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Kapitel 1.


„Und das soll die gefürchtetste aller Fim sein?“, wollte Agent Deston wissen. Sie stand zusammen mit Professor Mask in einem Beobachtungsraum seines Labors. Hinter der verspiegelten Glasscheibe, durch die sie im Moment sah, saß ein Mädchen auf dem Boden. Es war an Händen und Füßen angekettet und konnte kaum älter als 17 sein. Überall am Körper hatte es blaue Flecken und Narben. Professor Mask nickte. „Unterschätzen sie die Kleine nicht wegen ihres Alters. Sie hatte genügend Zeit ihre Fähigkeiten zu trainieren und hat es darin zur Perfektion gebracht.“ Agent Deston musterte das Mädchen genau. Als sie bei ihrem Gesicht ankam, erstarrte sie. Die Kleine sah ihr direkt in die Augen und ihr Blick war so eiskalt, das Deston einen Schritt zurück wich. Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht des Mädchens. „Kann sie uns sehen?“, fragte Deston den Professor. „Normalerweise nicht. Aber wie gesagt: Sie hat große Kräfte und kann einiges, was noch kein Fim geschafft hat. Wahrscheinlich kann sie den Spiegel so manipulieren, das sie doch hindurchsehen kann.“
Agent Deston straffte sich und sah den Professor fest an. „Nun, es wird auch nicht besser wenn wir die Begegnung hinauszögern. Bringen sie mich zu ihr hinein.“ „Folgen sie mir“, meinte dieser und verließ den Raum.
Deston folgte ihm aus dem Beobachtungsraum. Sie liefen eine Weile den Gang entlang, dann blieb der Professor vor einer schweren Brandschutztür stehen. Er holte einen Schlüssel aus seiner Tasche und schloss auf. Sie betraten einen weiteren Gang, der aus weißem Metall bestand. Deston konnte nicht sagen was für ein Metall es war, aber aus demselben bestanden die Fesseln des Mädchens. Nach weiteren fünfzehn Minuten erkannte sie eine schwarze Tür am Ende des Ganges. Auch diese schloss der Professor auf. Dahinter lag noch einmal ein weißer Raum, in dem einige Stühle, ein Tisch und ein Schrank standen. „Ich rate ihnen ihre Waffen abzulegen. Sie kann das Metall aus dem sie bestehen kontrollieren“, sagte der Professor und deutete auf die Pistole an Agent Destons Hüfte. „Natürlich.“ Deston legte die Pistole, ein Messer und ihren Schlagstock auf den Tisch. „Waren das alle metallischen Gegenstände?“, wollte der Professor wissen. Deston nickte. „Gut, dann lassen sie uns F720 einen Besuch abstatten.“ Er zog eine gläserne Tür auf, die in einen Luftschutzraum führte und ließ Agent Deston eintreten. Er betrat den Raum ebenfalls und schloss die Tür hinter sich. „Sie haben ja ganz schön viele Sicherheitsmaßnahmen getroffen“, meinte Agent Deston und öffnete die Tür an der gegenüberliegenden Seite. Sie betrat den Raum, in dem das Mädchen festgehalten wurde und hörte wie Professor Mask die Tür hinter sich schloss.
F720 hatte die Knie angezogen und die schränkten Arme darauf gelegt. Ihr Kopf ruhte auf ihren Armen und ihre Augen sahen gerade aus. „Begrüße unseren Gast F720“, meinte Professor Mask in einem befehlenden Tonfall. Das Mädchen hob den Blick, sah Agent Deston an und blicke wieder gerade aus. „Sie haben Angst“, flüsterte es. Agent Deston starrte sie an.

Elena sah die Frau an, welche hinter der Glasscheibe stand und auf sie starrte. Es war eine Genugtuung zu sehen, wie sie zurückwich als sie bemerkte dass sie beobachtet wurde. Elena versuchte sie einzuschätzen. Ein Agent, kein Zweifel, aber noch nicht lange dabei. Es war wohl das erste mal, dass man sie zu einer Befragung ins Labor geschickt hatte. Sie sprach eine Weile mit Professor Mask, dann verschwanden beide aus dem Beobachtungsraum.
