns noch nicht so auskennen. Du sollst dich melden, wenn du abgeholt werden willst.“ Ich bedankte mich leise und entschuldigte mich noch einmal. Er lächelte mich an und nahm mich in den Arm. Diesmal ließ ich es zu und erwiderte die Umarmung sogar. Ich rief meinen Vater an und meinte, dass ich meine Sightseeingtour beendet hatte und dass er mich abholen könnte. Darius ging daraufhin wieder in sein Zimmer und legte sich wieder schlafen. Glücklicherweise erwähnte er seinen Bruder nicht noch einmal und ich wartete alleine draußen und war froh ein wenig an der frischen Luft zu sein. Ich dachte noch einmal über die letzte Nacht und den Kuss nach und überlegte mir, ob das richtig gewesen war. Unsicher sah ich auf den Boden. Ich war mir nicht sicher, ob ich schon wieder bereit für eine solche Beziehung war. Zwar hatte ich noch nie einen Freund gehabt, wurde aber schon zur Genüge von meinen Freunden verarscht. Ob ich so eine Ablehnung noch einmal wegstecken konnte, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass ich mich in Ash verliebt hatte und fühlte mich dabei schrecklich. Darius gegenüber fühlte ich mich irgendwie schuldig und mir selbst war ich auch nicht im Klaren darüber, ob ich wirklich schon eine Beziehung wollte. Im übrigen wusste ich nicht einmal wie Ash eigentlich über die ganze Sache dachte. Vielleicht sah er das ja nur als heiße Affäre oder mich als Spielzeug an. Ich versuchte den abscheulichen Gedanken zu verdrängen, dass er mich nicht lieben würde und winkte meinem Vater zu, als dieser vorfuhr.

Kapitel 3 – Die dritte Nacht

Da am nächsten Tag wieder Schule war, versuchte ich diese Nacht meinen Schlafrhythmus wieder einigermaßen herzustellen. Natürlich gelang es mir kaum und so tapste ich mittwochs müde die Treppe zu meinem Klassenzimmer hoch und fluchte innerlich über die Schulleitung dafür, dass sie uns ein Klassenzimmer im vierten Stock verpasst hatten. Wenn man hier zweimal pro Tag hoch laufen musste, hatte man seine tägliche Ration Sport bereits erfüllt. Oben angekommen wartete meine Klasse bereits vor unserem noch abgeschlossenen Klassenzimmer und ich ging sie ignorierend hindurch zu unserer Parallelklasse und setzte mich neben meine beste Freundin, die mich fröhlich begrüßte. Ich dagegen war so müde, dass ich nur gähnte und mich an sie lehnte. Sie war das von mir gewohnt und ließ mich ein wenig auf ihrer Schulter dösen. Als mein Lehrer um die Ecke kam, knurrte ich und stand widerwillig auf. Ich umarmte meine Freundin noch einmal herzhaft und trottete dann meiner Klasse nach in unser Klassenzimmer. Mein Platz war ganz vorne, direkt vor dem Lehrer und Darius saß zwei Plätze links von mir. Er lächelte mich an und ich nickte kurz müde. Unser Lehrer stellte sich vor unsere Klasse und versuchte uns irgendwelches Zeug zu erklären. Eigentlich hörte ich überhaupt nicht zu. Wir hatten nur noch eine Woche Schule und die Noten waren längst gemacht. Ich kam nur noch in die Schule damit ich mein Zeugnis nächsten Mittwoch bekam.

Als der Unterricht endlich zu Ende war, war ich erstmals an diesem Schultag wieder hellwach und sauste die Treppe hinunter und aus dem Schulgebäude hinaus. Unten wartete ich auf meinen Vater und war nicht überrascht als Darius sich wieder zu mir gesellte. „Gehst du mir aus dem Weg?“ fragte er mich traurig und sah mich an. Ich musste trübe lächeln und beruhigte ihn damit, dass ich in der Schule immer schlechte Laune hatte und ihn keineswegs ignorieren würde. Sofort bekam er wieder seinen üblichen fröhlichen Gesichtsausdruck und grinste vor sich hin. Ein paar Minuten warteten wir, bis ich einen Anruf von meinem Vater erhielt, dass etwas Wichtiges dazwischen gekommen wäre und ob ich mit dem Bus fahren konnte. Ich rümpfte die Nase, bejahte dennoch. Es war so furchtbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Man ist zwischen lauter Vollidioten eingequetscht und muss sich die nervigen Gespräche der anderen anhören. Außerdem dauerte es so länger, bis ich Zuhause war und etwas zu essen bekam. Als ich das Gesicht verzog, fragte Darius mich was los sei und als ich es ihm erklärte, lächelte er mich an und bot mir an, dass er mich nach Hause fahren konnte. Oder dass ich mit zu ihm nach Hause kam. Zweiteres war weniger ein Angebot, sondern vielmehr eine Bitte. Also schrieb ich meinem Vater schnell eine SMS, dass ich nicht nach Hause kommen, sondern zu Darius gehen würde und wurde von dem auch schon ins Auto gezogen. Erst da viel mir auf, dass er selbst fuhr. Ich fragte ihn warum er mit mir gewartet hatte, wenn er doch selbst mit dem Auto hier war und er meinte, dass er hatte höflich sein wollen und so noch etwas Zeit mit mir verbringen konnte. Er grinste mich breit an. „Außerdem hat es sich doch gelohnt zu warten. So kann ich dich jetzt mit mir nach Hause nehmen. Hätte ich nicht gewartet, wärst du mit dem Bus zu dir gefahren und ich hätte dich erst morgen wieder gesehen.“ Zufrieden fuhr er los und ich lehnte mich ergeben in den Sitz. Er fuhr recht schnell, aber sicher. Ab und zu hatte ich ein mulmiges Gefühl im Magen und hoffte, dass er keinen Unfall bauen würde. Ein Lamborghini war zwar wirklich ein tolles Auto, aber meiner Meinung nach doch ein wenig zu schnell. Darius musste auf meinen leidenden Blick hin lachen. „Keine Sorge. Ich fahre schon lange genug und bin durchaus sicher was den Straßenverkehr angeht.“ Mir allerdings fiel ein, dass er ja erst achtzehn war. Wie lange konnte er also schon fahren? Daraufhin wurde mir bewusst, dass er ja ein Vampir war. Ich hatte keine Ahnung wie alt er in Wirklichkeit war bzw. wie lange er schon achtzehn war und ob er es überhaupt war oder sich nur im Moment als Jugendlicher ausgab. Lange darüber rätseln konnte ich allerdings nicht, da wir bereits angekommen waren und ich mit etwas wackeligen Beinen, aber dennoch heilfroh aus dem Auto stieg. Darius stützte mich kichernd und führte mich in ihre Villa.

Drinnen angekommen kam ich allerdings nicht dazu mich auszuruhen, denn ich wurde gleich ins Esszimmer geschleift. Als Ash mich sah, war er erst kurz überrascht, grinste mich dann jedoch an und deckte für mich auch noch. Auch Ash musste wohl schon älter als neunzehn sein, denn er hatte seine Kochkünste wirklich perfektioniert und ich war immer noch hin und weg über diese Fähigkeit. Ich selbst konnte kein Stück kochen. Eher würde ich die Küche in Brand stecken als dass ich etwas Vernünftiges zu essen auf den Tisch bekam. Ich sollte mir definitiv einen Freund suchen, der kochen konnte. Die Frage nach ihrem wahren Alter beschäftigte mich allerdings auch während des Essens noch. Ich würde sie später fragen. Doch noch eine andere Frage kam mir währenddessen in den Sinn. Zwar aßen sie in meiner Gegenwart wie ganz normale Menschen, jedoch waren sie Vampire. Mussten sie sich also nicht von Blut ernähren? Als wir mit essen fertig waren, zog Darius mich sofort in sein Zimmer, da er wohl nicht wollte, dass ich noch länger in Gegenwart seines Bruders blieb. Verständlich. Nachdem er mich letztens mit ihm in einem Bett gefunden hatte, konnte ich seine Eifersucht verstehen.

Als es Abend wurde, überredete Darius mich noch einmal hier zu übernachten und er rief selbstständig bei meinen Eltern an und versicherte ihnen, dass ich morgen pünktlich in der Schule wäre. Bei dem Gedanken an die Schule graute es mir bereits. Wenn diese Nacht wie die vorherigen werden würde, war ich mir nicht so sicher, dass ich morgen früh bereit für die Schule war. Ich ließ es darauf ankommen. Darius und ich unterhielten uns noch ein wenig bis mir meine beiden Fragen wieder einfielen. Ich sah ihn kurz zögernd an. „Sag mal … ihr seid doch Vampire“ begann ich mit der schwereren Frage. „Müsstet ihr dann nicht Blut trinken? Bisher hab ich euch nur normal essen gesehen.“ Ich vermied seinen Blick, doch spürte wie er mich anstarrte. Kurz überlegte er und antwortete schließlich: „Ja. Wir müssen Blut trinken. Allerdings können wir uns nebenher auch ganz normal von Menschennahrung ernähren. Und da mein Bruder so Spaß am Kochen hat, essen wir eben auch ganz normal wie Menschen. Jedoch sind wir nicht darauf angewiesen. Blut würde uns vollkommen reichen. Und auf deine nächste Frage hin: Nein, wir töten keine Menschen oder so. Es gibt eine spezielle Blutbank für Vampire, wovon wir unser Essen beziehen. Alles ganz harmlos. Natürlich könnten wir uns auch direkt von Menschen bedienen, tun das allerdings sehr selten. Zum einen wegen der Gefahr enttarnt zu werden, zum anderen weil das Beißen und Blut-trinken für uns eine viel größere Bedeutung hat wie du dir vielleicht vorstellen kannst …“ Er senkte seinen Blick leicht und wurde immer leiser. Ich versuchte die Informationen zu verarbeiten. Sie tranken also nicht von Menschen, gut. Aber was meinte er mit dieser großen Bedeutung? Er sah meinen fragenden Blick und lächelte sanft. „Wenn wir jemanden beißen … du weißt nicht was das für ein Gefühl ist. Wir empfinden dabei mehr als nur Hunger oder Gier nach Blut. Es ist eine Art Liebesbeweis für uns … Es erregt uns und wir fühlen uns mit der Person mehr verbunden als du dir vorstellen kannst. Natürlich können wir Menschen auch einfach nur so beißen, wenn wir hungrig sind. Aber sobald wir unsere Zähne in jemanden haben eindringen lassen, stehen wir kurz vor der Ekstase und es ist sehr schwer wieder aufzuhören. Besonders, wenn man etwas für die Person empfindet, die man beißt. Deswegen habe ich meinen Bruder auch so angeschrien als er dich gebissen hat. Ich hatte Angst, dass er dir etwas antun könnte …“ Mittlerweile hatte er mich in den Arm genommen und drückte mich fest an sich. Ich hatte aufmerksam zugehört und lächelte ihn nun an. Es freute mich, dass er sich so Sorgen um mich machte. Kurz saßen wir noch so da, bis ich meine zweite Frage losließ. „Wie alt seid ihr beiden eigentlich in Wirklichkeit?“ Er grinste mich an und ich war froh ihn wieder fröhlich zu sehen. Kurz tat er so als müsste er überlegen. „Wir sind tatsächlich Brüder. Er wurde vor mir zum Vampir und hat mich kurz darauf auch zu einem gemacht. Ich wurde 1868 geboren, mein Bruder ein Jahr vor mir. Zwanzig Jahre nach meiner Geburt wurde Ash von einem Vampir entführt und gebissen. Er hat ihn beinah umgebracht und ihn nach einigen Tagen des Leidens schließlich zum Vampir gemacht. Daraufhin hat mein Bruder seinen Erschaffer getötet und ist zurück gekommen um mich auch zu einem Vampir zu machen, da er den Gedanken nicht ertragen konnte ohne mich ewig zu leben. Das hat er mir damals zumindest so gesagt. Jedenfalls … Ash war bei seiner Verwandlung einundzwanzig gewesen, ich war zwanzig. Also bin ich mittlerweile einhundertsiebenundvierzig Jahre alt.“ Ich sah ihn mit großen Augen an, hatte so etwas allerdings schon vermutet, da sein Bruder ja einige viktorianische Möbel in seinem Zimmer stehen hatte, war ich davon ausgegangen, dass sie etwa in dieser Zeit geboren wurden. Unschlüssig wie ich auf diese Information reagieren sollte, legte ich mich also einfach auf sein Bett und starrte die weiße Decke an. Ich kannte die beiden genaugenommen erst seit ein paar Tagen, es kam mir jedoch viel länger vor. Trotz allem war ich froh ihnen begegnet zu sein, denn ich konnte mir schon nach so kurzer Zeit ein Leben ohne die beiden nicht mehr vorstellen. Dann würde ich wieder alleine in dieser langweiligen 0815-gesellschaft sitzen. Bisher hatte ich noch nicht wirklich etwas mit den beiden unternommen, aber ich stellte mir ein Leben mit den beiden unglaublich interessant vor. Über die Jahre hatten sie sich ein ziemliches Vermögen angeeignet wie ich mitbekommen hatte und sie reisten wohl auch häufig in verschiedene Länder. Ursprünglich kamen die beiden wohl aus Frankreich, mussten aber alle paar Jahre umziehen, da es sonst auffallen würde, dass sie nicht altern. Ich hatte mir schon überlegt wie es wohl wäre, wenn die beiden in ein paar Jahren wegziehen würden und hatte mir schon ernsthaft Gedanken darüber gemacht mich auch einfach zu einem Vampir verwandeln zu lassen. So könnte ich bei ihnen bleiben und außerdem wollte ich schon immer ein Vampir sein. Trotzdem wartete ich erst einmal noch mit dieser Frage, bis ich mir sicher war, dass ich auch wirklich bei ihnen bleiben wollte. Nach so kurzer Zeit konnte ich sie ja noch nicht wirklich gut einschätzen.

Es war mittlerweile Nacht geworden und Darius und ich saßen unten im Wohnzimmer und sahen uns einen Film an. So sehr auf den Film achtete ich allerdings gar nicht. Vielmehr beobachtete ich Darius und sah ihn mir genauer an. Seinem Bruder war ich ja schon oft genug sehr nah gewesen, ihn jedoch hatte ich mir noch nie richtig angesehen. Er sah wahnsinnig schön aus wie mir erstmals auffiel. Seinem Bruder recht ähnlich, besonders wegen der schwarzen Haare und der eisblauen Augen. Ihr blasser Teint passte wunderbar zu den beiden und ihr Lächeln ließ sie geradezu erstrahlen. Mir war gar nicht bewusst gewesen wie hübsch die beiden eigentlich waren. Eigentlich hatte ich mich bisher eher auf ihren Charakter konzentriert um sie besser einschätzen zu können. Doch jetzt, wo ich neben Darius saß und ihn mir richtig ansah, wurde ich allein von seinem Anblick rot. Er hatte meinen Blick irgendwann bemerkt und sah mich fragend an. Seine Augen leuchteten geradezu und das erinnerte mich daran wie Ashs Augen sich einmal kurz weinrot gefärbt hatten. Ob das bei allen Vampiren so war oder ob jeder eine andere Farbe hatte? Neugierig sah ich Darius in die Augen. „Zu welcher Farbe können sich deine Augen färben? Ash hatte mal kurz rote Augen. Deine auch?“ Er lächelte mich an und ließ seine Augen rot funkeln. Sofort wurden meine Wangen heiß und ich konnte meinen Blick kaum abwenden. Erst als seine Augenfarbe wieder dem gewöhnlichen Eisblau wich, kehrte mein Verstand wieder. Er entschuldigte sich und meinte, dass das eine hypnotische Wirkung auf Menschen hatte. Wenn ein Vampir wollte, dass ein Mensch ihm gehorchte, ließ er sie rot aufblitzen um seinen Willen zu bekommen. Ash wollte also nur seinen Willen haben als er mich hatte beißen wollen. Aber ich hatte ihm vor Panik nur kurz in die Augen gesehen und somit nicht die volle hypnotische Wirkung abbekommen. Einerseits machte es mich ein wenig traurig, dass er mich extra hatte hypnotisieren wollen nur um mich beißen zu können. Anderseits war er vielleicht auch einfach nur wütend oder zu verspielt gewesen und auf eine merkwürdige Art fand ich es sogar toll, dass er mich zu etwas zwingen wollte. Immerhin einer Sache war ich mir völlig im Klaren. Ich sollte definitiv meine Vorlieben überdenken.

 

Nachdem der Film zu Ende war, gingen wir wieder nach oben. Darius ging in sein Zimmer und ich gab vor noch zur Toilette zu müssen. In Wirklichkeit wollte ich zu seinem Bruder. Aber da ich davon ausging, dass Darius mich davon abhalten würde, sagte ich es ihm nicht. So stand ich also kurz darauf vor seinem Zimmer und klopfte leise an, damit Darius es nicht hörte. Ich trat leise ein und schloss die Tür hinter mir. Ehe ich mich umdrehen konnte, spürte ich schon wie Ash seine starken Arme von hinten um mich schloss. Er legte seinen Kopf auf meiner Schulter nieder und küsste zärtlich meinen Nacken. Ich musste unwillkürlich lächeln und drehte mich zu ihm um. Er sah mir in die Augen und grinste mich an. „Ich dachte schon er lässt dich nie mehr zu mir.“ Ich kicherte leise. „Er weiß auch nicht, dass ich hier bin. Also sei leise.“ Ash zog mich hinter sich her und schob mich vor sein CD-Regal. „Such dir eine raus.“ Er wusste, dass wir denselben Musikgeschmack hatten und so viel es mir leicht eine Entscheidung zu treffen. Ich zog Yohios Album 'Break the Border' hervor und er legte die CD ein. Während 'My murderous urge' lief, gesellte ich mich zu ihm auf sein Bett, diesmal nicht auf seine Couch. Immerhin wollte er mit Sicherheit nicht schlafen, da es mitten in der Nacht war, so musste ich also diesmal nicht sein Kuscheltier spielen. Dass ich morgen früh Schule hatte, hatte ich längst verdrängt und machte ohne schlechtes Gewissen die Nacht durch. Ich fragte mich wie lange Darius wohl in dem Glauben blieb, dass ich nur ins Bad gegangen war. Früher oder später würde er nach mir suchen und mit Sicherheit hier anfangen. Doch ich dachte nicht weiter darüber nach und ließ mich von Ash auf seinen Schoß ziehen. Er umarmte mich und ließ letztendlich seine Hände an meiner Taille verweilen, während er mir durchdringend in die Augen sah. Ich konnte nicht anders und musste ihn einfach weiter anstarren. Seine Augen hatten auch ohne ihr hypnotisches weinrot etwas Verführerisches an sich. „Du hast wahnsinnig schöne Augen …“ flüsterte ich und bereute es sofort wieder ihm ein Kompliment gemacht zu haben. Er sah das wohl als Einladung an und Sekunden später fand ich mich wieder unter ihm liegend vor. In seinem Bett jedoch war es wesentlich gemütlicher als auf der weißen Couch. Ich hätte mir wohl ganz andere Sorgen machen sollen als darüber, welches Möbelstück bequemer war. Er kam meinem Gesicht immer näher, wobei er seinen Blick nicht von meinen Augen abwandte. Auch ich konnte nicht anders als einfach liegen zu bleiben und es geschehen zu lassen. Abermals spürte ich seine kühlen Lippen auf meinen liegen und erwiderte den Kuss sofort. Mir war es egal, ob er das nur als Affäre oder Spiel ansah. Ich wollte ihn. Mehr als ich jemals zuvor etwas begehrte wollte ich, dass er mich weiter küsste. Es blieb diesmal bei einem trockenen Kuss, sodass ich nicht in Berührung mit seinem Speichel kam. Er wollte es wohl noch eine Weile hinauszögern, was mir allerdings nur recht war. Ich schlang meine Arme um seinen Körper und drückte ihn enger an mich. Er ging darauf ein und fing an meinen Hals hinunter zu küssen bis er an meinem T-Shirt angekommen war. Fast ungeduldig knöpfte er die beiden oberen Knöpfe auf um freien Blick auf mein Dekolleté zu haben. Sofort führte er seine Liebkosung fort und küsste mich bis herunter zu meinen Brüsten. Peinlich berührt versuchte ich wegzusehen um kurz darauf ein Kichern seinerseits zu erobern. „Du bist wirklich in jeder Hinsicht eine Jungfrau, nicht wahr?“ Etwas empört schnaubte ich und erheiterte ihn somit nur noch mehr. Allerdings kam mir dabei etwas ganz anderes in den Sinn. Ich hatte noch nie darüber nachgedacht, dass er schon Sex gehabt hatte. Aber natürlich hatte er das. Er war einhundertachtundvierzig Jahre alt. Wie hatte ich auch nur denken können, dass er seine Unschuld noch nicht verloren hatte. Der Gedanke daran, dass er bereits mit Frauen geschlafen hatte als ich noch gar nicht geboren worden war, machte mich unglaublich eifersüchtig. Ich war nur eine von vielen. Und er sah das ganze nur als Spiel an, er empfand nicht dasselbe für mich wie ich für ihn. Natürlich nicht. Wie hatte ich nur so naiv sein können. Traurig wandte ich mich von ihm ab, bevor er noch mehr tat als mich nur zu küssen. Ich wollte meine Jungfräulichkeit nicht an jemandem verlieren, der mich nicht wirklich liebte. Verwirrt über meine Reaktion hielt er mich am Handgelenk zurück und sah mich fragend an. „War ich zu schnell?“ Sein Blick sah fast so aus, als ob es ihm tatsächlich leid tat. Ich machte mich von ihm los und knöpfte mein Shirt wieder zu. Als ich aufstand und Richtung Tür ging, drehte ich mich noch einmal kurz zu ihm um. Er saß noch immer auf seinem Bett und wartete auf eine Antwort. Ich seufzte und legte meine Hand bereits auf den Türgriff. „Nein, es ist nur …“ Ich war mir nicht sicher wie ich den Satz vollenden sollte. Sollte ich ihm einfach sagen, dass ich eifersüchtig war, weil er schon mit anderen Frauen geschlafen hatte? Wohl kaum. Also ließ ich den Satz offen und verließ sein Zimmer.

 

Seufzend ließ ich mich auf Darius' Bett fallen, welcher mich mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. „Und du warst nur kurz im Bad?“ Sein Unglaube war nicht zu überhören. Ich sagte allerdings nichts dazu. Vielmehr beschäftigte mich etwas ganz anderes. „Hey“ fing ich zaghaft an. „Ihr seid ja mit Sicherheit beide keine … Jungfrauen mehr, nicht wahr?“ Erstaunt sah er mich an und nickte dann. Ich sah wieder an die Decke. „Mit wie vielen … Frauen habt ihr beide denn schon geschlafen?“ Mir war diese Frage so unangenehm, dass ich sicher rot wurde als ich sie aussprach. Darius setzte sich neben mich und sah mich an. „Darf ich fragen warum dich plötzlich unser Sexualleben so interessiert?“ Seinen direkten Blick vermeidend, zuckte ich einfach mit den Schultern und setzte mich auf. Er seufzte und legte seine Hand auf meine. Sie fühlte sich kühl an, aber ich hatte schon gemerkt, dass die beiden generell eine sehr niedrige Körpertemperatur besaßen. „Also was mich betrifft“ begann er zaghaft. „Ich habe so ungefähr mit … etwa zwanzig Mädchen geschlafen. Alles Menschen. Als ich selbst noch ein Mensch war, war ich sogar noch Jungfrau mit zwanzig Jahren …“ Er verzog das Gesicht als wäre das etwas Schlimmes. „Jedenfalls … als ich zum Vampir wurde, war eben alles so neu. Ich war als Mensch nicht unattraktiv, doch als Vampir sind mir die Mädchen förmlich hinterhergerannt. Als junger Vampir hatte ich meine neugewonnene Beliebtheit eben ausgenutzt … aber mit der Zeit hat sich das gelegt und ich hatte mittlerweile schon eine ganze Zeit lang keinen Sex mehr. Bestimmt schon ein paar Jahrzehnte. Irgendwann kam eben der Zeitpunkt an dem ich mir gesagt habe, dass ich auf die richtige warte.“ Er sah mich lächelnd an und auch ich musste kurz lächeln. Als er fortfuhr, horchte ich wieder auf. „Soweit ich das bei meinem Bruder mitbekommen habe … hat er glaube ich in etwa mit genauso vielen Mädchen geschlafen. Vielleicht ein bis zwei mehr oder weniger. Auch er hat allerdings schon eine ganze Weile mit keiner mehr geschlafen. Er meinte mal, dass er es satt hat, dass die Mädchen ihn nur so anhimmeln, weil er als Vampir verführerischer auf sie wirkte. Er mag oberflächliche Menschen einfach nicht. Aber warum interessiert dich das eigentlich? Hast du vor mit einem von uns zu schlafen?“ Er grinste mich herausfordernd an. Ich dagegen sah beschämt weg. Er konnte ja nicht wissen, dass ich das tatsächlich in Betracht gezogen hatte. Er lachte auf meine schüchterne Reaktion und ich wurde noch ein wenig roter. Als er mich in den Arm nahm, konnte ich allerdings nicht anders und musste auch lachen. Er sah mich neckisch an. „Du bist noch Jungfrau, richtig?“ Ich stöhnte kurz auf. „Ist das so offensichtlich?“ Er lachte wieder und nickte dann. „Hast du schon mal jemanden geküsst?“ war seine nächste Frage und ich sah ihn peinlich berührt an. Als ich vorsichtig nickte und hoffte, dass er nicht fragen würde wen ich geküsst hatte, lächelte er wieder. „Schade.“ war seine Reaktion darauf. Mich verwirrte das eher. Er kicherte und kam meinem Gesicht näher. „Ich wäre gerne der erste gewesen.“ grinste er mich an und ich spürte wie sich meine Wangen abermals rot färbten. Schon kurz darauf spürte ich seine Lippen auf meinen liegen. Ich war erst kurz erstarrt, erwiderte den Kuss dann zaghaft. Es war vermutlich nicht richtig ihn zu küssen und sollten die beiden Brüder je herausfinden, dass ich den jeweils anderen geküsst hatte, würden sie wieder anfangen zu streiten. So löste ich mich nach kurzer Zeit wieder von ihm und sah auf seine Bettdecke. Er hob leicht mein Kinn an um mir in die Augen sehen zu können. Noch einmal küsste er mich und ließ diesmal nicht zu, dass ich von ihm abließ. Er drückte mich sanft auf sein Bett und legte sich so auf mich, dass ich mich nicht wehren konnte. So sehr es mir auch gefiel, es war nicht richtig. Ich wollte nicht mit zwei Jungen, noch dazu Brüder, eine solche Beziehung führen. Schlimm genug, dass mich bereits einer der beiden so verwirrte, da durfte ich nicht auch noch für den anderen Gefühle entwickeln. Wieder versuchte ich mit etwas mehr Nachdruck von ihm abzulassen, doch er ließ mich nicht. Kurz brach er den Kuss ab um mir erregt ins Ohr zu flüstern. „Verzeih mir … ich hab mich so lange zurückgehalten. Ich kann mich nicht mehr von dir fernhalten.“ Daraufhin begann er meinen Hals zu küssen und leckte über eine Stelle, um sie somit mit seinem Speichel zu benetzen. Ich war mir nicht sicher was er vorhatte, doch ich durfte das nicht zulassen. Er hatte schon zu viel getan. Darius war noch der Zurückhaltende der beiden. Wenn Ash uns so finden würde, würde er sofort auf seinen Bruder losgehen. Ich versuchte also ihn von mir zu schieben, jedoch erfolglos. Er war viel zu stark. Auch wollte meine Stimme nicht als ich ihm sagen wollte, dass er mich loslassen sollte. Ergeben blieb ich also liegen und spürte kurz darauf einen leichten Schmerz an meinem Hals. Er hatte mich gebissen. Es tat nicht so sehr weh wie bei Ash, wahrscheinlich hatte sein Speichel auf hierbei eine betäubende Wirkung. Es fühlte sich sogar gut an wie er mich biss und mein Blut saugte. Es erregte nicht nur ihn, sondern auch mich. Ich stöhnte auf, jedoch nicht vor Schmerz. Mir war klar, dass Ash wie Darius damals mein Blut riechen und uns vermutlich gleich so vorfinden würde, konnte jedoch auch nichts dagegen tun, sodass ich mitansehen musste, wie Ash kurz darauf wütend in der Tür erschien und seinen Bruder von mir herunterriss. Ich wollte dazwischen gehen, konnte mich aber nicht viel bewegen. Entweder hatte er zu viel von mir getrunken oder sein Speichel verfehlte seine Wirkung nicht. So war ich gezwungen zuzusehen, wie Ash seinen jüngeren Bruder schlug und sie sich gegenseitig anschrien. „Wie kannst du mir das antun?! Sie gehört mir, kapiert?“ Darius brüllte ihn daraufhin an, dass ich niemandem gehören würde, womit er genaugenommen ja auch recht hatte. Des Weiteren beleidigten sie sich und fingen an sich zu prügeln. Anders hatte ich es auch nicht erwartet und fühlte mich schlecht dabei nichts unternehmen zu können. Mir wurde schwarz vor Augen und ich verlor das Bewusstsein.

Als ich aufwachte, befand ich mich in einem dunklen Zimmer. Es war Ashs Zimmer und dieser saß neben mir auf seinem Bett und sah mich an. Seinen Gesichtsausdruck konnte ich nicht genau deuten, dazu war ich noch zu benommen. Als ich schließlich wieder ganz bei Besinnung war, setzte ich mich auf und atmete tief durch. „Wieso hast du zugelassen, dass er dich beißt?“ warf er mir zuerst vor. Ich fand es unfair, dass er mir gleich so etwas vorwarf, wo ich doch gerade erst aufgewacht war, beklagte mich aber auch nicht. Stadtessen entschuldigte ich mich leise, warum wusste ich gar nicht genau. Schließlich hatte mir niemand verboten mich von jemandem anderen als Ash beißen zu lassen. Er verstand wohl was mich störte und sah mich unverwandt an. „Ich hab es dir doch schon gesagt.“ Ich verstand nicht was er meinte und sah ihn fragend an. Er lächelte. „Ich hab dir gesagt, dass ich will, dass du mir gehörst. Ich will, dass du mir alles von dir gibst. Dein Körper, deine Liebe, dein ganzes Wesen, deine Lippen und dein Blut.“ zitierte er sich. Das war es also. Mein Blut. Das hatte ich das letzte Mal nicht verstanden gehabt. Da hatte ich allerdings auch noch nicht gewusst, dass die beiden Vampire waren, deswegen hatte er es vermutlich so leise gesagt. Ich beugte mich zu ihm und umarmte ihn. „Es tut mir leid …“ flüsterte ich an seine Schulter und meinte es auch so. Er schlang seine Arme um mich und setzte mich auf seinen Schoß. „Küss mich.“ befahl er. Ich wurde leicht rot und sah ihn mit großen Augen an. „Beweis mir, dass es dir wirklich leid tut und küss mich.“ So ernst hatte ich ihn noch nie gesehen. Sonst war er immer entweder beleidigt, wütend oder wie so oft verspielt gewesen. Doch es war ihm wohl wirklich ernst und auch, wenn es mir ein wenig peinlich war, da ich was das anging etwas schüchtern war, befolgte ich seinen Befehl und legte meine Lippen vorsichtig auf seine. Er erwiderte den Kuss sofort und presste mich an sich. Es blieb bei einem nicht allzu langen, trockenen Kuss und danach sah er mich wieder weicher und sichtlich zufrieden an. Als mich ein Sonnenstrahl blendete und Ash gähnte, wurde mir klar, wie spät bzw. wie früh es bereits geworden war. Er legte sich in sein Bett und zog mich so mit sich, da ich noch immer auf ihm gesessen hatte. Müde kuschelte er sich an mich, doch ich protestierte sofort und meinte, dass ich heute noch in die Schule musste. Er lächelte daraufhin. „Musst du nicht. Als du ohnmächtig warst hat Darius ein schlechtes Gewissen bekommen und bei der Schule und deinen Eltern angerufen, dass du dich nicht wohl fühlst und heute hier bleibst. Er ist übrigens schon vor einer halben Stunde in die Schule gegangen und meinte ich sollte auf dich aufpassen.“ Er drückte mich noch enger an sich. „Ich hätte dich heute ohnehin nicht mit ihm alleine gelassen.“ murmelte er noch vor sich hin und schlief dann ein. Nach dieser langen Nacht hatte auch ich ein wenig Erholung nötig, also versuchte ich auch ein wenig zu schlafen.

Ich wurde durch einen leichten Kuss geweckt und schlug langsam die Augen auf. Als ich direkt in zwei eisblaue Augen blickte, war ich sofort hellwach. Bisher hatte ich noch nichts großartig mit den beiden unternommen und war im Grunde nur hier gewesen und hatte mit beiden herumgeknutscht. Trotzdem fühlte es sich wie ein riesiges Abenteuer an. „Essen ist fertig.“ hauchte er mir auf die Lippen. Während des Essens ignorierte Darius mich und als wir fertig waren, zog Ash mich beinah verliebt hinter sich her in sein Zimmer. Dort angekommen ließ er sich auf sein Bett fallen und zeigte mir mit einer Geste, dass ich zu ihm kommen sollte. Ich tat wie mir befohlen und setzte mich auf ihn. Er lag unter mir und grinste mich lüstern an. Richtig niedlich, aber auch gefährlich. Er zog mich zu sich herunter und küsste mich auf den Mund. Allerdings nur kurz und sah mich danach herausfordernd an. „Ich glaub ich geh duschen. Kommst du mit?“ Mir schoss das Blut in die Wangen und ich setzte mich wieder auf. Tatsächlich könnte ich jetzt eine Dusche ganz gut gebrauchen. Aber ich würde mich ihm bestimmt nicht freiwillig nackt zeigen. Er kicherte und stand auf. Ich saß noch immer auf seinem Bett und war unschlüssig was ich sagen sollte. Er zog mich auf die Beine und schlang seinen einen Arm um meine Hüfte. „Komm mit, ja?“ säuselte er mir vor. Da kam mir eine Idee. Ich lächelte ihn an. „Okay. Geh schon mal vor, ja? Ich komm gleich.“ Offenbar verwirrt über meine Reaktion, dennoch begeistert verließ er sein Zimmer Richtung Bad. Gut. Er wollte mit mir duschen? Er würde mit mir duschen. Aber nackt würde er mich nicht sehen. Ich kramte aus meinen Sachen einen Bikini hervor und zog ihn unter meinen Klamotten an. Es war ein lilafarbener Bikini mit Nieten. So tapste ich übertrieben fröhlich ins Bad, wo Ash bereits dabei war sich auszuziehen und ich hoffte inständig ich konnte ihn davon abbringen auch seine Boxershorts auszuziehen. Wobei ich zugeben musste, dass er einen durchaus ansehnlichen muskulösen Oberkörper besaß. Und er wusste genau, was er zu bieten hatte, denn er zog sich demonstrativ anzüglich aus und kam dabei auf mich zu. Ich ließ mich jedoch nicht beeindrucken und meinte, er sollte wenigstens seine Boxershorts anlassen. Er lachte kurz und ich hatte wenig Hoffnung, dass er meiner Bitte nachkam. Als ich mich auszog, sah er mich erstaunt und ein wenig beleidigt an. Dann schwand seine Stimmung allerdings Erheiterung und er lachte nur noch mehr. Grinsend zog er mich unter die Dusche und er war meiner Bitte sogar nachgekommen und hatte sich nicht vollends seiner Kleider entledigt. Mir fiel auf, dass wir ungefähr gleich blass waren und lächelte kurz. Als plötzlich Wasser auf mich einprasselte, zuckte ich kurz zusammen, wurde aber von starken Armen festgehalten, damit ich nicht ausrutschte. Er zog mich an sich und begann meinen Körper zu erforschen. Seine Hand glitt langsam meine schmale Taille über meine Hüfte hinunter und verweilte anschließend auf meinem Hintern. Es war mir nicht unangenehm und ich schloss meine Arme um seinen muskulösen Oberkörper. Da er über einen Kopf größer als ich und auch gut gebaut war, hatte ich wohl mehr zu erforschen als er, doch war er wie üblich der aktivere Part. Seine eine Hand lag noch immer auf meinem Hintern, die andere drückte mich näher an sich. Nach einer Weile hatte er genug und drehte mich um, sodass ich mit dem Rücken zu ihm stand. Nach wie vor presste er mich an sich und mit der anderen Hand erforschte er nun den restlichen Teil meines Körpers. Erst ging er zu meinen Brüsten und ich stöhnte kurz auf als er anfing sie zu massieren. Während er meinen Nacken küsste, rutschte seine freie Hand weiter nach unten in meinen Intimbereich um mich nochmals aufstöhnen zu lassen. Mir war klar wohin das führen würde, doch ich konnte mich nicht konzentrieren und ließ so zu, dass er mich meines Bikinis entledigte und ungeduldig weiter machte. Meine Brustwarzen wurden unter seinen verspielten Fingern sofort hart und obwohl wir unter der laufenden Dusche standen, merkte ich wie ich untenherum selbst feucht wurde. Ich stöhnte laut auf als er einen Finger in mich eindringen ließ und presste mich an ihn. Klar zu denken hatte ich bereits aufgegeben und gab mich ihm voll und ganz hin. Nach gefühlten Stunden ließ er von mir ab und drehte mich wieder zu sich um. Er küsste mich und verwickelte mich in einen erneuten Zungenkuss. Nach kurzer Zeit wurde mir wieder schwindelig und bevor ich umkippte, schob er mich aus der Dusche, packte mich in ein Handtuch und trug mich in sein Zimmer. Dort angekommen legte er mich in sein Bett und machte weiter wo wir aufgehört hatten. Das Handtuch ließ ich unachtsam auf den Boden fallen als er über mich herfiel. Weiterhin küsste er mich trocken, denn ich hatte schon genug von seinem berauschenden Speichel eingeflößt bekommen. Und ich war ganz froh darüber, dass er es dabei beließ, denn so konnte ich mitbekommen wie er mein Dekolleté hinunter küsste und mit seiner Zunge an meinen Brustwarzen spielte. Ich keuchte als er leicht hinein biss und kurz darauf spürte ich seine Zunge an einer weiter unten gelegenen Stelle meines Körpers. Sanft ließ er sie in mich eindringen und ich stöhnte entzückt auf als er begann sie zu bewegen. Nach kurzer Zeit kam er wieder zu mir hoch und küsste meinen Hals. Unten spürte ich sein bereits sehr erregtes Glied, welches sich ungeduldig an mich presste. Ich krallte mich in seinen Rücken als er in mich eindrang und versuchte nicht zu schreien. Vor Erregung allerdings und nicht vor Schmerz. Ich spürte keinen Schmerz, nur ein unglaubliches Verlangen nach ihm. Das hatte er also damit bezweckt als er seine Zunge in mich hatte dringen lassen. Durch den Speichel empfand ich keinen Schmerz, nur Vergnügen. Er begann sich langsam in mir zu bewegen und wurde nach kurzer Zeit immer schneller. Seine Bewegungen wurden verlangender und härter. Er trieb mich schneller als gedacht zum Höhepunkt und kam mit einer unglaublichen Ekstase in mir während er mir gleichzeitig in den Hals biss. Vor Schmerz und Vergnügen schrie ich nun doch und kam ergeben unter ihm. Er zog sich langsam aus mir zurück und sank erschöpft neben mir ins Bett. Als wir wieder zu Atem gekommen waren, lachte er mich rau an. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so gut im Bett bist.“ Ich sah ihn demonstrativ beleidigt an und gab ihm einen leichten Klaps auf die Schulter. „Hey“ grinste er mich an und rollte sich wieder über mich. „Dir hat es doch auch gefallen, gib es zu!“ Damit küsste er mich noch einmal und ich nickte. Ich hoffte nur inständig, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte und er auch etwas für mich empfand.

Kapitel 4 – Die vierte Nacht

„Wir fahren in den Urlaub.“ Das waren die Worte mit denen mich Ash eine Woche später bei sich zu Hause begrüßte. Es war mein erster Ferientag diesen Sommer und ich war so schnell wie möglich zu ihnen gefahren. Seit letzter Woche hatte ich Ash kaum gesehen, da ich in der Schule gewesen war und meine Eltern nicht erlaubt hatten noch einmal vor den Ferien bei ihnen zu übernachten. Tagsüber war ich ab und zu bei ihnen gewesen, jedoch nur bei Darius, Ash hatte geschlafen. Darum war ich glücklich ihn nun wieder sehen, besonders so fröhlich. Nur verwirrt war ich über seine ersten Worte. Ich ließ mich von ihm umarmen und in Darius' Zimmer ziehen. Dort angekommen hatte auch Darius bereits angefangen zu packen und er selbst war damit beschäftigt einige Bücher in seinen Koffer zu stopfen. Ich sah Ash verwirrt an. „Was meinst du damit, wir fahren in den Urlaub?“ Er grinste und umarmte mich von hinten. „Na, genau das was ich gesagt habe. Du, mein Bruder und ich verreißen für zwei Wochen! Wir fahren morgen früh los, also solltest du heute noch ein paar Sachen packen.“ Ich riss mich beinah von ihm los und starrte die beiden fassungslos an. Es war nicht so, dass ich nicht mit ihnen in den Urlaub wollte, im Gegenteil. Aber hatten sie wohl vergessen, dass ich im Gegensatz zu ihnen noch minderjährig war und ohne die Einverständnis meiner Eltern nicht so einfach verreißen konnte. Meines Wissens nach wollten die nämlich selbst verreißen. Ich schlug ihnen meine Bedenken an den Kopf und beide fingen an zu lachen. Verdutzt stand ich da und sah die beiden an. Darius stand auf und gesellte sich neben mich. „Mit deinen Eltern haben wir das bereits besprochen.“ Ich zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Schön, dass ich davon auch mal in Kenntnis gesetzt werde.“ Entschuldigend sah Darius mich an und zog mich zu sich. Während er mich an sich drückte, hörte ich seinen älteren Bruder hinter mir leise knurren. Wie ein Raubtier, dem seine Beute geklaut wurde. Um ihn nicht noch gereizter zu machen, entschlüpfte ich Darius' Umarmung und wechselte das Thema. „Wo fahren wir überhaupt hin?“ versuchte ich einigermaßen interessiert zu klingen. Desinteressiert dagegen antwortete Ash mir. „Nur nach Österreich. An so einen langweiligen See wollte mein Bruder unbedingt.“ Dieser schnaubte entrüstet. „Du durftest das letzte Mal aussuchen wo wir hinfahren! Und ich hatte auch keinen allzu großen Spaß daran von dir in Spanien in irgendwelche Clubs geschleift zu werden. Also beschwer dich nicht.“ Ich musste kichern. Das Problem kannte ich nur zu gut. Meine Schwester wollte in irgendwelche Camps im Wald, meinem Vater war es egal, meine Mutter wollte nur Landschaft und somit für mich verbundene Langeweile und ich war mehr der Metropolen Typ. In Städten konnte man einfach wesentlich mehr machen. Clubs und Diskos dagegen konnte ich nicht ausstehen. Aber an einem See dahin zu vegetieren war nun auch keine tolle Vorstellung. „Keine Sorge“ begann Ash und schlang seine Arme um mich. „Wir beide werden schon eine Beschäftigung finden.“ Dabei sah er mich lüstern an und Darius widmete sich sichtlich eifersüchtig wieder seinem Koffer. Hoffentlich konnte ich die beiden in diesem Urlaub wieder etwas mehr zusammen bringen. Ich fand es furchtbar, dass sich zwei Brüder meinetwegen so stritten.

