Aquarius
ist die lateinische Übersetzung für das Wort Wassermann.
Wassermänner besitzen nicht nur die besondere Fähigkeit unter als auch über Wasser überleben zu können, sondern auch magische Kräfte, die sie auch für einen gewissen Zeitraum auf Menschen übertragen können.
Jeder Wassermann hat eine zusätzliche Gabe erhalten, die ihm eine Zugehörigkeit zu einem der Elemente Feuer, Erde, Wasser oder Luft gibt.
Sie sind unsterblich, solange sie in Verbindung zum Meer bleiben. Bleiben sie dem Meer über einen längeren Zeitraum fern, fangen sie an zu altern. Der Alterungsprozess kann nicht mehr rückgängig gemacht werden, jedoch durch die Rückkehr zum Meer aufgehalten werden und zum Stillstand kommen.
Durch ihre besondere Verbundenheit mit dem Meer, verfügen sie in diesem Element über scheinbar ungekannte Kräfte und werden bei einer Verletzung durch das Meerwasser auch binnen kurzer Zeit geheilt.
Prolog
Die Gischt auf den Wellen wurde an den Strand gespült und der Schaum setzte sich auf den nassen Sand.
Man sagt sich, dass die Gischt entstehe, weil sich wieder ein Meermensch unsterblich in einen Menschen verliebt und ihre Liebe keine Zukunft gehabt habe, sodass der Meermensch freiwillig in den Tod gegangen wäre und sich danach in die Gischt auf den Wellen verwandelt hätte.
Odette schüttelte ihren Kopf über dieses Ammenmärchen, welches durch Hans Christian Anderson ins Leben gerufen worden war, sodass ihre langen Haare in alle Richtungen flogen.
Vorsichtig steckte sie einen Fuß in das klare Meerwasser und seufzte auf. Die Temperatur war angenehm und sie wollte nichts lieber als hineinspringen und bis zu der kleinen Insel in etwa 500m Entfernung schwimmen.
Das hatte sie früher als junges Mädchen von 13 Jahren schon gemacht und jetzt mit ihren 23 sollte es ihr verboten sein?
Aber es galt seit zwei Jahren das strickte Verbot für junge Mädchen ins Meer zu gehen und sei es nur um zu baden. Odette das vom Staat vorgegebene Argument, welches das Schwimmen Mädchen unter 25 Jahren verbot und es waren schon mehrere Mädchen wegen diesem Vergehen eingesperrt worden. So musste sie sich mit dem Wasser in ihrer Badewanne begnügen.
Langsam ging sie weiter über den Strand. Mit den Füßen immer nur so nah am Wasser, dass es sanft ihre Füße umspielte. Sie drehte sich um die eigene Achse und ging nun rückwärts, sodass sie sehen konnte, wie ihre eben selbst geschaffen Fußabdrücke im Sand vom Wasser ausgewaschen wurde und schließlich ganz verschwanden.
Mit einem Seufzen drehte sie sich wieder um und hob ab und an eine Muschel auf, die das Wasser an den Strand gespült hatte. Wenn sie wegen etwas ans Meer gekommen war, dann, um nicht mit leeren Händen wieder nach Hause zu kommen.
Als sie in eine kleine Bucht einbog, konnte sie einige Männer im Meer Wasserball spielen sehen. Einer davon war ihr kleiner Bruder, der mit den zum Teil älteren und gleichaltrigen durch das Wasser tollte.
Wie gerne hätte sie mit ihm getauscht oder wäre einfach dazugesprungen und hätte mitgemacht. In einiger Entfernung ließ sie sich auf einem Felsen nieder, um ihnen beim Spielen zuzusehen. Der Felsen ragte ins Wasser, sodass sie ab und zu einige Spritzer von der angenehmen Kühle abbekam und sich so nicht vollkommen der trockenen Hitze ausgesetzt fühlte. In Florida war es um diese Jahreszeit so heiß, dass man sich immer gerne nach eine Erfrischung umguckte.
Odette dachte eigentlich, sie hätte sich außerhalb der Sichtweite der Männer befunden, aber schon nach kurzer Zeit schwamm ihr kleiner Bruder in ihre Richtung und winkte.
„Odette“, rief er, ankämpfend gegen die Wellen, „was machst du hier? Du weißt, dass du nicht ins Wasser sollst!“
„Als ob ich hier im Wasser wäre!“, rief sie zurück.