„Jetzt kommen sie hier her, fragen warum ich Menschen getötet habe, verdrehen die Wahrheit und verschwinden wieder, nur um dem Gericht zu sagen das ich gemeingefährlich bin und für immer weggesperrt werden muss“, dachte Elena und lächelte müde. Und sie behielt Recht. Nach einer halben Stunde, so lange dauerte es vom Beobachtungsraum bis zu ihrer Zelle, öffnete sich die Tür zu ihrer linken und die Frau betrat den Raum, gefolgt von Mask. „Begrüße unseren Gast F720“, erklang die Stimme des Professors. Elena biss die Zähne zusammen. F720, diesen Namen hatten sie ihr, bei ihrer Gefangennahme gegeben und sie hasste ihn wie die Pest. Dennoch sah sie zu der Frau und verkniff sich ein Lächeln, als sie die Angst in ihren Augen sah. Als sie den Blick wieder abwand flüsterte sie lediglich: „Sie haben Angst.“ Elena spürte, wie die Frau sie anstarrte und musste nun doch lächeln. „Alle haben Angst, wenn sie diesen Raum betreten“, fügte sie hinzu. „Was wollen sie von mir?“ Die Frau, Lisa Deston war ihr Name wie Elena ihren Gedanken entnehmen konnte, ging vor ihr in die Hocke. „Ich möchte, dass du mir deine Geschichte erzählst.“ Verwundert sah Elena auf. „Ich soll was?“ „Sie soll was?“, wiederholte Mask und sah Deston verwirrt an. „Sie haben schon verstanden. Ich möchte die Geschichte von…wie heißt du überhaupt?“, wollte sie von Elena wissen. „F720 ist ihr Name“, erklärte Mask. Verwundert beobachtete Elena, wie Deston den Professor anblaffte. „Ich habe nicht sie gefragt, Professor!“ Dann wand sie sich wieder ihr zu. „Also, wie ist dein Name?“ „Elena“, sagte diese knapp und fing sich wieder. „Sie wollen also meine Geschichte hören, Lisa? Dann würde ich vorschlagen das sie sich setzten, denn sie ist lang.“ „Woher weißt du wie ich heiße?“ Elena grinste. „Das werden sie früh genug erfahren. Also wollen sie sich nun setzten?“ Deston nickte und setzte sich, mit gekreuzten Beinen vor Elena. „Macht es dir etwas aus, wenn ich unser Gespräch aufzeichne?“, wollte sie wissen. Elena schüttelte den Kopf. „Nein ganz und gar nicht. Dann hätte ich endlich auch einen Beweis für meine Worte.“ Etwas verwirrt holte Deston ein Aufnahmegerät aus ihrer Tasche und stellte es zwischen sich und Elena. Sie betätigte den Aufnahmeknopf und meinte: „Dann fang an. Ich bin gespannt auf deine Geschichte.“ Elena lehnte den Kopf gegen die Wand hinter sich und schloss die Augen.

„Ihr wisst doch bestimmt wie 2012, vor dem Beginn des Dritten Weltkrieges, dieses geheime Labor explodierte? Nun, ich und meine Familie versteckten uns zu diesem Zeitpunkt ganz dort in der Nähe, genauso wie unzählige andere Flüchtlinge. Mein Pech war wohl, dass ich mich im feien Aufhielt als es passierte. Ich erinnere mich, dass plötzlich ein Beben durch die Erde ging und ich keine Luft mehr bekam. Ich lag zwei Tage bewusstlos zwischen den Trümmern der Explosion, bevor mich meine Eltern fanden. Komischerweise waren alle meine Wunde und Narben verschwunden, was mir aber erst einige Tage später auffiel.
Dann kamen die Flieger und bombardierten das Gebiet, in dem wir uns verstecken. Meine Eltern starben bei dem Versuch mich und meine drei Geschwister zu beschützen. Sie brachten uns in einen sicheren Raum und bevor sie zu uns kommen konnte, wurden sie von einer Bombe zerfetzt. Leider war der Raum, in dem meine Geschwister und ich uns versteckten nicht so sicher, wie wir dachten. Als eine Bombe genau auf die Decke dieses Raume fiel, explodierte dieser und begrab uns unter dem Schutt. Meine Zwillingsschwester und ich wurden von unseren jüngeren Geschwistern getrennt. Doch die beiden waren, genau wie wir in einem Hohlraum eingesperrt. Meine Schwester May war schwer verletzt worden und hatte eine große Wunde am Bauch…“

Elena stockte und musste schwer Schlucken. Deston sah wie sie mit sich kämpfen musste, um weiter zu erzählen. Doch dann sprach sie mit zitternder Stimme weiter:

„Es war eine schreckliche Nacht. Ich hörte Nick und Lina in dem Hohlraum neben uns um Hilfe schreien und konnte nichts für sie tun, denn ich musste mich um May kümmern. Ich hatte ihr aus einem Teil meines Oberteils und meiner Hosen einen improvisorischen Verband gemacht. Doch dieser war in wenigen Minuten durchgeblutet. Sie bekam Fieber und stöhnte dauernd vor Schmerzen. „Beende es, Schwesterchen. Ich bitte dich“, wiederholte sie immer wieder. Doch ich konnte es nicht. Ich konnte sie nicht von ihrem Leid erlösen. Sie war meine Schwester! Ich wiegte sie in den Armen und sagte ihr dass alles wieder gut werden würde.