Am nächsten Morgen wartete ich vor meiner Haustür auf meine beiden Freunde. Sie wollten mich mit dem Auto abholen und anschließend nach Österreich fahren, nachdem sie mich eingepackt hatten. Da es noch recht früh war, wartete ich alleine, da meine Eltern und meine Schwester noch schliefen. Als ich ihr eines Auto um die Ecke fahren sah, überkam mich Erleichterung, da glücklicherweise Ash am Steuer saß. Ich hatte wahrlich keine Lust auf noch eine Spritztour als Beifahrer bei Darius. Aber dieses Auto war vermutlich auch nicht so schnell wie der Lamborghini. Ich hatte keine Ahnung von Autos und wusste nicht um was für ein Auto es sich handelte, doch weiter Gedanken darüber konnte ich mir auch nicht machen, da die Brüder bereits vor unserem Haus geparkt hatten und nun ausstiegen. Ash war als erster bei mir und hob mich stürmisch hoch. Ich hielt mich an seinen Schultern fest und musste lachen. Er ließ mich herunter und drückte mir einen Kuss auf die Lippen. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich Darius' eifersüchtigen Blick als er mein Gepäck bei ihnen im Auto verstaute. Ich fühlte mich schlecht, obwohl ich nicht genau wusste warum. Schließlich war ich nicht mit Darius zusammen oder hatte sonst irgendeine Liebesaffäre mit ihm oder dergleichen. Trotzdem wollte ich ihn so nicht sehen. Immerhin waren wir mittlerweile gute Freunde und ich wollte nicht, dass er auf mich oder seinen Bruder böse war. Also ging ich zum Auto und begrüßte auch Darius mit einer Umarmung meinerseits. Ein wahres Highlight, dass ich mal jemandem von mir aus umarmte. Wehe er wusste das nicht zu schätzen. Doch ich merkte, dass es ihn freute und er schlang nun auch seine starken Arme um mich. Ich lächelte und kuschelte mich an ihn. Er drückte mich noch ein wenig enger an sich, was zur Folge hatte, dass ich abermals ein Knurren hinter mir vernahm und drehte mich um, um direkt in zwei eisblaue Augen zu sehen. Ash sah nicht mich, sondern seinen Bruder an. Und ich war heilfroh, dass er mich nicht so ansah, ich hätte vermutlich größte Panik bekommen und wäre kreischend davongerannt. Ich hätte nicht gedacht, dass er so furchteinflößend aussehen konnte. Doch Darius ging ganz cool an ihm vorbei und setzte sich auf den Beifahrersitz. Auch Ash beruhigte sich wieder und stieg auf der Fahrerseite ein. Ich nahm auf dem Rücksitz platz. Ash gab unser Reiseziel in das Navi ein, Darius sah beleidigt aus Fenster und ich steckte seufzend meine Kopfhörer in die Ohren und schaltete 'Rotten Heresy Chocolate Project' ein, ehe wir losfuhren.

Wir hatten eine kurze Pause eingelegt und ich saß auf einer schattigen Bank und spielte an meinem Handy. Währenddessen stritten sich die beiden Brüder abermals und ich hatte bereits aufgegeben sie zu beruhigen. Ich war selbst nicht erfreut über unsere Situation und hätte wohl kaum ein beruhigendes Element spielen können. Unser Navi hatte uns ins nirgendwo geführt und Ash hatte es kurzerhand aus dem fahrenden Auto geworfen. Darius brüllte ihn nun an, weil wir ohne keine Ahnung hatten wo wir hin mussten und Ash argumentierte, dass wir mit dem Ding auch nicht angekommen wären. Glücklicherweise gab es so etwas wie Handys und ich hatte uns somit in die nächste Stadt geführt. Wo genau wir waren wusste ich selbst nicht so ganz, nur dass es in der Nähe einen Flughafen gab. Dabei kam mir eine Idee. Ich ging zu den beiden Streithähnen rüber und räusperte mich. „Entschuldigung. Falls ich auch mal was sagen darf“ begann ich und die beiden hörten genervt auf und wandten ihre Aufmerksamkeit mir zu. „Wie wäre es, wenn wir statt nach Österreich zu fahren einfach wo hin fliegen würden? Ganz in der Nähe ist ein Flughafen und da würden wir sicher auch ankommen.“ Die beiden sahen sich kurz an und nickten dann einstimmig. Ash sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Genug Geld haben wir dabei. Wo willst du denn hin fliegen?“ Ich grinste und hatte mein Ziel bereits vor Augen. „London.“

Ich liebte diese Stadt so sehr. Es war nicht das erste Mal, dass ich in London war, doch es war noch immer genauso wunderschön wie das letzte Mal. Fröhlich tapste ich durch die Stadt, die Jungs im Schlepptau. Sie wunderten sich warum ich mich hier so gut auskannte und ich erklärte ihnen, dass ich schon einmal mit meiner besten Freundin hier gewesen war und auch eine Cousine von mir hier in einer Bäckerei arbeiten würde. Zwar kannte ich sie nicht persönlich, konnte aber damit angeben, dass ich Verwandte in England hatte. Weiter grinsend marschierte ich in das nächste Hotel und wir nahmen uns ein Zimmer. Meinen Eltern hatte ich selbstverständlich Bescheid gegeben, dass wir nach England fliegen würden und da ich mich hier bereits auskannte und Darius und Ash bei mir waren, hatten sie auch zugestimmt. Das Sterne Hotel war in der Nähe des Piccadilly Circus und somit in einer Gegend in der ich mich bestens auskannte. Das letzte Mal als ich hier gewesen war, hatte ich mich des Öfteren hier in der Umgebung aufgehalten. Vor zwei Jahren hatte ich hier bei einer Gastfamilie gewohnt und fragte mich, ob ich sie besuchen sollte während ich hier war. Auch könnte ich meine Cousine besuchen, wenn ich wüsste wo sie arbeitete. Beide Gedanken verstrich ich allerdings nach kurzem Überlegen wieder, da ich mir sicher war, dass ich mit den Brüdern genug zu tun hatte während dieser zwei Wochen in London.

Unser Zimmer bestand aus zwei Schlafzimmern mit jeweils einem Doppelbett, beide Zimmer hatten ihr eigenes Badezimmer, und einem Balkon. Ich spürte die feindseligen Blicke förmlich, mit denen sich die Brüder ansahen. Offenbar war auch ihnen nicht entgangen, dass wir uns einigen mussten wer zusammen in einem Zimmer schlief und wer alleine im Nebenzimmer seine Zeit verbringen musste. Ursprünglich war ich davon ausgegangen, dass ich mit Ash in einem Zimmer schlafen würde, doch anderseits würde ich gerne mehr Zeit mit Darius verbringen, da ich noch immer ein schlechtes Gewissen hatte und ihn ja auch wirklich mochte. Vielleicht sollte ich einfach alleine schlafen und die beiden teilten sich ein Zimmer. Doch auch das schien keine gute Idee zu sein, denn wie ich die beiden kannte und so wie sie sich momentan benahmen, war ich mir nicht sicher, ob sie sich nicht gegenseitig anfallen würden, wenn ich nicht dabei war. Ich seufzte und beschloss mich einfach spontan zu entscheiden. Und obwohl ich gerne noch mehr Zeit mit Ash zusammen im Bett verbringen würde, empfand ich es doch für besser es vorerst zu lassen. So konnte ich mir über unsere merkwürdige Beziehung endlich einmal in Ruhe Gedanken machen und auch Darius würde nicht im Nebenzimmer mitbekommen, wenn wir Sex hätten. Eine komische Vorstellung. Außerdem hatte es den Vorteil, dass ich so endlich mehr Zeit mit Darius verbringen konnte und mich mal mit ihm aussprechen konnte. Ich konnte es nicht weiter mit ansehen, wie er Ash und mich so eifersüchtig ansah. Bevor die Brüder also anfangen konnten sich zu streiten, berichtete ich von meiner Entscheidung. Ich sah die beiden an. „Ich will mir mit Darius ein Zimmer teilen.“ Offensichtlich verwirrt über meine Entscheidung sahen mich beide mit großen Augen an. Noch bevor Ash anfangen konnte zu protestieren schob ich ihn ins Nebenzimmer und Darius kam daraufhin lächelnd zu mir und umarmte mich von hinten. Ich musste ebenfalls lächeln als ich ihn wieder fröhlich sah und drehte mich zu ihm um. Er sah mir liebevoll in die Augen. „Warum ich?“ Ich zuckte mit den Schultern und versuchte gleichgültig zu klingen. „Ich will eben wieder mehr Zeit mit dir verbringen. Darf ich das denn nicht?“ Er kicherte und ich war froh ihn etwas aufgemuntert zu haben mit meiner Geste. „Natürlich darfst du das“ begann er und drückte mich glücklich an sich. „Du darfst so viel Zeit mit mir verbringen wie du willst!“ Ich schloss ihn noch enger in die Arme und kuschelte mich an ihn. Die Augen geschlossen, spürte ich wie er seinen Kopf auf meinem ablegte und mich an seine Brust drückte. Es tat mir so unendlich leid, dass ich ihm so weh getan hatte. Ich war mir nicht sicher, ob er sich ein wenig in mich verliebt hatte und deshalb so eifersüchtig auf seinen Bruder war oder ob er es einfach nicht leiden konnte, weil er zuerst mit mir befreundet gewesen war und ungern teilte. So oder so wollte ich ihn glücklich machen. Und das konnte ich im Moment wohl nur, wenn ich bei ihm war. Ich mochte ihn wirklich sehr. Wahrscheinlich mehr als ich es sollte. Seufzend ließ ich von ihm ab und warf mich auf das perfekt bezogene cremefarbene Bett. Lachend ging Darius um das Bett herum und setzte sich auf seine Hälfte. Er sah mich an während ich neben ihm lag. Unsere Blicke trafen sich und ich musste grinsen. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich bei ihm immer wohl und war gut drauf. Bei seinem Bruder ging es mir zwar ähnlich, doch er hatte eine gefährliche Aura an sich. Ich wusste nie was er gerade dachte und wusste immer noch nicht was wir da eigentlich für eine Beziehung führten. Den Kopf schüttelnd versuchte ich nicht weiter an Ash zu denken und setzte mich wieder auf. Während ich nachgedacht hatte, hatte ich gar nicht gemerkt, dass Darius sich näher zu mir gesetzt hatte. Er legte einen Arm vorsichtig um meine Hüfte und zog mich so zu sich heran. Überrascht sah ich ihn an, um kurz darauf seine Lippen auf meinen zu spüren. Ich zuckte zurück um in sein lachendes Gesicht zu sehen. „Entschuldige …“ Ich drehte verlegen den Kopf weg. „Wie süß …“ hörte ich im nächsten Moment an mein Ohr geflüstert und bekam eine Gänsehaut. Ich mied seinen Blick, doch er nahm mein Kinn in die Hand, drehte mein Gesicht zu sich und zwang mich so ihn anzusehen. Seine eisblauen Augen waren wunderschön und sahen direkt in meine grünen. Er kam mir immer näher. Ich versuchte zurückzuweichen, doch er hielt mich fest und legte seine Lippen wieder auf meine. Kurz verweilten wir so, bis er sich von mir löste und mich erwartungsvoll ansah. Zuerst zögerte ich kurz, legte dann aber doch sanft meine Lippen auf seine. Er schloss die Augen und erwiderte meinen zarten Kuss sofort. Seine Lippen waren kühl und unglaublich weich und liebevoll. Erst waren es einige kurze Küsse, dann ließ er seine Lippen irgendwann auf meinen liegen und küsste mich richtig. Nachdem ich seine Zunge spürte, öffnete ich leicht meinen Mund um ihm so Einlass zu gewähren. Es war ein sanfter Zungenkuss und ich genoss seine Nähe sehr. Nach kurzer Zeit allerdings wurde unser Zusammensein abermals gestört, denn ich spürte wie mich sein Speichel schwindelig werden ließ. Ich hasste diese Wirkung langsam. So konnte ich die Küsse der beiden nie richtig genießen. Es fühlte sich zwar falsch an beide Brüder zu küssen, doch ich konnte nicht aufhören und dachte gar nicht daran von Darius abzulassen. Doch er war vernünftiger als ich und entfernte sich von mir um mich liebevoll anzusehen. Ich war bereits zu berauscht um mich richtig bewegen zu können, darum legte Darius mich vorsichtig aufs Bett und legte sich neben mich. Er nahm mich in den Arm und ich kuschelte mich an ihn. Lächelnd schlief ich letztendlich in seinen Armen ein.

Als ich aufwachte war es bereits dunkel und ich lag allein im Bett. Ich stand auf und entschied bei Ash nachzusehen, ob er da war. Es war Nacht, also war er sicher wach. Ich klopfte kurz an und betrat dann sein Zimmer. Drinnen war es dunkel, doch etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet. Zwar machte den beiden die Sonne nichts aus, sie präferierten lediglich die Nacht und die Dunkelheit mehr, da Vampire früher Nachts besser auf die Jagt gehen konnten, so hatte es Darius mir erklärt. Ash lag auf seinem Bett, denn er hatte hier keine Couch, und sah beleidigt an die Decke. Ich musste mir ein Kichern unterdrücken als ich ihn so liegen sah. Ein wirklich niedlicher Anblick. Doch es tat mir auch leid, da ich ja wusste warum er beleidigt war. Also ging ich vorsichtig näher an sein Bett heran und setzte mich neben ihn. Er drehte sich beleidigt weg und ich strich durch seine Haare während er neben mir lag. „Es tut mir leid …“ begann ich vorsichtig mit einem Lächeln. „Ich glaube du weißt, dass ich deinen Bruder ziemlich verletzt habe. Und ich möchte es wieder gutmachen und deswegen wieder etwas mehr Zeit mit ihm verbringen. Natürlich vernachlässige ich dich dadurch nicht! Nur hoffe ich, dass Darius mir wieder etwas mehr Vertrauen schenkt, wenn ich jetzt mit ihm zusammen in einem Zimmer bleibe. Ich hoffe du verstehst das …“ Ash fing erst an leise zu knurren, wandelte es aber nach kurzer Zeit in ein zahmes Schnurren um, während ich ihn weiter kraulte. Er kam mir langsam wirklich wie eine Katze vor. Manchmal wie eine kuschelige Hauskatze und manchmal wie eine gefährliche Raubkatze. Er drehte sich wieder zu mir um und zog mich zu sich herunter. „Ich will, dass du nur mir gehörst …“ flüsterte er mir ins Ohr und küsste mich danach kurz auf die Wange. Ich lächelte ihn an. „Ash, ich bin kein Objekt, das man besitzen kann. Ich mag dich wirklich sehr … aber ich bin auch mit deinem jüngeren Bruder befreundet. Und das müsst ihr beide akzeptieren!“ Er sah mich fast traurig an und lächelte. „Das ist ja das Problem.“ Verwundert sah ich ihm in die eisblauen Augen. „Wir können es beide nicht akzeptieren. Selbst wenn wir es wollen, wir können es nicht, aber das verstehst du nicht …“ Er sah zur Seite und ich verstand ihn wirklich nicht. Ich setzte mich wieder auf und zog ihn so mit mir. „Wie meinst du das?“ fragte ich schließlich doch. Ash nahm mich in den Arm und drückte mich sanft an sich. „Wir sind Vampire, Liebes. Unter Menschen nennt ihr das wohl 'Liebe auf den ersten Blick' oder so. Bei uns Vampiren ist das ähnlich, nur dass es eine viel stärkere Wirkung auf uns hat. Wir verlieben uns nicht nur in jemanden. Wir prägen uns. Wenn wir die Person, für die wir bestimmt sind, das erste Mal sehen, prägen wir uns auf sie und wollen sie nur für uns alleine haben. Natürlich geht das nicht, aber gerade am Anfang ist es besonders schlimm. Vor allem aber teilen wir diese Person nicht gerne. Auch nicht mit ihren Freunden.“ Ich versuchte zu verstehen was er mir sagen wollte, konnte mir aber keinen wirklichen Reim darauf machen. Hatte Ash sich also auf mich geprägt? Als er weiter redete, hörte ich auf. „Normalerweise ist es so, dass nur ein Vampir sich auf jene Person prägen kann. Das Problem, das mein Bruder und ich haben ist, dass wir uns beide auf dich geprägt haben.“ Ich sah ihn verständnislos an. Leicht lächelnd küsste er mich kurz auf den Mund. „Nikita … wir haben uns beide in dich verliebt. Wir sind beide auf dich geprägt und wir können dich nicht teilen. Du wirst dich für einen entscheiden müssen. Und darum ist das Verhältnis zwischen Darius und mir momentan so angespannt, verstehst du?“ Ich nickte, sah ihn aber weiter nur wortlos an. Er lächelte mich trübe an. Ich verstand ihr Problem und dachte über das gesagte nach bis mir eine Frage in den Sinn kam. „Warum habt ihr euch beide auf mich geprägt? Du hast doch eben gesagt, dass nur einer sich auf eine Person prägen kann.“ Ash drückte sich noch etwas mehr an mich. „Ganz genau … normalerweise. Wahrscheinlich haben wir uns beide auf dich prägen können, weil wir Brüder sind. Wir sind blutsverwandt. Schon als Menschen waren wir verwandt und das kommt unter Vampiren nur sehr selten vor.“ Ich seufzte. Warum musste ich mich denn nun für einen entscheiden? Warum konnte ich nicht einfach mit beiden befreundet sein? Ganz ohne dieses Affären-Beziehungs-Ding zwischen Ash und mir und dieser noch merkwürdigeren Gute-Freunde-Beziehung von Darius und mir. „Hey Ash … prägt sich die Person, in dem Fall ich, nicht auch auf den Vampir? Ich meine … müsste ich mich nicht auch auf einen von euch geprägt haben?“ Er lachte leise. „Nicht wirklich. Du bist ein Mensch. Du prägst dich nicht. Du verliebst dich. Erst wenn du ein Vampir wärst, könntest du dich auf jemanden prägen.“ Dabei dachte ich wieder an etwas, das ich mich schon vor einer Weile gefragt hatte. „Ash? Könnt ihr mich nicht auch zu einem Vampir machen?“ Überrascht zog er die Augenbrauen hoch. „Ich meine nur … dann könnte ich mit Sicherheit sagen, wen von euch beiden ich mehr mag … ich meine, wen ich liebe bzw. auf wen ich mich geprägt habe oder so. Außerdem müsst ihr doch in ein paar Jahren ohnehin umziehen und mich dann zurücklassen. Und ihr wollt mich doch beide bei euch haben! Also müsstet ihr mich doch auch zu einem Vampir machen.“ Zum Schluss schluchzte ich kurz bei dem Gedanken, dass sie mich womöglich zurücklassen konnten. Eigentlich war ich nicht nahe am Wasser gebaut, doch diese beiden ließen meine Emotionen ziemlich überkochen. Ich fand meine Erklärung selbst ein wenig verwirrend, doch Ash hatte mich verstanden. Er drückte mich fest an sich und küsste mich auf die Wange ehe er mich mit einem breiten Grinsen ansah. „Ich hatte gehofft, dass du darum bitten würdest. So muss ich dich nicht unfreiwillig zu einem Vampir machen.“ Er wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und küsste mich noch einmal. Also hatte auch Ash schon daran gedacht mich zu einem Vampir zu machen. Ob Darius das auch vorgehabt hatte? Immerhin kannte ich ihn schon vor seinem Bruder, und demnach hatte er sich auch als Erstes auf mich geprägt, wenn es stimmte, dass das tatsächlich bei dem ersten Blick stattfand. Vielleicht hatte er mich auch nur deswegen damals angesprochen und zu sich nach Hause gelotst. Weil er mich zu einem von ihnen machen wollte. Irgendwie fand ich den Gedanken traurig. Dass er bzw. alle beide mich nur bei sich haben wollten, weil sie sich irgendwie auf mich geprägt hatten und nicht weil sie mich liebten. Anders als ich waren sie Vampire. Als Mensch verliebte ich mich. Bei ihnen jedoch wusste ich es nicht. Keiner von beiden hatte mir je gesagt, dass er sich in mich verliebt hatte. Außerdem wusste ich nicht wie genau sich so eine Prägung anfühlte. Vielleicht sahen sie mich wirklich nur als Objekt an und stritten sich darum, wer das Spielzeug zuerst bekam. Genauso wie mein Zwilling. Bei dem Gedanken wurde mir wieder beinah übel. Sie hatte mich wie ein Spielzeug ausgetauscht und fallen gelassen. Jahrelang hatte sie mir vor geheult wie wenig Freunde sie doch hatte und dass ich ihr so wichtig war und sie mich so lieben würde. Letztendlich hatte sie eine neue Freundin, ein neues Spielzeug bekommen und das alte zurückgelassen. Sie hatte mich monatelang belogen und verarscht. Wir hatten uns ein halbes Jahr gestritten und ich hatte letztendlich die Schnauze voll gehabt von ihren Lügen und ihrem ständigem 'Ich habe gar nichts getan'-blabla und schließlich den Kontakt abgebrochen. Mittlerweile hasste ich sie sogar dafür, dass sie hinter meinem Rücken mit ihrer verlogenen Drecksschlampe von Freundin über mich gelästert hatte. Ich hasste es zu fluchen und jemanden zu beleidigen, aber zu dieser parasitären Nebenexistenz fiel mir einfach nichts besseren ein. Ihren Namen konnte ich ohnehin nicht aussprechen ohne, dass ich danach vor Wut mein Mobiliar zerstören würde. Also versuchte ich die beiden zu verdrängen und hinter mir zu lassen. Dennoch wollte ich auf keinen Fall, dass Ash und Darius sich meinetwegen auch so stritten oder sogar den Kontakt abbrechen würden. Dann würde lieber ich mich von ihnen fern halten, denn ich wusste wie furchtbar es war jemanden wichtigen an eine andere zu verlieren. Warum gab es nur keine Möglichkeit mit beiden zusammen zu sein bzw. befreundet zu sein. Denn egal für wen ich mich entscheiden würde, der andere wäre verletzt. Genau wie mein Zwilling es getan hatte, nur dass sie mich hatte fallen lassen und sich für dieses Miststück entschieden hatte. Ich wollte mich für keinen von beiden entscheiden, wenn das zum selben Ergebnis führen würde. Nämlich, dass egal wen ich wählen würde, der andere verletzt wäre und mich am Ende vielleicht sogar noch hassen würde. Jedenfalls nahm ich mir vor diese Ferien mit den beiden zu genießen. Immerhin waren die beiden Brüder. Nicht einmal ich konnte die beiden auseinander bringen. Schließlich waren sie beide erwachsen und weitaus älter als ich. Sie hatten schon so viel zusammen erlebt und wie Darius mir erzählt hatte, waren sie sich auch immer sehr nahe gestanden. Und eine jahrhundertealte Beziehung konnte selbst ich durch mein Auftreten nicht zerstören.

In den nächsten Tagen hatten wir uns die Gegend etwas näher angesehen. Bzw. hatte ich die Brüder etwas herumgeführt und ihnen ein paar Dinge gezeigt. Merkwürdigerweise waren die beiden noch nie in London gewesen, obwohl sie schon sehr viel gereist waren. Nach unserer kleinen Sightseeingtour saßen wir letztendlich in einem italienischen Restaurant und ich musste leicht schmunzeln als Ash das Essen hier bemängelte. Es schmeckte alles wundervoll, aber ich konnte mir vorstellen, dass er als so guter Koch besseres gewohnt war. Auch Darius konnte sich ein Kichern nicht verkneifen um kurz darauf einen beleidigten Blick von Ash zu erhalten. Darius zahlte, denn er fürchtete, dass Ash kein bisschen Trinkgeld gegeben hätte, was er als unhöflich empfand. Lachend zog ich die beiden hinter mir her und freute mich, dass die letzten Tage ohne jegliche Streitigkeiten stattgefunden hatten. Nicht einmal als wir beim London Eye gewesen waren und ich mich dank meiner Höhenangst an die beiden Jungs ran geklammert hatte. Sie versuchten offenbar beide sich zusammenzureißen und es fiel ihnen sichtlich schwer, doch ich war dankbar, dass sie so tapfer durchhielten.

Zurück im Hotel dämmerte es bereits, wir hatten uns die letzten Tage hauptsächlich nachts die Stadt angesehen, denn es war wirklich schwer die beiden tagsüber aus dem Bett zu bekommen. Nicht, weil sie es nicht konnten, sondern weil sie es nicht anders gewohnt waren. Auch mir viel es nach den Ferien immer sehr schwer um sieben Uhr morgens aufzustehen und trottete am Ende meistens wie eine Schlaftablette in die Schule. Ash ging ohne ein weiteres Wort in sein Zimmer und legte sich schlafen. Wenn dieser Junge müde war konnte man ihn wirklich nicht aufhalten sich ins nächste Bett zu legen. Darius dagegen blieb immer so lange wach bis auch ich fertig war und ging immer mit mir zusammen schlafen. Ich fand das eigentlich ganz süß von ihm, aber auch nicht notwendig. Es würde mir nichts ausmachen, wenn er vor mir schlafen gehen würde. So kuschelte ich mich also an Darius als dieser sich zu mir ins Bett legte und lächelte ihn müde an. Eine Weile döste ich vor mich hin und versuchte zu schlafen bis ich Darius' sanfte Stimme flüstern hörte. „Nikita? Bist du noch wach?“ Ich brummte verschlafen und er kicherte daraufhin. „Tut mir leid dich noch zu stören … darf ich dich was fragen?“ Noch einmal gab ich einen Laut von mir, der wie ein vages 'mhm' klingen sollte. Kurz zögerte er. „Du hast doch … mit meinem Bruder geschlafen, oder?“ Ich antwortete nicht, denn ich wusste nicht was ich sagen sollte. Als er fortfuhr horchte ich wieder auf. „Und er hat dich noch einmal gebissen …“ Seine Stimme klang traurig, was durchaus verständlich war. Er hatte mir ja erklärt, dass das Beißen für sie wie eine Art Liebesbeweis war. Wobei mir wieder einfiel, dass ja auch Darius mich schon einmal gebissen hatte. Er drückte mich an sich und ich meinte ihn leise schluchzen zu hören. Ich fühlte mich unendlich schuldig und wollte nicht, dass er meinetwegen weinte. Nur was konnte ich ihm sagen, dass ihn aufmunterte? Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich mich für ihn entscheiden würde, denn ich wusste ja selbst nicht, wen ich mehr mochte. Also versuchte ich es einfach mit dem was ich fühlte. „Darius … du weißt nicht wie unendlich leid es mir tut was ich dir angetan habe. Mir ist bewusst, dass es schrecklich für dich sein muss. Es tut mir so leid. Ich wünschte ich könnte es rückgängig machen. Wenn ich doch nur nie mit Ash geschlafen hätte …“ Nun schluchzte ich selbst und Darius wischte mir eine Träne aus dem Gesicht. „Nicht … lächelnd bist du viel hübscher.“ Auch er schenkte mir eines seiner bezaubernden Lächeln und steckte mich damit an. „Ich weiß, dass du dich nicht so einfach für einen von uns entscheiden kannst“ begann er vorsichtig. „Aber ich werde alles versuchen, dass du dich für mich entscheidest!“ Ich sah ihn überrascht an. So ernst hatte ich ihn noch nie gesehen und musste lächeln. „Ich weiß …“ meinte ich nur noch und schlief nach einer Weile in seinen Armen ein.

Ich wurde durch ein dumpfes Geräusch geweckt. Ein Blick zum Fenster verriet mir, dass es noch Tag war und Darius schlief noch immer neben mir. Das Geräusch war aus Ashs Zimmer gekommen. Vorsichtig schob ich Darius' Arm beiseite und stand leise auf. Ich tapste in Richtung von Ashs Zimmertür und lauschte. Drinnen hörte ich Ash leise fluchen und beschloss nachzusehen, ob alles in Ordnung war. Ich klopfte nicht an um Darius nicht zu wecken, trat leise ein und schloss die Tür hinter mir. „Hey“ hörte ich vom anderen Ende des Zimmers. Ich drehte mich um und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Meine Augen waren zwar bereits an die vorherrschende Dunkelheit gewöhnt, doch so gut wie ein Vampir konnte ich noch lange nicht im Dunkeln sehen. Also stolperte ich zu Ashs Bett heran und ließ mich von ihm zu sich ziehen. Ich fragte, ob alles in Ordnung sei und er küsste mich kurz auf die Wange. „Ja. Ich bin aus dem Bett gefallen.“ Ich hielt mir die Hand vor den Mund um nicht laut loszulachen und bekam einen leichten Klaps auf die Schulter. „Lach mich nicht aus!“ meinte Ash, doch ich hörte heraus, dass auch er sich ein Grinsen verkneifen musste. Kurz darauf spürte ich seinen Atem nah an meinem rechten Ohr und er flüsterte mir zu: „Jetzt wo du schon mal hier bist … bleibst du den restlichen Tag noch hier?“ Es hörte sich mehr wie ein Befehl als eine Bitte an. Ich hatte schon eine ganze Weile nicht mehr bei ihm geschlafen, doch hielt ich es auch für keine besonders gute Idee. Doch bevor ich ablehnen konnte sprach er schon weiter. „Warum gehst du mir aus dem Weg? Lass mich doch wenigstens diesen einen Tag bei dir sein. Nicht nur Darius, sondern auch ich bin eifersüchtig Nikita. Mehr als du vielleicht denkst. Und es fällt mir wirklich schwer mich von dir fernzuhalten. Bleib hier.“ Ich wollte schon widersprechen, doch er hatte ja recht. Ich hatte ihm schließlich gesagt ich würde ihn nicht vernachlässigen. Also nickte ich kurz und beschloss den restlichen Tag bei ihm zu bleiben. Ob ich noch schlafen konnte war allerdings fraglich. Auch Ash schien mir nicht gerade müde zu sein. Aber noch einmal irgendwelche sexuellen Dinge wollte ich heute nicht mit ihm machen. Das gab ich ihm auch zu verstehen als er fröhlich anfing meinen Hals zu küssen. Er lachte daraufhin und mir lief es kalt den Rücken herunter als ich bemerkte wie bedrohlich seine Stimme sich anhörte. „Glaubst du etwa ich könnte dich nicht einfach nehmen, wenn mir danach ist?“ Der Sarkasmus war nicht zu überhören und ich schauderte bei dem Gedanken, dass er mich zum Sex zwingen konnte. Natürlich war er in der Lage das zu tun. Zum einen war er viel größer und stärker als ich, und das nicht nur wegen seiner übermenschlichen Fähigkeiten. Zum anderen konnte er mich auch gefügig machen, indem er mich nur mit seinen weinroten Vampiraugen ansah. Ich versuchte mutig zu sein und riskierte eine Bemerkung. „Du würdest mich nicht zu irgendwas zwingen.“ Er sah mich belustigt an. „Und wieso denkst du das?“ Ich schluckte und versuchte mein Glück. „Weil du damit deine Chancen nicht gerade verbessern würdest, dass ich mich für dich entscheide!“ Das hatte gesessen. Er sah mich wehleidig an, doch grinste im nächsten Moment schon wieder. Manchmal wüsste ich wirklich gerne was der Junge denkt. Er kam mir näher und sah mich von oben herab an. „Schatz, ich könnte dich auch dazu zwingen zu Darius zu gehen und ihm zu sagen, dass du dich für mich entschieden hast.“ Geschockt sah ich ihm in die eisblauen Augen. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht, aber mir wäre es auch nie in den Sinn gekommen, dass Ash so etwas tun würde. Er lachte leise und küsste mich kurz auf den Mund. Er war wieder eine Raubkatze, dachte ich. Als niedliches Kätzchen mochte ich ihn zwar sehr, aber hatte auch diese Art etwas an sich. Gefährlich, aber durchaus anziehend. Doch ich war kein schüchternes Mädchen mehr, sowie noch vor ein paar Jahren. Er mochte es ohnehin, wenn ich ihm Paroli bot, also sah ich ihn beleidigt an und drehte mich weg. „Ich kann auch gern wieder rüber gehen und mich neben Darius ins Bett legen.“ meinte ich eingeschnappt und erntete daraufhin ein weiteres raues Lachen seinerseits. Er zog mich zu sich, doch ich ließ nicht zu, dass er mich umarmte. Ich wollte von niemandem zu irgendetwas gezwungen werden und schon gar nicht von einem meiner Freunde. Mittlerweile fragte ich mich ohnehin, wie ich es geschafft hatte mich mit Ash anzufreunden. Immerhin war er kein komplizierter Typ. Er war intelligent, hasste ebenso wie ich die heutige 0815-gesellschaft und hatte einen wirklich coolen Style. Außerdem war er in meinem Lieblingszeitalter geboren und ich fand es wirklich interessant wie Darius mir schon von dieser Zeit erzählt hatte. Dabei fiel mir auf, dass ich insgesamt wirklich mehr Zeit mit dem jüngeren der beiden Brüder verbracht hatte. Auch hatte ich genaugenommen mit Ash noch nie wirklich ein vernünftiges Gespräch geführt. Eigentlich hatte ich mich noch nie wirklich mit ihm groß unterhalten. Er war zwar ein sehr extrovertierter Typ, doch ließ er mehr Taten als Worte für sich sprechen. Darius dagegen hatte mir schon so viel von ihnen und ihrem Leben erzählt und mir auch viele Dinge über ihr Dasein als Vampire erklärt. Es hatte mir Spaß gemacht ihm dabei zuzuhören und ich war froh einen Freund wie ihn zu haben. Jemand, mit dem man ernsthaft reden konnte, aber auch ab und zu albern sein konnte. Jemand, der selbst stundenlang erzählen konnte, aber auch ein guter Zuhörer war. Langsam fragte ich mich was ich an Ash eigentlich so toll fand. Ohne Zweifel war er wahnsinnig attraktiv und seine Art hatte etwas Anziehendes an sich, doch ich bezweifelte, dass er für eine ernsthafte Beziehung geeignet war. Ich mochte ihn sehr, das stand fest. Man konnte mit ihm lachen, jedoch keine wirklich ernsthaftes Gespräch führen. Wenn man etwas ansprach, was ihm nicht passte, blockte er sofort ab oder zog es ins Lächerliche. So etwas konnte ich wirklich nicht leiden. Und auch wenn er charismatischer junger Mann war, mit dem man wirklich Spaß haben konnte, konnte ich es mir nicht richtig vorstellen über längere Zeit mit ihm eine Beziehung zu führen. Er war schon so unglaublich anstrengend und ich war mir nicht sicher, ob ich seine Traumfrau war. Wir verstanden uns zwar meistens gut und selbst wenn wir stritten, war es nie ernst gemeint. Doch für eine Beziehung wie ich sie mir vorstellte, war er mir persönlich doch ein wenig zu verspielt. Ich hatte absolut nichts dagegen, wenn er ab und an verspielt war, aber würde ich gerade in einer Beziehung gerne auch mal ernsthaft mit meinem Partner reden können. Das konnte man mit Darius wirklich besser. Auch war er keineswegs langweilig oder dergleichen, was man ja vermuten könnte bei jemandem wie ihm. Denn ich kannte genug Jungs, die entweder wie Ash waren und mit denen man kein vernünftiges Wort wechseln konnte und ich kannte auch Jungs, mit denen man zwar ernsthafte Gespräche führen konnte, die dafür aber keinen Spaß verstanden und ziemlich langweilig waren. Darius jedoch war eine gute Mischung wie ich fand. In letzter Zeit war er zwar öfter etwas niedergeschlagen gewesen, aber wenn ich mit ihm alleine war, hatte er mir entweder richtig enthusiastisch von seiner Vergangenheit berichtet, mir ernsthaft meine Fragen beantwortet oder auch mit mir herumgealbert. Zum Beispiel fand ich es ganz lustig als ich bemängelt hatte, dass sein Zimmer zu ordentlich war. Bei mir herrschte immer ein organisiertes Chaos wie ich es nannte. Wenn ich mal aufräumte, fand ich meistens meine Sachen nicht mehr, anders als wenn ich es nicht tat. Auch wenn es bei mir immer chaotisch war, wusste ich immer wo ich meine Sachen hingelegt hatte. Darius hatte mir daraufhin eine Predigt darüber gehalten, wie wichtig ein ordentliches Zuhause war, da der Zustand der Wohnung auch etwas über sich selbst aussagte. Ich hatte nur gelacht und ihm zugestimmt. Denn es stimmte ja. Er war ein ordentlicher Freak und ich war ein chaotischer Nerd. Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Nikita!“ Ich sah zu Ash hoch und bemerkte seinen genervten Blick. „Ich will noch ein bisschen schlafen. Also hör auf mich zu ignorieren und komm her!“ Ich lächelte und legte mich zu ihm. Er brummte mich an und zog mich zu sich. Kichernd ließ ich es zu und durfte einen weiteren Tag sein Kuscheltier spielen.

