Alles in allem scheint der Inhalt beider Texte plausibel und doch regt sich bei mir beim Lesen in der Gegend des Solarplexus leises Unbehagen. Und Skepsis. Der Solarplexus ist für den Körper das, was das Stammhirn im Kopf ist, in dieser Region entsteht das sog. "Bauchgefühl", das nicht gleich benannt werden kann, aber dem, wer ihm nachgeht, brauchbare Hinweise liefert.
Einerseits amüsiert mich der Ton der beiden Artikel, denn paradoxerweise nimmt man denjenigen, der den Mut hat, über sich selbst zu lästern und zu lachen, eher ernst als die notorisch Ernsten. Und als ich nach dem ersten Durchgang gar nicht still vor mich hin gelacht habe, las ich alles noch einmal und wußte, an welcher Stelle (vielleicht nur für mich sichtbar) der Pferdefuß hervorschaut. Das ist das betont lässige Kokettieren mit der eigenen Verletzlichkeit; für mich - wie gesagt - eine Spur zu lässig.
Und das schonungslose Aufdecken männlicher Aggression und Verdrängung dient hier gleichzeitig als Freibrief, bestenfalls als Entschuldigung: Es tut uns ja so furchtbar leid, aber so sind wir nun mal geartet, alles bestimmt durch die Evolution, und selbst Jahrmillionen der kulturellen Entwicklung konnten unser ursprüngliches Verhalten nicht ändern. Also, Weiber, ihr müßt uns nehmen, wie wir nun mal sind, als Rohlinge, ewige Jäger ohne Verstand, mit der schier unersättlichen sexuellen Gier im Hirn und Geschlechtsteil, was leider-leider dazu führt, daß wir jedem Weibchen nachlaufen, um mit ihr zu kopulieren, egal wie alt oder jung, dick oder dünn, schön oder häßlich. So ist eben unsere Natur.
Das ist genau das Verhaltensmuster der ach so hilflosen Frauen, die auch nur "arme unschuldige Opfer" der menschlichen Entwicklung sind, und die auch leider-leider nichts daran ändern können. Damit meine ich das Verhalten dieser "typischen Weibchen", die mit unschuldigem Aufschlag ihrer himmelklaren blauen Augen dem anderen Geschlecht Hilfsbedürftigkeit signalisieren. Diese Augen sagen - nicht einmal sonderlich darum bemüht, die Absicht zu verschleiern: Nun hilf mir schon, siehst du denn nicht, daß ich deine Unterstützung brauche. Dafür werde ich dich mit all meinen Reizen reichlich belohnen ... Klimper, klimper.
Schluß mit dem Gejammer und faulen Alibis für faules Verhalten! Außer unserem dumpfen Reptilienhirn haben wir nun den Neokortex (im Deutschen schreibt man es mit k) in beachtlicher Größe entwickelt, mit dessen Hilfe wir bewußt denken können. Und genau diese Bewußtheit erwarte ich von Männlein wie Weiblein im Umgang mit sich selbst und dem Rest der Welt. Denn dieser evolutionstheoretische Erklärungsansatz ist meiner Meinung nach lediglich eine Ausrede und macht im Wortsinne "tierisch" bequem. Es kann nicht sein, daß die Natur sich soviel Mühe gemacht hat mit der Entwicklung dieser neuen Gehirnschicht und mensch sich nicht darum schert, sie bewußt einzusetzen. How! Ich habe gesprochen.
Nachdem die erste Erregungskurve abgeflacht ist und die vermehrte Adrenalinausschüttung nachgelassen hat, amüsiere ich mich wieder über die vielen schönen Formulierungen in beiden Artikeln und wünsche mir, daß auch Frauen in ähnlicher Art und Weise über ihre eigenen Schrullen lachen könnten. Dieser weihevolle Ernst, mit dem das biologische und auch sonstige Verhalten der Frau in letzter Zeit behandelt wird, kommt mir vor, als würde jemand sich in den Sattel schwingen wollen, der aber nicht festgezurrt ist. Resultat: Man rutscht auf die andere Seite des Pferdes. Ob das Pferd das so lustig findet ...
Abgesehen von unserem Hintergrund aus evolutionstheoretischer Sicht sind wir, Männer wie Frauen, einfach Menschen. Die endlich verdammt noch mal sich die Mühe machen sollten, sich selbst kennenzulernen und parallel dazu das andere Geschlecht. Dieses ständige Gegeneinanderarbeiten, der tägliche Kleinkrieg geht mir mächtig auf den Geist, präziser ausgedrückt: schwächt den Geist, weil er beim geistlosen Hickhack dieser gar nicht erst zum Einsatz kommen kann. Wenn wir, auch heute noch, jede Menge Missetaten ausschließlich mit unseren biologischen Anlagen erklären und damit gleichzeitig entschuldigen, dann war die auf die Entwicklung unseres komplizierten Gehirns verwendete Energie reine Verschwendung. Und das hat die Natur garantiert nicht so gewollt.
Aber ich will mich nicht wiederholen, und sage zum Schluß lieber, daß mir die letzten beiden Absätze des Artikels "Das verletzliche Geschlecht" gefallen haben, besonders das aserbaidschanische Sprichwort, demnach "Ein richtiger Mann ist nicht nur härter als Granit, sondern auch zarter als eine Rose." Diese Einstellung hat die Väter (was ja unsere Generation ist) noch nicht erreicht, ist aber für die Jüngere schon in Sicht. Und ganz und gar verständnisinnig bin ich mit der Aussage, daß es ausgesprochen positiv sein wird - nicht nur für die Männer - wenn sie "mehr Gefühl entwickeln und zeigen" und "sich deswegen nicht schämen" müssen. Den Frauen wird es gefallen. Überzeugt bin ich ebenfalls davon, daß ein solches Verhalten von Seiten der Männer das Leben künftiger Generationen leichter machen wird.
Nun denn, mein Appell an die Männer: Zeigt Gefühl! Es schadet eurem Ansehen nicht, und es läßt euch in den Augen der Frauen, die ihr schließlich immer noch erobern wollt, keineswegs als Schlappis erscheinen; im Gegenteil. Probiert es einfach aus! Neben dem Lohn, den ihr dafür ernten werdet, ist die Sache auch noch vielmals gesünder als Verdrängung. Amen. Was nichts anderes heißt als: So soll es sein. Ein frommer Wunsch. Oder?
Texte: Alle Rechte bei der Autorin
Umschlagbild: S. Hofschläger / pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 08.07.2011
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