Nach Stunden, war sie plötzlich still und gab kein Geräusch mehr von sich. Ich wusste dass sie gestorben war. Aber ich konnte sie nicht los lassen. Doch dann vielen mir Nick und Lina wieder ein und ich legte May auf den Boden. Dann ging ich zu dem Schutthaufen, der mich von meinen Geschwistern trennte und machte mich daran einen Durchgang freizulegen. Immer wieder rutschte Schutt nach und es dauerte Die ganze Nacht und den nächsten Tag, bis ich einen Weg freigelegt hatte. Schon vor Stunden waren sie verstummt. Ich hatte gehofft, dass sie eingeschlafen wären. Doch ich fand die beiden, sich in den Armen haltend, gegen die Wand gelehnt. Auch sie waren tot. Erstickt am Staub und dem Mangel an Luft. Denn der Hohlraum in dem sie gefangen waren hatte kein Loch in der Decke, so wie der in dem ich mit May gefangen gewesen war. Ich brachte sie nacheinander zu May hinüber und begrub alle drei mit dem Schutt, den ich zur Seite geräumt hatte, da ich keine Gräber ausheben konnte…“

Wieder stockte Elena und Deston sah, das ihr Tränen über die Wangen liefen. Doch schnell wischte sie sich über die Augen und fasste sich wieder. Dann sah sie Deston fest an.

„Ich konnte nicht weinen. Ich wusste nicht warum und hasste mich dafür. Am liebsten hätte ich Selbstmord begangen. Aber ich war nicht mutig genug dies zu tun. Naja, wer hätte das schon mit neun Jahren tun können? Ich saß drei weitere Tag in dem Hohlraum und wusste nicht was ich tun sollte. Es stank fürchterlich, da die Leichen meiner Geschwister anfingen zu verwesen. Also beschloss ich, dass ich aus diesem Raum heraus musste. Ich versuchte an den Wänden hinaufzuklettern, aber es gelang mit nicht. Der Schutt drohte zusammen zu rutschen und mich zu begraben. Also türmte den Schutt, der auf dem Boden lag unter dem Loch auf und gelangte schließlich nach einem weiteren Tag ins Freie…“

„Aber du hättest tot sein müssen. Das waren sechs Tage, die du ohne Wasser warst“, unterbrach Deston Elena. Diese lachte. „Das dachte ich auch. Aber ich verspürte weder Durst noch Hunger. Erst als ich einen kleinen Bach sah, der durch die Trümmer lief fiel mir ein das ich schon lange nichts mehr getrunken hatte und trank etwas.“ „Eine Frage, wie bist du jetzt zu einer Fim geworden?“, wollte Deston wissen. „Wenn sie mich weiter erzählen lasse, erfahren sie es gleich“, meinte Elena und legte den Kopf etwas schief. Deston nickte.

„Ich streifte eine ganze Weile durch die Trümmer ohne auf einen Menschen zu stoßen. Wenn ich mich daran erinnerte, dass ich etwas Trinken musste, trank ich. Aber zu essen fand ich nichts und ich verspürte auch keinen Hunger. Das kam mir komisch vor. Aber ich auch froh darüber. Denn in den Trümmern fand man nichts Essbares und mit Hunger hätte ich noch weniger klar denken können. Nach einer Woche bemerkte ich, dass ich mich veränderte. Als erstes merkte ich es daran, das mir der Staub, welcher überall in der Luft hing, nichts mehr ausmachte. Dann sah ich manchmal meine Umgebung mit einer anderen Sicht. Es schien so, als ob sich durch alles schimmernde Adern zogen. Ich begriff nicht, was das bedeutete. Dann spürte ich etwas in mir, das ich nicht kannte. Etwas das wie warmes Wasser durch meinen gesamten Körper floss. Ich empfand es als angenehm, denn ich fror nicht mehr.