Kapitel 5 – Die fünfte Nacht

Als ich am nächsten Abend in der Dusche versuchte wach zu werden, beschloss ich zum einen mich noch besser mit Darius anzufreunden, da er mir ein wirklich wichtiger Freund geworden war und zum anderen wollte ich endlich, dass die Brüder wieder zueinander fanden. Also trocknete ich mich entschlossen ab, zog meine Unterwäsche an und hüllte mich in ein fluffiges Handtuch. Um mir neue Sachen zum Anziehen zu besorgen, stapfte ich so also in Darius' und mein Zimmer, um kurz darauf die Blicke beider Brüder zu ernten. Es schmeichelte mir zwar, wenn sie mich so ansahen, doch fürchtete ich, dass sie sich so gleich wieder streiten würden, also ging ich schnell zum Schrank und suchte mir ein paar Sachen zusammen. Bevor ich allerdings wieder im Badezimmer zum Anziehen verschwinden konnte, spürte ich, wie sich Ashs Arme von hinten um mich schlangen. Ich zuckte kurz zusammen, er lachte daraufhin und drehte mich zu sich um. Verlangend betrachtete er meinen Körper. Ich lief vermutlich wieder rot an und versuchte mich beleidigt loszumachen. Er kicherte nur noch mehr. „Na, wo willst du denn so schnell hin? Hast du gedacht ich lasse dich so einfach gehen, wenn du mir schon so einen Anblick bietest?“ Er grinste und leckte sich über die Lippen. Ich wollte wahrlich nicht, dass Darius das mit ansehen musste und zum anderen wollte ich so schnell nichts Sexuelles mehr mit Ash tun, da er gestern so gemein gewesen war. Also versuchte ich ihn von mir zu drücken – erfolglos natürlich. „Lass mich los!“ befahl ich, um daraufhin nur ein weiteres Lachen zu ernten. Ich wollte ihm schon unten rein treten, das blieb mir allerdings erspart, da sein jüngerer Bruder ihn von mir weg zog. „Sie hat gesagt, du sollst sie in Ruhe lassen.“ knurrte er seinen älteren Bruder erbost an. So hatte ich ihn noch nie gesehen, war ihm aber dennoch dankbar. Auch Ash schien wohl überrascht von seiner Reaktion, denn er sah ihn erst geschockt, dann jedoch belustigt an. „Meine Güte, Bruder … so habe ich dich ja noch nie erlebt.“ er riss sich sanft von Darius los und kam ihm langsam näher. „Es macht wirklich Spaß dich zu ärgern. Aber ich hätte nicht gedacht, dass du dermaßen wütend werden könntest.“ Ash säuselte das in einem furchtbar sarkastischen Ton und selbst mir war er so nicht gerade sympathisch. Darius dagegen ballte seine Fäuste bereits und man sah ihm deutlich an, dass er sich zusammenreißen musste. Ash provozierte ihn dennoch weiter. Ich fand es grässlich von ihm, seinen eigenen Bruder so zu quälen, wo sie sich doch früher so nahe gestanden hatten. Darius tat sich sichtlich schwer, ihn nicht anzubrüllen und versuchte ruhig mit ihm zu reden. „Ich weiß ja, dass du manchmal deine fünf Minuten hast, Ash. Aber so was hätte ich selbst dir nicht zugetraut. Was ist nur los mit dir? Warum benimmst du dich so?!“ Gegen Ende wurde er doch ein wenig lauter, doch Ash lachte nur weiterhin. „Du bist ja richtig süß, … wenn du verliebt bist.“ Er sah ihm belustigt in die Augen und landete kurz darauf vor meinen Füßen auf dem Boden. Nun war auch er wieder wütend und fluchte. Ich wollte etwas tun. Ich wollte nicht, dass Darius ihn noch einmal schlug oder Ash auf ihn auch noch losging. Ich fühlte mich so schlecht, weil das nicht das erste Mal war, dass die beiden sich meinetwegen gegenseitig angingen. Doch ich konnte mich kaum rühren. So musste ich mit ansehen, wie Ash sich wieder aufrichtete und wutschnaubend zurückschlug. Darius wich ihm aus und sie beschimpften sich gegenseitig. Ich war den Tränen nah, konnte mich jedoch zusammenreißen, nahm meinen Mut zusammen und ging dazwischen. „Hört auf!“ schrie ich die beiden an und versuchte sie auseinander zu bringen. Ich drängte mich zwischen die Brüder und hielt sie ab noch weiter körperlich aktiv zu werden. Doch sie führten ihren Streit verbal fort. „Sie gehört mir! Das hab ich dir schon Mal gesagt!“ meinte Ash und nicht nur Darius war wütend über diese Worte. Ich gehörte noch immer niemandem und das hatte ich ihm auch gesagt. Er hatte zwar versucht es mir zu erklären, doch er konnte mich nicht weiter wie ein Objekt behandeln. Doch ich wollte mich nicht auch noch streiten. Ash zog mich zu sich und schlang seinen einen Arm um meine Taille. Auch Darius blieb daraufhin nicht ruhig und zog mich wieder zu sich. Ich kam mir langsam wirklich wie ein Kuscheltier vor, um das sie sich stritten. Mir allerdings hörten sie gar nicht zu als ich mich beschwerte. Ash griff nach meinem Hintern, zog mich zu sich und küsste mich demonstrativ auf den Mund. Wehren konnte ich mich allerdings auch nicht, da Darius kurz darauf vor Eifersucht seine Arme von hinten um mich schlang und anfing meinen Hals zu küssen. Ich war so überrascht, dass ich nicht reagieren konnte und musste zulassen, wie Ash mir mein Handtuch weg zog und anfing mit meinen Brüsten zu spielen. Kurz stöhnte ich auf, doch auch Darius machte weiter und ging mit seiner Hand nach unten in meinen Intimbereich. Ich konnte nicht fassen, was hier gerade passierte. Sie versuchten sich gegenseitig zu übertrumpfen und ich wurde nicht einmal gefragt. Umso glücklicher war ich, als es an der Tür klopfte. „Verzeihen Sie die Störung“ meldete sich der Portier. „Es haben sich bereits einige Gäste über ihre Lautstärke beschwert. Wäre es möglich um diese Uhrzeit ein wenig leiser zu sein?“ Peinlich berührt bejahte Darius und wandte sich wieder Ash und mir zu. Es war bereits Nacht, also kein Wunder, dass sich andere Gäste beschwerten. Als mir einfiel, dass ich nur in Unterwäsche dastand, nahm ich schnell meine Klamotten und zog mich an. Da mich beide nun schon so gesehen hatten, hatte es wohl auch keinen Sinn fürs Umziehen extra ins Bad zu gehen. Als ich fertig war, sah ich die beiden Jungs an, die nun sehr ruhig geworden waren und nur dastanden und in die Luft starrten. Sie benahmen sich wie zwei kleine Kinder. Ich konnte es kaum fassen, dass ich hier die Vernünftigste war. Denn selbst, wenn sie Menschen wären, wäre ich jünger als die beiden. Kurz seufzte ich und überlegte was ich nun tun sollte. Ash kam mir jedoch zuvor und trottete merkbar angepisst in sein Zimmer. Als er verschwunden war, wandte Darius sich wieder mir zu. Er sah bedrückt aus und vermied meinen Blick. „Verzeih mir … Es tut mir leid, dass ich mich schon wieder mit ihm gestritten habe und auch, dass ich dir …“ Er beendete den Satz nicht, doch ich wusste was er gemeint hatte. Es tut mir leid, dass ich dir in den Intimbereich gefasst habe. Aber ich konnte ihn verstehen. Ash hatte ihn provoziert. Von sich aus hätte Darius das nie getan, wenn ich es nicht wollte. Dafür war er viel zu nett. Langsam zweifelte ich wirklich daran, dass die beiden tatsächlich Brüder waren. Auf der anderen Seite dachte ich mir, meine jüngere Schwester und ich verstanden und genauso wenig und hatten auch nichts gemeinsam. Nicht einmal das Aussehen. Und von meinem Zwilling wollte ich gar nicht erst anfangen. Um Darius zu trösten und ihm zu zeigen, dass ich seine Entschuldigung annahm, ging ich auf ihn zu und umarmte ihn. Er sah erleichtert aus und schloss auch mich in seine starken Arme. Es tat gut einen solchen Freund wie ihn zu haben. Auch war ich trotz allem froh, Ash kennen gelernt zu haben. Nur hatte ich auch nicht überhört, was Darius vorhin zu ihm gesagt hatte. Er wunderte sich offenbar auch über das Verhalten seines älteren Bruders. Ich hatte Ash ja schon so kennen gelernt. Doch war er anscheinend nicht immer so gewesen. Bzw. vor meinem Auftreten war er nicht so gewesen. Allerdings fühlte ich mich nicht so schuldig, wie ich es wohl hätte tun sollen. Immerhin hatte Ash mir erklärt, dass ihr Verhalten nur daran lag, dass sie sich beide auf mich geprägt hatten. Wobei ich wieder daran denken musste, dass sie mich nur mochten, wegen dieser Prägunsgeschichte. Sofort war ich wieder leicht bestürzt und trennte mich von Darius. Er hatte meinen Stimmungswechsel wohl gemerkt, denn er sah mich fragend an. Ich setzte mich auf unser Bett und er sich neben mich. Erwartungsvoll sah er mich an und wartete auf eine Erklärung. Ich sah zu Boden ehe ich sprach. „Ash hat mir erklärt, dass ihr euch beide auf mich geprägt habt. Und dass ihr deswegen so eifersüchtig auf den anderen seid und so weiter. Aber vor allem … mögt ihr mich nur, weil ihr euch wegen diesem Vampir Ding auf mich geprägt habt?“ Ich schluckte und versuchte ihn nicht anzusehen. Kurz herrschte Stille, Darius überlegte wohl. Als er zum Sprechen ansetzte, horchte ich auf. „Weißt du … es stimmt, dass wir uns beide auf dich geprägt haben. Vermutlich ging das nur, weil wir Brüder sind.“ Ja. Das hatte auch Ash mir so erklärt. „Aber Nikita“ er drehte meinen Kopf zu sich und zwang mich so ihn anzusehen. „Ich mag dich keineswegs nur, weil ich mich auf dich geprägt habe! Denkst du, ich habe dich damals nur zu mir eingeladen, weil ich mich auf den ersten Blick in dich verliebt habe? Natürlich war das auch ein Punkt … Aber ich fand dich schon vom ersten Tag an als ich dich in der Schule beobachtet habe wahnsinnig interessant! Wie du auf die anderen Schüler reagiert hast. Als ob du nicht zu ihnen gehören würdest. Dich haben alle anderen überhaupt nicht interessiert. Sie haben dich gelangweilt, weil du anders bist als sie! Und trotzdem bist du auf ihre Bedürfnisse eingegangen … Du hast so getan als wären dir alle egal und trotzdem hast du ihnen aufmerksam zugehört und bist wie aus dem Nichts aufgetaucht, um einem Mädchen zu helfen, das du eigentlich nicht mochtest. Du hast mich vom ersten Tag vollkommen verzaubert. Nicht nur, weil ich mich auf dich geprägt hatte. Allein deine Art hat mich fasziniert und darum habe ich dich später auch angesprochen. Und ich bin froh darüber es getan zu haben.“ Er lächelte mich glücklich an und ich versuchte das Gehörte zu verarbeiten. Gut, nun wusste ich das von Darius. Nur fragte ich mich nun, wie es bei Ash stand. Er schien mir mehr der Typ zu sein, der mich wirklich nur wegen dieser Prägung mochte. Allein schon aus dem Grund, dass er so ziemlich alles und jeden hasste. Ich bedankte mich bei Darius und kuschelte mich noch eine Weile an ihn. Dann beschloss ich Ash zu fragen. Vielleicht konnte ich ihm bei der Gelegenheit auch gleich beibringen, dass er nicht so mit seinem Bruder umgehen konnte. Darius dagegen versuchte mich davon abzubringen, zu ihm zu gehen, doch ich versicherte ihm, dass das schon in Ordnung war. Also klopfte ich an seine Tür und trat ein. Wie so oft fand ich ihn beleidigt auf seinem Bett liegen und ging zu ihm. Hoffentlich schaffte der Junge es wenigstens einmal mit mir ein vernünftiges Gespräch zu führen. „Ash“ begann ich als ich mich zu ihm setzte. Er sah mich nur missmutig an. Ich seufzte. „Hör zu. Ich verstehe, warum du so aufgebracht reagierst, aber das ist wahrlich keine Art mit seinem Bruder umzugehen. Selbst wenn du noch so wütend bist. Er versucht wenigstens sich zusammenzureißen, aber du provozierst ihn immer weiter. Kein Wunder, dass er da mal zuschlägt.“ Ash setzte sich auf und sah mich an. „Ich weiß. Aber ich kann nichts dafür. Ich bin nun Mal kein Typ, der bei allem ruhig bleibt. Glaub mir, ich möchte Darius nicht weh tun. Und darum“ Er sah mich unverwandt an. „Und darum habe ich beschlossen weg zu gehen.“ Ich sah ihn verwirrt an. „Sobald wir wieder Zuhause sind, hau ich ab. Ich will ihm nicht weiter unfreiwillig wehtun. Und solange wir drei zusammen sind, wird es immer wieder zu solchen Streitigkeiten kommen.“ Er hatte Recht. Und es faszinierte mich, dass er etwas so vernünftiges gesagt hatte. Nur wollte ich auch nicht, dass sie sich meinetwegen trennen mussten. Das sagte ich ihm und als Antwort lächelte er mich nur trübe an. „Nikita … wenn du weg gehen würdest, nur damit mein Bruder und ich zusammen sein können, würdest du damit keinem von uns einen Gefallen tun. Dann würde ich mich einsam fühlen. Und Darius und du auch. Die einzige Möglichkeit wäre, dass du dich für einen entscheidest. Denn wenn du das tust, wird die Prägung zu dem anderen verschwinden.“ Ich starrte ihn an. Hieß das, dass wenn ich mich beispielsweise für Darius entschied, Ashs Prägung auf mich aufgelöst wurde? Oder eben andersrum. Aber das wollte ich nicht. Wenn ich mich für Darius entschied, könnte ich also keinen so engen Kontakt mehr mit Ash haben. Und damit meinte ich einen wirklich engen Kontakt. Dafür hing ich zu sehr an Ash als das tun zu können. Wenn ich mich dem allerdings hingab und mich für Ash entschied, würde die Prägung zu Darius verschwinden und Ash würde mich alleine für sich beanspruchen. Und auch das wollte ich nicht, da ich gern mit Darius befreundet war und auch unglaublich gerne Zeit mit ihm verbrachte. Langsam fürchtete ich, ich hatte mich in beide ein wenig verliebt. Dabei fiel mir wieder etwas ein. Ash hatte doch gemeint, dass wenn ich ein Vampir wäre, wüsste ich genau auf wen von beiden ich mich geprägt hatte. Mir blieb wohl nur ein Weg dieses Dilemma zu lösen. Doch bevor ich meinen Gedanken aussprechen konnte, fiel mir wieder meine eigentliche Frage ein. „Hey Ash“ begann ich vorsichtig. „Darius habe ich eben auch schon gefragt. Magst du mich nur, weil du dich auf mich geprägt hast?“ Auch bei ihm fiel es mir schwer diese Frage zu stellen, da ich ihn wirklich sehr lieb gewonnen hatte. Er sah mich mit großen Augen an. „Nein! Wie kommst du denn darauf?“ Ash sah mich an als hätte ich ihm einen furchtbaren Vorwurf gemacht. „Ich mag dich, so komisch es auch klingen mag, weil du so zickig bist manchmal.“ Verlegen sah er zur Seite und ich saß verdutzt da. Das hatte mir noch nie jemand gesagt. „Weißt du“ fuhr er fort. „Ich hatte es so satt, dass Mädchen mich nur mögen, weil ich als Vampir eine natürliche Attraktivität ausstrahle. Sie alle haben mich so angehimmelt, aber keine von ihnen hat mich wirklich geliebt. Sie waren alle so oberflächlich und haben sich nur wegen meines Aussehens an mich ran gemacht.“ Ich dachte daran, was Darius mir mal erzählt hatte. So etwas Ähnliches hatte er mal über seinen Bruder erwähnt. Und ich war eigentlich froh darüber, dass es stimmte und musste lächeln. „Aber du“ erzählte er weiter und sah mich nun wieder an. „Du bist ganz anders.“ Er grinste mich an. „Du hast mich von Anfang an nicht ausstehen können und es war dir egal, wie ich aussehe! Egal wie oft ihr dir noch so nahe gekommen bin und dich angemacht habe, du hast dich jedes Mal gewehrt und bist mir nicht sofort um den Hals gefallen. Du bist nicht oberflächlich und das mag ich. Außerdem macht es Spaß mit dir zu diskutieren.“ Er lachte und ich musste mit einstimmen. Weniger, weil ich das lustig fand, sondern eher, da sein Lachen ansteckend war. Und es freute mich, dass mich die beiden wirklich mochten und nicht nur wegen dieser Prägung. Dennoch musste ich mich für einen entscheiden. Und das konnte ich nur als Vampir. Zumindest konnte ich nur so sagen auf wen ich mich dann geprägt hatte. Anderseits würde ich auch ohne das gerne sagen können, dass ich einen von ihnen liebte. Ganz ohne von dieser Prägung beeinflusst zu sein. Das war alles so kompliziert. Doch ich freute mich auf eine weitere lange Zeit zusammen mit den beiden Brüdern.

Die nächsten Tage verliefen ruhig und keiner stritt sich mehr. Trotzdem lag eine bedrückte Stimmung in der Luft. Ich persönlich fragte mich, ob Ash das ernst gemeint hatte, dass er weg gegen würde, sobald wir wieder zu Hause waren. Denn morgen würden wir zurück fliegen. Mir fiel ein, dass ich in diesem Urlaub mehr über unsere Dreierbeziehung nachgedacht hatte als die Stadt richtig zu genießen. Immerhin war ich Mal wieder in einer meiner Lieblingsstädte gewesen. Damit tröstete ich mich und packte im Hotel angekommen meine Sachen. Als ich mich schlafen legte, dachte ich das erste Mal, dass das die erste Nacht bzw. der erste Tag gewesen war, an dem ich mal richtig schlafen konnte und nicht irgendwelche Diskussionen mit einem oder beiden Brüdern gehabt hatte.

Am Flughafen mussten wir noch knapp zwei Stunden warten bis unser Flug ging und ich bemerkte, dass sich keiner von uns dreien seit dem letzten Streit großartig unterhalten hatte. Wir hatten wirklich nicht mehr viel miteinander geredet. Auch jetzt saßen wir nur stumm nebeneinander und warteten. Ash saß rechts von mir und hörte Musik. Darius saß links von mir und las eine englische Zeitung. Ich saß dazwischen und sah dem kleinen Jungen mir gegenüber zu. Er grinste mich an und schaukelte mit den Beinen, da seine Füße den Boden nicht berührten, weil er noch zu klein war. Immerhin gab es hier einen, der gute Laune hatte. Ich musste lächeln und grinste ihn auch an. Nach einer Weile funkelte er mich schelmisch an. „Wer von beiden ist dein Freund? Er hat echt Glück mit dir!“ Ich wurde rot als er auf die beiden Brüder zeigte und auch die beiden horchten auf. Als ich mich wieder fasste, musste ich lachen. „Dankeschön, aber keiner von beiden ist mein Freund.“ Der Junge sah mich ungläubig an und grinste dann wieder. „Kann ich dann dein Freund sein?“ Verdutzt starrte ich ihn an. Ich fand einige Typen in England zwar sehr attraktiv, aber einen Jungen, der ungefähr halb so alt war wie ich, musste nun auch nicht sein. Erst da viel mir auf, dass wir uns auf Englisch unterhielten. Der Junge stand auf und kam zu mir rüber als ich nicht antwortete. Ich sah ihn mit großen Augen an als er mir näher kam und war überrascht als er mich auf wie Wange küsste und dann angrinste. Rechts von mir vernahm ich ein leises Knurren und ich wollte den Jungen schon weg schieben, damit Ash nicht noch eifersüchtiger wurde. Doch Darius kam mir zuvor. „Entschuldige bitte, Kleiner, aber ich glaube du bist ein wenig zu jung für meine Freundin.“ Er lächelte den Jungen an und dieser streckte ihm frech die Zunge heraus. „Sie ist nicht deine Freundin, sondern die von deinem Bruder!“ Darius sah genauso verwirrt aus wie ich. Dass sie Brüder waren, sah man zwar, aber wie kam er zu der Annahme, dass ich mit Ash eine Beziehung hatte? Als der Junge sich umdrehte um seiner Mutter zu folgen, welche ihn gerufen hatte, drehte er sich noch einmal kurz um und beantwortete uns unsere ungestellte Frage. „Er ist mehr eifersüchtig auf mich gewesen als ich sie geküsst habe!“ Er lachte und hüpfte davon. Darius und mich ließ er verdutzt zurück. Nur Ash fand das amüsant. „Also ich mag den Kleinen.“ meinte er, packte seine Kopfhörer ein und stand auf. „Kommt ihr? Unser Flug geht gleich.“

In Deutschland angekommen brachten mich die Jungs noch nach Hause und verabschiedeten sich anschließend beide mit einer Umarmung. Da es bereits spät Abends war, ging ich gleich schlafen, nachdem ich meine Eltern und meine Schwester begrüßt hatte. Am nächsten Morgen wurde ich durch das Vibrieren meines Handys geweckt.
Hast du heute Zeit? Darius.

Ich denke schon, wieso?

Kommst du vorbei? Es ist wichtig.

Okay, was ist los?

Sag ich dir dann.
Ich konnte mir allerdings schon denken, was los war. Mit einem mulmigem Gefühl ließ ich mich von meinem Vater zu ihnen fahren und hörte gar nicht zu als er mir noch irgendwas hinterher rief. Ich klingelte und mir wurde kurz darauf von Darius geöffnet, welcher ziemlich niedergeschlagen aussah. Keiner sagte etwas und ich ließ mich von ihm hoch in Ashs Zimmer ziehen. Der allerdings war nicht da. Darius nahm einen Zettel von seinem Bett und hielt ihn mir hin. Mir war klar, was darauf stehen würde. Trotzdem tat ich überrascht.

Hey Darius,

du weißt selber, dass unsere Situation so nicht weiter geht und da mir klar ist, dass Nikita gehen wird, wenn es nicht einer von uns tut, werde ich es tun. Ich gehe zurück nach Frankreich und bitte dich, mir nicht nachzukommen. Es tut mir leid wie ich mich dir gegenüber verhalten habe und ich will nicht, dass das weiter so geht. Ich hoffe du verstehst das.

Bis dann, Ash

P.S.: Kümmere dich gut um sie.

Ich schluckte als ich das las und sah Darius wieder an. Der litt offensichtlich sehr unter dem Verschwinden seines älteren Bruders. Immerhin waren sie noch nie getrennt gewesen. Aber das konnte ich doch nicht zulassen. Nicht nur Darius, sondern auch ich wollte bei Ash sein. Und der konnte nicht einfach so abhauen. Schon gar nicht ohne auch nur ein Wort zu sagen. Dabei wurde mir klar, dass er mir ja Bescheid gesagt hatte, dennoch konnte er das nicht machen. Nicht einfach so. Er konnte uns doch nicht alleine lassen! Ich spürte Darius' Hand auf meiner Wange und sah ihn an. Er lächelte sanft. „Nicht weinen …“ meinte er ruhig und strich mir eine Träne weg, welche ich gar nicht bemerkt hatte. Darius umarmte mich und ich drückte mich fest an ihn. Nach einer Weile meinte ich, dass wir ihn zurückholen mussten, doch er wollte nicht. Verwirrt sah ich ihn an. „Ich glaube, es ist besser, wenn wir ihn erst mal alleine lassen. Er wir sich schon wieder beruhigen. Außerdem“ er lächelte. „Außerdem können wir so endlich ungestört zusammen sein.“ Da hatte Darius zwar recht, aber ich konnte Ash doch nicht irgendwo alleine in Frankreich sitzen lassen. Anderseits war er bereits einhundertachtundvierzig Jahre alt. Er konnte wohl auf sich aufpassen. Seufzend ließ ich es darauf beruhen und wurde sogleich noch einmal von Darius fest gedrückt. Irgendwie behandelten sie mich wirklich wie ein Kuscheltier. Die nächsten Tage vergingen und ich dachte, dass das alles viel zu abrupt passiert war. Dieser Urlaub, der Streit, die letzten Tage. Wie war das nur so schnell herum gegangen? Meine Sommerferien waren nicht einmal bei der Hälfte und schon war das alles passiert. Im Moment saß ich auf Darius' Bett und las eines seiner Bücher. Bzw. auch eines meiner Lieblingsbücher. Weinrot – Farbe der Begierde. Es handelte von einer komplizierten Dreierbeziehung zwischen zwei besten Freunden, welche noch dazu Vampire waren, und einem Menschenjungen. Ein wenig erinnerte mich das Buch an unsere Situation. Ich legte es zur Seite als Darius sein Zimmer betrat und lächelte ihn an. Er setzte sich neben mich und kuschelte sich an mich. Erst jetzt, wo Ash nicht nebenan war, merkte ich, was für ein wundervoller Freund Darius war. Die letzten Tage hatte ich praktisch hier gewohnt und es war jeden Tag aufs Neue ein Abenteuer. Ich freute mich, wenn ich herkam und kam auch ihm näher. Doch etwas fehlte. Eher jemand. So sehr wir die Zeit gemeinsam auch genossen, war es nicht das gleiche. Es war viel ruhiger und selbst Darius hatte schon gemeint, dass er es vermisste, seinem Bruder ständig seine Sachen hinterher zu räumen. Ich meinte daraufhin, dass mir seine Kochkünste fehlen würden, woraufhin Darius hatte lachen müssen. Er konnte zwar kochen, aber noch lange nicht so gut wie Ash. Ich dagegen konnte auch nichts tun, da ich ja eher die Küche explodieren lassen würde. Eine große Hilfe war ich ihm also nicht. So vergingen also die nächsten Tage zwar fröhlich, aber dennoch nostalgisch. Es gab wirklich keinen Tag, an dem ich nicht an ihn dachte. Und so sehr ich Darius' mochte und seine Nähe genoss, war es nicht das gleiche wie dieses ungebändigte Gefühl, wenn ich vor Ash stand und mich zusammenreißen musste, um ihn nicht einfach zu berühren. Egal wie sehr es mir missfiel, ich fühlte mich stärker zu Ash hingezogen als zu seinem Bruder. Also hatte ich irgendwann genug und rief ihn einfach an. Mir war vollkommen entfallen, dass ich ja seine Nummer besaß.

Hallo?“

H-hallo, Ash. Ich bin's, Nikita …“

Hey. Ist alles okay bei euch?“

Ja. Uns geht es gut. Was ist mit dir?“

Alles super. Ich bin in Paris und es ist der Wahnsinn! Du glaubst nicht wie toll diese Stadt ist.“

D-doch … das weiß ich. Ich hab eine Tante in Paris …“

Wirklich? Cool. Hey … ist wirklich alles okay?“

Ja … Ich vermisse dich nur.“

Ich dich auch.“

Ich wurde rot als ich das hörte und musste schlucken, um nicht zu schluchzen. Er fehlte mir so sehr. Nur seine Stimme zu hören, ließ mein Herz schneller schlagen. Als ich nicht antwortete, redete er weiter.

Hör mal … hast du nicht Lust her zu kommen? Ich meine ohne Darius. Das würde nicht gut gehen. Sag ihm einfach, dass du bei Freunden übernachtest oder so.“

Wirklich? Ich würde gerne, aber … Nein. Okay, ich komme! Sagst du mir deine Adresse?“

Vergiss es. Ich kenne deinen Orientierungssinn. Das würdest du nie finden.“

Er lachte und ich sah beleidigt drein. Aber er hatte ja recht. Also vereinbarten wir, dass er mich am Bahnhof abholen würde. So saß ich also am nächsten Tag im Zug nach Paris. Darius hatte ich nicht anlügen wollen und hatte ihm gesagt, dass ich meine Tante besuchen würde und noch ein paar Freunde, die in derselben Stadt wohnten. Um welche Stadt es sich handelte, hatte ich allerdings außen vor gelassen. Und gelogen hatte ich ja wirklich nicht. Wenn ich dazu kam, würde ich meine Tante besuchen, auch hatte ich tatsächlich Freunde in Paris, zu denen ich wollte. Denn es war nach wie vor keine gute Idee bei Ash zu übernachten. Zwar waren das bis auf die Schwester meines besten Freundes nur Jungs, aber immerhin besser als Ash.

 

In Paris angekommen, wartete bereits Ash auf mich und umarmte mich fröhlich als er mich sah. Während wir uns noch begrüßten, bemerkte ich meine anderen Freunde, denen ich gesagt hatte, dass ich kommen würde, auf uns zukommen. Ich ließ von Ash ab und stürmte auf meinen besten Freund zu, welcher mich stürmisch hochhob und lachte als ich mich an ihn klammerte. Ash kam verdutzt zu uns herüber und ich stellte ihm meine Freunde vor. „Ash, das sind mein bester Freund René“ Ich deutete auf den braunhaarigen Jungen, welcher mich noch immer im Arm hielt. „Seine Cousins – die Zwillinge Ciel und André und deren älterer Bruder Nikolaj“ Sie begrüßten Ash höflich und mir viel auf, dass sie sich recht ähnlich sahen. Alle vier hatten sie eisblaue Augen und schwarze Haare. Ich lächelte und stellte die letzten beiden Jungs vor. „Und das ist Ciels bester Freund Gabriel und sein älterer Bruder Ian – der beste Freund von Nikolaj.“ Die blonden Brüder hatten ebenfalls blaue Augen. René war der einzige der Truppe, der brauen Augen besaß. Ebenso seine jüngere Schwester. Dabei bemerkte ich, dass sie fehlte. „Hey Jungs“ wandte ich das Wort an meine Freunde. „Wo habt ihr Julie gelassen?“ René drückte mich fest und grinste mich dann an. Sie arbeitet. Ich zog die Augenbrauen hoch. Sie war ein Jahr jünger als ich, demnach sechzehn. Was arbeitete Sie bitte? Mein bester Freund lachte und meinte, dass sie als Kellnerin in einem Maid-Café arbeiten würde. Ich versuchte nicht zu lachen, doch das passte so gut zu ihr. Sie war eine kleine Lolita, im Gegensatz zu ihrem Bruder, welcher eher den gleichen Stil wie ich präferierte. Die Zwillinge und ihr Bruder bevorzugten eher den viktorianischen Stil und Gabriel und Ian kleideten sich am liebsten elegant. Passend für zwei Junge Männer, welche eine Firma führten. Und das in ihrem Alter. Die jüngsten waren noch René und Gabriel mit ihren neunzehn. Die Zwillinge und Ian waren zwanzig und Nikolaj einundzwanzig. Faszinierend, dass ich keine gleichaltrigen Freunde hatte. Entweder waren sie jünger, doch die meisten waren älter. Nachdem wir uns alle vorgestellt hatten, ging ich erst Mal mit Ash nach Hause. Immerhin wollte ich ja wissen wo er wohnte. Seine Adresse hatte er mir ja nicht genannt.

 

Dort angekommen lachte ich als ich seine Wohnung betrat. Es sah exakt so aus wie sein Zimmer bei uns in Deutschland. Etwas anderes würde aber auch nicht zu ihm passen entschied ich und schaute mir die Küche an. Eine große Küche mit lauter Geräten, die ich nicht kannte. Aber auch das wunderte mich nicht. Ash drängelte langsam und so folgte ich ihm lächelnd in sein Zimmer. Und auch hier kannte ich mich bereits bestens aus. Fast dieselben Möbel, die gleichen CDs usw. Man könnte meinen, er hatte alles doppelt. Ich ließ mich kichernd von ihm in den Arm ziehen und sah ihn an. Er strahlte förmlich. Nicht, dass er lachte oder dergleichen. Sein blasser Teint viel mir hier richtig auf und er sah wunderschön aus. Er kam mir näher und legte seine Lippen auf meine. Ich hatte das vermisst. Seine wundervoll weichen Lippen. Eigentlich hatte ich sexuelle Dinge vermeiden wollen, aber ein Kuss konnte ich ihm doch nicht untersagen oder? Also ließ ich es zu und stand noch eine Weile in seinen Armen und genoss seine Küsse.

Kapitel 6 – Die sechste Nacht

Als ich aufwachte, lag ich in Ashs Armen, welcher neben mir noch schlief. Ich lächelte bei dem Anblick und kuschelte mich noch mehr an ihn. Langsam wurde auch er wach und drückte mich an sich, während er anfing zu knurren. Kichernd sah ich ihn an. Er war ganz der alte. Ich schlang meine Arme um ihn und lag kurz darauf unter ihm. Ash hatte sich über mich gerollt und küsste nun verlangend meinen Hals. Morgens bzw. wenn ich aufstand – es war ja bereits Nacht – war ich noch nicht so zurechnungsfähig und wehrte mich auch nicht, sondern ließ ihn machen und drückte ihn sogar noch enger an meinen Hals. Als er anfing sich zu verspannen, wurde ich allerdings doch wacher. Fragend schaute ich ihn an und er sah aus als müsste er sich schwer zusammenreißen, mich nicht anzufallen. Oder über mich herzufallen. Auf meinen fragenden Blick hin lächelte er trübe. „Du weißt nicht, wie schwer es für mich ist, dir zu widerstehen. Sexuell als auch aus Vampirsicht gesehen.“ Damit meinte er wohl das Beißen. Aber ich konnte es mir tatsächlich nur vorstellen. Ich wollte so gerne auch ein Vampir sein. Dann könnte ich die beiden endlich verstehen und auch die restlichen Probleme wären gelöst. Also fragte ich Ash noch einmal genau. „Du willst wissen, wie genau man zum Vampir wird?“ Erstaunt setzte er sich auf und zog mich auf seinen Schoß. Ich nickte auf seine Frage hin. Er dachte kurz nach. „Naja … Also als erstes beißt dich ein Vampir und trinkt dein Blut. Natürlich nicht alles, aber schon etwas mehr. Das schwere dabei für den Vampir ist nur wieder aufzuhören. Denn wenn man erst Mal eine Weile saugt, bekommt man erst richtig den Geschmack des Blutes und es wird immer schwerer aufzuhören.“ Er sank den Blick etwas. „Jedenfalls … danach muss der Mensch dann das Blut des Vampirs trinken. Nicht so viel, aber genug. Und dann beginnt die Verwandlung. Es dauert ein bisschen, aber danach fühlst du dich besser den je.“ Ash fing an zu lachen, doch ich konnte mir nur ein leichtes Lächeln aufzwängen. Ich wollte endlich einer von ihnen sein. „Ash“ begann ich. „Ich will, dass du mich zum Vampir machst.“

 

„Ja, ich will, dass du nach Paris kommst!“ Leicht genervt brüllte ich Darius schon beinah an. Dieser versuchte zu verstehen, was genau ich sagen wollte. Erklärt hatte ich ihm nichts. Ich hatte ihn lediglich gebeten zu Ash und mir zu kommen. Denn Ash hatte gemeint, dass wenn er mich verwandeln würde, er Darius dabei haben möchte, weil er sich nicht sicher war, ob er in der Lage war wieder aufhören zu können. Darius sollte dabei sein und ihn falls nötig zurückhalten. Ich konnte es gar nicht abwarten ein Vampir zu werden. Auch wenn Ash mir irgendwas erzählt hatte, ob ich denn wirklich sicher war und ich es nicht mehr rückgängig machen konnte und lauter so irrelevantes Zeug. Immerhin wollte ich schon seit ich ein kleines Kind war immer ein Vampir werden. Und jetzt hatte ich die Gelegenheit, also würde ich sie auch nutzen. Und ich würde es nicht bereuen. So standen Ash und ich also kurz darauf am Bahnhof und empfingen den noch immer verwirrten Darius in seiner Heimatstadt. Ich hatte völlig vergessen, dass sie ja aus Frankreich kamen.

 

Im Hotel, welches meinem Freund Gabriel gehörte, erklärten wir Darius, warum er hier war. Dieser schwieg für einen Moment und willigte dann ein. Ich hatte mehr Gegenwehr erwartet, doch er war offensichtlich auch erfreut darüber, dass ich somit für immer bei ihnen sein konnte. Zurück bei Ash zu Hause schob dieser mich ungeduldig in sein Zimmer. Er schien viel aufgeregter zu sein als ich. Darius dagegen war wahnsinnig ruhig und auch ich sagte nichts. Allerdings eher vor Nervosität. Oder Freude. Es war eine merkwürdige Mischung. So ließ ich mich also von dem älteren der beiden in sein Bett legen und er beugte sich über mich. Mir stieg das Blut in den Kopf und ich hörte es pochen. Die beiden Jungs mussten vermutlich beinah durchdrehen, wenn selbst ich mein eigenes Blut hörte. Und mein Puls stieg immer mehr an. Um mich zu beruhigen – vielleicht auch sich selbst – legte Ash mir eine Hand auf die Stirn und lächelte mich an. Ich sah in seine wunderschönen blauen Augen und wollte nicht mehr wegsehen. Darius stand teilnahmslos neben dem Bett und starrte Löcher in die Luft. Ash beugte sich zu mir herunter und küsste mich sanft. Sonst war er meistens recht grob. Ich klammerte mich an ihn als er anfing meinen Hals zu liebkosen. Er musste meinen Puls sicher unter seinen Lippen spüren, so laut war er. Er leckte meinen Hals ab, damit sein Speichel seine Wirkung zeigte und legte seine Lippen noch einmal kurz auf meine, bevor er sich wieder meinem Hals zuwandte und zubiss. Ich stöhnte auf und sah aus dem Augenwinkel wie Ashs Augen bereits wieder weinrot funkelten. Mir lief es kalt den Rücken herunter als er an mir saugte und ich spürte, wie mir Tränen die Wangen herunterliefen. Wie lange wir dort lagen, wusste ich nicht. Doch nach einer Weile meinte ich Darius zu hören, wie er seinen Bruder zum Aufhören aufforderte. Dieser hatte sich noch enger an mich gedrückt und wurde nun leicht gewaltsam von mir gezogen. Ich bekam noch mit wie Ash sich selbst in den Arm biss und mir diesen an den Mund presste. „Trink!“ befahl er und ich zwang mich die rote Masse zu schlucken. Es war grässlich und ich musste husten. Nach einer Weile gewöhnte ich mich an den Geschmack und versuchte mehr zu trinken. Irgendwann nahm er seinen Arm weg als die Wunde fast verheilt war und hielt mir seinen Hals hin. Er wollte, dass ich ihn biss. Ich nahm meinen Mut zusammen und biss ihm kräftig in den Hals, da ich ja noch keine Vampirzähne hatte, war es etwas mühsam. Doch ich schaffte es eine Wunde zu hinterlassen und begann zu saugen. Ich hörte Ash im Hintergrund stöhnen. Wohl stand er auch aufs Beißen. Langsam fing der Blutgeschmack an, mir zu gefallen. Ich spürte wie sein Blut sich in mir ausbreitete und mir wurde furchtbar heiß. Es fühlte sich gut an und ich zog Ash noch näher zu mir. Als ich schon beinah nichts anderes mehr wahrnahm als sein berauschendes Blut, zerrte man mich weg von ihm und ich wurde kurz darauf ohnmächtig.

 

Ich befand mich auf dem Schulhof meiner Grundschule. Verwirrt stand ich vor meinem ehemaligen Schulgebäude und sah mich fragend um. Was tat ich hier? Als ich ein Kichern hinter mir vernahm, drehte ich mich ruckartig um. Ich riss die Augen auf als ich mich selbst sah. Mich – als zehnjähriges Kind. Damals hatte ich noch schulterlange Haare gehabt. Ich hatte sie immer gehasst. Neben mir stand meine damalige beste Freundin Annalena. Sie hatte schon damals wunderschöne braune Locken gehabt und ich erinnerte mich noch daran, wie ich mir meine Haare versucht hatte so wie ihre zu frisieren als ich sie hatte wachsen lassen. Bei dem Gedanken lächelte ich kurz, um gleich danach zu bemerken wie die beiden auf mich zu kamen und … durch mich hindurch liefen. Kurz erschrak ich und mir wurde bewusst, dass ich wohl träumen musste. Ich träumte von meiner Kindheit. Da mir nichts anderes übrig blieb, lief ich den beiden Mädchen hinterher und wartete gespannt was passierte. Damals hatte ich jeden einzelnen Tag mit meiner besten Freundin verbracht und ich fragte mich, welcher Tag das wohl war. Wir liefen die Straße hinunter und bogen links in Richtung meines alten Kindergartens ab. Direkt daneben war ein Fußballplatz auf dem die Jungs immer gespielt hatten. An einer Ecke blieben wir stehen und ich sah den beiden zu, wie sie herumalberten und anscheinend über irgendeinen Jungen redeten. Annalena meinte, dass sie meinem jüngeren Ich wohl jemanden vorstellen wollte. Wohl einen Jungen, den hier anscheinend jeder außer mir kannte. Schlagartig wurde mir klar, welcher Tag das war. Er war der Tag, an dem ich meine erste große Liebe kennen gelernt hatte. Den Jungen, für den jedes Mädchen geschwärmt hatte und den ich nicht einmal gekannt hatte, bis sie mir ihn vorgestellt hatte. Es war genau an dieser Ecke passiert als ich ihm zum ersten Mal in seine braunen Augen geschaut und mich augenblicklich in ihn verliebt hatte. Ja, das nannte man wohl Liebe auf den ersten Blick. Und das mit zehn Jahren. Ich kam mir leicht blöd vor, aber ich war wirklich wahnsinnig in ihn verliebt gewesen und habe versucht, alles mögliche über ihn heraus zu finden. Ich hatte sogar mal bei ihm geklingelt, nur um zu sehen, was für einen Hund er hatte. Unglücklicherweise ist er zwei Wochen, nachdem ich ihn kennengelernt hatte, mit Annalena zusammen gekommen. Sie hatte mich damals in der Schule gefragt, was sie machen sollte, da er sie gefragt hatte, ob sie mit ihm gehen will. Ich war zwar in den Jungen verliebt gewesen, doch ich hatte es ihr nicht gesagt – das einzige Geheimnis, das ich vor ihr gehabt hatte – und meinte sie müsste das selbst entscheiden. Während sie zusammen waren, hatte ich mir immer gewünscht, dass sie Schluss machen würden und ich so eine Chance bei ihm hätte. Einige Wochen später haben sie sich auch getrennt und danach mochte Annalena ihn nicht mehr und ist ihm aus dem Weg gegangen. Loyal wie ich war, bin ich natürlich bei ihr geblieben, doch habe immer versucht, ihm etwas näher zu kommen, wenn wir ihn irgendwo gesehen hatten. So z.B. bei einer Schulaufführung, bei der auch er anwesend war, da sein jüngerer Bruder auf dieselbe Schule ging wie wir. Er selbst war ein Jahr älter als wir. Genaugenommen dreihundertneunundfünfzig Tage älter als ich. Ja, ich war damals wirklich geradezu besessen von dem Jungen. Ich wurde durch das Kichern der Mädchen aus meinen Gedanken gerissen. Mein jüngeres Ich stand ganz lässig da und wartete, dass Annalena endlich den Jungen holte. Doch ich wusste, dass ich damals nur so cool getan hatte. Eigentlich war ich wahnsinnig gespannt gewesen. Ich musste lächeln als ich mich daran erinnerte. Als meine frühere beste Freundin jemandem um die Ecke zuwinkte, starrte ich auf die Stellte an der er auftauchen sollte. Er bog um die Ecke, die Hände in den Hosentaschen seiner zerrissenen Jeans. Darüber trug er eine schwarze Lederjacke und Chucks. Seine schwarzgefärbten Strähnchen fielen ihm ins Gesicht und brachten so seinen blassen Teint zum Leuchten. Er sah mein jüngeres Ich kühl an und ihre Blicke trafen sich zum ersten Mal. Sie war sprachlos und schaute ihm nur in seine braunen Augen. Annalena stellte ihn irgendwann vor und riss mein jüngeres Ich so aus ihrer Trance. „Also das ist Marvin.“ Sie deutete auf den coolen Badboy und kurz darauf auf ihre beste Freundin. „Und das ist Nikita.“ Annalena lächelte und ich sagte damals schüchtern Hallo. Die drei unterhielten sich noch ein wenig und irgendwann sah mein jüngeres Ich auf ihre Uhr und meinte sie müsste gehen. Damals hatte ich immer um Punkt sechs Uhr abends Zuhause sein müssen. Also war ich genau eine Minute vor sechs losgegangen. Länger hatte ich nicht gebraucht, da ich gleich um die Ecke wohnte. Auch Marvin wohnte nur die Straße hoch und auch er musste um sechs Zuhause sein. Als ich damals jedoch gegangen war, meinte er, dass wir doch noch eine Minute hätten. Ich musste lachen bei dem Gedanken und sah mir selbst zu, wie ich die Straße entlang lief. Kurz darauf verschwamm alles und mir wurde klar, dass ich wohl aus meinem Traum erwachen würde. Ich dachte mir nur noch amüsiert, dass ich es wohl nur Marvin zu verdanken hatte, dass ich auf so arrogante Badboys stand. Kichernd wurde ich daraufhin wach.