„Aber nah genug dran, sodass du reinfallen könntest. Geh lieber an den Strand zurück, da kann dir auch nichts passieren!“
„Joscha, du weißt genau wie ich, dass ich eine bessere Schwimmerin bin, als die meisten der Männer da drüben. Das Gesetz ist der größte Schwachsinn und was sollte mir passieren, wenn ich reinfallen würde?“
Joscha setzte eine grimmige Miene auf.
„Du weißt, was man sich erzählt!“
Odette konnte ein Grinsen nicht unterdrücken und fragte um ihn zu ärgern direkt nach.
„Was erzählt man sich denn?“
„Das weißt du genau!“
Odette sah ihren kleinen Bruder mit einer Unschuldsmiene an und kicherte in sich hinein.
„Du meinst, dass die bösen Meermänner jede Frau unter 25 Jahren, die sich im Wasser befindet, entführen und zu einer der ihren machen?“
Nun konnte sie nicht mehr und fing lautstark an zu lachen.
„Odette! Das ist nicht lustig! Alle Mädchen, die ins Wasser gegangen sind, sind wirklich verschwunden oder ins Gefängnis gebracht worden. Das weißt du!“
„Das mit dem verschwinden ist eine Sache…das mit dem Gefängnis eine andere. Du glaubst doch nicht wirklich an die Meermenschen, oder?“
„Ich weiß es nicht!“, ärgerlich sah ihr kleiner Bruder aus dem Wasser zu ihr herauf.
„Weißt du was? Ich beweise dir, dass es nicht so ist, ok?“
„Das wirst du nicht tun!“
„Komm heute Abend hier an den Strand. Dann sehen wir weiter.“
Kapitel 1
Odette schlich sich auf Zehenspitzen zu ihrer Zimmertür und zog sich ihre Chucks über die Füße. Sie lauschte, ob jemand im Haus noch auf den Beinen war und öffnete dann leise die Tür, trat in den dunklen Flur und schloss sie ebenso leise auch wieder. Ihre Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dunkelheit, da in ihr Zimmer der helle Vollmond geschienen hatte und sich in den Flur kein Lichtschein verirrte.
Aber sie kannte sich zur genüge aus und wusste um welche Truhen oder Vasen sie herumzulaufen hatte. Sie kam an der Zimmertüre ihrer Eltern vorbei und konnte das laute Schnarchen ihres Vaters vernehmen und das Gemurmel ihrer Mutter, welche immer im Schlaf redete.
Aus dem Zimmer ihres jüngeren Bruders drang kein Laut und so ging sie davon aus, dass er schon losgegangen war.
Sie schlich die Treppe herunter und übersprang dabei einige der knarzenden Stufen, die sie in ihrer Kindheit schon oft beim heimlichen herunterschleichen zum Fernseher verraten hatten und da ihre Mutter einen besonders leichten Schlaf hatte, wusste sie, dass ihr kleiner Ausflug unbedingt unbemerkt bleiben musste.
Wenn nur jemand den Verdacht schöpfen würde, was sie vorhatte, würde sie wahrscheinlich bis zu ihrem 25. Geburtstag in ein Kellerloch im Gefängnis der Stadt gesteckt werden. Allerdings freute sie sich unglaublich auf das Gefühl des kühlen Meerwassers auf ihrer Haut. Sie hatte ihren Badeanzug unter ihrem Shirt und ihrer Shorts, sodass sie sich schnell aus und wieder anziehen konnte.
Mit leichter Euphorie erreichte sie das Ende der Treppe und sprang lautlos von der letzten Stufe in den kleinen Flur zur Eingangstüre hin.
Als sie die Hand auf die Klinke der Tür legen wollte, spürte sie einen kalten Luftzug und es legte sich eine Hand um sie herum und hielt ihr den Mund zu, den sie schon zum Schrei geöffnet hatte.
„Sei leise“, hörte sie ihren kleinen Bruder zischen, „dreh dich nicht um und wehe du gibst einen Ton von dir. Öffne einfach nur die Tür und lass uns rausgehen. Kann ich mich auf dich verlassen?“
Odette nickte und Joscha nahm die Hand von ihrem Mund, sodass sie tief Luft holen konnte, da ihr das Atmen doch schwer gefallen war, als sich die große Hand über ihren Mund und auch einen Teil der Nase gelegt hatte. Zwar war Joscha ihr 'kleiner' Bruder, doch mit seinen 21 Jahren überragte er sie um einen Kopf.