Nach einer weiteren Woche sah ich einen Mann, der auf den Trümmern stand und mich beobachtete. Ich starrte ihn fasziniert an, denn ich konnte die Blutadern in seinem Körper erkennen und einen weiteren Kreislauf, von dem ich nicht wusste was es war. Der Mann kam auf mich zu und spürte eine Gefahr, die von ihm ausging. In seinen Augen erkannte ich einen Hunger den er schon lange nicht mehr gestillt hatte. Ich drehte mich um und rannte vor ihm davon, doch da spürte ich einen stechenden Schmerz im Rücken und fiel hin. Blitzschnell war der Mann über mir und drückte mir ein Messer an die Kehle. „Sei schön brav, meine Kleine, dann passiert dir auch nichts“, sagte er und grinste schmierig. Ich wusste nicht was ich tun sollte, also gehorchte ich und hörte auf mich zu wehren. Ja, er tat genau das, was sie denken und hören sie auf mich so mitleidig anzusehen!
Ich nahm es hin, was hatte ich auch für eine andere Wahl? Nachdem er…fertig war ließ er mich einfach liegen. Ich kann ihnen nicht sagen, wie lange ich dort lag. Ich hatte Angst dass er mir weh tut, wenn ich mich bewegen würde. Als es Abend wurde traute ich mich dann doch aufzustehen.
Schließlich musste ich mir einen Unterschlupf für die Nacht suchen. Ich fand Schutz zwischen den Trümmern, aber ich konnte nicht schlafen. Ich fürchtete dass der Mann mich noch einmal finden würde. Am nächsten Morgen machte ich mich wieder auf den Weg.
Nach einer Weile spürte ich, dass ich beobachtet wurde. Ich ließ es mir nicht anmerken und ging einfach weiter. Gegen Mittag legte ich eine Pause ein. Ich hörte Schritte hinter mir. Sie waren schwer und mussten einem Mann gehören. Doch nicht dem gleichen, von vor einem Tag, denn dieser lief gleichmäßig. Der andere hatte ein Bein etwas hinterhergezogen. Mir kam es seltsam vor, dass mir so etwas auffiel. Außerdem hörte ich ihn sogar atmen. „Willst du mir auch wehtun?“, fragte ich mit fester Stimme. „Das hatte ich nicht vor“, entgegnete er und seine Stimme jagte mir einen Schauer durch den Körper. Er ging hinter mir in die Hocke und legte eine Hand auf meine Schulter. Wahrscheinlich spürte er wie ich zitterte und nahm sie wieder runter. „Wo sind deine Eltern?“ „Tot.“ „Hast du Geschwister?“ „Tot.“ Er seufzte. „Ich bin Daron und wie heißt du?“, wollte er schließlich wissen. „Elena.“ „Also Elena, ich kann dir nicht garantieren dass du es bei mir besser hast als wenn du alleine unterwegs bist. Aber wenn du willst, dann kannst du mit mir kommen“, bot er an. Ich drehte mich zu ihm um und musterte ihn. Er hatte Schulterlange rote Haare und eine Narbe, die sich über sein linkes Auge zog. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen und er wirkte wirklich nett. „Du würdest mich mitnehmen?“ Ich sah ihn hoffnungsvoll an. Daron nickte und stand auf. Er hielt mir eine Hand hin und ich ergriff sie nach kurzem Zögern. Wir liefen über Trümmer und vorbei an Gebäuden, von denen nur noch der Grundriss stand. Ich wollte ihm so viele Fragen stellen, doch Daron meinte immer: „Nicht hier. Es ist nicht der richtige Ort. Wir müssen uns beeilen.“
Nach einer Weile hatte ich das Gefühl wir würden im Kreis laufen und sah ihn fragend an. „Du hast recht. Aber lass mich es die erklären, wenn wir bei meinem Unterschlupf sind“, war seine knappe Antwort auf meinen Blick.