 

Leise hörte ich jemanden meinen Namen sagen. Immer deutlicher nahm ich die tiefe Stimme wahr und schlug vorsichtig meine Augen auf. „Du bist endlich wach!“ hörte ich es neben mir. Er klang fröhlich. Noch ein wenig benommen schaute ich zur Seite und wurde sogleich von zwei starken Armen umschlungen. Ich roch plötzlich wahnsinnig gut und erkannte Ashs Geruch sogleich. Mir wahr nie aufgefallen, wie wunderbar er roch. Er schmiegte sich an mich und vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge als er lachte. Als er seinen Kopf wieder hob, sah ich ihn zum ersten Mal mit den Augen eines Vampirs. Seine Schönheit war mir vorher nicht entgangen, doch nun kam er mir vor wie die Ästhetik pur. Er hatte so eine wundervolle porenfreie Haut und diese Augen. Ich versank beinah darin und merkte gar nicht wie ich ihm immer näher kam. Erst als ich seine Lippen auf meinen spürte und er sich merklich ein Schmunzeln unterdrücken musste, wurde ich wieder wacher. Normalerweise würde ich in solch einer Situation rot anlaufen, doch ich merkte nicht, dass mir das Blut in die Wangen stieg. Ich erinnerte mich, dass ich nun ein Vampir war und somit wohl diesen Dauer-blassen Teint hatte. Bei dem Gedanken daran, dass ich nun ein Vampir war, weiteten sich meine Augen. Aufgeregt setzte ich mich auf und rannte ins Bad. Mit Ash im Schlepptau, was ich allerdings nicht bemerkte. Dort angekommen stellte ich mich vor einen Spiegel und war wie erstarrt. Danach musste ich grinsen und trat noch näher an mein Spiegelbild. Ich war noch ein wenig blasser als sonst, im positiven Sinne. Auch meine wenigen Sommersprossen waren verschwunden und ich berührte vorsichtig mein Gesicht. So weich und perfekt wie das von den Brüdern. Erst nach einer Weile bemerkte ich, dass auch mein Körper sich verändert hatte. Zwar war ich noch immer so klein wie davor, doch hatten auch meine Körperrundungen sich perfektioniert. Eigentlich war ich mit meiner Figur immer zufrieden gewesen, doch das kam mir bei meinem jetzigen Anblick irgendwie albern vor. Lachend umarmte Ash mich von hinten. „Gefällst du dir?“ fragte er mit dem Unterton, dass er kein nein akzeptieren würde. Also nickte ich heftig und drehte mich zu ihm um. Er sah mich liebevoll an und kam meinem Gesicht näher, ehe er leise weiter sprach. „Du bist wunderschön.“ Daraufhin küsste er mich, sodass ich mich nicht einmal bedanken konnte, doch das störte mich nicht. Ich genoss seinen Kuss und schlang meine Arme um seinen Hals, um ihn so noch näher an mich zu drücken. Nach einer Weile löste er sich von mir und strahlte mich an. „Komm schon. Wir müssen dich Darius zeigen!“ Bevor ich zustimmen konnte, nahm er mich schon bei der Hand und zog mich hinter sich her in ein Zimmer, welches ich zuvor noch nicht betreten hatte. Anscheinend war es Darius' Zimmer. Ash meinte, er würde noch kurz etwas zu essen besorgen, erst da viel mir auf, dass ich furchtbaren Hunger hatte. Aber als junger Vampir war das normal, hatte er mir erklärt. So stand ich also alleine vor der Zimmertür seines Bruders und klopfte leise an, ehe ich eintrat. Drinnen sah es wie sein anderes Zimmer aus. Lächelnd betrachtete ich die exakte Kopie seines Bücherregals, des Schreibtisches, der Lampe, welche mich an einen Kronleuchter erinnerte und die restlichen Möbel. Darius fand ich auf seinem Bett sitzend vor. Ich wollte etwas sagen, ihn begrüßen, doch ich konnte nicht. Als ich zu ihm schaute und in seine wundervollen eisblauen Augen sah, war ich wie zu Eis erstarrt. Mir lief es kalt den Rücken herunter und ich wunderte mich, dass ich noch stehen konnte. Auch er starrte mich einfach nur an. Nach einer Weile stand er wie in Trance auf und kam auf mich zu. Noch immer unfähig etwas zu tun, ließ ich mich von ihm zu sich ziehen und küssen. Ich wollte die Augen schließen, doch konnte ich meinen Blick nicht von dem Eisblau seiner Augen abwenden. Auch ihm schien es nicht anders zu gehen. Noch enger drückte er mich an sich und auch ich begann mich wieder zu bewegen und schlang meine Arme um seine Hüfte. Sonst wäre mir das peinlich gewesen, aber ich konnte nicht anders und legte meine Hand auf seinen Hintern während wir uns noch inniger küssten. Mir fiel auf, dass sein Speichel keine Wirkung mehr hatte und war froh darüber endlich einen richtigen Kuss mal genießen zu können. Wir trennten uns erst voneinander als wir Ash von unten die Treppe herauf kommen hörten. Als dieser den Raum betrat, standen wir immer noch sprachlos voreinander. Ash dagegen erzählte irgendwas übers Essen und stellte sich dann neben seinen Bruder und sah stolz auf mich herab. „Ist sie nicht zauberhaft?“ Diese Frage ging an Darius, der ohne den Blick von mir abzuwenden nickte und ein sanftes „Wundervoll“ hauchte. Ash hatte bemerkt, wie eingefroren wir dastanden und uns anstarrten, denn er ließ die Hand von Darius' Schulter sinken und trat einen Schritt zurück. „Oh nein … du hast dich auf ihn geprägt.“

 

Ein paar Stunden später saß ich mit Darius kuschelnd bei ihm im Bett und war noch immer nicht ganz bei mir. Er zog mich auf seinen Schoß und ich bemerkte seinen wundervollen Hals. Er folgte meinem Blick und kicherte daraufhin. Demonstrativ streckte er ihn mir hin und ich konnte nicht anders und näherte mich ihm bedächtig, bevor ich zubiss. Darius stöhnte auf und auch ich verstand nun endlich, wie sich die beiden gefühlt hatten als sie mich bissen. Den Geschmack konnte man gar nicht beschreiben. Süßer als Schokolade, berauschender als jede Droge und man wollte es nur für sich alleine haben. Nach einiger Zeit schob Darius mich von sich und leckte mir den Rest seines Blutes von den Lippen ab. Ich lächelte ihn an und schenkte ihm einen Kuss. Er zog mich zu sich und erwiderte den Kuss. Hinter mir vernahm ich ein Räuspern, löste mich von Darius und drehte mich zu Ash um, welcher ziemlich beleidigt im Türrahmen stand. „Komm mal mit.“ Er hatte mich gemeint und nur widerwillig trennte ich mich aus Darius' Umarmung und folgte Ash in sein Zimmer. Erwartungsvoll sah ich ihn an. Noch hatte er mir den Rücken gekehrt und seufzte. Als er sich umdrehte, bemerkte ich die Trauer in seinen Augen. „Ich kann nur mit dir vernünftig reden, wenn Darius nicht dabei ist.“ Verständnislos zog ich eine Augenbraue hoch. Was meinte er damit? Auf meinen fragenden Blick hin lächelte er nicht wie üblich, sondern kam auf mich zu. „In seiner Gegenwart bist du wie in Trance und für mich nicht ansprechbar. Du hast dich auf ihn geprägt.“ Dabei verzog er angewidert das Gesicht und ich riss die Augen auf. Aber er hatte recht. Ich hatte es nicht einmal bemerkt, so benommen war ich gewesen. Tatsächlich hatte ich mich auf Darius geprägt. Erst jetzt, da er nicht in meiner Gegenwart war, konnte ich darüber nachdenken. Ich sah Ashs trüben Gesichtsausdruck und kam mir furchtbar vor. Der Arme hatte natürlich gewollt, dass ich mich auf ihn präge und nicht auf seinen Bruder. Ich umarmte ihn und auch er drückte mich fest an sich. „Es tut mir leid, Ash“ begann ich und schluchzte dabei. „Wenn ich doch nur etwas für dich tun könnte.“ Er küsste meine Stirn und sprach leise: „Du könntest dich trotzdem für mich entscheiden.“ Mit Tränen in den Augen sah ich ihn erstaunt an. Ich dachte man könnte eine Prägung nicht ändern. Als ob er meine Gedanken erraten hätte, antwortete er mir lächelnd: „Natürlich kann man eine Prägung nicht ändern. Aber du kannst dich doch trotzdem für einen anderen entscheiden.“ Das sagte Ash als wäre das offensichtlich gewesen. Er kicherte auf mein stutziges Gesicht hin. „Na hör mal. Wenn Menschen verliebt und mit jemandem zusammen sind, geht das doch auch. Sie können sich trotzdem in jemand anderen verlieben und mit ihrem Partner Schluss machen und einfach mit dem anderen zusammenkommen.“ Ich schnaubte entrüstet. „Aber Ash. Das ist doch nicht richtig! Außerdem sind Darius und ich doch gar nicht zusammen …“ Traurig lächelnd sah er mir in die Augen. „Doch. Ihr habt euch gegenseitig aufeinander geprägt. Ihr gehört somit zusammen. Jedes Mal, wenn du ihn siehst, wirst du kaum noch von ihm wegzubekommen sein. Andersrum genauso. Jetzt da du ein Vampir bist, ist Darius' Prägung auf dich sogar noch stärker geworden.“ Dass mir eine Träne über die Wange lief, bemerkte ich erst als Ash sie wegstrich. Besorgt fragte er was los sei. Ich sah ihn fassungslos an und versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken, während ich redete. „Aber … ich will doch gar nicht auf Darius geprägt sein. Ich liebe … dich Ash.“ Ich senkte den Blick und begann zu weinen. Er umarmte mich und ich heulte sein T-Shirt voll. Noch nie hatte ich einem Jungen so offen gesagt was ich für ihn empfand. Aber ich war mir nun ganz sicher, dass ich Ash wirklich liebte und auch, dass er immer für mich da sein würde. Das hoffte ich zumindest. Umso mehr musste ich nun weinen und Ash versuchte mich zu beruhigen. Als es mir wieder besser ging, löste er sich ein wenig von mir, um mich ansehen zu können. „Ich liebe dich auch“ meinte er noch und küsste mich kurz darauf auch schon. Ich drückte ihn fest an mich und wollte am liebsten mit ihm verschmelzen. Er hob mich hoch und ohne unseren Kuss zu unterbrechen, legte er mich auf sein Bett und rollte sich über mich. Ich wüsste zu gerne wie es sich wohl anfühlen würde, wenn ich mich auf Ash geprägt hatte. Denn schon jetzt konnte ich mein Verlangen nach ihm kaum zurückhalten. Wie wäre es nur, wenn ich mich dank einer Prägung noch mehr zu ihm hingezogen fühlen würde? Nach einer Weile lösten wir unseren Zungenkampf und blieben noch kuschelnd nebeneinander liegen, bis mein Magen sich meldete. Ash setzte sich auf und zog mich hinter sich her in die Küche, wo er bereits etwas zu essen vorbereitet hatte. Allerdings war keine Nahrung für Menschen. Bei dem Anblick wurde mir beinah übel. Ash sah mich verwirrt an. „Ich … ich kann kein Blut sehen“ gab ich angewidert zu und drehte den Kopf weg, um dem Anblick zu entgehen. Erst war Ash verdutzt, doch dann lachte er. „Ein Vampir, der kein Blut sehen kann? Das sieht man auch nicht alle Tage.“ Lachend zog er mich zu sich. Glücklicherweise war er groß genug, dass mir der Anblick des eben genannten erspart blieb. Er grinste mich an und beugte sich zu mir herunter. „Dann beiß mich. So musst du es nicht sehen.“ Zögernd stand ich da, seinen Hals direkt vor meinem Gesicht. Ich erinnerte mich an Darius' Blut und wie wundervoll es geschmeckt hatte. Außerdem wollte ich noch einmal bewusst ausprobieren, wie es war mit Vampirzähnen zuzubeißen. So näherte ich mich langsam Ashs blassem Hals und leckte darüber. Mir lief schon das Wasser im Mund zusammen und ich öffnete bereits den Mund, um kurz darauf mit meinen spitzen Zähnen seinen Hals zu durchbohren. Auch Ash musste stöhnen als ich mit meinen Zähnen eindrang und anfing an ihm zu saugen. Und ich hatte immer gedacht nur mir würde das gefallen. Nach einiger Zeit drückte er mich von sich und schob mich lachend zurück in sein Zimmer. „Das war toll …“ meinte er oben angekommen. „Warte nur ab, wie es mit Sex aussieht. Das ist als Vampir noch viel besser!“ Kichernd ließ ich mich von ihm auf seinen Schoß ziehen. Dann wurde ich wieder ernster. „Aber was ist mit Darius? Was mache ich denn jetzt wegen dieser Prägung? Ich kann ihm doch nicht für die nächsten Jahrhunderte aus dem Weg gehen!“ Amüsiert über meinen Frust, lachte Ash. Ich sah trotzig drein. „Das ist nicht lustig!“ empörte ich mich und stand auf. Er folgte mir als ich im Begriff war sein Zimmer zu verlassen und hielt mich am Arm fest. „Ich weiß nicht, Nikita“ begann er und ich drehte mich zu ihm um. „Da ich dich zum Vampir gemacht habe, bist du auch ein Teil von mir. Und ich ebenso einer von dir. Da ich auch Darius zum Vampir gemacht habe, sind wir alle drei verbunden. Keiner von uns dreien kann ohne die anderen beiden. Ich brauche meinen Bruder und dich. Darius braucht uns beide und du brauchst meinen Bruder und mich. Das Problem ist nur, dass er und ich uns dich nur ungern teilen. Und du fühlst dich schlecht, wenn du mit uns beiden zusammen bist, aber würdest dich auch schuldig fühlen, wenn du dich für einen entscheiden würdest.“ Na toll. Ich verdrehte die Augen. „Danke Ash. Das muntert mich nicht gerade auf.“ Er seufzte und lächelte anschließend. „Weißt du, genau dafür sind diese Prägungen da. Sie sollen helfen sich für einen zu entscheiden und sich nicht schuldig zu fühlen, wenn man dafür jemand anderen verlassen muss. Denn du hast ja selbst gemerkte, dass wenn du bei ihm bist, du wie in Trance bist und gar nicht an mich denkst.“ Ja, das stimmte. Aber das war doch furchtbar. Ich liebte doch Ash und wollte mit ihm zusammen sein. Selbst wenn das vermutlich die komplizierteste Beziehung aller Zeiten werden würde. Bei dem Gedanken musste ich mir sogar ein Lächeln verkneifen, da ich das eigentlich ziemlich amüsant fand. Ach ich hasste Dreierbeziehungen. Warum musste ich mich überhaupt prägen? Konnte ich mich nicht einfach selbst entscheiden? Noch während ich mich darüber ärgerte, fiel mir noch etwas anderes auf. Langsam hob ich den Kopf. „Ash? Was ist mit meiner Familie und meinen Freunden? Da ich jetzt ein Vampir bin … muss ich sie da nicht verlassen und den Kontakt abbrechen oder so?“ Vielleicht hatte ich das ja doch etwas vorschnell entschieden, aber Ash hatte mich ja gewarnt, dass ich es nicht mehr rückgängig machen konnte. Er lächelte mich leicht trübe an. „Naja, ja. Aber noch nicht gleich. Wir müssen ja erst in ein paar Jahren umziehen. Bis dahin kannst du ruhig noch weiterhin bei deinen Eltern wohnen bleiben und in die Schule gehen etc. Wenn wir dann gehen müssen, musst du allerdings den Kontakt abbrechen. Glücklicherweise bist du in einem guten Alter. Du kannst ja einfach sagen, dass du nun alt genug bist und ausziehen möchtest.“ Da hatte er recht. Und bei meiner Familie hielt mich sowieso nicht viel. Klar waren sie meine Familie, aber um mich richtig gekümmert hatte sich noch nie wirklich einer. Meine jüngere Schwester und ich verstanden uns ohnehin nicht und da sie alle Aufmerksam für sich in Beschlag nahm, hatte ich mit meinen Eltern ohnehin nie viel unternommen. Nur meine beste Freundin würde ich vermissen, doch ich wusste, dass sie ohne mich klarkommen würde. Sie war ein intelligentes, selbstbewusstes Mädchen und sie würde das schon verkraften, da war ich mir sicher. Des Weiteren fand ich, hatte das Vampirdasein sehr viel mehr positive Seiten als negative. Also konnte ich mich wahrlich nicht beklagen. So stimmte ich Ash also zu und ging mit ihm zusammen zu Darius.

 

Die nächsten Tage hatte ich versucht dieses Prägungsding unter Kontrolle zu bringen. Mit Erfolg sogar. Ich konnte mittlerweile ohne Probleme in Darius' Nähe sein, ohne über ihn herzufallen oder dergleichen. Es war fast wieder wie früher und wir unterhielten uns auch wieder wie gewohnt ganz normal. Wobei in mich in seiner Nähe immer noch merkwürdig verliebt fühlte. Ich war zwar wirklich ein wenig in ihn verliebt, doch nicht so sehr, wie mir diese Prägung vorgaukelte. Jedenfalls versuchte ich unsere Beziehung so fortzuführen wie sie bisher gewesen war. Ab und zu gaben wir uns schon den ein oder anderen Kuss, aber auch das war ja vorher nicht wirklich anders gewesen. Sogar mit Ash verhielt ich mich wie zuvor. Auch wenn mir das gar nicht so schwer viel, wie ich erwartet hatte. Alles in allem betrachtet war wieder etwas Normalität eingekehrt nach diesem chaotischen Anfang. Nicht einmal mein Blutdurst als junger Vampir war so furchtbar, wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber ich war schon immer sehr diszipliniert gewesen bei solchen Dingen. Es fiel mir daher nicht schwer unter Menschen zu gehen, ohne sie anfallen zu wollen. Ich hatte es bisher ja auch geschafft jemanden anzulächeln, obwohl ich ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen hätte. Warum also sollte das mit dem Blutdurst anders sein? Die Brüder hatten kopfschüttelnd gelacht als ich ihnen das so erklärt hatte, da sie wohl beide am Anfang ziemliche Probleme hatten mit ihrem Dasein als Vampire. Aber vielleicht lag es auch nur daran, weil ich meinen Erschaffer Ash und Darius bei mir hatte. Ash hatte seinen immerhin ermordet und kurz danach seinen Bruder zu einem Vampir gemacht. Sie waren also beide als junge Vampire ohne einen Mentor zurechtgekommen. Sicher hatten sie es ohne Anweisungen schwerer gehabt als ich, da sie sich alles selbst beibringen mussten und mir ja alles erklärt wurde. Außerdem hatte ich ja bereits vorher von der Existenz der Vampire erfahren und hatte mich bewusst zu einem machen lassen. Die beiden wurden ja damit überrumpelt. Dennoch war ich froh sie beide bei mir zu haben. Ich war glücklich darüber sie kennen gelernt haben zu dürfen und sprang so fröhlich in ihre Arme als sie sich mal wieder stritten und überraschte die beiden Jungs so und musste lachen. Sie stimmten mit ein und ich hatte endlich eine Familie gefunden, bei der ich glücklich war.

Kapitel 7 – Die siebte Nacht

Einige Tage danach waren wir wieder nach Deutschland gefahren. Meine Eltern hatten meine Veränderung nicht einmal bemerkt, oder zumindest nichts gesagt. Ein paar andere Leute hatten gemeint, dass ich zu blass und eiskalt wäre, aber das war nichts Neues für mich gewesen. Das durfte ich mir schon vorher immer anhören. So musste ich ihnen zumindest nichts erklären. Die meisten Leute aus meinem Umfeld hatten mich ohnehin schon immer für merkwürdig gehalten, also hatten sie auch nicht bemerkt, dass ich zu einem Vampir geworden war. Denn dafür hatten sie mich schon vorher gehalten. Jedenfalls war alles ganz normal weiter verlaufen. Ich war weiter zur Schule gegangen, hatte ein paar neue Freunde kennen gelernt und mich weiterhin regelmäßig mit Ash und Darius getroffen. Eigentlich hatte ich schon mehr bei ihnen gewohnt als bei meinen Eltern. Nach meinem Schulabschluss wollte meine Mutter, dass ich eine Ausbildung anfing, doch ich wehrte mich strikt dagegen. Warum nur traute sie mir kein Studium zu? Jedenfalls hatte ich sie so lange genervt und mit ihr diskutiert bis sie schließlich mir die Wahl überlassen hat. Bei meinem Abschluss war ich neunzehn Jahre alt gewesen. Offiziell zumindest. Es konnte ja keiner wissen, dass ich noch immer siebzehn war. Und wie Ash und Darius mir erklärt hatten – was ich allerdings auch selbst schon bemerkt hatte – blieb man auch geistig etwa in dem Alter. So würde Ash also immer einundzwanzig, Darius immer zwanzig und ich immer siebzehn bleiben. Sowohl äußerlich als auch innerlich. War mir nur recht. Auf jeden Fall hatte ich meinen Eltern erzählt, dass ich ein Auslandsstudium machen würde, so konnte ich gehen ohne dass sie mich irgendwann besuchen wollten. Der Abschied war mir nicht sonderlich schwer gefallen, da ich schon öfter für ein paar Wochen verreist war und sie mich, als ich wiederkam, nicht einmal begrüßt hatten. Mit vierzehn hatte ich das letzte Mal Heimweh gehabt und so konnte ich ohne Mühe gehen. Sie würden sich mit Sicherheit auch nicht wundern, wenn ich mich nicht mehr so schnell melden würde, das waren sie gewohnt. Ash und Darius hatten erzählt, dass sie wieder umziehen würden, da es ihnen hier zu langweilig war. Seitdem sind nun schon einige Monate vergangen und ich wohnte mit den beiden in der Nähe von London wo ich studierte. Wir hatten wie üblich eine Villa und es war nach wie vor alles so wie immer eingerichtet. Mit Ausnahme, dass ich nun auch ein eigenes Zimmer direkt neben Darius und gegenüber von Ash hatte. Es war eine Mischung aus den Zimmern der beiden Jungs. Relativ modern wie das von Darius, gemischt mit dem Chaos von Ashs Zimmer. Eigentlich war es wie das Zimmer von Darius, nur unordentlich. Und ich hatte im Gegensatz zu ihm wie Ash CDs und es war meistens eher dunkel. Auch die Wände hatte ich mir wie Ash gestrichen. Weiß, mit schwarzen Verzierungen. Ich war ganz zufrieden damit, vor allem mit dem wundervollen Bett. Es war viel größer als mein altes und ich war so nicht mehr gezwungen bei einem der beiden Brüder zu schlafen. Zwar hatte ich damit kein Problem, aber es führte ständig nur zur Eifersucht des anderen. Also kuschelte ich mich am Abend – bzw. Morgen – in mein weißes Traumbett und versuchte zu schlafen. In letzter Zeit träumte ich öfter von meiner Kindheit oder generell von Geschehnissen aus meiner Vergangenheit. So auch diesmal.

 

Ich stand vor einer Tür. Sie kam mir bekannt vor und ich drückte die Türklinke herunter und trat in mein altes Klassenzimmer ein. Ein sehr altes. Auch waren hier alle sehr viel jünger als ich. Als ich mich selbst entdeckte, wusste ich welcher Tag war. Ich konnte mich noch genau daran erinnert, dass ich damals an meinem ersten Schultag der achten Klasse einen violetten Bolero trug. Merkwürdig, dass ich mir so irrelevante Dinger merkte. Jedenfalls war das der Tag an dem wir zwei neue Schüler bekommen hatten. Unter anderem meine beste Freundin. So hatte ich sie kennen gelernt. Da mich keiner sehen konnte, stellte ich mich nach vorne vor meinen damaligen Sitzplatz, denn er war in der ersten Reihe ganz rechts an der Wand. Als unsere Lehrerin den Raum betrat, gefolgt von zwei Mädchen musste ich lächeln. Das blonde Mädchen würde keine meiner Freundinnen werden wie sich noch herausstellen sollte. Doch die braunhaarige würde innerhalb kürzester Zeit meine beste Freundin werden. Sie saß eine Reihe hinter mir und sie mussten sich der Klasse vorstellen. Schon damals war mein Blick an ihr hängen geblieben. Einige Tage später hatten wir eine neue Sitzordnung gemacht und ich saß neben ihr. Wir sollten unsere Klasse ins Teams aufteilen um so ein Event zu planen und ich wusste noch genau wie mega schüchtern ich damals war. Zwei Jungs aus ihrem Team hatten mich gefragt, ob ich mit ihnen tauschen möchte, weil sie lieber zu ihrem besten Freund wollten, welcher in meinem Team war. Ich hatte eingewilligt und wir hatten getauscht. Da ich wusste, dass nun Virginia in meinem Team war, nahm ich in der Pause also meinen Mut zusammen und fragte sie in welchem Team sie denn war. Das waren die ersten Worte, die ich jemals zu ihr gesagt hatte. Höflich wie immer hatte sie geantwortet und ich meinte ich wäre im selben Team und wir haben beide lachen müssen. In der großen Pause darauf waren wir zusammen auf den Schulhof gegangen, zu einer Bank unter einem großem Baum, auf der wir noch die nächsten Jahre unsere Pausen verbrachten. Dort hatten wir unser erstes richtiges Gespräch und wir fanden heraus, dass wir beide vorher auf einem Gymnasium waren, es aber verlassen mussten, da wir beide zu schlecht in Latein gewesen waren. Des Weiteren war auch sie Linkshänderin und wir teilten auch unsere Interessen und Hobbys. Im Unterricht am nächsten Tag hatten wir herumgealbert, da uns langweilig war und ich hatte meinen einen Stift zerstört aus dem dann Tinte hervorquoll. Aus Spaß hatte ich den Stift auf den Platz vor mir geworfen, da der Junge, der dort saß, gerade aufgestanden war. Eigentlich hatte ich gedacht er würde den doch recht auffälligen Stift bemerken, doch er tat es nicht und setzte sich mit seiner Stoffhose direkt darauf. Ich hatte mir ein Lachen verkneifen müssen und es gelang mir sogar ganz gut. Zumindest bis wir Pause hatten und er aufstand. Nicht nur ich, auch der Rest der Klasse musste über den riesigen blauen Fleck auf seiner hellgrauen Hose lachen. Er hatte sich umgedreht und natürlich sofort mich verdächtigt, da ich direkt hinter ihm saß. Doch ich bekam vor Lachen keinen Ton heraus und konnte mich nicht wehren. Ich glaube das war eines der wenigen Male in der Schule, wo ich wirklich richtig lachen musste. Auf jeden Fall kam mir Virginia zu Hilfe, die neben mir saß und redete mich heraus. Glücklicherweise kaufte er es ihr sogar ab und versuchte nun den Fleck wegzubekommen. Ich bedankte mich bei ihr und wir fingen beide an zu lachen. Das war ein Tag, den ich nie vergessen werde. An diesem Tag hatten wir uns erst richtig angefreundet. Eigentlich sollte ich Fabian dafür danken, dass er sich damals so aufgeregt hatte. Denn sonst wäre sie vielleicht nicht so schnell meine beste Freundin geworden, da ich ja normalerweise wirklich schüchtern war. Doch auch das viel schon nach kurzer Zeit von mir ab und durch Virginias doch sehr dominante und extrovertierte Art wurde auch ich immer selbstbewusster. Ich hatte ihr so viel zu verdanken. Durch sie war ich ebenso ein Individuum geworden wie sie selbst und war keiner dieser 0815 Zombies geworden. Sie hatte meinen Charakter komplett verändert und ich weiß gar nicht wie oft ich mich die Jahre darauf dafür bei ihr bedankt hatte. Ich musste lachen bei dem Gedanken und merkte, dass ich langsam wieder aufwachte.

 

Sanft spürte ich einen leichten Druck auf den Lippen. Ich sah direkt in zwei mir nur zu bekannte eisblaue Augen und lächelte in Ashs Kuss hinein. „Guten Morgen Prinzessin“ hauchte er gegen meine Lippen und ich brummte verschlafen und drehte mich zur Seite. Ich war eigentlich immer schlecht gelaunt, wenn man mich weckte, doch so wurde selbst ich gern geweckt. Ash lachte leise und legte sich neben mich. Von hinten schlang er seine Arme um mich und kuschelte sich an mich. Ich zog meine Decke höher, nicht weil mir kalt war, sondern weil sie schön gemütlich weich und warm war. Ash begann meinen Nacken zu küssen und mir lief ein wohliger Schauer den Rücken herunter. Ich drehte mich zu ihm um und küsste ihn auf den Mund. Sonst war er ja der aktivere Part, aber wenn ich müde war, dachte ich meistens nicht so darüber nach was ich tat. So ließ ich es auch zu als er anfing an meinen Brüsten zu spielen. Seit ich zum Vampir geworden war, hatten wir nichts Sexuelles mehr getan außer küssen. Zum einen, weil wir überhaupt keine Zeit gehabt hatten, wegen dem Umzug und der Schule bzw. Studium mittlerweile, zum anderen, weil ich in Darius Gegenwart nicht mit Ash herummachen konnte und wenn wir alleine waren, hatte ich einfach überhaupt keinen Kopf dafür gehabt. So war das nun also das erste Mal seit langen, dass er wieder anfing mit mir richtig rumzumachen. Er ließ seine Hand auf meinem Hintern verweilen und zog mich noch näher zu sich. So weit das möglich war, denn wir lagen schon beinah aufeinander. Doch auch das änderte sich schnell als er sich über mich rollte und abermals küsste. Ich fuhr mit den Händen unter sein T-Shirt und streifte es ihm über seine kräftigen Schultern. Zwar hatte ich ihn schon öfters oben ohne gesehen seit wir hier wohnten, doch hatte ich ihn da nie berühren dürfen. So machte es mir nun umso mehr Spaß seinen muskulösen Oberkörper zu betatschen und ihn an mich zu drücken nachdem er auch mich meines Oberteils entledigt hatte. Er selbst zog sich seine Hose aus und riss mir meine förmlich davon. So ungeduldig fand ich ihn immer noch niedlich. Ich kicherte als er uns auch noch von unserer Unterwäsche trennte und sofort begeistert anfing meinen Körper mit seinen Lippen zu erforschen. Letztendlich kam er wieder zu mir hoch und küsste meinen Hals. Eigentlich dachte ich er würde mich beißen, doch er entschied sich spontan um und grinste mich an. Fragend lag ich unter ihm und sah dabei zu wie er nach unten wanderte und mein rechtes Bein anhob. Ich war mir nicht sicher was er vorhatte und keuchte überrascht als er mir in meinen Innenschenkel biss. Da es dort weicher war, tat es auch nicht so weh, aber im Nacken mochte ich es immer noch am liebsten. Wieder bei mir leckte er sich über die Lippen und ich öffnete vorsichtig meinen Mund als er mir näher kam. Als Franzose machte er dem French Kiss wirklich alle Ehre. Ich musste in den Kuss hinein lächeln und spürte Ashs bereits sehr erregtes Glied ungeduldig an mir reiben. Nur noch mehr musste ich lachen und umarmte ihn während ich ihn liebevoll ansah. Verlangend funkelten seine Augen abermals auf als warteten sie auf ein Startsignal, dass er anfangen dürfte. Ich kicherte und hauchte ein „Nimm mich“ bevor er mir vor Ungeduld noch explodierte. Wohl gerade noch rechtzeitig, denn nicht ein Mal eine Sekunde später spürte ich ihn schon in mir. Verdammt, war er schnell. Ich hatte ja gewusst, dass er schnell war, sogar für einen Vampir, aber es erstaunte mich trotzdem. Hatte er sich die letzten Male als wir miteinander geschlafen hatten zurückgehalten um mir als Mensch nicht wehzutun? Doch weiter Gedanken konnte ich mir darüber auch nicht machen, da er mich mit immer stärkeren Stößen beinah um den Verstand brachte. Ich zerkratzte ihm wahrscheinlich den Rücken, doch ich konnte an nichts anderes denken als dass ich ihn noch mehr spüren wollte. Er trieb mich unglaublich schnell zum Höhepunkt, sodass mir nicht mal die Zeit zum Schreien oder dergleichen blieb. Schon allein seine Bewegungen in mir zu spüren war traumhaft, aber ihm dabei noch zusehen zu können war fast noch besser. Unsere Blicke trafen sich und ich war wie gebannt von diesem Eisblau. Er wurde noch schneller, wenn das noch möglich war und kurz vor der Ekstase biss er mich in den Hals und ich tat es ihm gleich. Währenddessen kam er mit einem unglaublichen Orgasmus in mir und auch ich sank danach erschöpft zurück in die Kissen. Ash ließ sich neben mich fallen und lächelte mich verschmitzt an. „Und wie fandest du es? Hab ich nicht gesagt, dass Sex als Vampir der Hammer ist?“ Ich musste kurz lachen und drehte mich zu ihm. „Immerhin bin ich jetzt wach“ meinte ich lächelnd und er zog mich lachend zu sich um mir noch einen Kuss auf den Mund zu drücken.

 

Kichernd betrachtete Ash seinen Rücken im Spiegel. Ich verstand nicht warum er so stolz darauf war, dass ich ihn vollkommen zerkratzt hatte und stand kopfschüttelnd daneben um mir mein Werk anzusehen, welches ich angerichtet hatte. Ash dagegen fand das ganz toll. Auch wenn es gleich verheilt wäre, dank seiner Vampirkräfte. Und ich hoffte man würde bald nichts mehr sehen, denn wenn Darius mitbekommen würde, dass ich mit Ash geschlafen hatte, wollte ich mir das Ausmaß seiner Wut gar nicht vorstellen. Seit ich ein Vampir geworden war, war Darius noch eifersüchtiger geworden. Zwar hatte er sich noch immer recht gut unter Kontrolle und glücklicherweise war er vorhin nicht Zuhause gewesen und hatte nichts mitbekommen, doch sollte er das erfahren, wollte ich nicht in Ashs Haut stecken. Gegen mich sagte Darius nie etwas. Schon fast merkwürdig wie liebevoll er mich behandelte, auch wenn ich noch so großen Mist baute. Da mochte ich Ashs feindselige Art doch sogar mehr. Eigentlich war es ja ganz lustig mit ihm zu streiten. Ich sah ihm dabei zu wie er sein Oberteil wieder überzog als seine Wunden verheilt waren und lächelte bei seinem niedlichen Anblick. Er bemerkte meinen Blick und sah mich fragend an. Ich wusste nicht woran es lag, dass ich Ash ab und an als niedlich bezeichnete. Normalerweise war er ja recht grob, gemein und sarkastisch. Auch wenn ich diese Art sehr mochte, könnte man das wohl nicht als niedlich bezeichnen. Im Grunde konnte ich niedliche Dinge nicht ausstehen. Trotz alledem faszinierte Ash mich irgendwie. Er schaffte es unhöflich und gleichzeitig total liebevoll zu sein. Das erinnerte mich ein wenig an mich und ich musste lachen. Im Grunde war ich schon immer ein Einzelgänger gewesen. Ich hasste nette Leute. Sich nur zu begrüßen um in ihrem Gedächtnis zu bleiben und Aufmerksamkeit zu bekommen. Genießend starrten sie auf Ihre Protokolle, wenn einem jemand eine SMS schrieb und grinsten dabei wie Idioten. Wie auch immer wollte ich nicht mehr verarscht werden. Wenn jemand nett zu einem ist, muss man auch nett sein. Ich dagegen sage einfach was mich stört und bin nicht gespielt freundlich, nur damit mich jemand mag, den ich eigentlich gar nicht leiden kann. Die Realität ist grausam, so bin ich sicher, dass Lügen eine Form der Höflichkeit ist. Ebenso sage ich, Höflichkeit ist auch nur eine Lüge. Man erwartete immer Höflichkeit von einem. Meistens endete meine direkte Art mit Missverständnissen. Und bevor ich es wusste, gab ich diese Gesellschaft auf. Ein hoch trainierter Einzelgänger ist manchmal bissig, manchmal schüchtern. Wie ein Veteran auf einem Schlachtfeld des Lebens, war ich daran gewöhnt zu verlieren. Das ist warum ich … nette Leute hasse.

 

Als ich am Abend darauf mit Darius unten im Wohnzimmer kuschelnd auf der Couch saß und mir irgendeinen langweiligen Film ansah, merkte ich sofort, dass Darius nicht so gut drauf war. Ich hatte ihn nicht gleich darauf ansprechen wollen, denn normalerweise sagte er mir von sich aus, wenn etwas wäre, doch nun hielt ich es nicht mehr aus und fragte, was los sei. Betrübt sah er zu mir herunter ohne die Spur eines seiner üblichen Lächeln im Gesicht. „Du und Ash … ihr habt schon wieder miteinander …“ Er ließ den Satz offen, anscheinend brachte er es nicht fertig ihn auszusprechen. „Darf ich dich was fragen?“ Ich nickte. „Du hast dich zwar auf mich geprägt, aber eigentlich liebst du doch Ash, oder?“ So eiskalt hatte ich ihn noch nie etwas sagen gehört. Doch ich kannte diesen Ton nur zu gut. Ich selbst hatte ihn schon einige Male benutzt. Er tat nur so kalt, weil er sonst daran zerbrechen würde. Er wollte mir gegenüber keine Schwäche zeigen, da ich ihm viel bedeutete. Ich seufzte. Bevor ich sprach, rutschte ich noch näher an ihn. „Darius, ich kann es nicht ändern. Es ist nicht so, dass ich dich nicht liebe. Nur glaube ich, dass ich Ash mehr liebe als dich. Es tut mir leid.“ Nicht sehr einfühlsam, aber ehrlich. Das war besser als ihn anzulügen. Darius nickte nur und wir saßen noch eine Weile nebeneinander bis der Film fertig war. Als ich aufstehen wollte, hielt er mich jedoch zurück. Fragend sah ich ihn an. „Möchtest du unsere Prägung aufheben?“ Leicht schockiert sah ich ihn an. Ich hatte gedacht, das ginge nicht. Auf meine Frage hin lächelte Darius. Es war ein kaltes Lächeln. „Das geht. Sobald dein Partner – in dem Fall ich – nicht mehr da ist, kannst du dich neu prägen.“ Verwirrt sah ich ihn an. Ich verstand kein Wort. „Was meinst du damit, wenn du nicht mehr da bist?“ Darius stand auf meine Frage hin auf und sah auf mich herab. „Wenn man mich z.B. umbringt. Dann bin ich nicht mehr da und somit auch keine Prägung.“ Geschockt sah ich ihm in die eisblauen Augen, welche mir nun wirklich eiskalt vorkamen. Als ich mich wieder gefasst hatte, traten mir Tränen in die Augen und ich drückte ihn fest an mich. Während ich mein Gesicht in seinem T-Shirt vergrub, umarmte auch er mich vage. Ich riss mich zusammen und schaute ihn an. „Wie kannst du so was nur sagen?!“ Mein Ton war lauter als ich es gewollt hatte. Doch Darius Blick blieb eisig. „Wenn ich euch beide so glücklich machen kann …“ Ich riss die Augen auf vor Entsetzen. „Das meinst du doch nicht ernst? Keiner von uns wäre glücklich, wenn du …“ Ich brachte den Satz nicht heraus und vergrub mein Gesicht wieder in seinem T-Shirt und hatte nicht vor ihn jemals wieder loszulassen. Im Gegenteil. Ich wollte mehr denn je bei Darius sein. Wir waren Freunde und ich hatte das Gefühl, dass er zerbrechen würde, würde ich nicht sensibel genug mit ihm umgehen. So fasste ich meinen Entschluss. Entschlossen meinte ich zu ihm: „Darius, ich werde bei dir bleiben.“

 

Selbstverständlich war Ash nicht glücklich über meine Entscheidung, doch er ging gelassener damit um als ich gedacht hätte. Irgendwie war in letzter Zeit so viel auf einmal passiert, dass ich schon beinah den Überblick verlor. Seit ich mit siebzehn zum Vampir gemacht worden war – das war nun schon zwei Jahre her – war alles eigentlich ganz normal verlaufen. Soweit man einen Vampir in einer rein menschlichen Umgebung normal bezeichnen konnte. Merkwürdigerweise hatte ich tatsächlich außer Darius und Ash noch keinen anderen Vampir kennen gelernt. Ash hatte mal gemeint, dass Vampire meist versuchen unauffällig zu wirken, damit ihre Existenz nicht ans Licht käme. Dabei fand ich das ziemlichen Schwachsinn. Vampire waren so großartige und stolze Wesen. Es passte einfach nicht, dass sie sich versteckten und unauffällig wirken wollten. Als ich das kritisiert hatte, hatte Ash nur angefangen zu lachen und gemeint, dass es dennoch spezielle Treffen gäbe. Treffen, welche rein aus Vampiren bestanden. Wo man andere Vampire kennen lernen konnte und Kontakte knüpfen konnte. Was genau Ash mit Kontakten gemeint hatte, wollte er mir allerdings nicht verraten. Er meinte allerdings auch, dass er ungern auf solche Treffen ging, da dort seiner Meinung nach nur hochnäsige, eingebildete Vampire, die sich für eine feine Gesellschaft hielten, herum liefen. Ich fand das ganz amüsant. Und ehrlich gesagt wäre ich schon gerne einmal auf ein solches Treffen gegangen. Einfach nur um einmal andere Vampire kennen zu lernen. Bis jetzt kannte ich ja nur die beiden Brüder. Ich wüsste einfach gerne wie andere Vampire so waren. Denn Darius und Ash waren ja nun wirklich keine 0815-Personen. Aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass Vampire sich wie Menschen benahmen. Beziehungsweise nicht wie Menschen des derzeitigen Jahrtausends. Sicher waren die meisten von ihnen bereits einige hundert Jahre alt und würden sich auch dementsprechend der Zeitepoche benehmen, der sie entstammten. Je mehr ich darüber nachdachte, des so mehr wollte ich einmal ein wenig Abstand von den Brüdern haben um mal wieder auf andere Gedanken zu kommen als ständig nur über unsere Beziehung nachzudenken. Außerdem konnte es sicherlich nicht schaden ein paar neue Vampirfreunde zu finden. Immerhin konnte ich mich wohl kaum mit Menschen anfreunden. Ich brauchte leider jemanden, der noch ein paar Jahrhunderte lebte. Denn mit Menschen konnte ich höchstens fünf bis zehn Jahre befreundet sein, wenn es gut ging. Irgendwann würden sie merken, dass ich nicht alterte. Zwar könnte ich Menschen auch einfach zu Vampiren machen, doch traute ich mir das noch nicht zu, zumal ich selbst ja erst zwei Jahre ein Vampir war. Also konnte es sicher nicht schaden, wenn ich mir ein paar Vampire als Freunde suchte. Menschen konnte ich ohnehin nicht großartig leiden bis auf ein paar Ausnahmen. Mich würde es interessieren wie das bei Vampiren war. So beschloss ich also Ash zu fragen, wann und wo das nächste Vampirtreffen stattfinden würde. Als ich ihn fragte, versuchte er natürlich mir das auszureden, doch ich gab nicht nach und argumentierte damit, dass er mich nicht einsperren konnte und ich das Recht hatte dort hinzugehen und auch andere Vampire kennen zu lernen. Schließlich gab er auf und nannte mir Ort und Datum. Ich wunderte mich, dass er darüber so gut Bescheid wusste, obwohl er doch gemeint hatte, dass ihn das nicht interessieren würde. Auch wollte er mich eigentlich nicht alleine dort hin lassen, weigerte sich aber auch mitzugehen. Ein merkwürdiger Junge. Letztendlich einigten wir uns darauf, dass er mich hinbringen und anschließend wieder abholen würde. Falls etwas sei, sollte ich ihn anrufen.