Leise drückte sie die Klinke herab und öffnete die Türe einen Spalt breit, wobei diese leise quiteschte. Um sich zu versichern, dass sie auch von niemandem gesehen wurde, lugte sie nur mit dem Kopf heraus und schob dann schließlich ihren ganzen Körper hinaus. Wie ein Schatten folgte ihr kleiner Bruder ihr und striff sich unterdessen noch seine weißen Nike- Sneakers über.
„Komm mit“, flüsterte er ihr leise zu und nahm sie bei der Hand.
Vorsichtig zog er sie durch die vom Mondlicht hell erleuchteten Straßen, immer weiter in Richtung Strand und blieb dann mit ihr vor der kleinen Bucht stehen, in der er zuvor mit seinen Freunden im Wasser getollt hatte.
„Du darfst hierhin nicht mehr kommen. Ist dir das klar, Odette? Die anderen Männer finden es anstößig, wenn eine Frau sich zu nah am Wasser aufhält.“
Odette setzte eine trotzige Miene auf und wandte sich von ihrem kleinen Bruder ab, dem Meer entgegen.
„Ich verstehe es nicht. Was soll schon gefährliches in dem Wasser sein? Und wie kann ein Gesetz so schnell Fuß fassen? Im ersten Jahr haben sich noch so viele hier zur Wehr gesetzt und das scheint jetzt alles nichtig zu sein.“
„Ich weiß es auch nicht“, aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie ihr kleiner Bruder den Kopf schüttelte und aufs Meer hinaussah, „ich weiß nur, dass du nicht schwimmen gehen solltest.“
„Ach quatsch, was soll mir denn passieren?“, Odette sah Joscha ins Gesicht.
Missmutig schüttelte er wieder den Kopf.
„Joscha, du bist doch dabei. Dann bleibt doch alles vollkommen ungefährlich.“
„Ich habe keine Lust Ärger von Mama und Papa zu bekommen, nur weil du zu unvorsichtig warst“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Ach komm schon. Du weißt, dass ich im Schwimmbad besser schwimme als jedes Mädchen und immer noch besser als viele der Jungs. Und du glaubst doch nicht wirklich an die Meermänner, oder?“, mit einem Zwinkern ging Odette ein paar Schritte in Richtung der Bucht.
Ärgerlich wuschelte er sich durch seine blonden Haare und hielt ihrem Blick stand.
„Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Auf jeden Fall wird es ja wohl einen Grund dafür geben, warum Frauen unter 25 nicht ins Meer gehen sollen.“
Nun blitzten Odettes Augen wütend auf: „Du weißt schon, dass das eine total schwachsinnige Regel ist, oder? Ich meine, früher durfte ich auch im Meer schwimmen und nachdem dann dieser komische Unfall bei den Bohrungen war, dürfen wir Frauen nicht mehr ins Wasser? Als ob wir davon unfruchtbar würden. Das ist doch Schwachsinn. Und es ist noch größerer Schwachsinn, dass das an unserem 25. Geburtstag vorbei sein soll und wir wieder ins Wasser können. Ich glaub einfach, dass dieses Gesetz nur deswegen verabschiedet worden ist, weil die Frau des Gouverneurs es nicht ertragen konnte überall die jungen Frauen zu sehen.“
Damit brachte sie Joscha zum Schmunzeln, aber sie selbst blickte sie sich um, ob sie beobachtet wurden. Zwar war selten jemand in diesem Bereich des Strandes, aber seit vor 2 Jahren der Bohrunfall im Golf von Mexiko passiert war, hatte man die Marine darauf angesetzt die Küste zu kontrollieren und junge Mädchen, falls sie sich im Wasser befanden, herauszuziehen und ins Gefängnis zu stecken.
Odette musste sich eingestehen, dass das Gesetz wohl etwas mit dem Unfall zu tun hatte, aber ihr war nicht klar, was es damit auf sich hatte.
Texte: Alle Rechte an dem Buch gehören mir ;)
Tag der Veröffentlichung: 17.06.2011
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