Bis es anfing zu dämmern waren wir schon fünf mal an den gleichen Häuserruinen vorbeigelaufen. Jedoch immer aus einer anderen Richtung. Als es endlich dunkel wurde und ich mich langsam zwingen musste einen Fuß vor den anderen zu setzen blieb Daron vor einem Schutthaufen stehen. „Da wären wir.“ Ich sah ihn ungläubig an. „Das soll dein Unterschlupf sein? Du machst Witze.“ Doch er schüttelte den Kopf. „Komm, bevor uns jemand sieht.“ Er ergriff wieder meine Hand und zog mich auf den Schutthaufen zu. Dabei murmelte er etwas dass ich nicht verstehen konnte. Ich dachte dass er verrückt sei und wir beide gegen den Haufen und die Messerscharfen Drähte laufen würden. Doch nichts der Gleichen geschah. Ich hatte die Augen geschlossen und spürte nur einen kurzen Druck auf meinen Körper, dann war es plötzlich angenehm warm um mich herum. Ich öffnete die Augen wieder und sah dass ich in einer Art Höhle stand. Hinter mir war der Weg mit Schutt versperrt. Wie also war ich dort hinein gekommen? Daron stand neben mir und lächelte mich an. „Fühl dich wie zu Hause“, meinte er und setzte sich auf eine Stelle am Boden, die mit Gras, Moos und anderen weichen Naturmaterialien bedeckt war. „Feuer“, sagte er und sah auf eine verbrannte Stelle vor ihm. Ich wollte ihm schon sagen dass ich ein Feuer machen konnte, aber nichts dazu hatte da hier keine Stöcke lagen. Doch da loderte eine Flamme mitten in der Höhle auf und warf tanzende Schatten an die Wand. „Wie hast du das gemacht?“, wollte ich wissen und starrte ihn an. „Bist du ein Zauberer?“ Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Sozusagen. Obwohl mir die Bezeichnung Magier besser gefällt. Komm setzt dich zu mir. Du musst keine Angst haben.“ Ich hob den Kopf und sah ihn fest an. „Ich habe keine Angst.“ Das entsprach der Wahrheit. Ich hatte schon immer gewusst dass es Zauberer, oder Magier, gab. Aber mir hat nie einer geglaubt. Also setzte ich mich neben Daron und sah in das Feuer. „Soll ich dir etwas verraten?“, fragte er nach ein paar Minuten. Ich nickte. „Du kannst das auch, wenn du übst.“ Begeisterung stieg in mir auf. Ich konnte eine Magierin werden. „Wie? Was muss ich üben?“, wollte ich wissen, wo bei sich meine Stimme fast überschlug…“

„Magierin? Pah! Monster seid ihr, mehr nicht. Bringt alles und jeden um, der euch in die Quere kommt“, fauchte Professor Mask und kam einen Schritt auf sie zu. „Ich habe getötet, weil ich es musste, nicht weil ich es wollte“, meinte Elena gelassen. Das schien den Professor noch wütender zu machen. „Du hast selbst die Morde gestanden!“ Elena schnaubte und sah ihn verächtlich an. „Was hatte ich für eine Wahl? Wie lange hätten sie gebraucht bis sie gestanden hätten, wenn man sie…“ „Halt`s Maul!“ Elenas Kopf flog zur Seite und knallte gegen die Wand hinter ihr. Mask hatte ihr eine Ohrfeige verpasst.
„Aufhören!“, erklang Destons Stimme. Elena biss die Zähne zusammen und ballte die Fäuste. Sie war oft geschlagen worden. Die meisten blauen Flecken hatte sie von Mask. Aber das kam erst später in ihrer Geschichte und sie wollte das Lisa Deston alles erfuhr. „Wenn sie noch einmal Hand an sie legen, dann lass ich sie verhaften, ist das klar Professor?!“, sagte Deston und ihre Stimme ließ keine Einwände zu. „Unter welchen Umständen hast du gestanden?“, fragte sie schließlich, mit einfühlsamer Stimme, an Elena gewandt. Doch diese schüttelte den Kopf. „Lassen sie mich weitererzählen und sie erfahren es.“
Mit einem vernichtenden Seitenblick auf Mask nickte Deston. „Dann erzähl weiter.“

„Daron erklärte mir, dass ich zuerst einen Einklang mit Körper und Geist brauchte um meine Kraft so zu kontrollieren, wie ich es brauchte. Die nächsten Tage gingen wir nur aus der Höhle heraus, wenn es unbedingt notwendig war. Denn einmal draußen mussten wir warten bis es dunkel wurde um wieder dorthin zurück zu kehren. Ich verstand nicht wieso. Aber jedes mal wenn ich Daron danach fragte, wich er aus und so gab ich es auf zu fragen.
In der Abgeschiedenheit der Höhle lehrte er mich „Die Balance zwischen Körper und Geist“ oder „Statera inter corpus et animum“ wie er es nannte. Überhaupt beschrieb er Übungen oft in Latein. Ich merkte mir ein Teil der Wörter, aber nicht alles. Jeden Tag musste ich mit gekreuzten Beinen auf dem harten Boden sitzen und durfte mich von nichts was er tat aus der Ruhe bringen lassen. Das war schwer, denn Daron konnte so nervig sein wie eine Fliege, die sich nachts in dein Zimmer verirrt hatte. Mehr als einmal war ich kurz davor auszuflippen, doch immer wenn ich mich anders bewegte, wie ich sollte, gab er mir einen Klaps auf den Hinterkopf und meinte: „Retrahitur!“ Was so viel wie Konzentration bedeutet.