 

Das Treffen fand in einem Hotel in der Innenstadt Londons statt. Ich wunderte mich, dass der Ort nicht abgelegen war, sondern mitten in der Stadt, doch Ash meinte, dass das normal wäre. Tja, mach es so offensichtlich wie möglich und keiner wird etwas bemerken, da niemand auf den Gedanken käme, dass zwielichtige Gestalten auf die Idee kämen so etwas in der Öffentlichkeit zu veranstalten. Clever wie ich fand. So hatte ich es in der Schule immer mit Spickzetteln gemacht. Als ich mit Ash das Hotel betrat, schien zunächst alles vollkommen normal auszusehen. Er führte mich zu einem Salon etwas weiter hinten im Hotel. Ein abgedunkelter mit edler Ausstattung. Passend für eine feine Gesellschaft. Oder Vampire. Ohne weitere Umschweife schob Ash mich zum Eingang, vor dem eine Art Bodyguard stand. Ein hochgewachsener, breiter Mann. Und ein Mensch. Keine Bedrohung für Vampire, doch konnte er Menschen abhalten sich diesem Treffen zu nähern. Offenbar war er jedoch eingeweiht, denn er verlangte ein Passwort, damit er Zutritt gewährte. Ich hatte natürlich keine Ahnung, doch gab ich mich offiziell als Ashs Begleitung aus, welcher uns ohne Probleme hineinbrachte. Wir zogen tatsächlich einige Blicke auf uns, obwohl es viel schönere Gestalten zu betrachten gab wie mir auffiel. Ash meinte mit angewidertem Blick, dass er nun wieder gehen würde und mich später wieder abholte. Ich nickte und sah mich etwas um nachdem er gegangen war. Alle hier waren so wunderschön. Auch ich gehörte dazu, doch gab es noch wesentlich hübschere Frauen wie ich feststellte. Ich trug ein schwarzes, elegantes Cocktailkleid, welches leicht violett schimmerte. Es ging mir ungefähr bis zu den Knien, hinten etwas länger und war Ärmellos, betonte dennoch mein Dekolleté sehr. Dazu passende schwarze Highheels und ein paar Accessoires und ich fühlte ich mich eher wie auf einem Ball als auf einem normalen Treffen. Ash hatte das Kleid herausgesucht und jetzt verstand ich auch warum. Alle hier waren sehr edel und elegant gekleidet. Ich lief ein wenig orientierungslos durch die Gegend und beobachtete die anderen bis ich eine Hand auf meiner Schulter spürte, welche mich umdrehte. Ich sah in zwei blaue Augen, dazu passende blonde Haare, welche der Mann etwas länger trug und zusammengebunden hatte. Er war etwa einen Kopf größer als ich und trug einen schwarzen Anzug. Es stand ihm und er sah unglaublich gut aus. Dennoch hatte ich ein ungutes Gefühl. Er lächelte mich an, doch ich merkte, dass es ein falsches Lächeln war. Kurz verbeugte er sich und küsste meinen Handrücken ehe er sich vorstellte. „Verzeiht bitte, my Lady. Eure Schönheit hat mich zutiefst berührt und ich konnte nicht umhin euch anzusprechen. Mein Name ist Anthony Rivaille. Es freut mich sehr eure Bekanntschaft zu machen. Dürfte ich auch nach eurem Namen fragen?“ Ich versuchte nicht allzu blöd dreinzuschauen und nannte ihm meinen Namen. Allerdings ohne das formelle Gerede drum herum. „Nikita“ säuselte er ganz entzückt und sah mich schelmisch an. „Ein bezaubernder Name. Passend zu ihrer Trägerin. Ihr kommt nicht aus England, oder?“ Als ich nickte, lächelte er. „Wundervoll. Die meisten Engländerinnen hier sind so langweilig.“ Theatralisch seufzte er. „Woher kommt ihr? Russland?“ Ich lächelte und verneinte dies. „Ich komme aus Deutschland“ gab ich Auskunft und er weitete seine blauen Augen. Dann lächelte er wieder so furchtbar gespielt und fragte mich noch ein wenig aus. Nach einer Weile wollte ich nur noch weg von ihm und entschuldigte mich damit, dass meine Freunde, mit denen ich hier war, auf mich warten würden. Zwar war das gelogen, aber immerhin besser als weiter bei diesem eingebildeten Schnösel herumzustehen. Als ich aus seiner Sichtweite war, stieß ich einen erleichterten Seufzer aus. Hinter mir vernahm ich ein leises Lachen und drehte mich um. An der Wand gelehnt stand ein junger Mann, vielleicht etwas älter als ich. Zumindest in Menschenjahren. Er hatte dunkles Haar und dunkle Augen. Ebenso dunkle Kleidung und dazu perfekt passende sehr blasse Haut. Er grinste mich an und ich wollte mich schon umdrehen als er mich ansprach. „Du bist die erste, die Anthony hat einfach stehen lassen. Meinen Respekt.“ Er kicherte und auch ich musste lächeln. Endlich jemand normales. Ich ging etwas weiter auf ihn zu und meinte, dass der Kerl mir einfach zu eingebildet gewesen war. Er lachte und meinte, dass die meisten hier so wären. Ja, das hatte Ash auch gesagt. Der Junge ließ seinen Blick über mein Dekolleté wandern und ich drehte mich beleidigt weg. Lachend kam er einen Schritt auf mich zu und legte einen Arm um meine Schultern und grinste mich an. „Entschuldige … aber da kann man ja kaum wegsehen.“ Noch einmal betrachtete er meine Oberweite, diesmal aus der Nähe. Ich schnaubte entrüstet und wollte gehen. Er hielt mich zurück. „Warte Mal! Du bist neu hier oder?“ Wieder nickte ich. „Komm mit. Ich geb dir einen aus.“ Damit zog er mich mit zu der Bar und bestellte zwei Gin Tonic. Eigentlich trank ich keinen Alkohol, sagte aber nichts. Er sah mich noch einmal genau an und bevor ich etwas sagen konnte fing auch er schon wieder damit an. „Ich bin übrigens Adrian. Nikita, richtig?“ Ich hatte das Gefühl, dass mein Anteil dieses Gesprächs nur aus Nicken bestand. „Wie alt bis du?“ Endlich eine vernünftige Frage. Und natürlich konnte ich es nicht lassen und gab eine sarkastische Antwort darauf. „Man fragt ein Mädchen nicht nach ihrem Alter.“ Eingeschnappt nippte ich an meinem Glas während er lachte. „Ich meine doch dein Vampiralter. Wie lange bist du schon ein Vampir?“ Auch von dieser Frage wenig begeistert, fragte ich wie alt er denn sei. „Knapp hundert“ begann er und kam mir ein bisschen näher. „Davor war ich neunzehn.“ Er streckte mir frech die Zunge raus und ich antwortete nun auch auf seine mir zuvor gestellte Frage. Er war begeistert, dass ich noch so jung war, sowohl in Menschenjahren als auch als Vampir. Doch meinte er auch, dass er mich nun die restliche Nacht nicht alleine lassen könnte. Ich als unerfahrener Vampir würde mich am Ende noch von so einem reichen Schnösel abschleppen lassen. Zwar teilte ich seine Meinung keineswegs, hatte allerdings auch nichts dagegen, wenn wir zusammen blieben. Alleine war es mir hier doch ein wenig unheimlich. Nach einer Weile gab ich es auf weiter zu versuchen dieses Gebräu runter zu bekommen. Ich konnte Alkohol einfach nicht ausstehen. So ließ ich mein Glas stehen und Adrian führte mich ein wenig herum. Als ich ihn gefragt hatte warum er eigentlich hier war, überspielte er meine Frage nur mit einem Lächeln und ich sah ihn misstrauisch an, fragte jedoch auch nicht nach. Letztendlich standen wir in derselben Ecke wie zuvor als ich ihn getroffen hatte und unterhielten uns ein wenig über belangloses. Zumindest bis ein paar recht betrunkene Vampire auf uns zukamen. Besser gesagt auf mich. Adrian ignorierten sie völlig und machten mich stattdessen an. Mir war nicht klar gewesen, dass auch Vampire betrunken werden konnten. Ich versuchte sie abzuwimmeln, doch sie drängten sich mir nur noch mehr auf. Glücklicherweise kam Adrian mir zu Hilfe und zog mich von ihnen weg in seine Arme. Vor dem Blick, den er ihnen zuwarf, konnte man wirklich Angst bekommen. Ein Glück war er auf meiner Seite. Doch die Vampire waren zu betrunken um zu reagieren. Adrian grinste sie finster an. „Wärt ihr so freundlich und würdet meine Freundin in Ruhe lassen?“ Bei seinem Ton bekam ich eine Gänsehaut und es schien nicht nur mir so zu gehen. Ohne ein weiteres Wort verließen die Vampire den Ort und ich stand noch immer ein wenig zitternd in Adrians Armen. Dieser hob leicht mein Kinn an, sodass ich ihn ansehen musste und sah mir in meine geschockten Augen. Er lächelte mich an. „Alles gut … sie sind weg. Ich bin für dich da, also beruhig dich.“ Er schloss seine Arme noch enger um mich und ich begann tatsächlich mich langsam wieder zu beruhigen. Ash hatte vielleicht doch recht gehabt, dass ich nicht hätte herkommen sollen. Und ich war wirklich froh, dass ich Adrian kennen gelernt hatte. Was hätte ich nur gemacht, wäre ich hier vollkommen alleine gewesen? Hätte ich einfach schreien sollen? Zum Glück war er noch so freundlich und brachte mich nach draußen. Wir waren uns beide einig gewesen, dass ich besser nach Hause ging. Als ich schon Ash anrufen wollte, damit er mich abholte, stand mir die Verwunderung förmlich ins Gesicht geschrieben als Adrian und ich die Eingangshalle des Hotels betraten. Darius kam auf uns zu und sah mich besorgt an. Ich fragte, was er hier machte, doch er ignorierte meine Frage und betrachtete mich von oben bis unten. „Alles in Ordnung?“ Das waren seine ersten Worte und ich nickte erstaunt. Woher hatte er gewusst wo ich war und dass es mir nicht gut ging? Hinter mir trat Adrian lachend zum Vorschein und unterbrach unser Schweigen. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass du einen Freund hast?“ Ich sah ihn an und meinte daraufhin, dass er nicht mein Freund sei. Nur ein guter Freund. Adrian sah uns skeptisch an. „Aber ihr seid aufeinander geprägt. Wieso seid ihr nicht zusammen? Und wie schaffst du es nur dich ihr gegenüber so distanziert zu verhalten?“ Fast ironisch klang es als er Darius diese Frage stellte. Ich stand verwirrt daneben und versuchte mir einen Reim darauf zu machen. Anscheinend merkten andere Vampire es, wenn zwei aufeinander geprägt waren. Und wahrscheinlich war es normalerweise so, dass eben diese zwei Vampire, welche sich geprägt hatten, verliebt in der Gegend herumliefen und sich nicht nur wie Freunde verhielten. So oder so ging das Adrian aber auch gar nichts an. So verabschiedete ich mich von ihm und bedankte mich noch einmal dafür, dass er mir geholfen hatte ehe ich mit Darius den Heimweg antrat. Dieser meinte, er hätte Ash bereits gesagt, dass er mich holen würde, also rief ich ihn nicht extra an. Des Weiteren hatte er mir auf meine Fragerei hin erklärt, dass er gespürt hatte, dass etwas passiert war und sofort zu mir gekommen war. Wohl noch so ein Prägungsding. Ich seufzte, doch ich hatte mich ja entschieden bei Darius zu bleiben, weil er mich brauchte. Und es war ja auch nicht so, dass ich ihn nicht lieben würde. Nur liebte ich Ash mehr. Aber auch mit Darius war ich glücklich und er hatte es nicht verdient, dass ich ihn sitzen lassen würde. Allerdings dachte ich mir auch, dass er etwas Besseres als mich verdient hatte. Zwar blieb ich nicht aus Mitleid oder so bei ihm, ich liebte ihn ja wirklich, dennoch hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil er ja wusste, dass ich eigentlich lieber mit seinem Bruder zusammen sein wollte. Seufzend versuchte ich nicht weiter an Ash zu denken und lief mit Darius weiter Hand in Hand durch die nächtlichen Straßen Londons.

Kapitel 8 – Die achte Nacht

Immer noch leicht zitternd kamen wir in unserer Villa an und ich wurde sofort von Ash in die Arme gezogen als wir zur Tür herein kamen. Ich schloss ihn zitternd auch in meine Arme und vergrub mein Gesicht in seinem Oberteil. Er hatte Recht gehabt. Ich hätte dort nicht hingehen dürfen, doch anderseits war es auch wahnsinnig interessant gewesen und ich hatte immerhin Adrian kennen gelernt. In Ashs Armen beruhigte ich mich wieder und ließ schließlich von ihm ab. Zwar wäre ich gerne noch weiter bei ihm geblieben, doch stand Darius noch ziemlich grimmig drein schauend hinter uns und ich hielt es nicht für ratsam ihn noch wütender zu machen. Ich war ja auch ihm wirklich dankbar, dass er mich abgeholt hatte. So drehte ich mich zu ihm um und zog ihn lächelnd mit mir mit in sein Zimmer. Mein Zimmer mochte er nicht besonders, weil es ihm zu chaotisch war und ihn zu sehr an Ashs Zimmer erinnerte. Also waren wir die meiste Zeit bei ihm. Dennoch schlief ich weiterhin bei mir. Wobei ich mir überlegte, jetzt wo ich gesagt hatte, dass ich bei Darius bleiben würde, ob ich nicht ab und an bei ihm schlafen sollte. Immerhin hasste ich es alleine zu schlafen und zu Ash konnte ich jetzt nicht mehr. Zumindest nicht, wenn Darius da war.

Am Abend saßen Darius und ich kuschelnd auf seinem Bett und er las etwas während ich Musik hörte. Ein wenig langweilig fand ich das ja schon, beklagte mich aber auch nicht. Ich mochte Darius' Nähe, nicht nur wegen unserer Prägung. Wobei das dieses Gefühl natürlich noch verstärkte. So drängte ich mich enger an ihn und er legte einen Arm um meine Schultern als er mich anlächelte. Es freute mich ihn so glücklich zu sehen, doch ich erinnerte mich an etwas, was Adrian zu ihm gesagt hatte. Wie schaffst du es nur dich ihr gegenüber so distanziert zu verhalten? Das waren seine Worte gewesen und ich fragte mich was er damit gemeint hatte. Also fragte ich nach. Es gab noch immer so vieles, was mir unklar war. Und das, obwohl ich mittlerweile selbst ein Vampir war. Darius antwortete mir wie üblich ernsthaft. Wobei er nicht sein übliches Lächeln auf den Lippen trug. „Weißt du“ begann er langsam. „Normalerweise ist es so, dass sich zwei Vampire, welche sich aufeinander geprägt haben, kaum voneinander loszubekommen sind. Sie sind für gewöhnlich immer zusammen, haben eine innige Liebesbeziehung und kleben praktisch wie Kletten aneinander. Eben wie ein verliebtes Pärchen. Nur als Vampire – noch dazu mit einer Prägung – unterscheiden sich noch in einem Punkt. Und zwar in der Besessenheit. Da ich auf dich geprägt bin, müsste ich eigentlich jeden Moment über dich herfallen wollen. Sexuell gesehen und auch was das Blut trinken betrifft. Es hat deinen Freund vermutlich gewundert, dass ich mich dir gegenüber so distanziert verhalten habe, obwohl ich es nicht sollte. Vampire sind Raubtiere und folgen normalerweise ihrem Instinkt. Aber mein Instinkt sagt mir, dass ich mich … von dir fernhalten soll.“ Noch während ich versuchte mir alles zu merken, sah ich ihn ratlos an. Wieso sollte er sich von mir fernhalten wollen? Er lächelte mich trübe an. Ich hasste dieses Lächeln. Wenn er das aufsetzte, war er niedergeschlagen. „Was ist mit dir?“ riss er mich aus meinen Gedanken. „Du bist ebenfalls ein Vampir und bist auf mich geprägt. Aber hast du nicht auch das Gefühl, dass das so nicht stimmt?“ Ich hätte ihm gerne widersprochen, doch er hatte Recht. Ein wenig erleichtert darüber, dass er auch so fühlte, stieß ich einen Seufzer aus. Wahrscheinlich hätte ich mich wirklich auf Ash prägen sollen. Unsere Beziehung war schon bevor ich zum Vampir wurde viel intensiver als die zu Darius. Und auch diese Raubtieraffekte waren vor allem bei ihm vorhanden gewesen. Er drängte sich mir förmlich auf wo es nur ging, viel über mich her, wann es ihm passte und trotzdem achtete er auch mich. Das war ja jetzt immer noch so. Wobei er sich ein wenig zurückhielt seit ich zum Vampir geworden war und wir erkannten, dass ich mich auf Darius geprägt hatte. Die Frage war nur warum. Warum hatte ich mich auf Darius und nicht auf meinen geliebten Ash geprägt? Hatte der Vampir in mir verhindern wollen, dass wir drei getrennt wurden? Denn wenn ich eine Prägung mit Ash gehabt hätte, wäre Darius sich nur Fehl am Platz vorgekommen und gegangen. Auch fragte ich mich warum Ash so gelassen reagiert hatte als ich verkündet hatte, dass ich bei Darius bleiben würde. Sonst war er ja nie so. Warum diesmal? Vor lauter Fragen bekam ich langsam Kopfschmerzen und entschied mir in der Küche ein Glas Wasser zu holen. Darius wartete oben. In der Küche besorgte ich mir ein Glas Wasser und verschlang es gierig in der Hoffnung meine Kopfschmerzen würden dadurch besser werden. Als ich es weg stellte und mich umdrehte, erschrak ich. „Ganz ruhig. Ich bin's nur.“ Ich stand direkt vor Ash und seufzte erleichtert auf. „Schleich dich nicht so an!“ befahl ich ihm und erntete eines seiner typischen Grinsen. „Hab ich doch gar nicht.“ Er kam mir gefährlich nahe und ich spürte wieder diese unheilvolle Aura, welche ab und zu von ihm ausging. Ich mochte das. Es war gefährlich und er erinnerte mich dann immer an eine Raubkatze. Manchmal fragte ich mich wirklich wie ich es geschafft hatte, dass ein so umwerfender junger Mann ausgerechnet mich auserwählt hatte. Ich lächelte ihn an und ließ mir von ihm einen Kuss auf die Lippen drücken. Kaum entfernte er sich wieder von mir, wollte ich auch schon wieder mehr haben und zog sein Gesicht zu meinem herunter. Er grinste in meinen Kuss hinein und zog mich zu sich. Es war vermutlich nicht richtig, das zu tun, doch ich war mir im Moment in allem zu unsicher, dass mir das nun auch egal schien. Wenn Darius und ich beide der Meinung waren, dass wir eigentlich nicht zusammen sein sollten, warum sollte ich seinen Bruder dann nicht küssen dürfen? Das erschien mir damals logisch. Ash fuhr mit seinen Händen meinen Rücken herunter und flüsterte mir ins Ohr: „Ich will mal wieder eine Nacht mit dir alleine verbringen.“ Was übersetzt so viel hieß wie: Ich werde diese Nacht mit dir alleine verbringen. Und er würde kein Nein akzeptieren. Prinzipiell hatte ich nichts dagegen. War nur die Frage was er in der Nacht machen wollte. Egal ob er Sex wollte oder etwas anderes, ich hatte immer noch das Prägungs Problem mit Darius. Und solange wir das nicht geregelt hatten, konnte ich nicht mit Ash schlafen, so sehr ich es auch wollte. Er schien meine Bedenken erraten zu haben, denn er meinte kichernd, dass er nicht vorhabe über mich herzufallen. Als Mensch wäre ich nun wahrscheinlich rot angelaufen. „Ich hab was anderes vor.“ Meinte Ash und streckte mir die Zunge raus. Frech wie immer. War er wirklich mit einundzwanzig zum Vampir geworden? Manchmal kam er mir jünger vor. Doch ich ging nicht weiter darauf ein und überlegte mir schon eine Ausrede für Darius. Dies erübrigte sich allerdings als ich oben angekommen war und er meinte, dass er noch weg müsste und erst morgen wieder kommen würde. Er sagte mir nicht wohin er ging, doch es war mir nur recht. So hatte ich die Nacht alleine für Ash und mich.

Als Darius gegangen war, stand ich kurz darauf schon in Ashs Zimmer, welcher mich zu sich auf seine Couch zog und meinte ich sollte so sitzen bleiben. Verwundert sah ich ihm dabei zu, wie er seine Zeichensachen heraus holte und mir war klar, was er vorhatte. Ich lächelte amüsiert und sah ihm fröhlich zu wie er sich mir gegenüber setzte und ganz elegant anfing zu zeichnen. Nach einer Weile war er fertig und präsentierte mir sein Kunstwerk. Es war wunderschön. Geradezu perfekt hatte er meine Gesichtszüge zum Vorschein gebracht und ich war so überwältigt, dass ich gar nicht merkte, wie er langsam auf mich zu kam und über mich krabbelte. Erst als er über mir lag und mir die Sicht auf sein Bild versperrte, sah ich in seine zauberhaften Eisblau funkelnden Augen. Ohne es wirklich zu bemerken legte ich meine Lippen auf seine und er erwiderte meinen Kuss sofort. Er schloss mich in seine starken Arme und ich fühlte mich wohl. Obwohl ich auf Darius geprägt war wurde mein Verlangen nach Ash zunehmend stärker als das zu Darius. Ich verstand das alles nicht. Uns allen war klar, dass ich Ash mehr liebte und auch Darius meinte ja, dass unsere Prägung ein Fehler gewesen sei. Doch wie konnte ich diese Prägung nur lösen ohne Darius gleich umzubringen? Warum hatte ich mich überhaupt auf Darius geprägt? Alle waren der Meinung ich würde zu Ash gehören. Aber vielleicht wollte der Vampir in mir mich auch nur beschützen und mich mit Darius zusammen bringen, weil Ash in Wirklichkeit ein grausamer Vampir war und nur mit mir spielte. Ich sollte wohl weniger Krimis lesen.

Letztendlich hatten wir nichts weiter gemacht und haben noch ein wenig Musik gehört und er hatte noch ein paar Skizzen von mir gezeichnet. Am nächsten Tag kam Darius wieder und ich begrüßte ihn fröhlich mit einer Umarmung. Er schloss auch mich in seine Arme und brauchte eine Weile bis er sich wieder von mir löste. Nun fragte ich doch wo er gewesen war und er meinte, dass er einen Freund besucht hatte. Ich hatte immer gedacht die Brüder wären die ganze Zeit unter sich gewesen, aber im Nachhinein betrachtet war das Unsinn gewesen so zu denken. In über hundert Jahren hatten sie natürlich auch Freundschaften mit anderen Vampiren geschlossen. Sicher war es für Vampire nicht wirklich relevant sich regelmäßig zu treffen, da sie ja unsterblich waren und sich auch noch in hundert Jahren wieder sehen konnten. Darius meinte, dass sein Freund mich unbedingt kennen lernen wollte und ich sah ihn verdutzt an. „Warum?“ fragte ich schließlich und Darius kicherte. „Das erzählt er besser selbst.“ Verständnislos starrte ich den nun lachenden Jungen an und folgte ihm in sein Zimmer. Dort angekommen drehte er sich wieder zu mir um und meinte fast beiläufig: „Ach ja, ich habe noch deinen Freund von diesem Vampir Treffen getroffen.“ Ich setzte mich auf sein Bett. „Du meinst Adrian? Habt ihr miteinander geredet?“ Er nickte und setzte sich zu mir. „Er meinte, dass ich eine tolle Freundin habe und als ich darauf erwiderte, dass du eigentlich nicht wirklich meine Freundin bist und erklärt habe, dass wir unsere Prägung nicht für richtig halten meinte er, dass er wüsste wie man eine fälschliche Prägung wieder loswird.“ Ich starrte Darius erwartungsvoll an und er lächelte. „Adrian meinte, dass einer von uns sich nur in einen anderen verlieben müsste und zu ihm eine so enge Beziehung aufbauen müsste, dass unsere Prägung langsam verblasst.“ Mir wurde klar, dass das bereits geschehen war. Ich erklärte Darius, dass ich schon gemeint hatte zu merken, dass ich mich stärker zu Ash hingezogen fühle als zu ihm, aber ich hatte gedacht ich bilde mir das nur ein, weil ich es so wollte. Doch nun ergab das Sinn. Ich war in Ash verliebt und wir hatten mittlerweile eine wirklich enge Beziehung zueinander aufgebaut, dass meine Prägung zu Darius langsam verblasste. Darius meinte auch er liebte mich zwar immer noch, fühlte sich aber auch nicht mehr zu mir hingezogen wie zu Anfang unserer Prägung. Langsam wurde mir auch klar warum Ash so gelassen gewesen war als wir uns aufeinander geprägt hatten. Womöglich hatte er die ganze Zeit gewusst, dass meine Liebe zu ihm stärker war als die Prägung zu seinem Bruder und dass ich letztendlich doch zu ihm kommen würde. So oder so war ich einerseits froh darüber, dass wir eine Lösung gefunden hatten und ich wollte Adrian unbedingt noch danken, anderseits fragte ich mich wie wir das nun weiterhin handhaben würden. Wenn ich nun mit Ash zusammenkommen und eventuell eine Prägung zu ihm aufbauen würde, was wäre dann mit Darius? Würde er weg gehen oder einfach nur unglücklich neben uns sitzen? Ich wollte doch auch ihn glücklich machen, doch meine Liebe würde ich nur Ash schenken können. Darius meinte zwar es wäre schon in Ordnung, er würde sich schon freuen, wenn wir beide glücklich waren, aber ich kannte Darius. Er war ein unglaublich lieber und sensibler Junge, den ich nicht einfach so sitzen lassen konnte. Nur was konnte ich für ihn tun außer ihm eine gute Freundin zu sein? Irgendwann würde auch er sich in das richtige Mädchen verlieben, dachte ich. Bei dem Gedanken allerdings wurde ich unglaublich eifersüchtig, obwohl ich ja in Ash verliebt war. Doch schon der Gedanke, Darius mit einem anderen Mädchen zu sehen, machte mich wütend. Ich kam mir so egoistisch vor, dass ich die beiden für mich alleine wollte. Aber ich hatte schon oft Freunde verloren, weil sie andere Freunde gefunden hatten und mich dadurch vernachlässigten. Zwar wusste ich, dass Darius mich nicht vernachlässigen würde, dafür war er nicht der Typ, doch sollte er eine Freundin finden, würde er auch viel Zeit in sie investieren. Trotz dessen, dass ich ja Ash hatte, wollte ich auch Darius nur für mich haben. Gleichzeitig wollte ich aber auch, dass er glücklich war. Warum konnte ich nicht mit beiden zusammen sein? Das wäre so viel einfacher. Aber natürlich würde ich damit beide betrügen und das wollte ich auch nicht. Schlimm genug, dass ich mich bisher für keinen entscheiden konnte und beide so verletzt hatte. Nun ja, letztendlich beschloss ich endlich zu meinem geliebten Ash zu gehen, was auch höchste Zeit wurde und gleichzeitig nahm ich mir vor weiterhin erst mal mit beiden Dinge zu unternehmen. Es wäre doch gelacht, wenn ich nicht mit Ash zusammen sein und gleichzeitig mit seinem Bruder befreundet sein konnte.

„Ach ja, da war ja was.“ Meinte ich einige Tage darauf zu Darius als dieser erzählte, dass sein Freund mich nun unbedingt treffen wollte. Noch immer darüber rätselnd warum dieser Vampir mich unbedingt kennen lernen wollte, stieg ich zu Darius ins Auto und fuhr mit ihm zu besagtem Freund. Natürlich war auch Ash mit von der Partie. Seit ich nun offiziell mit ihm zusammen war, ließ er mich keine Sekunde mehr aus den Augen, geschweige denn mit anderen alleine. So wollte er natürlich auch dabei sein, wenn ich einen anderen Jungen kennen lernte. Laut Darius war er neunzehn. Tatsächlich war er zwei Jahre vor mir geboren worden und als Kind wohl zum Vampir gemacht worden. Ich fragte ob er dann nicht auch ein Kind war, wenn er doch als Kind zum Vampir gemacht worden war, denn sie hatten mir ja erklärt, dass man sowohl körperlich als auch geistig in dem Alter blieb in dem man zum Vampir gemacht wurde. Darius meinte daraufhin, dass das nur für Erwachsene galt. Wenn ein Kind, welches noch im Wachstum ist, zu einem Vampir gemacht wird, wächst es trotzdem ganz normal weiter, bis er ca. neunzehn bis zwanzig Jahre alt war. Danach würde er auch nicht mehr altern. Also war sein Freund erst jetzt ein richtiger Vampir sozusagen. Ich war zwar mit siebzehn zum Vampir geworden, allerdings war ich zu dem Zeitpunkt bereits ausgewachsen und erwachsen genug gewesen, dass ich in diesem Alter bleiben würde. Tatsächlich war ich seit ich zwölf Jahre alt war nicht mehr gewachsen. So würde ich also immer 1,61 m groß – oder klein – bleiben.

 

Bei Darius' Freund angekommen, wunderte ich mich nicht als wir erneut eine Villa betraten. Drinnen angekommen erwartete uns bereits ein gutaussehender, blonder junger Mann. Genauso hatte ich ihn mir vorgestellt. Wenn er mit Darius befreundet war, war er natürlich vornehm herausgeputzt und ein Gentleman. Er strahlte mich fröhlich an nachdem er Darius begrüßt hatte und ich bemerkte, dass er dieselben grünen Augen wie ich besaß. Auch kam er mir merkwürdig vertraut vor, obwohl ich sicher war, ihn noch nie zuvor gesehen zu haben. Trotzdem begrüßte ich ihn höflich und war dennoch ein wenig überrascht als er mich danach in den Arm nahm. Für jemanden, der eine Person gerade erst kennen lernt war er doch sehr familiär eingestellt. Immerhin hatten wir nichts miteinander zu tun. Warum behandelte er ich wie eine alte Bekannte? Als ich allerdings erfuhr, dass er ebenfalls aus Deutschland, sogar aus derselben Stadt wie ich kam, wäre es durchaus möglich, dass wir uns bereits irgendwo einmal begegnet waren, da er ja nur zwei Jahre älter war als ich. Trotzdem war ich hundertprozentig sicher, dass ich ihn noch nie gesehen hatte. Zumindest nicht bewusst. Vielleicht war er mir in der Stadt mal über den Weg gelaufen. Während ich noch überlegte, fragte er bereits wer der Junge hinter mir war. Ash sah ihn an als wäre er eine Bedrohung für ihn und ich musste lächeln. Seine Eifersucht war geradezu niedlich. Ich erklärte ihm, dass Ash mein Freund wäre und der Junge weitete erstaunt die Augen. „Ich hätte nicht gedacht, dass du auf solche Bad Boys stehst.“ Lachend stand er da während Ash bereits kurz davor war auf ihn loszugehen. Bevor das passierte lenkte ich vom Thema ab und fragte wie er eigentlich hieß und was er von mir wollte. Augenblicklich änderte sich sein Lachen zu einem Lächeln. Er verbeugte sich leicht und meinte mir verspielt in die Augen schauend, dass sein Name Robin wäre. Als er fortfuhr stand ich wie zu Eis erstarrt da.

Ich war mit Robin nach oben in sein Zimmer gegangen während die Brüder unten warteten. Noch immer wackelig auf den Beinen setzte ich mich auf sein Bett und starrte auf den Boden. Robin holte einen Ordner aus einem Regal und setzte sich neben mich. Als er seine Geburtsurkunde herausholte und sie mir in meine zittrigen Hände drückte, versuchte er mich ein wenig zu beruhigen. Doch als ich las, was auf dem Papier geschrieben stand wurde ich nur noch panischer. Bevor ich das Blatt vor Aufregung noch zerriss, ließ ich es auf den Boden fallen, drehte mich zu meinem Bruder um und fiel ihm heulend um den Hals. Er lachte mitfühlend und kuschelte sich an mich während er mir leise zuflüsterte: „Ich wusste schon immer, dass etwas fehlte. Die ganze Zeit hatte ich das Gefühl gehabt eine kleine Schwester zu haben und dass ich dich finden musste. Als Baby haben mich unsere Eltern weg gegeben und ich kam in ein Waisenhaus in Frankreich. Warum sie das getan haben weiß ich nicht. Aber jedenfalls habe ich mich dort immer unwohl gefühlt und bin als kleines Kind oft ausgerissen. So habe ich auch Darius kennen gelernt, der damals noch in Paris gewohnt hatte. Wir haben uns auf Anhieb verstanden und ich habe schnell bemerkt, dass er kein gewöhnlicher Mensch war. Als er mir sagte, er sei ein Vampir, habe ich ihm zuerst nicht geglaubt, doch dann biss er mich als Beweis und ich drängte ihn dazu mich auch zu einem von ihnen zu machen.“ Ich beruhigte mich langsam wieder als ich seiner warmen Stimme lauschte und hörte gespannt weiter während ich mich an ihn drückte. „Als ich endlich achtzehn war durfte ich meine Geburtsurkunde begutachten und habe herausgefunden wo unsere Eltern wohnten. Sie wollte ich eigentlich nicht kennen lernen, aber ich wollte wissen, ob ich wirklich eine Schwester habe, so wie ich es immer gefühlt hatte.“ Auch ich hatte immer das Gefühl gehabt, dass etwas fehlte. Meine Eltern hatten mir immer erzählt, dass meine Mutter zwei Jahre vor meiner Geburt schwanger gewesen war, jedoch etwas schief gegangen war und daraus nichts wurde. Auch hatten sie mir gesagt, dass wenn sie einen Sohn bekommen hätten, sie ihn Robin genannt hätten. Dieser sprach nun weiter. „Als ich dich gefunden hatte, warst du bereits siebzehn und hattest zu meiner Verwunderung bereits mit meinem Freund Darius Freundschaft geschlossen. Eine Weile habe ich euch beobachtet und als du zum Vampir wurdest, war ich so glücklich, weil ich dich nun endlich kennen lernen durfte. Allerdings wollte ich euch erst Mal in Ruhe lassen, damit du dich als Vampir eingewöhnen kannst. Ich wollte warten bis ihr umgezogen seid und selbst dann habe ich euch erst mal suchen müssen. Jetzt bin ich durch Zufall auch in London und habe euch gesehen als ihr beide von einem dieser komischen Vampirtreffen kamt.“ Dabei verzog er das Gesicht. Anscheinend war auch Robin kein Fan von diesen Treffen. „Jedenfalls habe ich daraufhin Kontakt zu Darius aufgenommen um dich endlich kennen lernen zu dürfen.“ Ich versuchte ihm zuzuhören, war allerdings mehr damit beschäftigt mit ihm zu kuscheln, sodass ich Ash erst bemerkte als dieser vor uns stand und meinte, dass wir nun wieder gehen mussten. Ich sah meinen Freund an und meinte, dass ich gerne bleiben würde, doch er ließ mich nicht. Wahrscheinlich war er einfach zu eifersüchtig. Jedenfalls verabschiedete ich mich von meinem Bruder mit einer langen Umarmung und wurde von Ash aus dem Haus gezogen.

Zuhause angekommen wurde ich von Ash erst einmal fertig gemacht. Er brüllte mich beinah an und ich stand nur stumm vor ihm und hörte zu. „Ich respektiere dich und widme all meine Zeit ausschließlich dir! Ich tue alles was ich kann um dich glücklich zu machen und du hältst es nicht mal für nötig mir Beachtung zu schenken.“ Mit einem Ruck drückte er mich gegen sein Bücherregal und neben mir fielen einige Bücher auf den Boden. Ich sah ihn nur an und sagte nichts. Einerseits weil ich nicht wusste was ich sagen sollte und anderseits weil es nichts gebracht hätte. Er hätte mir nur widersprochen und mich weiter angeschrien. Dabei wusste ich nicht einmal was er meinte. Natürlich respektierte er mich und er investierte viel Zeit in mich, aber ich dachte das macht er, weil er es möchte und mich mag. Außerdem verstand ich nicht wie er darauf kam, dass ich ihm keine Beachtung schenken würde. Gut, vorhin hatte ich ihn nicht bemerkt, weil ich durch meinen Bruder zu sehr abgelenkt war, aber immerhin hatte ich Robin eben erst kennen gelernt und herausgefunden, dass ich einen Bruder hatte. Also was meinte Ash nur damit? Er warf mir weitere sinnlose Dinge an den Kopf, doch ich war das gewohnt. Von meinen Eltern. Darum tat ich dasselbe wie bei ihnen: Ich tat gar nichts und widersprach nicht. Das würde er nicht verstehen. Er war seiner Meinung, egal wie lächerlich sie war und würde ich etwas dagegen sagen um mich herauszureden würde er nur noch wütender werden und mich weiter anbrüllen oder sonst was tun. Ich dachte immer, dass nur meine Eltern so mit mir umgehen würden. Nie wäre es mir eingefallen, dass ein Freund so mit mir reden würde. Normalerweise waren meine wenigen Freunde ganz anders. Egal wie eingebildet, arrogant oder sonst was waren, ich konnte immer zu ihnen kommen und wenn mich oder sie etwas störte, sagten wir es einfach und redeten normal miteinander. Das war das erste Mal, dass ich von einem Freund angebrüllt wurde. Vor allem wusste ich nicht mal, was sein Problem war. In den letzten Tagen war er wirklich etwas zurückgezogener und eigensinniger geworden als ohnehin schon. Aber ich verstand nicht was er hatte. Was hatte ich ihm nur getan? Er sagte ich hätte ihn nicht beachtet. Der Meinung war ich allerdings nicht. Ich war doch Tag und Nacht bei ihm gewesen. Was also konnte ihn stören? Was hatte ich übersehen? Sonst bemerkte ich doch jedes kleine Details, wenn sich jemand anders verhielt. Bei mir dagegen merkte man das kaum. Ich war eine sehr gute Schauspielerin. Anderseits hatten meine Eltern mich sowieso noch nie wirklich beachtet. Also war es auch kein Wunder, dass sie so etwas nicht bemerkt hatten. Doch war ich nun schon so lange bei den beiden Brüdern, dass man doch meinen müsste, ich kenne ihre Gewohnheiten und würde es merken, wenn etwas wäre. Doch Ash schien mich völlig grundlos anzuschreien. Ich fragte mich was ich ihm getan hatte. Als er mit seiner Standpauke fertig war und ich immer noch nichts sagte, warf er sich angepisst auf sein Bett und drehte sich weg. Nun ging ich doch vorsichtig auf ihn zu und trat neben sein Bett. Kurz wartete ich und fragte schließlich was er denn eigentlich meinte. Er lachte finster auf und drehte sich immer noch nicht zu mir um. Ein kaltes Lachen. Mir fuhr ein Schauer den Nacken hinunter und ich wollte am liebsten aus dem Zimmer rennen. Weit weg von ihm, am besten zu Darius. Der war immerhin in der Nähe und ihm konnte ich vertrauen. Das war das erste Mal, dass ich von Ash weg wollte. Dieser drehte sich nun doch zu mir um, ganz langsam. Seine eisblauen Augen funkelten mich finster an als hätte ich die dümmste Frage gestellt, die es gäbe. Doch verstand ich wirklich nicht was er meinte, also war es doch nicht verkehrt zu fragen oder? Ash sah das offenbar anders. Er starrte mich eine Weile an und meinte schließlich mit zusammengepressten Zähnen: „Du dummes Mädchen bemerkst es nicht einmal?!“ Kurz war ich schockiert, dass er mich gerade tatsächlich als dumm bezeichnet hatte, stand mit großen Augen da und sah auf ihn hinunter. Wieder drehte er sich um und zischte noch ein „Verschwinde.“ ehe er sich unter seiner Decke verkroch. Ich tat wie mir befohlen und verließ sein Zimmer zügig. Was war nur mit ihm los? Wäre er ein Mädchen hätte ich es auf seine Menstruation geschoben. Da sind wir ja immer recht launisch. Aber Ash? Zwar war er öfter eingeschnappt, aber noch nie so sehr wie heute. Er hatte mich angebrüllt und mich als dumm bezeichnet. Ich schüttelte den Kopf und ging zu Darius' Zimmer. Vielleicht wusste er ja was los war. Immerhin war er sein Bruder und die beiden waren schon etwas länger zusammen als ich mit ihnen. Ich klopfte an seiner Tür und trat langsam ein. Darius saß auf seinem Bett und las. Er hob leicht den Kopf und fragte ob alles okay wäre. Anscheinend hatte er Ashs Gebrüll gehört. Natürlich. Vorsichtig ging ich auf ihn zu und setzte mich neben Darius, welcher mich sofort in den Arm nahm um mich zu trösten. Ich schmiegte mich an ihn und versuchte nicht zu schluchzen. Als ich ihn fragte ob er wüsste was mit seinem Bruder los wäre sah er mich nur erstaunt an. „Hat er dir das nicht erzählt?“ Verständnislos sah ich ihn an. Was hatte Ash mir nicht erzählt? „Morgen ist sein Geburtstag, Liebes. Da ist er immer mies gelaunt.“ Weiterhin starrte ich ihn nur blöd an. War ich wirklich dumm oder hatten sie mir etwas Falsches gesagt? „Aber Ash hat doch gar nicht im November Geburtstag.“ wandte ich verwirrt ein. Darius lächelte sanft und strich mir mit einer Hand durchs Haar. „Nicht sein normaler Geburtstag, nein. Morgen ist der Tag an dem er zum Vampir gemacht wurde. Der Tag, an dem sein Erschaffer ihn gebissen, gefoltert und zu einem von uns gemacht hat.“

Kapitel 9 – Die neunte Nacht

Ich war eine totale Niete was kochen betraf, backen jedoch konnte ich ausgezeichnet. Fast ironisch wo ich doch Süßigkeiten gar nicht mochte. Jedenfalls wollte ich versuchen Ash ein wenig aufzuheitern, jetzt wo ich wusste was mit ihm los war. Er war mies gelaunt und ich dachte mir es würde ihn womöglich etwas milder stimmen, wenn ich ihm etwas buk. Mich jedenfalls versetzte Essen immer in bessere Laune. Und da ich nicht kochen konnte musste ich eben improvisieren und beschloss ihm etwas zu backen. Etwas klassisch französisches, eine Tarte Tatin – ein traditioneller Apfelkuchen überzogen mit einer Karamellschicht, welche beim Backen auf dem Kupfer- oder Keramikboden der Tarteform entsteht. Das besondere an diesem Kuchen ist, dass er auf dem Kopf gebacken wird. Darius sah mir beim Backen zu und wunderte sich lachend darüber, dass ich so ausgezeichnet backen, aber kein Stück kochen konnte. Ich meinte daraufhin, dass backen mir Spaß machte, ich nur leider nicht allzu oft dazu kam, da ich ja selbst keine Süßigkeiten mochte. Daraufhin meinte er nur amüsiert wie man denn keinen Süßkram mögen könnte. Ich stöhnte auf und drehte mich zu ihm um als ich den Kuchen in den Ofen geschoben hatte. „Mein Vater backt so viel, dass ich bereits keinen Kuchen mehr sehen kann.“ meinte ich und widmete mich der Küche um sie ein wenig aufzuräumen. Hinter mir vernahm ich ein weiteres Lachen seinerseits. Beiläufig bemerkte ich noch, dass ich auch hier in London eine Cousine hatte, welche in einer Bäckerei arbeitete. Während wir warteten, saßen wir am Esszimmertisch und unterhielten uns noch ein wenig. Dabei viel mir auf, dass er mich ununterbrochen verliebt anstarrte. Eigentlich störte mich das nicht, ich fand es sogar ganz lustig. Er war doch wirklich süß. Dennoch wollte ich Ash. Als die Tarte fertig war, brachte ich ihm ein Stück nach oben in sein Zimmer, in welchem er sich verkrochen hatte. Vorsichtig klopfte ich an und trat ein ohne auf eine Antwort zu warten. Ich trat an sein Bett und setzte mich neben ihn. „Tut mir leid wegen gestern. Ich wusste nicht was heute für ein Tag ist, aber das hättest du mir ruhig auch mal sagen können.“ Besonders einfühlsam war ich noch nie gewesen. Doch er sagte auch nichts. Er gab lediglich einen Laut von sich damit ich wusste, dass er mich gehört hatte. Kurz wartete ich und versuchte es dann nochmal. „Ich hab dir was mitgebracht.“ Ash drehte sich langsam zu mir um und sah mich an. „Ich weiß. Hab's schon gerochen, danke.“ Damit setzte er sich auf und nahm mir den Teller ab. Mit gesenkten Blick auf den Teller redete er weiter. „Tut mir leid, dass ich dich gestern so angeschrien hab. Ich weiß, dass du nicht dumm bist …“ Ich musste lächeln und rutschte näher an ihn heran um ihn von der Seite umarmen zu können. Während er meine Tarte probierte legte ich meinen Kopf auf seiner Schulter ab und schlang meine Arme um seinen Bauch. Als er den ersten Bissen machte, funkelten seine Augen plötzlich auf. Er sah wahnsinnig niedlich aus, wenn er überrascht war. Ich musste lächeln als er schnell und voller Begeisterung weiter aß und schmiegte mich noch enger an ihn. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so gut backen kannst!“ Kurz musste ich kichern und grinste ihn dann an. „Ich hätte zu Anfang nicht gedacht, dass du so gut kochen kannst.“ Auch er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, stellte den Teller beiseite und rollte sich über mich ehe er mich küsste. Meine Arme um seinen Hals geschlungen erwiderte ich seinen Kuss und schloss genussvoll die Augen. Erst als ich ein Räuspern neben uns vernahm, machte ich sie wieder auf und sah nach rechts, direkt in Darius' verlegenes Gesicht. Auch Ash hatte ihn bemerkt und setzte sich nur widerwillig auf. Mit grimmigem Gesicht und mich immer noch im Arm haltend fragte er seinen jüngeren Bruder was er wollte. „Tut mir leid, dass ich euch störe, aber … wir haben Besuch. Beziehungsweise du Nikita.“ Verwirrt sah ich ihn an und fragte mich wer mich bitte in London besuchen wollte. Keiner meiner Verwandten, Freunde oder Bekannten aus Deutschland kannte meine Adresse und hier in England kannte ich doch niemanden wirklich außer Robin. Aber bei dem wusste ich, dass er heute einen Termin hatte. Wer konnte also etwas von mir wollen? Ich ging eilig die Treppe herunter und rannte beinah zur Haustür um dort fast Adrian umzurennen, welcher auf mich wartete. „Hey, nicht so stürmisch Kleine. Kannst es wohl kaum erwarten mich wieder zu sehen was?“ Verdutzt sah ich in die braunen Augen über mir und trat einen Schritt zurück. „Adrian“ begann ich leise. „Was machst du denn hier?“ Er grinste mich fröhlich an und meinte gespielt beleidigt, dass das keine besonders nette Begrüßung wäre. Ich musste lächeln und entschuldigte mich. „Freut mich dich wieder zu sehen, wirklich! Aber was machst du nun hier? Ich wusste nicht mal, dass du weißt wo ich wohne.“ Aus meiner Begrüßungsumarmung ließ er mich kaum mehr los und meinte etwas hochnäsig: „Ich hab' dich gestalkt, ganz einfach!“ Ich staunte über die gute Laune des Jungen vor mir und schüttelte leicht den Kopf. „Ich bin hier um dich einzuladen.“ fuhr er fort und zwinkerte mir zu. „Zu dem nächsten Vampirtreffen.“ Schon wollte ich protestieren als er fortfuhr. „Keine Widerrede! Nach dem letzten Mal haben mich alle gefragt wer das süße Mädchen mir war und ich hab geantwortet, dass du meine Freundin wärst.“ Fassungslos starrte ich ihn mit offenem Mund an, doch mir hatte es so die Sprache verschlagen, dass ich ihm einfach weiter zuhörte. Er kratzte sich etwas verlegen am Hinterkopf und meinte etwas leiser: „Ehrlich gesagt hab ich da ein Problem. Und zwar eine Vampirin, die sich total in mich verknallt hat. Sie lässt mich einfach nicht in Ruhe und ich werde sie nicht los! Und ich dachte, da dich sowieso alle für meine Freundin halten, könntest du mit mir vielleicht zum nächsten Treffen gehen und meine Freundin spielen. Dann würde sie mich vielleicht endlich nicht mehr stalken, wenn sie mich mit einer anderen sieht.“ Er sah mich flehend an und ich schaute eingeschnappt zurück. So was. Da wird man schon benutzt um eine andere loszuwerden. „Ich dachte du hast nichts gegen Stalking.“ meinte ich eingebildet und drehte mich um um zu gehen. Adrian allerdings ließ mich nicht und umarmte mich von hinten um mich so am gehen zu hindern. „Biiitte, Nikita. Für mich ja?“ Er kam mir vor wie ein kleiner Bruder, der für Süßigkeiten bettelte. Ich seufzte und drehte mich zu ihm um. Zustimmend nickte ich und wurde darauf noch fester gedrückt. Wie ein kleiner Bruder, der die Erlaubnis erhalten hatte Süßigkeiten zu essen. Richtig niedlich. Ich konnte ihm den Gefallen gar nicht ausschlagen. So stand ich also am Abend darauf abermals vor der Tür zu einem dieser grässlichen Treffen, diesmal jedoch in einem anderen Gebäude. Von außen unscheinbar, von innen ein Traum. Der Flur, der ins Innere führte war nur spärlich beleuchtet und sehr elegant eingerichtet. Ebenso elegante Personen erwarteten einen bereits im darauffolgenden Raum, welcher zu einer Art Bar umfunktioniert worden war. Im Hintergrund lief leise Musik um die Stimmung zu erhöhen. Ich fragte ein Pärchen zu meiner Rechten wo ich denn Adrian finden würde, denn ich ging davon aus, dass sich hier jeder kannte. Die Frau war groß, was vielleicht nur an ihren Schuhen lag und der Mann neben ihr fiel neben einer solch schönen Erscheinung fast nicht auf. Dennoch war sie so freundlich und deutete auf eine Gruppe unter der ich Adrian ausmachen konnte und lächelte mich an. Ich bedankte mich und ging auf meine Verabredung zu. Dieser begrüßte mich ebenso enthusiastisch wie das letzte Mal und zog mich mit zur Bar. Wie er wusste, trank ich keinen Alkohol, dennoch nahm ich zur Tarnung einen Drink. Immerhin war ich nicht zum Vergnügen hier und es würde wohl auffallen, wenn ich nur dumm herum stehen würden. Adrian bestellte sich auch ein Glas Punsch und gesellte sich zu mir. Ein Arm um meine Hüfte gelegt tat er so als würde ich ihm gehören. Naja, immerhin gehörte ich heute Abend zu ihm, dachte ich mir und nahm einen Schluck von dem furchtbaren Getränk. „Und, welche der Frauen hier will nun was von dir?“ fragte ich nach einer Weile und sah mich um. So bemerkte ich auch Adrians Grinsen nicht, welches sich auf meine Frage hin in seinem Gesicht bildete. „Alle? Was für eine Frage, Süße.“ Ich lächelte ihn an und schüttelte abermals den Kopf über seine Arroganz. „Ich nicht.“ meinte ich, drehte mich wieder um und nahm einen weiteren Schluck meines Getränks. Ich hörte Adrian lachen und er drehte mich wieder zu sich um. Sein Gesicht direkt vor meinem grinste er mich wieder an. „Das werden wir ja noch sehen.“ Er leckte sich anzüglich über die Lippen und ich verdrehte die Augen als ich mich wieder meinem Glas widmete. Wo war nur der niedliche Adrian geblieben? Er zog mich näher zu sich und flüsterte mir ins Ohr. „Da drüben ist sie. Auf der linken Seite. Tu wenigstens so als würdest du dich amüsieren.“ Ich sah ihn an und verkniff mir eine sarkastische Bemerkung als besagte Dame auf uns zukam. Sie hatte einen energischen Schritt drauf und blieb mit den Händen in die Hüften gestemmt vor uns stehen. „Wie kannst du mich nur so betrügen Adry?!“ brüllte sie meinen Freund für heute Abend beinah an. Dieser meinte genervt, dass sie ihn nicht Adry nennen sollte und dass er sie nicht betrügen würde, da sie gar nicht zusammen waren. Immerhin gab es dieses Mädchen wirklich. Ich hatte mir schon überlegt ob Adrian nicht einfach unter einem Vorwand mit mir ausgehen wollte. Vielleicht ja aber auch beides. Oder ich bildete mir nur zu viel ein. Bevor sie noch auf ihn losging, meldete ich mich nun auch zu Wort. In angemessenem Ton und mit Höflichkeit. Wie die perfekte Lady. Daraufhin war sie wutentbrannt davon stolziert und hatte Adrian und mich lachend zurück gelassen. Wir tranken noch unsere Drinks aus und unterhielten uns ein wenig bis er mich zum Tanzen aufforderte. Erst zögerte ich ein wenig, doch er meinte, das wäre eine super Tarnung. Immerhin sollten ja alle denken ich wäre wirklich mit ihm zusammen. Das kam mir allerdings unnötig vor, da seine Freundin ja bereits die Fliege gemachte hatte, doch er ließ sich nicht davon abbringen. Meine Güte, wenn Ash jetzt hier wäre, würde Adrian nicht mehr lachen. Es war schon schwer genug gewesen ihn zu überzeugen, dass er mich hier her ließ, ganz zu schweigen davon, dass ich mit einem anderen Kerl her gewollt hatte. Ich ließ mich also widerwillig auf die Tanzfläche ziehen und stöhnte nur noch mehr als genau in dem Moment ein ruhigeres Lied gespielt wurde. Adrian zog mich näher zu sich heran und legte seine Arme um meine Hüfte während ich meine um seinen Nacken schlang. Wir bewegten uns im Rhythmus der ruhigen Melodie und ich versuchte etwas Abstand zu halten, soweit das ging, während er mich nur noch enger an sich zog und seinen Kopf genüsslich in meine Halsbeuge legte. Es schien ihm Spaß zu machen, doch ich wusste, das war nicht richtig. Ich hatte bereits einen Freund und das wusste Adrian. Wieso drängte er sich mir so auf? Auch mit weniger Aufwand würden die anderen denken, wir wären zusammen. Er leckte über meinen Hals und ich zuckte kurz zusammen. Mir war klar, was er vorhatte. Aber ich wollte nicht von ihm gebissen werden, schon gar nicht in, wenn zig andere Vampire um uns herum waren, die mein Blut riechen würden. Und ich ging nicht davon aus, dass sie uns einfach ignorieren würden. Da Adrian keinerlei Anstalten machte mich loszulassen, zog ich ihn mit mir in eine etwas abgelegene Ecke des Raums und drückte ihn mit sanfter Gewalt von mir. Lachend ließ er nun doch von mir ab und grinste mich an. „Was denn? Lass mir doch meinen Spaß.“ säuselte er mir vor, während ich weiterhin kopfschüttelnd daneben stand. „Du kannst mich doch nicht beißen, wenn so viele Vampire um uns herum sind!“ Ich versuchte leise zu sprechen, da das nicht jeder mitbekommen sollte. Adrian lachte daraufhin nur amüsiert. „Möchtest du, dass wir dafür woanders hingehen?“ Ich stand mit offenem Mund vor ihm, verneinte seine Frage und meinte, dass ich nun nach Hause wollte. Immerhin war er so nett und brachte tatsächlich nach draußen. Dort umarmte er mich noch und legte seinen Kopf auf meine Schulter. Erst wunderte ich mich, doch als ich einen kurzen Schmerz spürte, sah ich mich schnell um um mich zu vergewissern, dass niemand außer uns da war. Glücklicherweise waren wir allein und ich war kurz davor Adrian eine zu scheuern als er sich wieder von mir trennte. Auf meinen bösen Blick hin, welchem ich ihm vorwurfsvoll zuwarf, lachte er nur wieder. „Ich hab nur gekostet.“ meinte er und leckte noch einmal über die Lippen. Er kam mir noch etwas näher und sah mich halb verspielt, halb herausfordernd an. „Wobei ich gerne noch was anderes probieren würde …“ Damit starrte er meine Lippen an, ich trat einen Schritt zurück und drehte mich merkbar angepisst um. „Schön, dass ich dir mit deiner Freundin helfen konnte.“ Ich vernahm noch ein Lachen seinerseits, allerdings nur leise, da ich schon zu weit entfernt war. Jetzt wollte ich nur noch nach Hause und in mein Bett.

 

Am nächsten Tag hatten die beiden Brüder meine schlechte Laune bemerkt und saßen nun mit mir zusammen in Darius' Zimmer. Dieser arbeitete an seinem Computer irgendetwas während Ash und ich auf seinem Bett saßen. Er versuchte mich aufzumuntern während ich weiter grimmig drein schaute. Sie waren beide auch so einfühlsam und fragten nicht nach was passiert war. Manchmal fragte ich mich ob ich zwei so wundervolle Freunde wirklich verdient hatte. Ich versuchte nicht mehr ganz so verärgert zu sein und schnitt ein anderes Thema an. Darauf entspannte sich die ganze Situation wieder etwas und Ash und ich zogen uns letztlich in sein Zimmer zurück. Dort fragte Ash nun doch was eigentlich los war. Seufzend warf ich mich auf sein Bett und er setzte sich neben mich. „Als ich gestern mit Adrian bei diesem blöden Treffen war hat er mich gebissen und wollte mich küssen.“ Ich spürte wie Ash sich neben mir verspannte und richtete mich wieder auf um ihn besser ansehen zu können. Natürlich war es für ihn nicht toll zu wissen, dass seine Freundin von einem anderen Vampir gebissen und beinah geküsst worden war, aber ich wollte ehrlich zu ihm sein. Das war immer noch besser als ihn anzulügen. Eine Weile sagte keiner etwas. Wahrscheinlich wusste Ash nicht was er dazu sagen sollte oder befürchtete, dass er gleich ausrasten würde, würde er den Mund aufmachen. Irgendwann umarmte ich ihn einfach und entschuldigte mich. Immerhin hatte ich es ja auch zugelassen. Zwar hatte er danach von mir eine dafür verpasst bekommen, aber trotzdem. Ash erwiderte zu meiner Freude meine Umarmung und drückte mir einen Kuss auf die Lippen. „Schon in Ordnung. War ja nicht deine Schuld. Hauptsache ich hab dich jetzt wieder nur für mich!“ Damit zog er mich auf seinen Schoß und küsste mich abermals. Seine Hände hatten ihren Weg zu meinem Hintern gefunden und fühlten sich dort offensichtlich wohl. Ich musste in den Kuss hinein lächeln und genoss seine kühlen Lippen nur noch mehr. „Ich liebe dich …“ hauchte er mir gegen meine als er sich aufs Bett fallen ließ und mich so mit sich zog. Nun lag ich über ihm und mir viel auf, dass ich das erste Mal oben lag. Bei diesem Gedanken musste ich grinsen und drückte mich noch enger an meinen geliebten Ash. „Möchtest du heute Mal den dominanten Part spielen?“ fragte er mich mit deutlich amüsiertem Unterton, da er wusste, dass ich diesbezüglich eher der passive Part war. Trotzdem ging ich auf sein Angebot ein und erntete ein weiteres Lachen seinerseits. Man sollte doch auch mal neue Dinge ausprobieren nicht wahr? Also versuchte ich mich einmal als aktive Seite. Ich schenkte ihm noch einen langen Kuss und öffnete währenddessen sein Shirt um es ihm daraufhin über die breiten Schultern zu streifen. Er lag weiter amüsiert unter mir und betrachtete das Geschehen. Ich wusste nicht ob ich mich vielleicht ein wenig blöd anstellte, aber wer konnte mir das verübeln? Immerhin war ich darin nicht geübt. Ich war es gewohnt, dass Ash das Ausziehen übernahm. Naja, wer nicht wagt, der nicht gewinnt, so heißt es doch so schön. Also setzte ich mich auf und begann mich selbst meiner Kleidung zu entledigen. Dabei versuchte ich nicht allzu ungeschickt auszusehen. In Filmen oder Büchern schien es immer so leicht, wenn Frauen einen Mann verführen wollten, doch fand ich es eher etwas schwer mein Handeln erotisch aussehen zu lassen, da ich ja nicht wusste ob ich nicht in Wirklichkeit total bekloppt aussah. Wahrscheinlich sollte ich mir einfach weniger Gedanken darüber machen. Ash kannte mich ja und wusste auch wie ich nackt aussah, also sollte mir das auch nicht peinlich sein. Selbst wenn ich normalerweise immer diejenige war, die nur zusah. Mein Kleiderschrank bestand mittlerweile fast nur noch aus knappen, anzüglichen Outfits und Reizwäsche. Ein paar normale Klamotten hatte ich natürlich behalten, da ich in der Öffentlichkeit nicht so herumlaufen wollte als würde ich nur darauf warten, dass ich vergewaltigt wurde. Zwar sagte mir Ash ständig, dass ich damit nicht billig aussehen würde, doch ich hatte beschlossen diesen aufreizenden Kram nur zu Hause zu tragen. Höchstens noch bei besonderen Anlässen. Und natürlich, wenn ich vorhatte mit Ash zu schlafen. So streifte ich mir mein rotes Top vollends ab und um den Blick auf meinen Spitzen BH frei zu machen auf welchem sofort Ashs Blick hängen blieb. Ich musste lächeln und machte unten weiter. Da ich nur einen kurzen Rock trug, musste ich nicht extra aufstehen um mich diesem zu entledigen. Ich konnte an der Seite einen Knopf öffnen und weg war das Ding. Nun hatte man auch eine wunderbare Sicht auf meinen String. Auch dieser schien Ash zu gefallen, denn er fummelte schon wieder ungeduldig an meinem Hintern herum. Ich lachte und zog mir nun auch noch meinen BH aus, welcher mich sowieso schon den ganzen Tag gestört hatte. Es war doch wesentlich angenehmer keinen zu tragen. Darum konnte man die Jungs durchaus beneiden. Bevor Ash nun doch selbst noch über mich herfiel – und ich erkannte an seinem Gesicht, dass er das gleich tun würde – legte ich mich wieder auf ihn und verwickelte ihn in einen Zungenkuss, der zu meiner Freude nicht mehr dazu führte, dass mir wieder schwindelig wurde. Es war toll ein Vampir zu sein. Der Speichel hatte nach wie vor eine berauschende Wirkung, allerdings nicht so sehr wie früher. Es war nun eher wie eine Art Droge, die einen noch heißer machte. Wenn man das so nennen konnte. Immerhin waren hatten wir ja beide eine sehr niedrige Temperatur. Ash hielt es wohl wirklich nicht mehr lange aus zu warten, darum machte ich weiter. Ich begann seine Brust hinunter zu küssen und biss ihn kurz in seine bereits harten Brustwarzen und hörte ihn darauf halb entzückt, halb gequält aufstöhnen. Grinsend machte ich weiter, doch weit ließ er mich nicht kommen und zog mich wieder zu sich nach oben um mich küssen. Ich liebte ihn so sehr. Es war kaum auszuhalten wie nah ich ihm war und gleichzeitig am liebsten mit ihm verschmelzen wollte. Nur um ihm noch näher zu sein. Ich presste mich förmlich an ihn und er riss mir ungeduldig noch meinen verbliebenen String fort und entledigte sich ungeschickt vor Hektik auch seiner Hose. Ash trug fast nie Unterwäsche, was die Sache beschleunigte und um einiges leichter machte. Obwohl wir beide so kühl waren, fühlte es sich an als würden wir vor Hitze glühen. Fast bettelnd lag Ash unter mir und drängte sein bereits sehr erregtes Glied gegen mich. Er würde es nicht mehr lange aushalten, das wusste ich, bevor er über mich herfiel. Also kam ich seiner Bitte nach und ließ ihn in mich eindringen. Dabei stöhnten wir nun beide auf und ich hatte das Gefühl bereits jetzt kurz vor der Ekstase zu sein. Ihm schien es nicht anders zu gehen, denn er begann sich unter mir immer schneller zu bewegen. Ich passte mich seinem Rhythmus an und bewegte auch meine Hüften im Takt. Es war ungewohnt, da ich oben war, doch fühlte es sich gut an. Daran könnte man sich gewöhnen. Nun verstand ich was die Jungs an dieser Position so mochten. Allerdings würde ich auch wahrlich kein Problem damit haben in Zukunft wieder unten zu liegen. Trotz allem war mir das viel lieber. Da musste man nicht so viel selbst tun und hatte Spaß daran seinem Partner zuzusehen. Vielleicht ein wenig egoistisch, da es Ash sicher auch gefielt mir ab und zu mal zuzusehen. Doch im Moment dachte ich nur daran wie sehr ich ihn wollte. Schneller, härter, mehr, waren meine einzigen Gedanken, welche ich hatte. Als ob er es erraten hätte kam Ash meinen Gedanken nach und trieb mich immer schneller zum Höhepunkt bis ich schließlich vor Entzücken aufschrie und auch er kam mit einer unglaublichen Ekstase in mir und sank schließlich erschöpft zurück in seine Kissen. Ich ließ mich neben ihn fallen und kuschelte mich an ihn. Normalerweise stand ich ja nicht so auf schnelle Nummern, sondern auf mehr Vorspiel und sonst präferierte ich es auch ihn zu beißen oder mich beißen zu lassen, dennoch war ich mehr als zufrieden. Hauptsache ich war bei ihm. Ash gähnte einmal und kuschelte sich auch an mich. Es war fast morgen und auch ich war müde. So blieben wir einfach in seinem Bett. Noch einmal hauchte er mir ein „Ich liebe dich.“ entgegen und ich musste lächeln. „Je t'aime aussi Ash …“ antwortete ich und schloss die Augen bevor ich einschlief.

Weiterhin verlief alles wundervoll in meiner Beziehung mit Ash. Abgesehen von den üblichen Neckereien stritten wir uns nie und ich liebte ihn von Tag von zu Tag mehr. Nur machte mir Darius ein wenig Sorgen. Er war ja schon immer eher ein etwas introvertierterer Typ gewesen, aber seit ich nun doch mit Ash zusammen war, redete er kaum noch. Mit keinem von uns. Vielleicht wollte er uns nur nicht stören oder kam sich wie das dritte Rad vor. Es tat mir so leid ihn so zu sehen. Doch auch Ash ließ mir keine Gelegenheit mich mit seinem jüngeren Bruder zu unterhalten. Jede Minute des Tages – oder der Nacht – wollte er bei mir sein, was er auch mit großem Erfolg meisterte. Natürlich hatte ich nichts dagegen, aber ich wünschte ich könnte auch mal wieder etwas mit Darius unternehmen. Er war schließlich auch mein Freund. Es war schon redlich schwer genug Ash zu überzeugen ab und zu meinen Bruder oder gar Adrian zu besuchen, mit welchem ich mich im Übrigen wieder vertragen hatte. Und zu dritt konnten die Brüder und ich auch nichts machen. Dann gab es immer eine sehr angespannte Atmosphäre und kaum einer sagte etwas. Auch kümmerte Darius sich um die meisten Notwendigkeiten wie beispielsweise einkaufen gehen etc. und wenn Ash tatsächlich mal etwas unternahm musste ich natürlich mit. So hatte ich nie die Gelegenheit mal mit Darius allein zu sein. Darum saß er die meiste Zeit alleine herum. Ich wollte ihn nicht weiter so sehen und versuchte also nun doch Ash zu überreden, dass ich mal etwas mit seinem Bruder unternehmen durfte. Fast komisch wie sich das anhörte. Immerhin hatte er mir ja eigentlich nichts z befehlen und ich konnte wann immer ich es wollte zu Darius. Nur wurde Ash immer mega eifersüchtig, wenn ich Darius auch nur im Vorbeigehen anlächelte. Ich verstand wirklich nicht, warum er mir nicht vertraute. Das fragte ich ihn auch und er verzog nur das Gesicht. War ja klar gewesen, dass ihm das nicht passen würde. Er sah mich nach kurzem überlegen an. „Dir vertraue ich ja Nikita … Nur Darius nicht.“ Verwundert sah ich ihn an und fragte warum er seinem Bruder nicht vertraute. Immerhin waren wir nur Freunde und Darius war nun wirklich nicht der Typ dazu zu versuchen mich Ash wegzunehmen. Wieder überlegte Ash kurz und seufzte angestrengt als wüsste er nicht wie er es mir erklären sollte. Letztendlich nahm er mich in den Arm und ich hörte ihm immer noch verwundert über sein Verhalten zu. Ich hatte gedacht er würde wütend werden oder es einfach verbieten wollen und wir würden streiten oder ähnliches. Aber nun standen wir Arm in Arm da und er legte seinen Kopf auf meine Schulter ehe er sprach. „Du hast ja keine Ahnung wie Darius sein kann.“ begann Ash mit eisigem Unterton. Mir lief es dabei kalt den Rücken hinunter und ich fragte mich was er meinte. Er war die letzten Jahre immer so freundlich, höflich und zurückhaltend gewesen. „Bitte bleib bei mir … Ich will dich nicht an Darius verlieren.“ Er drückte mich noch enger an sich und ich hatte ihn noch nie so besorgt gesehen. Generell hatte ich ihn noch nie wegen irgendwas besorgt gesehen. Zwar fand ich es ganz süß, dass er Angst hatte ich würde ihn für seinen Bruder verlassen, dennoch verstand ich ihn nicht. Selbst wenn Darius mal anders werden konnte – und das tat ja jeder mal, das war nicht außergewöhnliches – glaubte ich nicht, dass es so schlimm wäre, dass er mich ihm entreißen würde. Zumal er das gar nicht könnte, da ich Ash wesentlich mehr liebte und ich auch der festen Überzeugung war, dass Darius das weder mir noch seinem Bruder antun würde. So erklärte ich es auch Ash und versicherte ihm, dass nichts passieren würde, wenn ich nun einmal fünf Minuten mit ihm reden würde. Widerwillig stimmte Ash nun doch zu, schnappte sich seine Kopfhörer und warf sich auf seine Couch. Ich lächelte bei diesem Anblick. Noch immer fand ich Ash einfach niedlich, wenn er beleidigt war. Jedenfalls ging ich daraufhin endlich mal zu Darius um mit ihm zu reden. Ich klopfte kurz an und betrat dann sein Zimmer in welchem er an seinem PC arbeitete. Diesen stellte er allerdings sogleich aus als er mich sah und kam verwundert auf mich zu. Er blieb vor mir stehen und ich lächelte ihn halb schüchtern, halb entschuldigend an. Er lächelte mich zunächst auch erst an, fragte dann jedoch etwas abweisender ob mich Ash denn endlich mal zu ihm gelassen hätte. Ich verstand, dass er eingeschnappt war. Immerhin war es wirklich nicht besonders nett von seinem Bruder gewesen mich ständig dazu zwingen zu wollen nicht mehr mit ihm zu reden. Ohne zu antworten nahm ich ihn in den Arm und merkte wie sehr ich das vermisst hatte. Ihn einfach zu umarmen und seine Nähe zu spüren. Er erwiderte meine Umarmung natürlich sofort und drückte mich fest an ihn. Währenddessen fing ich an zu weinen. Warum wusste ich nicht genau. Weil ich ihn vermisst hatte, obwohl wir zusammen wohnten? Oder weil es einfach ein schönes Gefühl war ihn wieder berühren zu können? Kam wahrscheinlich beides auf dasselbe hinaus also heulte ich mich erst einmal an seiner Brust aus. Er fuhr mir durch die Haare und streichelte meinen Kopf um mich zu beruhigen und mir zu signalisieren, dass es okay war, wenn ich weinte. Ich wusste wirklich nicht was Ash nur hatte. Sein Bruder war so mitfühlend und freundlich. Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte hob Darius mein Gesicht etwas an und schenkte mir eines seiner wunderschönen Lächeln. In dem Moment dachte ich schockierender weise nur daran, wie sehr ich ihn jetzt küssen wollte. Er war mir so nah und so bezaubernd. Nachdem ich so lange nichts mit ihm zu tun hatte, kam er mir plötzlich noch schöner vor als vorher. Natürlich küsste ich ihn nicht, stattdessen zog ich ihn mit mir auf sein Bett. Er setzte sich neben mich und versuchte mich aufzumuntern, da ich noch immer ein trübes Gesicht machte. „Wieso hast du geweint?“ fragte er mich schließlich sanft und ich dachte daran was für eine wundervolle Stimme er doch hatte. Ich wusste nicht was ich sagen sollte und platzte einfach mit dem ersten heraus das mir einfiel. „Weil ich dich vermisse.“ Wieder stand ich den Tränen nahe als ich daran dachte, dass sobald ich dieses Zimmer wieder verließ, Ash mich wieder in Beschlag nahm. Ich liebte ihn so sehr und ich liebte es auch bei ihm zu sein, aber ich wollte nicht dadurch alle anderen vernachlässigen beziehungsweise sogar den Kontakt abbrechen nur um jede Minute bei Ash zu sein. „Hey …“ begann Darius vorsichtig und ich sah ihn nun doch an. Bisher hatte ich nur auf den Boden gestarrt. „Wenn du möchtest rede ich mal mit Ash. Immerhin ist er mein Bruder und wir können uns sicher einigen.“ Während er das sagte, schüttelte ich nur den Kopf. Ich kannte Ash gut genug um genau sagen zu können, dass er niemals einen Kompromiss eingehen würde. Die ganze Zeit hatte ich gedacht, wenn ich mich endlich für einen entscheide wird sich alles schon von selbst regeln, aber nun war alles nur noch viel schlimmer. Zuvor konnte ich wenigstens beide sehen. „Hör zu Nikita“ meinte Darius irgendwann mit ernsterem Gesichtsausdruck. „Gib dir keine Schuld dafür, dass wir uns kaum noch sehen. Du hast dich für ihn entschieden und es war ja klar, dass Ash dich für sich haben möchte. Das würde ich an seiner Stelle auch wollen. Auch wenn ich dich nicht so sehr einschränken würde …“ Wieder sah er angewidert zu Boden. „Ich habe mich auch entschieden. Ich werde abhauen.“ Nicht schon wieder, dachte ich und musste an Ash denken, welcher mir damals das gleiche gesagt hatte bevor er gegangen war. Bevor ich etwas erwidern konnte, redete er auch schon weiter. Diesmal etwas freundlicher. „Nicht für immer natürlich … Nur für eine Weile. Aber du weißt ebenso gut wie ich, dass man mit Ash nicht reden kann, wenn er etwas nur für sich haben will. Schon lustig, dass Geschwister einfach nie etwas teilen können.“ Er lachte und auch ich zwang mich zu einem Lächeln. Wahrscheinlich hatte er ja recht. Und ich wollte ihm auch nicht im Weg stehen, wenn er weg wollte um nicht immer nur alleine hier zu sitzen. Trotzdem wollte ich, dass er blieb. Wenn er nicht mehr hier wohnte, wusste ich nicht was er tat und was bei ihm passierte. Ich wusste nicht wie er wann fühlte und wann er mich vielleicht bei sich haben möchte. Traurig ließ ich den Kopf sinken und versuchte nicht wieder zu weinen. Darius umarmte mich und zog mich näher zu sich heran. „Ich liebe dich“ flüsterte er ohne mich dabei anzusehen und ich bekam schon wieder schreckliche Schuldgefühle. „Aber ich möchte trotzdem eine Weile weg. Hier kann ich ja eh nicht bei dir sein, also macht es auch keinen Unterschied, wenn ich woanders bin. Ich komme wieder … versprochen.“ Fast verzweifelt sah ich ihm in die eisblauen Augen und nickte kaum merkbar als Signal, dass ich es akzeptieren und auf ihn warten würde. Auch er sah mir in meine grünen Augen und lächelte mich noch einmal an. „Versprochen …“ hauchte er noch als er mir näher kam und mich schließlich und zum letzten Mal für eine Weile küsste.

Ein paar Monate waren nun schon vergangen seit Darius gegangen war. Besonders viel hatte sich nicht verändert außer, dass Ash nun alles erledigen musste was zuvor sein Bruder gemacht hatte. Dennoch war er bestens gelaunt und voll bei der Sache. Vermutlich, weil er nun keine Bedenken mehr hatte, dass ich ihn für Darius verließ oder so. Seine Stimmung wurde jedenfalls immer besser und auch wenngleich ich es genoss bei Ash zu sein, fehlte Darius irgendwie. Vor ein paar Monaten hatten wir noch eine Weile geschrieben, er meinte er wäre jetzt in Spanien was ich mir gar nicht so richtig Vorstellen konnte. Ich hatte bei der Vorstellung an einen Vampir am Strand in Spanien lachen müssen. Er hatte mir versichert, dass alles gut war und er sich schon freute mich irgendwann wieder zu sehen. Seit dem war unser Kontakt abgebrochen. Wahrscheinlich wollte er seine Ruhe haben und nicht ständig an uns denken müssen. Also widmete ich mich nun bis zu seiner Rückkehr voll und ganz meinem Freund. „Du hast dich mal wieder selbst übertroffen Ash“ kicherte ich als ich ihn von hinten umarmte und ihm dabei zusah wie er unser Mittagessen fertig zubereitete. Er ließ kurz alles stehen und drehte sich zu mir um um mich anzugrinsen. „Ich bin einfach geil, das ist alles.“ Ich musste lachen und ließ mir von ihm einen Kuss die Lippen drücken. Froh darüber, dass nun alles doch noch gut verlief erwiderte ich seinen Kuss lächelnd und vergaß das Essen vollkommen als er mich mit einem weiteren intensiven Kuss wissen ließ, dass wir noch nicht so schnell zum essen kommen würden. Ich gab mich seinen Küssen hin und seufzte glücklich als er über meinen Hals zu meinem Dekolleté weiter hinunter ging und sein Spiel fortführte. „Je t'aime tellement …"

Kapitel 10 – Die zehnte Nacht

Ich sah aus meinem Fenster als ich mit meinem Buch fertig war. Es regnete und der Himmel war überzogen von einem finsteren Wolkenschleier. Ein seltenes Bild hier in Spanien. Es waren bereits ein paar Jahre vergangen, seit ich meinen Bruder und seine Freundin in England zurückgelassen hatte und dennoch musste ich jeden Tag an sie denken. Damals hatte ich den Kontakt abgebrochen, weil ich fürchtete ich würde es nicht aushalten ohne sie und würde zurück gehen. Das wollte ich jedoch nicht. Ich wollte ihnen etwas Zeit alleine geben. Nicht um sie in Ruhe zu lassen. Ich könnte mir Nikita jederzeit nehmen, wenn ich wollte. Doch würde sie mich dann hassen, wenn ich sie zwingen würde. Also hatte ich mir eine andere Strategie ausgedacht, um sie für mich zu gewinnen. Aufgeben würde ich sie nie. Das wusste Ash, weswegen er mich auch nie in ihre Nähe gelassen hatte. Sicherlich freute er sich, dass ich damals nach Spanien gezogen bin. Doch er wusste, dass ich irgendwann wieder kommen würde. Für meinen Bruder und mich waren ein paar Jahre nichts, da wir schon länger Vampire waren. Für Nikita jedoch, die erst vor kurzem zum Vampir gemacht wurde, war diese Zeit schon eine Ewigkeit, da sie noch zu menschlich dachte. Sie würde mich mehr vermissen als Ash, das wusste ich. Und wenn ich zurück kommen würde, würde sie mir um den Hals fallen und bei mir sein wollen in dem Moment. Mehr als bei ihrem Freund. Und genau dann war meine Chance. Egal wie wütend Ash dann sein würde, es war mir nur recht. Denn je wütender Ash werden würde, wenn ich dann als Erstes etwas mit Nikita unternehmen möchte – und sie wird ohne Zweifel zustimmen – desto mehr Unverständnis wird Nikita für ihn haben. Sie wird zu mir flüchten und ich werde natürlich für sie da sein und ihr ein besserer Freund sein als mein eingebildeter Bruder. Über die Jahre hatte ich mich wirklich gefragt warum Ash mich damals überhaupt zum Vampir gemacht hatte. Als ob er mich wirklich so lieben würde. Im Gegensatz zu ihm hatte ich ein schönes Leben gehabt und wollte dem nicht entrissen werden. Wie konnte er mir nur dasselbe antun wie sein Erschaffer ihm damals? Ash hatte ihn dafür umgebracht. Wie konnte er nur denken ich wäre weniger wütend darüber? Die Jahre über hatte ich sogar angefangen ihn zu hassen. Nicht nur, dass er mich einfach ohne zu fragen zu so etwas gemacht hatte, er musste auch absolut alles haben was ich wollte. Letztendlich auch noch das Mädchen, in welches ich mich nach über hundert Jahren der Einsamkeit mit meinem egoistischen Bruder verliebt hatte. Diesmal jedoch würde er damit nicht durchkommen. Wenngleich er mir so viel angetan hatte, war er dennoch mein Bruder, darum wollte ich ihn auch nicht gleich umbringen oder dergleichen. Ich würde ihm etwas viel Schlimmeres antun. Nicht meinem Bruder, sondern der Person, die mich über hundert Jahre alleine gelassen hatte und dann auch noch behauptet, er hätte mich nur zum Vampir gemacht, weil er nicht ohne mich sein wollte. Pah, zu was denn bitte? Wollte er nicht alleine sein, damit er seinen Haushalt auf jemand anderen abschieben konnte? Oder um jemanden zu haben, an dem er seine Wut auslassen konnte? Diese Anmaßung ich würde ihm jemals verzeihen, erschütterte selbst mich. Nie hätte ich gedacht, dass ausgerechnet Ash, mein Bruder, dermaßen dumm sein könnte. Früher hatte ich ihn immer für einen intelligenten Menschen gehalten. Doch als Vampir war er gänzlich verblödet. Nikita dagegen war ein wirklich intelligentes Mädchen. Ich musste überzeugender den je sein, wenn ich sie manipulieren wollte. Natürlich liebte ich sie, doch wollte ich sie endlich für mich haben. Egoistisch, nicht wahr? Aber ich hatte schließlich diesbezüglich auch über hundert Jahre lang den besten Lehrer bei mir gehabt. Nikita würde mir vollkommen verfallen, das wusste ich. Sie mochte intelligente Jungs und das war ich weit mehr als mein dämlicher Bruder. Außerdem war sie bereits in mich verliebt. Ich musste es nur schaffen, dass sie mich mehr liebte als Ash. Aber das war nicht schwer. Mädchen konnte man leicht verführen, egal wie intelligent sie auch sein mochten. Selbst wenn sie hinter meinen Plan kommen würde, würde sie mir glauben, dass ich das alles nur tat, weil ich sie so sehr liebte. Teils stimmte das ja auch. Ich liebte sie mehr als alles andere und wollte mit ihr zusammen sein. Sie war keines dieser dummen, naiven und schüchternen Mädchen, sondern eine selbstbewusste junge Frau, die ebenso intelligent und manipulativ war wie ich. Wenn sie etwas wollte, nahm sie es sich eben. Dafür bewunderte ich sie sogar etwas, da ich das erst gelernt hatte, nachdem ich zum Vampir geworden war. Sie war schon als Mensch so gewesen. Eine unter tausenden, das hatte ich schon bemerkt als ich sie das erste Mal gesehen hatte. Eine Einzelgängerin, welche jedoch nicht ausgeschlossen wurde. Ein sensibles Mädchen, das trotz ihres Hasses auf andere achtet. Ein gefundenes Fressen für meinen Bruder. Etwas, das ich wollte und das er mir wegnehmen konnte. Zwar glaubte ich ihm, dass er sie auch liebte, doch wollte ich derjenige sein, der dieses bezaubernde Mädchen glücklich macht. Ich wollte ihre Lippen spüren und noch einmal ihr betörendes Blut trinken, welches mich damals beinah wahnsinnig gemacht hatte. Und niemand würde mich davon abbringen sie zu meiner Geliebten zu machen. So legte ich also mein Buch beiseite, sah noch einmal zu dem aufkommenden Sturm hinaus und entschied, dass es an der Zeit war zurückzukommen. Bald wirst du mein sein … waren meine Gedanken als ich mein Zimmer verließ und meine Sachen packte.

 

Sie wohnten noch immer in London, das wusste ich, da ich das Handy meines Bruders orten konnte und ich nicht davon ausging, dass er es zurücklassen würde, wenn sie umziehen würden. Besonders viel Gepäck hatte ich nicht dabei, da ich es unnötig fand, mein Mobiliar mitzunehmen. Darum hatte ich so gut wie nichts dabei, was schon die Frau am Flughafen stutzig gemacht hatte. So lief ich nun abermals durch die Straßen Londons und erfreute mich erstmals seit Jahren wieder daran, dass in meiner Umgebung Leute waren, deren Landessprache ich ebenso gut wie sie sprechen konnte. Zwar mochte ich Sprachen sehr, doch war spanisch nie eine meiner Lieblingssprachen gewesen, weswegen ich es auch nicht allzu perfekt beherrschte. Glücklicherweise kam man in Spanien auch wunderbar zurecht, wenn man nicht ein Wort spanisch sprach. Umso mehr freute es mich dennoch endlich alle Leute wieder zu verstehen. Besonders, da man in London des Öfteren mitten auf der Straße angesprochen wurde. Zumindest bei mir. Wie es bei anderen war, wusste ich nicht. Jedenfalls waren in dieser Stadt alle mit denen ich zu tun hatte sehr freundlich, was mich mehr als fasziniert hatte als wir vor einigen Jahren aus Deutschland her gezogen waren. Denn dort war für die meisten das Wort 'Höflichkeit' mehr als fremd.