Ich fragte ihn einmal, warum er so viel auf lateinisch redete und er meinte nur, es sei hilfreich wenn deine Gegner den Zauber nicht erkennen. Und da lateinisch eine fast ausgestorbene Sprache wäre, würde sie keiner verstehen. Also gab er mir auch noch Unterricht in Lateinisch. Aber viel habe ich davon nicht behalten.
Nach einer Zeit fing er an „filia“(Tochter) zu mir zu sagen. Ich wusste nicht, was das hieß aber ich fand es schön.
Wir lebten zwei Jahre in der Höhle und ich fing wieder an zu leben. Ich aß jeden dritten oder vierten Tag, denn früher hatte ich weder Hunger noch Durst. Ich hatte jemanden gefunden, der wie ein großer Bruder, Vater und guter Freund zu gleich war. Außerdem hatte ich wieder etwas, wofür ich leben wollte. Ich wollte die beste Magierin werden, die je auf Erden gelebt hat. Es gab nur etwas, dass ich aus meinem früheren Leben gerne mitgenommen hätte und das waren die Spaziergänge im Wald. Ich vermisste den Geruch der Bäume und das Geräusch, wenn der Wind durch die Blätter wehte.
Daron trainierte jeden Tag mit mir. Ob in der Höhle, oder draußen war egal.
Und dann sah ich sie zum ersten mal. Es war an einem Tag im Sommer, Daron und ich hatten einen Platz im zerstörten Park gefunden auf dem wir trainieren konnten, als plötzlich gab es einen Knall. Fast gleichzeitig zerriss mein Schmerzensschrei die Luft und ich sackte zusammen. Ich drückte beide Hände auf mein Schienbein, noch bevor ich das Blut sah welches daraus hervor quoll. „W…was ist los? Was war das?“, fragte ich und sah mich hysterisch um. Daron kam zu mir gerannt und hob mich hoch. „Sie haben uns gefunden.“ Ich wollte wissen wer uns gefunden hatte, aber da sah ich eine Gestalt auf einer großen Betonplatte knien. Es war ein Mann und er war angezogen wie ein Soldat. Ich sah noch, wie er sein Gewehr wieder anlegte, dann wurde ich ohnmächtig.
Ich erwachte erst wieder in unserer Höhle. Daron hatte einen Eimer mit Wasser neben mich gestellt und reinigte gerade die Wunde an meinem Bein. „Wer…war das?“, wollte ich wissen und war selbst überrascht, wie leise meine Stimme klang. „Elena schön, dass du wieder wach bist“, meinte Daron und hielt in seinem Tun inne. Er klang erleichtert aber gleichzeitig auch besorgt. „Wer war das?“, wiederholte ich. Ich hörte wie er tief Luft holte. „Das war ein Soldat.“ Ich schnaubte. „Das habe ich selbst gesehen, warum hat er auf mich geschossen?“ „Weil du bist wie ich, weil wir anders sind, weil sie nicht verstehen, warum wir solche Kräfte haben, weil sie mir alles nehmen wollen, was ich versuche zu beschützen. Such dir etwas aus.“
Plötzlich wurde mir klar, dass ich rein gar nichts von Daron wusste. Das einzige was er mir erzählt hatte, war dass er auch in der Nähe des Labors war als dieses Explodierte. „Wer bist du?“, wollte ich wissen. Was offensichtlich ein Fehler war. Er balle die Hand zur Faust und sah zur Seite. „Entschuldige…ich hätte nicht fragen sollen.“ „Doch, du hast ein Recht darauf es zu erfahren“, meinte Daron und widmete sich wieder meiner Wunde. „Ich war einer der Leiter dieses geheimen Labors. Ich war an der Entwicklung des Giftes beteilig und als das Labor in die Luft flog, überlebte ich als einziger wie durch ein Wunder. Als ich aus meiner Ohnmacht erwachte, suchte ich als erstes ein paar Tests zwischen den Trümmern und fand auch welche. Ich teste mich und stellte fest dass mein Körper sich, trotz dem Kontakt mit dem Gift, nicht verändert hatte. Doch nach ein paar Stunden fing ich an diese Adern zu sehen, welche sich über alles zogen wie ein Spinnennetz. Ich wusste, dass es Energie war, die ich da sah und dass ich diese Energie kontrollieren konnte.