 

Bei meinem Bruder und dem Objekt meiner Begierde angekommen, klingelte ich und mir wurde kurz darauf von Ash die Tür geöffnet. Zunächst lächelte ich vor Verwunderung darüber, dass er sich mal dazu bequemt hatte an die Tür zu gehen, begrüßte ihn dann jedoch kühl. Man sah ihm den Schock förmlich ins Gesicht geschrieben als er mich sah, doch ich ignorierte das und drängte mich an ihm vorbei ins Haus. Hinter mir vernahm ich ein erbostes Knurren seinerseits und verkniff mir ein schadenfrohes Grinsen. Denn er wusste, was ich wollte und das passte ihm gar nicht. Ich sah ihn lächelnd an und fragte warum er sich nicht freue, dass sein kleiner Bruder wieder da war. Meine Stimme triefte geradezu vor Spott, was ihn noch wütender machte. Finster drein blickend kam er langsam auf mich zu und flüsterte beinah vor Zorn, da er wohl sonst die Nachbarschaft zusammengeschrien hätte. Niedlich, wie er versuchte sich zurückzuhalten. Da gab ich Nikita schon recht. „Wag' es ja nicht ihr zu nahezukommen.“ Das war wohl als Drohung gemeint, doch ich lächelte nur weiterhin, da ich nicht auf ihn hören würde. Währenddessen hörte ich hinter mir eine mir nur allzu bekannte Stimme. „Darius!“ Fröhlich rannte sie die Treppe hinunter und fiel mir halb lachend, halb heulend um den Hals. Wie ich es geplant hatte. Natürlich erwiderte ich ihre Umarmung und nahm die Gelegenheit wahr, um ihren wundervollen Duft, ihre Berührungen und ihr ganzes Wesen wahrzunehmen. Wie ich das doch vermisst hatte. Warum nur musste sie meinen Bruder lieben? Missmutig ließ ich von ihr ab. Sie hatte meinen Stimmungswechsel bemerkt und fragte was los sei. Daraufhin schenkte ich ihr nur ein weiteres sanftes Lächeln und meinte, dass ich mal alleine mit ihr reden wollte. Selbstverständlich willigte sie ein und gab ihrem Freund zu verstehen, dass er uns nicht stören sollte. Ash kochte natürlich vor Wut, sagte aber nichts. Triumphierend grinste ich ihn noch einmal an und zog Nikita mit hoch in mein altes Zimmer. Es sah noch genauso aus wie ich es damals verlassen hatte. Sie zog mich mit aufs Bett, da ich noch nie eine Couch oder ähnliches gehabt hatte, und drückte sich immer noch an mich. Wie glücklich sie doch wahr mich wieder zu sehen. Nun musste selbst ich einmal wirklich lächeln und zog sie auf meinen Schoß, um ihr noch näher sein zu können. Meine Hände ließ ich auf ihren Hüften ruhen während ich ihr in die Augen sah. Ich wusste, dass sie dieses Eisblau mochte. Umso ärgerlicher, da mein Bruder die gleichen Augen hatte. Doch um Ash wollte ich mich jetzt nicht kümmern. Keiner sagte etwas, ich umarmte sie schließlich noch einmal und ließ meinen Kopf in ihre Halsbeuge sinken. Dort sog ich abermals ihren herrlichen Duft ein. Weniger sie als vielmehr ihr Blut roch ich. Mir lief es kalt den Rücken hinunter als ich daran dachte, wie ich nun einfach zubeißen und ihr köstliches Blut trinken könnte. Ich drückte sie noch enger an mich und konnte mich kaum zurück halten. Doch ich durfte sie nicht beißen. Das würde nur zu einem Streit mit Ash führen und Nikita würde ohne weiter nachzudenken zu ihm gehen, um ihn zu beruhigen. Selbst, wenn sie mich dadurch schützen wollte, konnte ich dann nicht mehr bei ihr sein. Also verkniff ich mir meinen Raubtierinstinkt und fuhr mit meinen Lippen über ihren Hals hoch zu ihren Wangen, die ich flüchtig küsste ehe ich wieder etwas Abstand nahm, um sie ansehen zu können. Als Mensch wäre sie nun sicher rot geworden, denn auch jetzt als Vampir sah sie verlegen zur Seite. Innerlich grinsend kam ich ihr wieder etwas näher und flüsterte ihr ins Ohr. Bei dieser Taktik kommt man dem Mädchen dabei so nah, dass sie ganz leicht den Atem spüren kann. Erstaunlich, dass sich auf diese Weise selbst eine harmlose Bemerkung wie ein wichtiges Geheimnis anhörte. Der ultimative Geheimtipp, um ein Mädchen herum zu bekommen. „Ich habe dich so sehr vermisst …“ Dabei konnte ich spüren wie sie eine Gänsehaut bekam und musste lächeln. Noch einmal küsste ich ihren Hals und lächelte sie wieder an. Wie sollte ich nun also weiter verfahren? Vielleicht ein Hauch von Arroganz. Wer nur nett ist, kommt bei einem Mädchen nicht über den Punkt 'guter Freund' hinaus. Man kann also punkten, indem man sich von einer anderen, entschlossenen Seite zeigt. Wie wäre es mit einem etwas härterem Auftreten, einer Bestrafung oder Ähnlichem? Doch sollte das nicht ausschließlich so sein, wie beispielsweise bei meinem Bruder. Mit Ritterlichkeit kam man auch voran. Sollte zum Beispiel ein Mädchen in deiner Gegenwart stürzen, beugt man sich elegant zu ihr hinunter und reicht ihr zur Hilfe die Hand. Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, ihr dabei kurz, aber entschlossen in die Augen zu sehen. Beim Tanzen ist es dasselbe. Man muss sie fühlen lassen als wäre sie auf Wolken. Gesellschaftstänze und ähnliche Dinge, die zur Bildung eines Gentlemans gehören, zählen zu den Lieblingsbeschäftigungen eines niveauvollen Frauenschwarms. Doch man muss natürlich darauf achten, Mädchen, welche nicht geübt im Tanzen sind, sicher zu führen. Mit festem Griff verringert man den Abstand. Während ich noch nachdachte, was ich sagen könnte, ergriff sie derweil das Wort und riss mich aus meinen Gedanken. Sie sah ein wenig schüchtern zur Seite und fragte dennoch bestimmt: „Sag mal Darius … auf was für Mädchen stehst du eigentlich?“ Ich musste ein wenig kichern und mir die Antwort 'Nur auf dich.' schwer verkneifen. Denn sie war die eine Person, welche mein Herz mit Wärme erfüllt. Das liebenswerte Mädchen, das ich zu meiner 'Einzigen' auserkoren hatte. Ich lächelte sie an und tat so als würde ich überlegen. Schließlich wusste ich eine gute Antwort. „Auf jemanden, der so stur ist, dass er zum Beispiel draußen im Schnee auf mich wartet.“ Ihre Augen wurden augenblicklich groß und sie sah verlegen auf meine Decke. Denn genau das hatte sie mal vor einigen Jahren getan. Es war Winter und ich war lange aus gewesen, da ich noch etwas zu erledigen hatte. Als ich zurück kam, hatte ich sie auf der Treppe vor unserem Haus sitzen sehen, wo sie beinah schon eingeschlafen war. Das fand ich damals so süß. Ich hob ihr Kinn leicht an, damit sie mich ansehen musste. Im Moment dachte sie nur an mich. Nur an uns beide, wie wir hier zusammen saßen. Dennoch sah sie ein wenig traurig aus. Wahrscheinlich weil wir laut ihr nicht zusammen sein konnten oder ähnlicher Unsinn. „Hasst du mich eigentlich?“ fragte sie schließlich und ich war kurz verwundert. „Ich habe dir so oft wehgetan … dabei weißt du doch, dass ich dich liebe und …“ Weiter kam sie nicht. Noch einmal hob ich ihr Kinn an und sah ihr tief in die Augen. „Wie könnte ich dich hassen, wenn du so etwas zu mir sagst?“ Daraufhin brach ich endlich diese erdrückende Barriere zwischen uns und legte meine Lippen auf ihre. Sie zuckte nicht einmal zurück, sondern ließ zu, dass ich sie küsste. Ganz zaghaft, vermutlich war sie sich nicht sicher. Würde ich sie nun weiter drängen, würde sie nur abbrechen und zu Ash gehen. Also beließ ich es vorerst bei diesem einen Kuss. Noch immer spürte ich den sanften Druck dieses Kusses und fuhr mir mit der Zunge über die Lippen, um ihren Geschmack, welcher noch an ihnen heftete, nicht zu verschwenden. Ich wollte mehr. Wohl auch das reizende Mädchen vor mir, denn sie starrte meine Lippen geradezu an und schaute schnell weg als sie sah wie ich auf ihre Reaktion hin anfing zu grinsen. So süß. Doch eigentlich mochte ich so furchtbar niedliche Mädchen gar nicht. Außer, sie waren nur zu mir so süß. Ein Mädchen, welches andere verachtete und ihnen mit Spott und Arroganz entgegentrat und in meiner Gegenwart ihre Maskerade ablegte und mich anhimmelte. Ein wenig eingebildet, nicht war? Aber ich mochte das wirklich. Und ich wusste, dass Nikita mich anhimmelte. Nein, sie liebte mich. Und ein verliebtes Mädchen kann man leicht manipulieren. Selbst, wenn sie noch so intelligent war. Man vergaß Dinge, wenn man jemanden liebte. Sie würde nur mich sehen. Dafür würde ich sorgen. „Hast du Lust wieder was mit mir zu unternehmen? Wo wir uns so lange nicht gesehen haben …“ Ich versuchte ein wenig bedrückt zu klingen, da es so aussehen sollte, als würde es mich treffen, dass mein Bruder das wahrscheinlich nicht zulassen würde. Doch sie durchschaute mich und grinste mich an. „Schauspieler gefälligst nicht so schlecht. Du weißt, dass ich ja sagen werde.“ Ich lächelte sie an wie ein Kind, welches beim Kekse klauen erwischt wurde. Natürlich gefiel ihr meine Art. Ein Hauch Überlegenheit mochte sie eben. Sie sah nur auf Leute auf, die ihren Respekt verdient hatten und besser waren als die übrige Gesellschaft. Ein Überlegener, in jeder Hinsicht. Sei es intellektuell oder wenn es um Macht ging. Sie mochte Leute, die ihr überlegen waren. Einfach, weil es davon nicht so viele Personen gab und weil sie sie faszinierten. Also war es selbstverständlich, dass sie meine Art mochte, da sie wusste, dass ich meinem Bruder überlegen war. Sie nahm mich also bei der Hand und zog mich mit nach unten. Welch ein bezauberndes Mädchen sie doch war. Und nun hatte ich sie endlich mal für mich. Ein Tag würde nicht ausreichen um sie für mich zu gewinnen, doch gleich am Anfang konnte ich einen bleibenden Eindruck hinterlassen, indem ich gleich aufs ganze ging. Manchmal fragte ich mich was sie eigentlich von mir hielt. Sie kannte ja nicht wirklich 'mich', nur diesen Teil, den ich meistens spielte. Würde sie mich auch lieben, wenn sie wüsste, wie ich wirklich bin? Prinzipiell wollte ich sie für mich haben. Doch wollte ich auch, dass sie mich liebte, so wie ich bin und nicht nur für den, der sie denkt, der ich bin. Ein wenig bedrückt trottete ich hinter ihr her und versuchte wieder auf meinen Plan zurückzukommen. Den Plan, sie für mich zu gewinnen. Um alles andere würde ich mich später kümmern. Zwar war ich mit der Zeit daran gewohnt auf Knopfdruck meine Emotionen abzustellen, kalt zu werden und anderen etwas vorzuspielen. Doch konnte selbst ich mich nicht der Macht der Liebe widersetzen. Ich hatte mich in Nikita verliebt, so viel stand fest. Und selbst, wenn ich ihr etwas vorspielte und sie tatsächlich für mich gewinnen konnte, würde es mich fertig machen, zu wissen, dass sie nie mein wirkliches Ich lieben würde. Zwar wäre ich soweit befriedigt, dass sie endlich bei mir wäre, doch wäre ich nicht glücklich damit. Doch darum würde ich mich später kümmern. Das setzte ich mir so zumindest in den Kopf. Vielleicht war es ja gar nicht schlimm, wenn sie nur mein aufgesetztes Ich mochte.

 

Wir gingen zum London Eye, da sie mir nach so langer Zeit mal wieder einen Teil von London zeigen wollte. Und von da oben hatte man eine gute Aussicht. Trotzdem fragte ich mich was das sollte, denn ich wusste, dass sie eine mega Höhenangst hatte. Auch, dass sie mit ihrer früheren Schulklasse mal in dem Riesenrad war und fast durchgedreht ist. Ich kannte auch die Fotos, welche sie dort oben gemacht hatten und darauf sah sie nicht sonderlich fröhlich aus. Naja, vielleicht hatte ihre Angst ja etwas abgeklungen. Oder sie wollte nur einen Vorwand haben, um sich an mich krallen zu können, wenn sie Angst bekam. Bei dem Gedanken lächelte ich. Am Eingang wurden wir kurz kontrolliert, ob wir Messer oder ähnliches dabei hatten, danach konnten wir sofort in eine der Glaskugeln steigen. Natürlich waren sie nicht komplett aus Glas, aber zu einem großen Teil, bis auf den Boden und eine Holzbank, welche in der Mitte stand. Hier passten locker dreißig bis vierzig Personen hinein, doch wir beide waren nur zu zweit. Da das Rad nie anhielt, fuhr es so langsam, dass man ohne Probleme gemütlich einsteigen konnte. Der Nachteil war, dass es auch sehr lange dauerte bis man wieder unten war. Geschweige denn überhaupt mal oben. Wir brauchten gefühlt zehn Minuten bis wir überhaupt mal bei der Hälfte waren. Und meine Begleitung wurde langsam nervös. Ich setzte mich neben sie und legte einen Arm um ihre Schultern. Sie lächelte mich dankbar an und kuschelte sich an mich. Ich hatte fast vergessen wie wundervoll es war umarmt zu werden. Beinah verzweifelt zog ich sie zu mir heran und schloss sie in meine Arme. Natürlich hatte sie es gemerkt. Wie schlecht es mir ging. Meine Sucht nach ihr machte mich beinah wahnsinnig. Sie legte ihre Arme vorsichtig um mich als hätte sie Angst ich würde zerbrechen, wenn sie mich nicht sanft genug behandelte. Es tat so weh. Zu wissen, dass sie meinen Bruder liebte. Noch fester drückte ich sie, um zu verhindern, dass sie von mir wich. Ich wollte so sehr bei ihr sein. Doch sie ließ mich nicht los. Sie drückte auch mich fester und redete leise, fast schon ein Flüstern … „Was ist los?“ fragte sie mich zurückhaltend, doch ich antwortete nicht. Zu sehr kämpfte ich damit, nicht weinen zu müssen. Ich wusste nicht einmal warum. So sehr sehnte ich mich nach allem von ihr. Ihrem Duft, ihrem Körper, ihrem Blut, ihrer Liebe. All dies gehörte meinem Bruder. Wieder stieg der Hass in mir auf und ich versuchte mich zusammenzureißen. Ihr gegenüber würde ich lieber weinen als ihr meinen Hass gegenüber meinem älteren Bruder zu offenbaren. Derweil hatte ich gar nicht bemerkt, dass wir bereits fast wieder unten angekommen waren. Ohne noch etwas zu sagen, stiegen wir aus und machten uns auf den Nachhauseweg.

 

Ich wollte nicht mit Ash in einem Haus schlafen. Also hatte Nikita ihren Bruder angerufen und gefragt, ob wir bei ihm übernachten konnten. Mir war klar, dass ich ihr viel bedeutete, sonst würde sie sich nicht gegen Ash stellen. Dem mussten wir natürlich Bescheid sagen, dass wir nicht bei ihm schlafen würden. Und selbstverständlich war er nicht begeistert gewesen. Dennoch war ich für Nikita nur ein Freund. Vielleicht auch mehr als das, aber nicht so viel wie ich es mir wünschte. Darum war ich zwar erleichtert, nicht bei Ash schlafen zu müssen, trotzdem war ich auch nicht glücklich. Ich musste mir überlegen, wie ich Nikita in dieser Nacht bekommen könnte. Meinen Plan hatte ich ganz vergessen. Zu sehr verwirrte mich ihre Gegenwart. Ihr Bruder war bei Bekannten, überließ uns aber diese Nacht – beziehungsweise Tag – sein Haus. Warum hatte ich nicht so einen Bruder? Bei Robin sah es ebenfalls noch genauso perfekt aus wie damals. Alles in weiß, so dass man sich kaum traute etwas zu berühren. Nikita schien in den letzten Jahren allerdings mehr Zeit mit ihrem Bruder verbracht zu haben, denn sie fühlte sich hier offensichtlich wie zu Hause. Was darauf schließen ließ, dass sie hier viel Zeit verbrachte. Mehr als ich damals. Und dabei war Robin ja mein Freund. Es dämmerte bereits, als Nikita und ich ein Zimmer betraten, welches anscheinend für sie hergerichtet wurde. Wohl blieb sie auch öfter mal über Tag zum Schlafen hier. Faszinierend, dass Ash das zuließ. Es sah jedenfalls nicht so aus, als würde er mit ihr hier übernachten. Dafür war es zu ordentlich. Ich sprach sie darauf an und bekam als Antwort ein Lachen. Sie lächelte mich freundlich an und erklärte es mir. „Weißt du, so sehr ich Ash auch liebe, sein Kontrollzwang hat mich wirklich genervt. Darum haben wir es so arrangiert, dass ich an den Wochenenden immer bei meinem Bruder bin. Alleine. Dieses Zimmer hier benutze ich allerdings nicht so oft … ich schlafe dann immer bei meinem Bruder im Bett.“ Es amüsierte mich ein wenig, dass sie Ash tatsächlich dazu bekommen hatte sie wo alleine hingehen zu lassen. Wir setzten uns auf ihr Bett und ich sah auf den Boden. Man merkte, wie es sie bedrückte. Also seufzte ich und antwortete ihr schließlich doch auf ihre Frage. „Du hast keine Ahnung wie weh es tut dich mit meinem Bruder zu sehen.“ Die Wörter 'mein Bruder' spuckte ich geradezu verächtlich aus und bereute es sofort wieder. Sie sollte doch nicht merken, dass ich ihn hasste. Doch sie lächelte nur. Warum lächelte sie? Verwirrt und ein wenig misstrauisch sah ich sie an. „Darius … du musst nicht so tun als würdest du Ash mögen. Es ist mehr als offensichtlich, dass du ihn hasst, für das was er dir angetan hat. Sei es nun, weil er dich von dir ungewollt zum Vampir gemacht hat oder dass er mich dir praktisch weggenommen hat. Ich versteh das … Das muss furchtbar sein und es tut mir wirklich leid.“ Diesmal war ich derjenige, der sie verständnislos ansah. War ich so durchschaubar? Bislang hatte mich noch keiner verstanden. Oder gar geliebt … Sie war wirklich etwas Besonderes. Nun musste auch ich lächeln. Wie töricht war ich doch gewesen, anzunehmen, sie würde mich nicht durchschauen. Doch hatte ich damit recht behalten, dass sie mich trotz dessen verstand und nicht hasste. Vielleicht war das nun meine Chance. Doch überstürzen durfte ich es auch nicht, so sehr ich auch wollte. Am liebsten hätte ich sie sofort in die Arme geschlossen, ihre wundervollen Lippen gekostet, sie gebissen und … zu einem Teil von mir gemacht. Doch sie war bereits ein Teil von mir. Allein durch die Liebe und Aufmerksamkeit, welche sie mir schenkte, wurde sie zum größten Schatz, auf den ich je aufpassen wollte. Es würde schwer werden, sie von meinem Bruder weg zu bekommen. „Ich liebe dich“ murmelte ich in Gedanken vor mich hin. Daraufhin küsste sie mich kurz auf die Wange und umarmte mich. Sofort schloss auch ich sie in meine Arme und drückte sie sanft an mich. Ich wollte sie nie wieder loslassen. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. „Nikita, ich würde dich nie so kontrollieren wie mein Bruder. Du weißt genau, wie sehr ich dich liebe …“ Es fiel mir regelrecht schwer, das zu sagen, doch ich wollte sie so sehr. „Ich liebe dich. Mehr als alles andere auf der Welt und ich möchte bei dir sein, mehr als bei jedem anderem. Ohne dich halte ich es einfach nicht mehr aus … Bitte …“ Mehr brachte ich nicht zu Stande, bevor meine Stimme versagte. Warum nur war die Liebe eine so viel größere Macht als die Intelligenz? Neben mir seufzte sie kurz. „Darius, ich … versteh mich nicht falsch. Ich liebe dich und ich wäre auch wahnsinnig gerne bei dir, aber ich werde Ash nicht für dich verlassen.“ Sie wählte ihre Worte mit bedacht, sagte es dennoch bestimmt. Ich konnte sie ja verstehen. Und eigentlich freute es mich auch, dass sie trotz allem eine so treue Freundin war. Sie würde ihren Freund niemals betrügen, egal mit wem. Nur wollte ich gerne dieser Freund sein. Dabei verstand ich Ash wirklich nicht. Er musste doch auch wissen, dass sie ihn niemals betrügen würde. Wieso also hatte er ständig diesen Kontrollzwang? Jedenfalls lächelte ich über ihre Freundlichkeit, da sie ja sonst eher ein wenig gemein und sarkastisch war. Wie Ash. Doch auch, wenn sie ihn so sehr liebte, würde ich sie nicht aufgeben. Das wusste sie auch. In mir stieg wieder die grausame Eifersucht meines Bruders gegenüber auf. Mein Herz brannte wie Feuer, obwohl das schon so lange zurück lag. Ich sollte da längst drüber sein! Warum konnte er nicht einfach zu einer anderen abhauen?! Dann wäre eben die dran. Ich würde ihn vergessen. Nur wann … Hau endlich ab, Arschloch. Was willst du noch von mir?! Hast du mir nicht schon genug angetan? Meine Gedanken überschlugen sich vor Wut und dabei merkte ich gar nicht, dass Nikita mich in den Arm genommen hatte. Natürlich wollte sie mich beruhigen, da sie gesehen hatte, wie ich immer wütender wurde. Das allerdings war nun meine Chance. Ich legte einen Arm um sie, vermied es allerdings sie anzusehen. „Darius …“ flüsterte sie kaum merkbar in mein Shirt. Ich sagte nichts. Kurz verweilten wie so bis sie fortfuhr. „Was kann ich nur tun, um dich wieder fröhlich zu sehen?“ Wieder lag nur diese bedrückende Stille in der Luft, während ich versuchte nachzudenken. Doch so sehr ich auch überlegte, ich wusste nicht was ich sagen sollte. Also schwieg ich bis ihr Handy anfing zu vibrieren. Sie ließ halb von mir ab, um an ihr Telefon zu kommen, welches am anderen Ende des Bettes lag und las die SMS, die sie erhalten hatte. Ihrem genervten Gesichtsausdruck konnte ich schon entnehmen, dass es entweder Ash war oder ihr Bruder, der irgendwas über Ash zu berichten hatte. Vermutlich war dieser sauer, dass ich immer noch mit ihr zusammen hier war. Meine Vermutung bestätigte sich als sie mir ihr Handy in die Hand drückte. Ich nahm es ohne allzu große Erwartungen an und las laut vor. „Dein Freund meint, ich soll auf dich aufpassen und ja nicht zu lange mit seinem Bruder alleine lassen. Also macht nichts Blödes – ich habe keine Lust rauf zu kommen. Robin.“ Ich lächelte kurz darüber, dass er unsere Freundschaft immer noch zu würdigen wusste und uns trotz dessen unseren Freiraum ließ. Nikita sah dennoch extrem genervt aus. Perfekt. Sollte er es sich nur selbst versauen. Wenn Nikita etwas nicht leiden konnte, dann war es, wenn sie zu wenig Freiraum für sich hatte. Sie vertraute ihm und ging darum davon aus, dass er auch ihr vertraute. Nur tat Ash das aus irgendeinem Grund nicht. Denn selbst, wenn ich sein Problem war, müsste er trotzdem wissen, dass sie ihn nie betrügen würde. Was selbst mich sogar zum überlegen brachte. Liebte er sie so sehr, dass er jede Sekunde bei ihr sein musste? Meine Güte. Immerhin hatte ich so die Chance sie endlich zu bekommen. Meine Geliebte, bald gehörst du mir …

Kapitel 11 – Die elfte Nacht

Mondschein drang durch das Fenster und erhellte das dunkle Zimmer, in welchem wir uns befanden. Es warf die Schatten der Bäume vor unserem Haus an die Wand, während ein kühler Luftzug durchs Zimmer wehte. Draußen hörte man die nachtaktiven Tiere, wie das wohltönende Singen der Nachtigall oder das Zirpen der Grillen. Der Himmel war wolkenlos und gab somit die Sicht auf einen zauberhaften Sternenhimmel frei, in mitten dessen der Mond majestätisch thronte und auf die Stadt herab leuchtete. Ich lag in einem weißen Himmelbett, kuschelte mich in die Kissen und ließ meine Arme um das Mädchen neben mir gleiten. Sie lächelte mich glücklich an und rückte näher an mich heran. Verträumt ließ sie ihren Kopf auf meiner Brust nieder und fing an meine Haut mit ihren zarten Lippen zu liebkosen. Ganz sanft küsste sie meinen Hals und kam langsam zu mir hinauf. Die Augen geschlossen, noch immer ein Lächeln auf den Lippen, küsste sie mich zärtlich und ich erwiderte zufrieden ihren Kuss. Sie krabbelte über mich, ihre leicht hochgesteckten Haare begannen sich zu lösen und ihre dunkelroten Strähnen begannen ein wenig zu kitzeln als diese über meinen nackten Oberkörper streiften. Ich küsste ihren Nacken und sie seufzte dabei, während sie es sich gemächlich auf mir gemütlich machte. Wie sehr ich sie doch liebte … Mehr und mehr verzehrte ich mich nach ihrer Nähe, ihrem Körper, ihrem Duft, ihren Berührungen … Die kühle Nachtluft strich sanft über unsere entblößte Haut und mir lief es kalt den Rücken hinunter. Die Kälte war so atemberaubend, dass ich gar nicht genug davon bekommen konnte. Unsere beiden Körper waren ebenfalls kühl und gaben ein unglaubliches Gefühl, wenn wir uns so nahe waren. Überwältigt von dieser wundervollen Szenerie keuchte ich kurz auf als sie mir in den Hals biss und ich drückte sie noch enger an mich. Ich spürte wie ihre Zähne meine Haut durchdrangen und bebte am ganzen Körper als sie begann mein Blut zu trinken. Mein Kopf war zu benebelt als dass ich etwas hätte sagen können. Ich ließ es nur geschehen und sah in den Nachthimmel hinaus … Bis ich geweckt wurde.

Verschlafen öffnete ich die Augen und blinzelte um besser sehen zu können. Langsam setzte ich mich auf und gähnte einmal herzhaft. Neben mir hörte ich Nikita kichern. „Du bist echt niedlich, wenn du müde bist.“ Sie strahlte mich an und ich erinnerte mich an meinen Traum, in welchem sie genauso fröhlich gelächelt hatte. Betrübt darüber, dass dieser nicht real war, sah ich auf die Decke und rieb mir die Augen vor Schläfrigkeit. Ich wollte sie berühren, in den Arm nehmen und ihre Nähe spüren. Wie so oft fühlte ich mich dermaßen einsam, wenngleich sie neben mir saß. Schon seltsam, wenn man in mitten einer riesigen Menschenmasse umherwandern konnte und sich dennoch allein fühlte. Den Kopf noch immer gesenkt, streckte ich meinen Arm nach ihr aus und zog sie zu mir. Ohne sie anzusehen schloss ich das zierliche Mädchen in meine Arme und vergrub meinen Kopf in ihrem Haar. Etwas überrumpelt ging sie dennoch ganz zaghaft mit mir um. Sie bemerkte natürlich, dass es mir immer noch schlecht ging. Je mehr ich bei ihr war, desto mehr sehnte ich mich nach ihrer Liebe. Nach ihrer Nähe. Ich wollte nicht mehr alleine sein. Die ganzen Jahre über war ich zwar immer mit meinem Bruder zusammen gewesen und hatte dennoch nie eine wirkliche Beziehung mit ihm gehabt. Selten war ich überhaupt in seiner Nähe, geschweige denn, dass ich ihn mal umarmt hätte etc. Ich war immer alleine gewesen. Vor ein paar Jahren hatte ich dann durch Zufall Robin kennen gelernt, den ersten Freund, den ich seit Jahrzehnten gehabt hatte. Und schließlich hatte sich herausgestellt, dass ausgerechnet dieser Junge, dem ich erstmals wieder das Gefühl der Freundschaft und der Geborgenheit zu verdanken hatte, der Bruder des Mädchens ist, in welches ich mich verliebt hatte. Zu sehr in meinen Gedanken versunken, bemerkte ich nicht wie ich meinen Kopf gehoben hatte und Nikita küsste. Sie ließ es aus irgendeinem mir unerklärlichen Grund zu. Sonst würde sie Ash doch nie betrügen. Als ich mich wieder im Griff hatte und bemerkte was ich tat, ließ ich sofort von ihr ab und bemerkte wie traurig sie aussah. „Nicht weinen …“ sagte sie bedrückt und ich spürte wie mir Tränen die Wangen hinunter liefen. Ich hatte tatsächlich angefangen zu weinen. Deswegen also hatte sie den Kuss zugelassen. Ich entschuldigte mich und sah zur Seite. Sie umarmte mich von hinten und klang völlig verzweifelt als sie sprach. „Darius … sag mir doch was ich tun kann …“ In dem Moment klopfte es an der Tür und ich kam nicht dazu ihr zu antworten. Ohnehin hätte ich keine Antwort gewusst.

Ihre Stimme, ihre Berührungen … Es ist zwecklos. Ich kann nicht widerstehen. Unsere Kleider lagen achtlos auf dem Fußboden herum. Sie umarmte mich von hinten und ich spürte ihre kühlen Hände auf meiner Haut. In meinem Bett war es warm. Zusammengerollt lag ich auf der Seite und griff mir ins Haar, um mich zu beruhigen. Verdammt … stieg mir immer wieder in den Kopf. Verdammt, verdammt, verdammt. Reiß dich zusammen, du Idiot. Sie wird dich nie lieben. Nie so wie meinen Bruder. Den Tränen nahe, spürte ich ihren Körper, welcher sich an mich drückte. Ich bekam eine Gänsehaut, allein von dem Gedanken, dass ich sie bei mir hatte und mir wurde urplötzlich furchtbar heiß, sodass ich froh darüber war, ihren kühlen Körper an mir zu spüren. Doch eben diese Berührung machte mich so wahnsinnig nervös, dass ich ohne Grund anfing zu schwitzen und ich mich fühlte als wäre ich in einer Sauna. Dieses Bild war so skurril. Wie konnte sie es nur wagen mir so nahezukommen, wo sie doch genau wusste, wie weh sie mir damit tat? Ich wusste nicht warum wir überhaupt zusammen in einem Zimmer waren. Ich konnte mich nicht erinnern … Nur an … ein Handy?

Schweißgebadet wachte ich auf und rang nach Atem. Die Augen aufgerissen, starrte ich an die Decke und stellte mit zittrigen Händen den Wecker meines Handys ab. Ich richtete mich auf und sah auf die Uhr. Zu früh … In den letzten Wochen hatte ich ständig solche Träume und kam kaum zur Ruhe. Durch meinen Schlafmangel war ich schon kurz davor gewesen mein Handy einfach gegen die nächste Wand zu werfen, nur damit ich noch ein paar Stunden Schlaf bekam. Doch das würde nichts bringen. Würde ich weiter schlafen, gingen diese Träume nur weiter. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Es zerriss mich förmlich sie und Ash zusammen zu sehen und genau zu wissen, dass sie niemals mir gehören würde. So saß ich also heulend in meinem Bett bis Robin das Zimmer betrat. „Darius …“ begann er mitfühlend und setzte sich zu mir. Ich hielt es nicht aus bei den beiden zu wohnen und Robin hatte gemeint er würde mich in diesem Zustand keinesfalls alleine in eine Wohnung lassen. Also war ich bei ihm eingezogen. Mir war es egal wo ich wohnte, Hauptsache nicht bei den beiden … Auch war ich ganz froh, dass er für mich da war. Alleine würde ich nichts zustande bekommen. Er musste mir sogar beim Anziehen helfen, da ich nur noch in Gedanken war und auf kaum etwas achtete. Wahrscheinlich wäre ich sogar ohne Klamotten nach draußen gegangen und hätte es nicht einmal bemerkt. Zumindest, wenn ich irgendwann mal herausgehen würde. Ich hatte keinen Grund mehr. Wozu sollte ich raus gehen? Ohne Nikita und ohne Ash hatte alles keinen Sinn mehr. Was sollte ich also noch hier? Ich hatte es immer als grausam empfunden Jahrzehnte lang nur bei meinem Bruder verbringen zu müssen, doch nun wurde mir bewusst, dass ich ihn brauchte. Er war verdammt noch mal die einzige Person, die mir so viel bedeutete. Ich hasste Ash nicht, nein. Ich liebte ihn so sehr. Vielleicht war ich auch auf Nikita eifersüchtig, weil sie nun meinen Bruder hatte und er mir noch weniger Aufmerksamkeit schenkte als vorher. Gar keine mehr … Früher hatte ich mich immer nach seiner Aufmerksamkeit gesehnt. Nach der Aufmerksamkeit meines älteren Bruders … Wen hatte ich denn sonst? Wieder begann ich zu weinen und ich senkte meinen Kopf auf Robins Schulter, welcher mich in seine Arme gezogen hatte. Was die beiden jetzt wohl machten? Das fragte ich mich so oft, während ich hier nur alleine herum saß. Es tat so furchtbar weh inzwischen keinen der beiden einzigen Personen mehr zu haben, die ich liebte. Normalerweise weinte ich nicht. Und schon gar nicht vor anderen. Bei Robin hatte ich dennoch das Gefühl ich könnte alles tun, was ich wollte und er würde mir nichts verübeln. Bei ihm konnte ich so sein wie ich bin. Ich musste mich nicht verstellen und aus irgendeinem Grund vertraute ich ihm. Er wusste, warum ich weinte, sagte aber nie etwas. Er wollte nichts sagen, solange ich nicht von mir aus käme. Denn ich hatte ihm nie erzählt was mich bedrückte. Doch er war intelligent. Natürlich hatte er es bemerkt … Nun schloss auch ich ihn in meine Arme und versuchte meine Tränen ein wenig zurückzuhalten. Er hatte nichts getan und es nicht verdient, dass ich ihm so zur Last fiel. Die Augen geschlossen beruhigte ich mich wieder und genoss noch eine Weile seine Umarmung. Es tat gut umarmt zu werden. Ich war wirklich froh ihn zu haben … Wenigstens er gab mir das Gefühl wichtig zu sein. Jemand zu sein. Dafür liebte ich ihn wirklich. Ja, ich liebte ihn tatsächlich. Vorher hatte ich mich noch nie für das andere Geschlecht interessiert, doch Robin war so eine neutrale und tolerante Person, dass es mir völlig irrelevant zu sein schien, ob sein Partner nun eine Frau oder ein Mann wäre. Ich wusste nicht, ob er sich auch für Männer interessierte, allerdings hatte er auch noch mit keinem Wort je erwähnt, dass er sich für Frauen interessierte. Irgendwie schien er alle gleich zu behandeln und sich dennoch für niemanden wirklich zu interessieren. Ein seltsamer Junge. Und faszinierend zugleich. Alles in allem war ich wirklich glücklich ihn zu haben. Obwohl er soviel jünger war als ich – sowohl in Menschen- als auch in Vampirjahren gesehen. Er wurde mit neunzehn zum Vampir. Ich mit zwanzig. Und das rund hundert Jahre vor ihm. Trotzdem schien er mir viel entspannter zu sein und er ging die schwierigsten Dinge mühelos an, während ich mir wochenlang Gedanken darüber machte. Diese Leichtfertigkeit, mit der er umher ging, bewunderte ich wirklich. Noch dazu war er viel größer als ich … Neben ihm kam ich mir wirklich wie ein kleines, heulendes Kind vor. Gekränkt von der Erkenntnis meiner eigenen Erbärmlichkeit ließ ich ihn los und drückte ihn ein Stück von mir. Er sah mich kurz an und fragte was los sei. Ich sah beleidigt zur Seite und versuchte wenigstens nicht komplett wie ein blödes Kind auszusehen, als ich meinte, dass nichts wäre. Er kicherte. Genervt sah ich ihn an und blickte direkt in sein strahlendes Gesicht. „Niedlich …“ sagte er und ich riss die Augen auf. Hatte mich gerade tatsächlich ein Junge niedlich genannt? Irgendwas musste ich falsch machen. „Kaum zu fassen, dass meine Schwester sich nicht für dich entschieden hat! Du bist doch so zauberhaft.“ Mit einem Lachen wuschelte er mir durch die Haare und ich glaube ich kam mir noch nie dämlicher vor. Ich sah weder wie ein kleiner Junge aus, noch benahm ich mich so. Meistens. Ich war über 1,80 m groß, gut gebaut und hatte auch kein kindliches Gesicht. Noch dazu trug ich hauptsächlich schwarze Kleidung mit Nieten, Ketten etc. und meiner Meinung nach benahm ich mich auch nicht wie ein Kleinkind. Wie also konnte mich jemand niedlich kennen? Noch dazu ein Kerl. Besonders, wo ich gerade so mies gelaunt drein schaute. Ich seufzte und ließ mich wieder auf mein Bett fallen. Müde. Genauso starrte ich die Wand vor mir an und reagierte auch dementsprechend langsam als mein Freund sich neben mich gesellte und noch immer lachend einen Arm um mich legte. Ich wollte schlafen. Gähnend bemerkte ich nicht wie ich meinen Kopf auf seiner Schulter nieder ließ und einschlief. Wahrscheinlich hatte er mich danach in mein Bett gelegt.

Verschlafen kuschelte ich mich in meine warme Decke. Ich wollte die Augen nicht aufmachen. Dazu war ich noch zu müde. Also genoss ich noch ein wenig den Moment und rückte noch ein wenig näher an den starken Körper neben mir. Irgendwas schien mir falsch zu sein. Wärme, Müdigkeit … Ich hatte nicht einmal schlecht geträumt. Alles war doch wunderbar … Plötzlich wurde mir klar was nicht stimmte und ich riss mit einem Mal die Augen auf. „Guten Morgen, Süßer“ trällerte er mir vor, während ich vor Schock noch blasser wurde. Ruckartig setzte ich mich auf und rückte ein Stück zurück ehe ich anfing ihn anzuschreien. Langsam richtete auch er sich auf und streckte sich ausgiebig ohne mir Beachtung zu schenken. Ich hatte neben einem Jungen geschlafen. Noch dazu in seinen Armen. Und eben dieser hatte mich Süßer genannt. Noch immer geschockt war ich nicht fähig weiter etwas zu sagen und sah ihm bei jeder seiner Bewegungen zu, um gegebenenfalls in Deckung zu gehen, sollte er noch mal auf mich zukommen. Kichernd stand er auf und streckte sich noch einmal. Mir fiel auf, dass er kein Oberteil trug, hatte aber glücklicherweise noch seine Hose an. Ich überprüfte noch schnell, ob auch ich noch meine Klamotten an hatte und sah dann erleichtert wieder zu ihm als könne er mich jeden Moment anfallen. Ich hatte ihn noch nie oben ohne gesehen. Er hatte mehr Muskeln als ich, aber nicht zu viele. Eine perfekte Menge für seine Größe. Nur schwer konnte ich mich dazu zwingen den Blick von seinem beachtlichen Körper loszureißen und sah direkt in seine amüsierten Augen. Siegessicher stand er vor mir und sah grinsend auf mich herab. Er ist definitiv schwul, dachte ich und rückte sicherheitshalber noch ein wenig zurück. So gut er mir auch tat, ich wollte nicht bei einem Kerl wohnen, bei dem ich fürchten musste, dass er jeden Moment in mein Zimmer kommen und mich anfallen könnte. Einen Augenblick hatte ich nicht aufgepasst und schon lag er über mir. Überrumpelt lag ich unter ihm und starrte ihn fassungslos an. Passierte das gerade wirklich? Gestern noch hatte ich in seinen Armen geheult, weil ich nicht mit seiner Schwester zusammen sein konnte und nun lag er über mir und spielte den verliebten Schwulen? Was hatte ich nur falsch gemacht? Wieso konnte nicht einfach mal irgendwas so laufen, wie es mir passte? „Darius … erlaube mir eine Frage“ begann er lächelnd. „Wenn du nicht sie zu deiner Geliebten machen kannst … wen wirst du dann wählen?“ Erstarrt lag ich noch immer unter ihm und war nicht fähig zu antworten. Vor lauter Schock lag ich einfach nur da, starrte ihn an und bemühte mich einen klaren Gedanken zu fassen. Was hatte er gefragt? Wen ich anstatt Nikita zu meiner Geliebten machen würde? Oder zu meinem … Ich wollte ihn nicht länger anschauen. Sein Anblick verwirrte mich so, dass ich nicht richtig denken konnte. Was war nur in ihn gefahren? Und was war in mich gefahren, dass ich so reagierte? Ganz leicht spürte ich seine Berührungen meinen Arm hinauf zu meinem Hals gleiten. Panik stieg in mir auf und mir wurde klar was er vorhatte. Er wollte mich beißen. Nein, schrie alles in mir. Mein Blut gehörte nur ihr. Niemand sonst sollte mich beißen dürfen. Unter Robins Berührungen bekam ich eine Gänsehaut und verspannte mich immer mehr als er seine Lippen an meinen Hals ansetzte. Instinktiv zuckte ich zusammen und war wieder in der Lage mich zu bewegen, woraufhin ich ihn sogleich von mir drückte und keuchend zurückwich. „Nein“ sprach ich es nun laut aus. „Warum …“ Ich brachte den Satz nicht zu Ende, doch er verstand mich auch so. „Warum ich mich auf einmal als schwul oute und dich beißen will?“ Wiederholte er meine nicht gestellte Frage und ich nickte. Er lächelte mich an, nein, es war mehr die Andeutung eines Lächelns. „Tja … Eine berechtigte Frage, mein Freund.“ Leichtfüßig sprang er vom Bett und zog sich demonstrativ langsam seine Sachen wieder an als wäre nun alles geklärt. Fassungslos blieb ich sitzen und beobachtete ihn weiter bis er das Zimmer mit einem Zwinkern verlassen hatte. Irgendetwas machte ich definitiv falsch.

 

Die nächste Zeit verlief alles ruhig bei uns. Wir gingen wie gewohnt miteinander um und auch machte er keine Anstalten mehr von irgendwelchem schwulen Gehabe. Auch wenn ich mich darüber freuen sollte, sank meine Stimmung immer weiter. Der Grund dafür war ein Tag, dem wir immer näher entgegen rückten: Meinem Geburtstag. Ich glaube ich verabscheute keinen Tag im Jahr mehr als diesen. Zum einen war er mega langweilig und ich wurde Jahr für Jahr ständig nur ignoriert. Schon als Kind war mein Vater an diesem Tag immer arbeiten und meine Mutter hatte mir ohnehin keinerlei Beachtung geschenkt. Und da ich nur grässliche Erinnerungen an diesen Tag hatte, hatten ihn Ash und ich auch nie gefeiert. Nikita hatte ich nie gesagt, wann ich Geburtstag hatte, da ich ihn auch weiterhin nicht feiern wollte. Zwar war sie ziemlich beleidigt gewesen, beließ es aber dabei, da auch sie ihren Geburtstag aus selbigem Grund hasste. Nur dieses Jahr wohnte ich bei ihrem reizenden Bruder, welcher meinen Geburtstag kannte und mich schon die ganze Zeit damit nervte, dass wir ihn auf jeden Fall feiern würden. Nach langer Diskussion hatte ich auch zugestimmt, da es ja immerhin nur ein Tag war. Und wenn es ihn so glücklich machte, warum nicht? Ich bereute meine Zustimmung nicht, dennoch bekam ich immer schlechtere Laune. Am morgen meines Geburtstags lag ich bereits früh wach in meinem Bett und wartete, dass Robin mich weckte. Das würde er tun, da er ja unbedingt mit mir feiern wollte. Doch ich wollte schlafen. Also wartete ich bis er mich aus dem Bett warf. Als er eintrat, machte ich die Augen wieder zu und tat so als ob ich noch schlafen würde. Ich wollte ihm den Spaß nicht jetzt schon verderben. Warum noch mal machte ich bei diesem Spiel mit? Ich verkniff mir ein Seufzen und hörte wie er langsam an mein Bett herantrat. Er setzte sich neben mich und beugte sich zu mir vor. Ich konnte seinen Atem spüren. Ungewollt bekam ich sogleich eine Gänsehaut und musste mich schwer zusammenreißen, um schlafend zu wirken. Als er allerdings meine Wange streifte, blinzelte ich doch und tat als würde ich gerade aufwachen. In dem Moment war ich wirklich froh so ein guter Schauspieler zu sein. „Happy Birthday …“ flüsterte er mir lächelnd zu und nahm glücklicherweise wieder ein wenig Abstand. Auch ich setzte mich nun auf. Ich war müde. Schläfrig rieb ich mir die Augen und würde mich am liebsten wieder hinlegen. Ich hatte zu wenig geschlafen. Wenigstens konnten Vampire keine Augenringe bekommen. Lächelnd über den Gedanken sah ich nun auch Robin an, welcher mich schon die ganze Zeit beobachtete. „Danke …“ meinte ich noch kurz und drehte den Kopf dann wieder weg. Verdammt, warum drehte ich mich weg? Er war mein Freund und ich tat so als würden wir uns gar nicht kennen. „Kommst du dann?“ begann Robin und ich sah ihn verwirrt an. Er lachte. „Zum Frühstück, du Depp. Außer natürlich“ grinsend kam er mir ein wenig näher. „ … du möchtest lieber mich vernaschen?“ Ich wusste nicht was mich mehr anwiderte. Der Gedanke, dass mein Freund mir so etwas anbot oder das Gefühl, dass ich das tatsächlich gerne annehmen würde. Seufzend schob ich ihn zur Seite und stand langsam auf. Ich trottete in die Küche und wurde von Robin verfolgt. Ich bin doch gar nicht schwul, dachte ich. Warum passierten mir immer solche komischen Sachen? Erst lernte ich ein zauberhaftes Mädchen kennen, welches mir von meinem Bruder gestohlen wurde und nun machte ihr Bruder mich auch noch an. Naja, anderseits konnte ich ja froh sein ihn zu haben. Sonst wäre ich wieder alleine. Da Ash nun Nikita hatte, hatte er überhaupt keine Zeit mehr für mich. Ich spürte wie mir Tränen in die Augen traten und blinzelte sie weg ehe Robin es bemerkte. Ich war gar nicht eifersüchtig auf Ash, weil er mir Nikita weggenommen hatte. Ich war eifersüchtig auf Nikita, weil sie mir Ash weggenommen hatte. Wieder traten mir Tränen in die Augen. Sollte ich einfach heulen? Oder irgendetwas zerschlagen? Ich hätte in dem Moment wirklich gerne etwas zerschlagen. Normalerweise wurde ich nicht so schnell wütend. Aber nun war mir auch noch die einzige Person abhanden gekommen, die mir etwas bedeutete. Mein Bruder. So lange hatte ich gedacht ich würde ihn hassen, aber ich liebte ihn verdammt nochmal. Immerhin … war er mein Bruder. Mein älterer Bruder. Als wir noch Menschen waren, hatte ich immer wahnsinnig an ihm gehangen. Selbst als Vampire hatten wir immer zusammen gewohnt und waren immer beieinander gewesen. Und jetzt hatte er jemanden gefunden, den er mehr liebte als mich. Natürlich liebte ich auch Nikita, aber der Drang meinen Bruder wieder zu haben, war viel größer als meine Sehnsucht nach ihr. Vielleicht sollte ich einfach zurück gehen und mich entschuldigen. Womöglich ließ Ash mich dann auch wieder bei ihnen wohnen, wenn er keinen Grund mehr hatte eifersüchtig zu sein. Meinetwegen konnte er Nikita haben. Ich konnte selbst kaum glauben, dass mir dieser Gedanke tatsächlich in den Sinn kam. Ich wollte sie. So sehr. Doch noch viel mehr wollte ich meinen Bruder wieder haben. Wie konnte ich nur so dumm sein und es mir so mit ihm verspaßen? Natürlich hatte ich ihm wehgetan. Und ich hatte ihm allen Grund dazu gegeben wütend und eifersüchtig zu sein. Wieso hatte ich mich so oft mit ihm gestritten? Sollten Brüder nicht zusammenhalten? Natürlich wollte ich Nikita keineswegs als unbeteiligte Dritte darstellen, doch hatten Ash und ich uns doch eigentlich nur wegen einem … Mädchen gestritten. Wegen eines einfachen Mädchens. Im Nachhinein betrachtet klang das ziemlich bescheuert. Wir benahmen uns wirklich wie kleine Kinder. Dabei wollte ich doch nur nicht alleine sein. Und nun hatte ich genau das mit diesem dummen Streit bewirkt. Es tat weh die beiden so glücklich zu sehen. Das Mädchen, welches ich liebte, zusammen mit meinem geliebten Bruder, welcher mich nunmehr ignorierte. Ich gönnte es ihnen und dennoch …

„Darius!“ Ich zuckte zusammen und sah mich fragend um. Robin saß mir gegenüber und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Was ist denn los? Du hörst mir gar nicht zu.“ Beleidigt sah er in sein Wein Glas und ich musste lächeln. „Tut mir leid … Ich mag meinen Geburtstag einfach nicht. Aber sag mal“ begann ich und sah zu den neidischen Blicken der Nebentische hinüber. „Wieso hast du mich in so ein Restaurant geschleppt?“ Mein Begleiter folgte meinem Blick und zwinkerte den Damen am Tisch rechts neben uns zu, sodass sie sofort rot anliefen und ihre Aufmerksamkeit wieder ihren Tellern zu wandten. Menschen waren so leicht zu beeindrucken. Robin räusperte sich und riss mich so aus meinen Gedanken. „Du ignorierst mich schon wieder. Weißt du, dass mich das echt verletzt?“ Verwirrt sah ich ihn an. Wieso sollte es ihn verletzen, wenn ich ihn einmal vor Gedanken nicht beachtete? Er beantwortete meine Frage, bevor ich sie stellen konnte. Gedankenverloren sah er in sein Glas. Wein hatte eine zauberhafte Farbe wie ich fand. „Ich würde mir einfach ein wenig mehr Aufmerksamkeit von dir wünschen.“ Diesmal hörte ich zu und sah ihn an, während er weiter den Kopf gesenkt hielt. „Du bist mein Freund und bedeutest mir wirklich viel, aber du schenkst mir kein bisschen Beachtung. Besonders heute. Klar weiß ich, dass du deinen Geburtstag nicht magst, aber … ich möchte ihn feiern. Und du gibst mir dazu nicht mal eine Chance. Ausgerechnet heute. Ansonsten sehe ich ja über deine Ignoranz hinweg, auch wenn mich das schon ziemlich verletzt, weißt du?“ Mir war nie aufgefallen, dass ich ihn ignorierte. Aber er hatte recht. Ich machte mir ständig nur Gedanken wegen Ash oder Nikita und hatte es für selbstverständlich gesehen, dass Robin sich so um mich kümmerte. Wahrscheinlich hätte ich mehr auf ihn achten sollen. Dann wäre mir das sicher aufgefallen. „Darius“ fuhr mein Freund fort und sah mich nun endlich an. „Ich glaube wir sollten mal mit unseren Geschwistern reden.“ Beinah hätte ich mich an meinem Essen verschluckt.

Als wir ein paar Stunden später vor der Tür zu unserer Wohnung standen, traute ich mich nicht mal zu klingeln. Genervt hatte Robin die Klingel gedrückt und mich nach vorne geschoben. Natürlich machte ausgerechnet Ash die Tür auf. Bevor er sie uns wieder vor der Nase zuschlagen konnte, trat Robin mit einem Fuß dazwischen und brachte meinen Bruder dazu uns hineinzulassen. Seinen Missmut konnte man dennoch deutlich spüren. Unterstrichen wurde das ganze noch von seinen Begrüßungsworten: „Was wollt ihr?“ Sein Ton verriet alles. Er wollte, dass wir gehen. Wahrscheinlich bequemte er sich auch nur selbst zur Tür, weil er nicht wollte, dass Nikita auf mich traf. „Reg dich ab Ash“ begann Robin in einem dermaßen kalten Ton, wie ich ihn noch nie an ihm gehört hatte. „Falls es dir entgangen sein sollte, dein Bruder hat heute Geburtstag. Dürften wir vielleicht kurz zu meiner Schwester?“ Er betonte das kurz ein wenig zu sehr wie ich fand. Ash sah zwischen uns beiden hin und her und nickte dann genervt. Reizend. Er erlaubte uns Nikita zu sehen. Das hörte sich so falsch an. Ich wusste ja, dass das Mädchen nie gerne aufstand, aber es war bereits dunkel und darum wunderte ich mich doch ein wenig sie schlafend vorzufinden. Natürlich in Ashs Zimmer. Ihr Bruder setzte sich neben sie und kicherte bei ihrem Anblick. Auch ich lächelte. Sie sah wirklich süß aus, wenn sie schlief. Geradezu niedlich. Was sie ja an und für sich gar nicht war. Robin weckte sie möglichst sanft auf und auch in dem Moment wunderte ich mich, da Nikita normalerweise immer schlecht gelaunt war, wenn man sie weckte. Doch sie streckte sich nur und lächelte Robin an. „Hey …“ war das einzige, das sie herausbekam. Es war mehr ein Seufzen. Sie setzte sich auf, entdeckte nun auch mich und rieb sich noch einmal schläfrig die Augen. „Alles Gute zum Geburtstag Darius.“ Sie strahlte mich förmlich an. Ich dagegen fragte mich woher sie wusste, dass ich Geburtstag hatte. Wahrscheinlich hatte Ash es ihr gesagt. Oder Robin. Wie auch immer, jedenfalls bedankte ich mich und Robin meinte mit einem Grinsen in meine Richtung, dass er uns kurz allein lassen würde. Als er verschwunden war, setzte ich mich neben Nikita aufs Bett und sah auf den Boden. Faszinierenderweise lagen Ashs Sachen ausnahmsweise mal nicht darauf verstreut. Vielleicht hatte Nikita ja doch einen positiven Einfluss auf ihn. Ich fragte mich wie ich ein Gespräch beginnen konnte und warum Robin mich überhaupt hergeschleppt hatte. Er meinte ja nur, dass wir mal alle miteinander reden sollten. Aber worüber? Darüber, wie erbärmlich ich ständig rumheulte, weil ich so einen Mist gebaut hatte? Ich entschied mich dazu mich einfach zu entschuldigen. Sie fragte daraufhin natürlich wofür ich mich entschuldigte und ich begann zu lächeln. Was sollte ich sagen? „Weißt du …“ begann ich zögernd. „Es tut mir leid, dass ich mich dir so aufgedrängt habe, obwohl du mir ja mehr als deutlich gesagt hast, dass du Ash lieber möchtest. Es tut mir leid, dass ich mich so oft mit Ash gestritten habe und dir dadurch nur noch mehr Ärger und Sorgen bereitet habe. Es tut mir leid, dass alles dermaßen falsch verlaufen ist.“ Sie hörte mir aufmerksam zu und versuchte wohl das alles zu koordinieren. Ich lächelte. „Und eigentlich …“ fuhr ich leise fort und senkte nun wieder etwas den Blick. „Eigentlich tut es mir am meisten leid, dass ich so blöd und egoistisch war und damals einfach gegangen bin. Ich hätte mit euch reden sollen. Mit dir und Ash. Denn weißt du … ich glaube ich war weniger eifersüchtig auf ihn, sondern vielmehr auf dich, weil du mir meinen Bruder weggenommen hast. Ich will dich jetzt natürlich nicht schlecht reden oder so … Es ist nur so, dass Ash mich noch nie besonders beachtet hat und ich immer alleine irgendwo saß. Diese Einsamkeit tut so weh. Und jetzt, wo er nur noch Augen für dich hat, ignoriert er mich völlig. Ich habe mich schon lange gefragt was er eigentlich von mir hält. Denn damals sagte er mir ja, dass er mich zum Vampir machen möchte, weil er es sich nicht vorstellen kann ohne mich zu sein. Aber seitdem ignoriert er mich konsequent und ich frage mich langsam, ob er nicht gelogen hat. Du kannst dir nicht vorstellen wie weh es tut von seinem eigenen Bruder so missachtet zu werden. Dabei wünsche ich mir doch nur meinen alten Ash wieder … Meinen Bruder, dem ich als Kind so nahe stand und mit dem ich so viel Spaß hatte. Und nun …“ Nach meinem Roman sah ich Nikita an, um zu sehen, was sie nun dazu meinte. Doch diese sah nur lächelnd zur Tür. Ich folgte fragend ihrem Blick und erstarrte. Ash stand mit geweiteten Augen im Türrahmen, hinter ihm erkannte ich Robin, welcher sich grinsend entschuldigte.

Kapitel 12 – Die zwölfte Nacht

Ein paar Tage später hätte ich mich vermutlich als einen der glücklichsten Menschen der Welt bezeichnen können. Nur war das zum einen sehr unrealistisch und zum anderen war ich ein Vampir. Jedenfalls war Ash mir, nachdem er mich gehört hatte, heulend um den Hals gefallen und hatte sich entschuldigt und gemeint, dass ich immer sein Bruder sein würde und so weiter. In dieser Situation hatte sogar ich ihn niedlich gefunden. Da konnte ich Nikita schon verstehen. Aber am meisten freute es mich, dass Ash mir nun mehr, beziehungsweise überhaupt, Aufmerksamkeit schenkte. Er hatte mir auch erlaubt wieder mehr mit Nikita zu unternehmen. Alles in allem betrachtet verstanden wir uns mittlerweile besser den je. Eingezogen war ich bei ihnen dennoch nicht wieder. Denn ich hatte wirklich nicht gerade Lust darauf den beiden ständig beim Sex zuhören zu müssen. Also meinte ich, dass es mir völlig reichen würde, wenn wir alle zusammen öfter mal was unternehmen würden etc. Wir hatten uns darauf geeinigt, mindestens die Wochenenden zusammen zu verbringen. So kam es also, dass ich nach wie vor abends von meinem lieben Robin geweckt wurde. Ich hatte mich immer noch nicht entschieden, ob ich ihm dafür, dass er Ash das hatte hören lassen, danken oder ihm eine verpassen sollte. Letztlich hatte ich ihn einfach den restlichen Tag ignoriert. Inzwischen kamen wir aber wieder super miteinander aus und ich hatte ihm versprochen darauf zu achten, dass ich ihm in Zukunft mehr zuhören würde. Nur, dass er mich immer noch jeden Tag wecken musste, nervte mich wirklich. Zumindest die Art wie er es machte. Ich versuchte nicht allzu genervt zu wirken als er mir einen Kuss auf die Wange drückte und sein übliches „Guten Morgen, mein über alles geliebter Darius“ trällerte. Irgendwie musste ich ihm doch klar machen können, dass ich nicht auf Kerle stand. Anderseits war ich mir ja selbst nicht einmal sicher, ob Robin nicht einfach vom Charakter her so war und das für ihn eben normal war ohne gleich schwul zu sein. Jedenfalls sollten wir das trotzdem schleunigst klären. Es fiel mir nur schwer dieses Thema überhaupt anzusprechen. Also hatte ich es bisher einfach über mich ergehen lassen. Doch ich entschloss mich dazu mich heute dazu durchzuringen und ihn zu fragen, ob er schwul war und tatsächlich etwas von mir wollte. Allein vor dem Gedanken graute es mir. Nachdem ich ihn also abgewimmelt hatte und mich in Ruhe hatte anziehen können, stampfte ich noch immer müde und genervt die Treppe hinunter ins Wohnzimmer. Ich konnte nach dem Aufstehen schlichtweg nichts essen, darum hatten wir es und angewöhnt immer erst Mittags zu essen. Beziehungsweise in Mitten der Nacht. Es war schon seltsam die Zeiten immer andersherum auszusprechen. Daran würde ich mich wohl nie gewöhnen. Ich ließ mich neben Robin auf die Couch fallen und schloss die Augen. Wieso konnte er mich nicht länger schlafen lassen? Nur eine Stunde. Oder zwei. Warum musste er mich überhaupt wecken? Ich war ja wohl wahrlich alt genug, um selbst aufstehen zu können. Träge legte ich mich auf die Couch und war schon wieder kurz davor einzuschlafen. Doch mein lieber Mitbewohner ließ mich natürlich nicht. Wie ein beleidigtes Kind beugte er sich über mich und fing an mich zu rütteln. „He, Darius! Du hast versprochen, mich nicht mehr zu ignorieren.“ Das hatte ich in der Tat. Aber ich hasste es wirklich abgrundtief geweckt zu werden. Außerdem war ich eh zu nichts zu gebrauchen, wenn ich müde war. Warum ließ er mich nicht einfach schlafen? Die Sehnsucht nach meinem Bett wuchs immer mehr als er weiter nervte und mich schon beinah anbrüllte. Wieso nochmal wohnte ich hier? Ich suchte einen triftigen Grund und blieb letztlich an dem Gedanken hängen, dass ich meinen Bruder und seine Freundin nicht beim Sex hören wollte. Bei diesem Gedanken wachte ich dann doch langsam auf. Seufzend gab ich dem Gedrängel von Robin nach und setzte mich auf, um mich sogleich von ihm umarmen zu lassen. Ich rieb mir die Augen und gähnte noch einmal ehe ich wieder halbwegs aufnahmefähig war und Robin zuhören konnte. Wenn er doch wollte, dass ich ihn nicht ignorierte, sollte er mich eben später wecken. Selbst Schuld. Ich verstand sowieso nicht warum er mich immer so früh wecken musste und fragte deswegen nach. Zumindest ging ich davon aus, dass ich das gefragt hatte. Wahrscheinlich war es mehr ein stockendes Gebrabbel gewesen. Ich sollte Robin wirklich mal einen Zettel schreiben und ihn am besten an meine Tür hängen. Merke: Wecke Darius niemals auf, wenn er es dir nicht ausdrücklich erlaubt hat. Das war eigentlich gar keine schlechte Idee. Vielleicht sollte ich das wirklich mal machen. Ich versuchte mir das zu merken bis ich wieder etwas tun konnte. Und nicht mehr von meinem Freund genervt wurde. Ich meine mich daran zu erinnern, dass er mir auf meine Frage geantwortet hatte. Irgendwas von wegen, dass er soviel Zeit wie möglich mit mir verbringen wollte. Das war ziemlich schwachsinnig wie ich fand. Müde konnte er mich sowieso zu nichts gebrauchen und abgesehen davon waren wir Vampire. Ich seufzte und gab ihm letztendlich nach. Trotzdem taten wir irgendwie nie etwas Sinnvolles. Doch heute streckte Robin mir einen Zettel entgegen. Beziehungsweise hielt er ihn mir vor die Nase, dass ich ihn zwangsläufig lesen musste und nicht wieder einschlafen konnte. „Ich würde mich gerne wieder mit dir treffen, Darius. Wie wär’s? Ich warte auf dich beim nächsten V-Treffen.“ Verwirrt las ich den Brief noch einmal. Und noch einmal. Aber ich kam nicht drauf von wem er sein könnte. Ich war doch nie auf diesen blöden Vampirtreffen. Und wen sollte ich von da bitte kennen? Robin fragte mich irgendwann von wem der Zettel war und ob ich eine Freundin hatte von der er nichts wusste, doch ich verneinte dies und meinte, dass ich keine Ahnung hatte. Ich merkte ihm an, dass er eifersüchtig war. Auch wenn er es nicht zeigte. Er wurde beim Reden immer leiser und gleichzeitig wütender, während er wegsah. Merkwürdiger Junge. Warum sagte er mir nicht einfach, dass er nicht wollte, dass ich eine Freundin hatte? Meine Güte, ich hatte mich tatsächlich schon an den Gedanken gewöhnt, dass er eventuell etwas von mir wollte. Da ich jedenfalls ohnehin nichts Besseres zu tun hatte und in der Tat neugierig war, wer mich da treffen wollte, entschied ich zu besagtem Treffen zu gehen. Außerdem würde ich Robin mitnehmen. Das war erstens eine gute Gelegenheit ihn wegen seiner Sexualität zu fragen und zum anderen würde ich ihn wahrscheinlich eh nicht abwimmeln können.

Robin trug einen Anzug. Einen extrem teuren und viel zu eleganten Anzug für seine unübersehbar miserable Laune. Anscheinend wollte er vor – wer auch immer mich da nun treffen wollte – einen guten Eindruck machen. Wahrscheinlich um ihm zu zeigen, dass ich ihm gehörte und er besser war. Das war so offensichtlich. Trotzdem gelang es mir irgendwie nicht in meinen Kopf zu bekommen, dass Robin tatsächlich etwas von mir wollte. Das war einfach so absurd und viel zu offensichtlich als das es hätte stimmen können. Oder ich dachte einfach viel zu kompliziert und er war schlichtweg doch einfach in mich verknallt. Seufzend schlurfte ich in meinem nicht ganz so extravaganten Outfit hinter meinem Freund her zu besagtem Vampirtreffen. Die Orte, an denen diese Treffen stattfanden, fand ich ja schon irgendwie ganz cool. Die Atmosphäre war düster und elegant zugleich. Im Grunde war es Nacht, dunkel und in irgendeinem Keller oder unauffälligem Saal oder dergleichen. Trotzdem hatte es einen ganz eigenen Charme. Reizvoll war es allemal. Nur gefiel mir die Gesellschaft nicht. Ich fragte mich wirklich, wer mich hier bitte treffen wollte. Zum anderen fragte ich mich woher Robin eigentlich immer wusste, wann und wo diese Treffen stattfanden. Ich hatte keine Ahnung und es gab schließlich keinen Briefträger, der allen Vampiren in der Gegend mal eben einen Zettel in den Briefkasten warf auf dem diese Daten standen. Eigentlich wollte ich nicht nachfragen. Vielleicht würde ich irgendwann mal darauf zurück kommen, wenn es sich ergab. Fürs Erste dachte ich mir, dass man sich als junger Vampir wohl für alles in der Vampirwelt interessierte und eben so seine Kontakte hatte. Ich hatte das nie gebraucht. Wenn ich früher etwas machen wollte, hatte ich immer Ash gefragt und er hatte alles herausgefunden. Tja, wenigstens zu so was war ein großer Bruder gut. Jedenfalls lief ich auch diesmal einfach meinem Informanten hinterher in einen Saal. Vorbei an dem Türsteher, ein paar Männern, die vergeblich versuchten an eben diesem vorbei zu kommen und an Vampiren, die sich gefunden und offensichtlich die Nacht zusammen verbringen wollten. Robin setzte sich an die Bar und bestellte etwas. Ich achtete nicht darauf was es war. Lässig ließ ich mich auf dem Platz neben ihm nieder und sah zu ein paar tanzenden Pärchen hinüber. Nach einer Weile wurde es mir zu langweilig nach meiner Verabredung zu suchen und ich drehte mich zu Robin um, um ihn davon abzuhalten noch mehr Alkohol zu trinken. Normalerweise trank er nicht oder nur wenig. Abends mal ein Glas Wein, wenn überhaupt. Dass er jetzt bereits das fünfte Glas bestellte, lag vermutlich an seiner schlechten Laune. Das war also meine Schuld. Vielleicht hätte ich ihn doch nicht mitnehmen sollten. Anderseits hätte er zu Hause genauso besoffen herumliegen können und hier konnte ich ihn wenigstens ein bisschen bremsen. Als ich gerade dabei war ihn mit sanfter Gewalt davon abzubringen noch mehr zu trinken, tippte mir jemand auf die Schulter und ich drehte mich verwirrt um, um sogleich in zwei dunkle Augen zu sehen. Direkt vor mir. Viel zu nah. Ich wich ein Stück zurück und rutschte beinah von meinem Sitz, wurde jedoch von Robin gerade noch aufgefangen. Erst da merkte ich, wer eigentlich vor mir stand. „Adrian?“ fragte ich erstaunt und mir fiel ein, dass er tatsächlich der einzige war, den ich von hier kannte. Meine Güte, der Junge hatte aber auch so eine unscheinbare Präsenz, dass man ihn glatt übersah oder vergaß. Er grinste mich an und kam mir noch ein bisschen näher. „Hast du etwa jemand anderen erwartet? Eine Freundin vielleicht?“ Die Anzüglichkeit, mit der er das aussprach, entging mir nicht, doch ich versuchte vernünftig zu antworten. „Nein, ich hatte mich nur gefragt, wer sich mit mir treffen wollte, da ich sonst nie auf diesen Treffen bin und hier keinen kenne.“ Er trat beleidigt einen Schritt zurück und bemerkte nun auch Robin hinter mir sitzen, welcher ihn schon die ganze Zeit finster anstarrte. Adrians Gesicht dagegen fing an zu strahlen. Merkwürdige Reaktion. „Ah, du bist sicher der Mitbewohner von meinem Freund, nicht war?“ Adrian wusste mit Sicherheit, dass Robin dieser Satz wütend machen würde. Man sah ihm seine Eifersucht ja schon von weitem an. „Er ist mein Freund, kapiert?!“ kam es sofort von Robin und Adrian fing nur an zu lachen. Ich saß ein bisschen hilflos dazwischen. „Oh sei doch nicht so Robinlein“ trällerte er und legte dabei einen Arm um meine Schultern. „Wir können ihn uns gerne teilen.“ Er streckte meinem Mitbewohner die Zunge heraus und bekam daraufhin ordentlich eine verpasst. Ehe ich reagieren konnte, war Robin aufgesprungen und hatte sich auf Adrian gestürzt, welcher nun hustend auf dem Boden lag. Ich half ihm sofort hoch und fragte, ob alles in Ordnung sei, auch wenn ich damit Robin sicher verletzte. Doch selbst, wenn er eifersüchtig war, musste er nicht gleich auf ihn losgehen. Adrian winkte ab und lächelte zufrieden. Ich versuchte derweil das Thema zu wechseln. „Warum wolltest du dich denn eigentlich mit mir treffen?“ Der Junge sah mich an und begann zu grinsen. „Ich wollte selbstverständlich auf ein Date mit dir, aber da du nun dein Schoßhündchen mitgebracht hast, wird das wohl nichts mehr.“ Übertrieben seufzend jammerte er herum und wollte sich wieder auf den Weg machen. Mich ließ er zwar verdutzt da stehen, doch Robin gefiel es wohl nicht zu einem Hund degradiert zu werden. Er hielt Adrian zurück und brüllte ihn beinah an. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Offensichtlich versuchte er sich zusammenzureißen, um ihm keine reinzuhauen, seine Wut war dennoch nicht zu übersehen. „Halt dich gefälligst von ihm fern! Er gehört mir.“ Während Adrian ihn weiterhin provozierte, setzte ich mich wieder hin und begann darüber nachzudenken wie wir in diese Situation gelangt waren. Vor ein paar Wochen noch lag ich Trübsal blasend in Spanien am Strand und nun war ich in einem renovierungsbedürftigem Gebäude in Endland, während sich neben mir zwei Jungs um mich stritten. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen und bestellte mir nun selbst etwas zu trinken. Das war einer der wenigen Momente in meinem Leben, in denen ich Alkohol wirklich gut gebrauchen konnte.

 

Ich starrte an die Wand vor mir. Sie war noch immer so weiß und makellos, wie ich sie hinterlassen hatte. Warum ich mir Gedanken über eine Wand machte? Weil es Wochenende war und ich bei meinem Bruder und seiner Freundin zu Besuch war. Ich saß in meinem alten Zimmer und wartete darauf, dass einer der beiden wieder kam. Sie waren unten. Was genau sie machten, hatte ich nicht mitbekommen. Das einzige, was mir durch den Kopf ging, war der gestrige Abend. Ich wollte unbedingt mit Nikita oder Ash darüber reden. Ich brauchte irgendjemanden, dem ich alles erzählen konnte und der es mir vielleicht erklären konnte. Jemand Intelligenten, der verstand warum das alles passiert war. Langsam bekam ich Kopfschmerzen vom nachdenken. Die Geschichte, die Wörter brannten mir beinah auf der Zunge, so sehr wollte ich sie loswerden. Ich wollte es irgendjemandem erzählen. Wie ich mich fühlte, was alles passiert war und ich wollte fragen wie es dazu kommen konnte. Was hatte ich die letzten Jahrzehnte eigentlich gemacht? Ich hatte es vergessen. In dem Moment. Ich dachte nur an gestern und wie surreal mir das alles vorkam. Ich wollte das alles loswerden. Anderseits fühlte ich mich nicht in der Lage zu sprechen. Mir gingen so viele Gedanken gleichzeitig durch den Kopf, dass ich gar nicht wusste wo ich anfangen sollte und ich hatte Angst irgendetwas zu vergessen, wenn ich einfach drauf los redete. Ich brauchte jemand wirklich Intelligenten, der mich kannte und mich verstand ohne, dass ich groß etwas sagen musste. Und darum saß ich nun hier in meinem alten Zimmer, starrte meine Wand an und wartete auf eben diese Personen. Nun bin ich doch nicht dazu gekommen Robin zu fragen, ob er auf mich steht, dachte ich. Anderseits erübrigte sich die Frage nach diesem Abend wohl auch. Während ich noch wartete, schloss ich meine Augen und versuchte mich ein wenig zu beruhigen. Ich entspannte mich und genoss es endlich einmal meine Ruhe zu haben und konnte ein bisschen Schlaf nachholen. Müde legte ich mich irgendwann hin und schlief schließlich ein.

Wir waren im Jahr 1888 angekommen. Der Bau des Eiffelturms war voll im Gange und ich war eben mit Camille Flammarions Buch L'Atmosphere: Meteorologie Populaire, welches dieses Jahr erschienen war, fertig geworden. Erstmals zu sehen war im Kapitel La forme du ciel die Illustration au pèlerin. Der Holzstich eines unbekannten Künstlers, welcher noch weltberühmt werden sollte. Die Darstellung zeigt einen Menschen, welcher am Horizont als am Rande seiner Welt mit den Schultern in der Himmelssphäre steckt und dahinter Befindliches erblickt. Meinen Bruder konnte man ja mit so etwas wenig beeindrucken. Obwohl er selbst sehr großes künstlerisches Talent besaß. Er war eben mehr an der Praxis orientiert, während ich eher bei der Theorie blieb. Mittlerweile war ich zwanzig, mein großer Bruder ein Jahr älter. Wir verstanden uns gut, auch wenn wir ab und an mal stritten. Auch heute war so ein Tag, an dem Ash einfach nicht seine Klappe halten konnte. Wir wohnten mitten in Paris. Wäre ich öfter hinausgegangen, hätte mir die Stadt wohl nicht besonders gefallen. Zumindest von dem, was Ash mir erzählte. Er war oft draußen und hatte, meiner Meinung nach, mit den falschen Leuten zu tun. Da präferierte ich es definitiv zu Hause zu bleiben und zu lesen. Mein Bruder erzählte mir auch heute wieder was er und seine Freunde alles unternommen hatten und bat mich das nächste Mal mitzukommen, doch ich weigerte mich. Ich wollte mit diesen Schlägertypen nichts zu tun haben. Es faszinierte mich ja sogar, dass ich mich überhaupt mit Ash so gut verstand. Wirklich ähnlich waren wir uns ja wahrlich nicht. Trotzdem war er immer für mich da und vernachlässigte mich auch nicht. Alles in allem betrachtet war er ein wirklich guter großer Bruder und ich war froh ihn zu haben. Dennoch lehnte ich sein Angebot ab und blieb Abends zu Hause. Im Nachhinein hatte ich mir gewünscht ich wäre mitgegangen. Dann hätte ich ihn vielleicht verhindern können. Diesen grausamen Überfall und die Entführung meines Bruders.

Tage später kam ich erschöpft nach Hause und wollte mich nur noch ins Bett legen. Ich hatte seine Abwesenheit nicht ertragen und war hinausgegangen, um Ash zu suchen. Was blieb mir auch anderes übrig? Seine Freunde hatten seinen Entführer als Monster beschrieben. Laut ihnen hatte der Mann Fangzähne in den Hals meines Bruders gegraben und seine leuchtend roten Augen hatte sie so in Panik versetzt, dass sie abgehauen sind, anstatt Ash zu helfen. Ich hatte ja gesagt er hatte die falschen Freunde. Erfanden so einen Schmonzes und ließen ihn im Stich, sobald es Ärger gab. Natürlich hatte ich ihn nicht gefunden. So betrat ich also frustriert unsere Wohnung, schloss gerade noch ab und wurde im nächsten Moment von jemandem festgehalten und in mein Zimmer gezerrt. Ich versuchte zu schreien, doch mir wurde der Mund zugehalten. Verdammt, dieser Kerl war stark. Zwecklos versuchte ich mich zu wehren und landete letztendlich unsanft auf dem Boden. Ich blickte hoch, um den Kerl anzuschreien, doch als ich ihn sah, blieben mir die Wörter im Hals stecken. Nicht fähig etwas zu sagen oder mich zu bewegen, starrte ich meinen Bruder weiter an und fing irgendwann an zu weinen. Tränen liefen meine Wangen hinab als ich mich von ihm hochziehen ließ und in die Arme schloss. Er war kühl. Doch verletzt schien er nicht zu sein. Jedoch war er nicht so übermütig wie sonst. Im Gegenteil, er drückte sich nur an mich. Kurz davor selbst zu heulen. Ich konnte mir nur vorstellen was ihm angetan wurde und blieb eine Weile mit ihm in dieser Position. Irgendwann löste er sich von mir und lächelte mich trübe an. Er wusste was ich fragen wollte. Wo er war. Was passiert war. Wer ihm das angetan hatte. Nichts davon sprach ich aus. Das würde ihn nur wieder an alles erinnern und ich wollte ihn nicht noch mehr verletzen. So brannten mir diese Fragen zwar weiterhin auf der Zunge, doch ich beherrschte mich erst einmal und kümmerte mich um ihn. Unsere Eltern waren derzeit bei Verwandten außerhalb von Paris. Darum hatten sie zum Glück nichts mitbekommen. Unser Vater ermahnte ihn ständig, dass er nicht immer mit solchen Leuten herumhängen solle. Und unsere Mutter wäre sicher krank vor Sorge, wenn sie wüsste, was geschehen war. Auch er war sichtlich erleichtert darüber, dass nur ich da war. Wahrscheinlich weil ich der Einzige in dieser Familie war, der ihm keine Standpauke hielt und mich einfach still um ihn kümmerte. Nach einer Weile bedankte er sich bei mir. Das erste, was er seit seiner Heimkunft gesagt hatte. Ich lächelte ihn an und schüttelte leicht den Kopf. Wofür sind Brüder denn da? „Darius …“ begann er zögernd. Ich legte seine dreckigen Klamotten zur Seite und drehte mich zu ihm um. Er saß auf meinem Bett und ließ den Kopf hängen. Wusste er nicht wie er anfangen sollte? „Du musst es mir nicht jetzt erklären, Ash.“ Wollte ich ihn beruhigen, doch das schien ihn nur noch mehr aufzuregen. Er schüttelte heftig den Kopf und sah mich nun doch an. „Doch, das muss ich.“ Er klang ernst. So erlebte ich ihn selten. Ich setzte mich neben ihn und hörte zu. Ash atmete einmal tief durch und fuhr dann fort. „Ich muss es dir jetzt sagen, weil ich nicht warten kann. Du darfst nicht älter werden.“ Ich hatte keine Ahnung wovon er redete. Ash lächelte mich leicht an. „Immerhin sollst du doch mein kleiner Bruder bleiben. Ich werde nicht mehr altern. Darum muss ich es dir jetzt sagen, bevor du älter wirst.“ Was meinte er? Er würde nicht mehr altern? Wieder sah er auf den Boden und redete weiter. „Als ich überfallen wurde … war mein Entführer kein Mensch. Ich weiß nicht was dir die anderen gesagt haben, aber der Kerl war ein Vampir. Lach jetzt bitte nicht, ich meine es ernst. Er hat mich gebissen, mir beinah den Hals aufgerissen und währenddessen in ein altes Haus in einer heruntergekommenen Gegend geschleppt. Dort sah ich zum ersten Mal seine blutroten Augen. Ich kann gar nicht beschreiben was für eine Panik ich hatte. In dem Moment wollte ich nur weg. Weg von diesem Ungetüm, weg von diesem Ort, ich wollte nur zu dir.“ Er fing an düster zu lachen. „Aber du hattest mich ja gewarnt. Das ich nicht mit diesen Idioten gehen sollte. Das hatte ich nun davon. Eingesperrt in einem Keller mit toten Ratten und einem verletzten Hals. Irgendwann kam der Typ wieder. Er war nicht größer als ich, aber stärker. Ich hatte nicht auch nur den Hauch einer Chance gegen ihn. Selbst wenn ich nicht geschwächt gewesen wäre.“ Das Lachen verging ihm. Ich saß nur weiter erstarrt neben ihm. „Er fesselte mich und begann mich zu foltern. Stundenlang schlug er mich mit herumliegenden Gegenständen. Alte Rohre, Ketten etc. Wahrscheinlich hat er mir auch ein paar Knochen gebrochen, ich weiß es nicht mal genau.“ Sein Ton wurde immer monotoner. Beinah gleichgültig. „Jeden Tag biss er mich erneut und saugte mich fast aus. Er erklärte mir, dass er ein Vampir sei und mich auch zu einem machen wollte. Lachend stand er vor mir und meinte ich würde ihm gefallen. Er hatte mich wohl schon eine Weile beobachtet, bevor er mich verschleppt hatte.“ Ash ballte die Fäuste, vermutlich wütend über dieses Scheusal, was ihm das alles angetan hatte und zum anderen wahrscheinlich wütend darüber, dass seine brutale Art selbst Schuld war. „Nach Tagen hat er mich schließlich verwandelt. Es war fürchterlich. Doch als ich auch ein Vampir geworden war, merkte ich langsam wie ich mich wieder erholte. Meine Wunden heilten bis nichts mehr zu sehen war. Mein Körper gewann an Kraft und ich wurde immer stärker. Irgendwann kam er wieder in mein Zimmer und ich beschloss instinktiv ihn umzubringen. Letztendlich habe ich auch meinen Blutdurst an ihm einigermaßen gestillt und bin dann sofort hergekommen. Ich hatte erst Mal den Weg suchen müssen. Währenddessen habe ich nachgedacht, Darius.“ Ich hatte mich wieder einigermaßen beruhigt und sah ihn nun an. Er war in der Tat schöner geworden. Porenreine blasse Haut und eine unglaubliche Ausstrahlung wie ich sie bei noch keinem Menschen erlebt hatte. Aber warum machte ich mir um so etwas jetzt Gedanken? Mein Bruder war kein Mensch mehr. Er würde mir nie etwas antun, aber wie würden wir nun weiterhin vorgehen? Er sah mich mit den gleichen eisblauen Augen an wie die meinen ihn. „Darius“ begann er. „Ich kann es mir nicht vorstellen ohne dich zu sein. Lass mich dich auch zu einem Vampir machen.“

Da wir keinen Lehrer hatten, mussten Ash und ich uns alles selbst beibringen. Beziehungsweise versuchte er mir alles beizubringen, obwohl er selbst kaum etwas wusste. Unser größtes Problem war die Nahrungsaufnahme. Wir waren beide noch junge Vampire. Unser Blutdurst schien ausgeprägter zu sein als bei anderen. Aber wer wusste das schon? Ich hoffte es zumindest, da ich nicht wollte, dass das so immer weiterging. Ich wollte nicht ständig durch die Gegend laufen und jeden Menschen, der vorbeikam, anfallen wollen. Um Ash jedoch machte ich mir größere Sorgen. Ich war ja von uns beiden schon immer der diszipliniertere gewesen. Er dagegen konnte sich meistens nicht zusammenreißen. Doch er gab sich größte Mühe. Irgendwann kamen wir auf die Idee in irgendwelche Bars oder ähnliches zu gehen und die gute Stimmung dort auszunutzen und uns an irgendein Mädchen hefteten, uns an sie heranmachten und unauffällig zu beißen, sobald wir ihr nahe genug gekommen waren. Anscheinend hatte unser Speichel eine betäubende Wirkung auf Menschen. So war es ein leichtes, den Hals eines Mädchen erst als Kuss getarnt mit Speichel zu benetzen und sie danach unauffällig zu beißen. Diese Strategie fiel Ash allerdings wesentlich leichter als mir. Mit Mädchen hatte ich ja noch nie viel am Hut gehabt. Der Hunger trieb mich leider doch dazu dieser Strategie nachzugehen. Mit der Weile gewöhnten wir uns langsam daran Vampire zu sein und kamen zunehmend leichter zurecht. Allerdings war es schwer zu Hause damit klarzukommen. Unsere Eltern waren bereits wieder da. Wir wohnten zwar nicht mehr bei ihnen, doch mussten wir irgendwann den Kontakt abbrechen bevor man bemerkte, dass wir nicht alterten. Früher oder später mussten wir aus dieser Stadt weg. Mir wurde das zuerst klar und ich versuchte Ash schonend darauf vorzubereiten. Gut aufgenommen hatte er es zwar nicht, doch würden wir beide sicher auch alleine zurechtkommen. Immerhin hatten wir jetzt alle Zeit der Welt uns einzugewöhnen.

„ … ius. Darius.“ Eine Stimme ließ mich langsam aus meinem Traum erwachen. Ich blinzelte und sah in zwei grüne Augen vor mir. Sie lächelte mich liebevoll an, während ich mich aufsetzte und mir den Kopf rieb. An unsere Vergangenheit hatte ich schon lange nicht mehr gedacht. Wie es überhaupt dazu gekommen war, dass Ash und ich Vampire geworden sind. Im Nachhinein war ich allerdings froh darüber. Auch wenn es damals nicht die beste Zeit war. Andernfalls hätte ich das wundervolle Mädchen neben mir und ihren Bruder ja nie kennengelernt. Ich lächelte sie an und ließ mich von ihr umarmen. Es tat so gut umarmt zu werden. Man vergaß alles um sich herum und war nur bei dieser Person. Ich drückte sie an mich und genoss ihre Wärme. Zwar war auch sie ein Vampir, doch ein wenig wärmer als ich. Vor allem, wenn man ihr näher kam. Dann wurde sie immer so verlegen, dass sie begann beinah zu glühen. Richtig niedlich. An mich gekuschelt fragte sie irgendwann worüber ich mit ihr reden wollte. Stimmt ja. Ich war hergekommen, um mit ihr oder Ash zu reden. Dieser betrat nun auch den Raum und lehnte sich lässig an den Türrahmen, anstatt wie üblich eifersüchtig zu reagieren. Ich liebte meinen Bruder wirklich. Und Nikita ebenso. Genauso ihren Bruder, welcher nun hinter Ash hervortrat und uns glücklich angrinste. „Vergiss es. War nicht so wichtig.“ Ich schloss sie noch enger in die Arme und bekam eines ihrer süßen Lächeln geschenkt. Robin konnte es natürlich nicht lassen und leistete uns Gesellschaft. Überschwänglich ließ er sich zu uns aufs Bett fallen und riss uns mit sich. Lachend lagen wir schließlich da und Robin beschwerte sich, dass ich zu schwer sei. „Selbst Schuld, Idiot.“ Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. „Hey“ mischte sich nun auch Ash noch ein. Er hüpfte zu uns – mehr auf uns – und schloss uns alle in eine Umarmung ein. „Ihr seid alles Freaks! Wehe einer von euch wagt es mich auszuschließen.“ Wir fingen an zu lachen und mir wurde klar, dass ich die beste Familie hatte, die man sich nur wünschen konnte. Und ich liebte jeden einzelnen von ihnen. Besonders meinen geliebten Ash.

 

- Das ist noch nicht das Ende :) Das letzte Kapitel ist in Bearbeitung! -

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Tag der Veröffentlichung: 16.08.2015

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