Dann fing der Krieg an und ich merkte, dass ich meine neu gewonnen Kräfte zum Kämpfen gebrauchen konnte. Ich ging zur Armee, doch die anderen begriffen schnell, dass ich nicht war wie sie. Dann brachte ich unseren Kommandanten bei einer Schlägerei mit Hilfe der Magie um. Seit dem suchen mich die Soldaten, mich und alle anderen, die auch diese Kräfte haben.“ Er verstummte und starrte auf mein Bein. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Er war der erste Magier, wegen ihm wurden wir verfolgt. Aber er hatte es nicht verdient, dass ich ihn verurteilte. Er hatte mich aufgenommen, mich Kontrolle gelehrt und mich so weit gebracht, wie ich zu dieser Zeit nur kommen konnte. Ein Schweigen entstand, dass mir zunehmend peinlicher wurde. „Willst du nichts dazu sagen?“, fragte Daron und sah von meinem Bein auf. Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Ich überlegte, was ich dazu sagen konnte. Schließlich meinte ich: „Du hast getan, was du tun musstest. Es war deine Entscheidung, wie könnte ich dich verurteilen?“ Ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Du bist noch so jung und doch schon so erwachen, meine filia.“ Ich wollte etwas entgegen, doch seine Aufmerksamkeit lag schon wieder auf meinem Bein. „Heile“, murmelte er und ein brennen ging durch mein Bein, welches mich Schmerzvoll keuchen ließ. Ich spürte wie meine Muskeln und Sehen wieder zusammenwuchsen und das Loch in meinem Schienbein sich von selbst schloss. Ich sah auf meine Bein und beobachtete, wie sich die Haut über der Wunde schloss und nur eine runde Narbe zurück blieb…“


Kalpitel 2.



„Das heißt du kannst Wunden heilen?“, fragte Agent Deston neugierig. Elena nickte. „Ja und nicht nur das. Ich kann durch kleine Anstöße ein stehengebliebenes Herz wieder zum Schlagen bringen“, erklärte sie. „Das ist…wunderbar! Du könntest so vielen Menschen das Leben damit retten!“ „Aber auch zerstören. Sag ihr doch mal, wie du meine Mitarbeiter getötet hast F720“, stichelte Professor Mask. „Nicht mit einem Herzstillstand“, erwiderte Elena mit einem kalten Lächeln. „Alles zu seiner Zeit. Sie erfährt es, keine Angst und sie erfährt auch warum.“ Ihre grünen Augen waren so kalt das es Deston fröstelte, obwohl Elena nicht sie sondern den Professor ansah. Dann sah Elena wieder nach vorne und ihre Augen starrten wieder in die Ferne, wie schon die ganze Zeit in der sie erzählte.

„Nach diesem Vorfall sahen wir den Soldaten öfter, aber immer ohne Gewehr. Daron wurde zunehmend nervöser und ich musste ihn des Öfteren an seine „Retrahitur“ erinnern. Doch diese Nervosität legte sich mit der Zeit wieder und auch den Soldaten bekamen wir nicht mehr so oft zu Gesicht. Was nicht hieß, das er verschwunden war. Er achtete nur mehr darauf sich zu verstecken.
Es dauerte ein weiteres Jahr, bis wir ihn wieder sahen. In diesem Jahr hatte ich einiges gelernt. Ich konnte mit meiner Magie angreifen und mich verteidigen. Ich konnte Dinge schweben und sich verändern lassen, wie ich es wollte. Außerdem hatten sich meine Sinne geschärft und ich nahm alles viel genauer, viel schneller wahr. Ja ich übertraf sogar Darons Fähigkeiten in einigen Punkten.
An meinem Geburtstag, dem 11.4. hatte Daron mich früh geweckt und mir dann die Augen verbunden. Er führte mich durch die Trümmer und ich konnte an dem auf und ab erkennen, dass wir auf dem Weg zum Stadtrand waren. Ich war seit dem Krieg nicht mehr außerhalb der Stadt gewesen und hatte auch irgendwie Angst davor. Doch Daron versicherte mir, dass es mir gefallen würde.
Wir nahmen einen Weg, den ich nicht kannte und blieben erst nach fast einer Stunde stehen.
„Setzt dich und sag mir, was du spürst“, meinte Daron und drückte auf meine Schulter. Ich tat was er sagte und setzte mich mit gekreuzten Beinen hin. Sofort bemerkte ich, dass ich auf weichem Gras saß. Wo hatte er mich hingebracht? Ich konzentrierte mich auf meine Umgebung und musste meine Neugier zurückhalten. Ich konnte die Augenblinde so verändern, dass ich hindurchsehen konnte. Doch das war nicht Teil der Übung und es würde meine Fähigkeiten nicht fördern.
Ich nahm Lebewesen war, Lebewesen die ich so noch nicht gespürt hatte. Das Gras, die Energie der Luft, die allgegenwertige Anwesenheit von Trümmern, Daron der hinter mir stand…das alles kannte ich. Aber diese Energie war mir völlig fremd. Sie war nicht zum größten Teil am Boden, so wie alles andere was ich bis jetzt gespürt hatte, sondern ragte in den Himmel fast wie Hochhäuser. Da viel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich erkannte den Geruch, der von diesen Energiequellen ausströmte. Ich erkannte auch das Geräusch, als plötzlich Wind aufkam. „Bäume!“, stieß ich hervor und riss mir die Augenbinde herunter. Tatsächlich ragte vor mir ein Wald in die Höhe. Ohne Vorwarnung sprang ich Daron an den Hals und umarmte ihn stürmisch. Zu stürmisch, denn er fiel hin und zog mich mit. „Danke, dass ist das beste Geschenk, welches ich je gekriegt habe!“, meinte ich lachend und setzte mich auf seine Brust. „Gerne. Freut mich, dass es dir gefällt.“ Er grinste mich an und holte tief Luft. „Du wirst langsam zu schwer für so was.“ Ich lachte noch mehr. „Nein, du wirst einfach schwächer.“ Daron stimmte in mein Lachen mit ein. Da knallte es plötzlich wieder, so wie vor einem Jahr, als ich angeschossen wurde. Ich zuckte zusammen und kniff die Augen zu, in der Erwartung eines Schmerzes. Doch ich spürte nichts. Als ich die Augen wieder öffnete, blieb mein Herz für eine Sekunde stehen. Ich starrte auf Daron, dessen Augen mich Blicklos ansahen. In seiner Schläfe klaffte ein Loch, aus dem Blut floss. „Nein…Daron…nicht!“, war alles was ich heraus brachte. Ich legte eine zitternde Hand an seine Schläfe und murmelte: „Heile.“ Die Wunde schloss sich in Sekunden schnelle, doch Darons Augen starrten weiter Blicklos in meine. Ich spürte wie mit Tränen über die Wangen liefen. Ich konnte es nicht glauben. Er war tot. Eben hatte er noch mit mir gelacht und jetzt war er tot.
Auf meine Trauer folgte Wut und Hass, auf den Soldaten der mir und Daron das angetan hatte. Ich sah mich um, entdeckte ihn auf einem großen Trümmerhaufen ganz in der Nähe. Er lag auf dem Bauch und sah zu uns herüber. Ohne zu überlegen rannte ich auf ihn zu, ignorierte die Schusswunden welcher er mir zufügte und stand in Sekundenschnelle vor ihm. Ich sah ihn hasserfüllt an, so hasserfüllt, dass er zurückwich. „Gewehr!“ Das Gewehr flog durch die Luft und zersprang an einer Wand. „Breche!“ Ich sah auf seinen Arm, als ich dies sagte und er brach. Danach brach ich ihm sein Bein, den anderen Arm, das zweite Bein. Schon dachte ich: „Jetzt ist sein Genick an der Reihe“, als ich mich eines besseren belehrte. Er sollte noch mehr leiden. Ich sah ihm in die Augen, die angsterfüllt zu mir hinauf blickte. Ich legte den Kopf schief und sagte: „Luft.“ Der Soldat riss die Augen auf, als er erkannte was dieses Wort verursachen würde. Er schnappte nach Luft, legte die Hände an seinen Hals und zappelte mit den Beinen. Ich ließ ihn leiden. Leiden für Daron, meine Familie und alle anderen, die gestorben waren. Doch es brachte mir keine Genugtuung und ich erstickte ihn endgültig.
Danach war ich wie in Trance. Ich lief zu Daron zurück und setzte mich neben ihn, hoffte dass er gleich aufstand und mich wieder mit zur Höhle nahm. Doch das passierte nicht.
So hatte ich mit zwölf Jahren den einzigen Menschen sterben sehen dem ich, seit meine Familie tot war, vertraut hatte. Wieder wünschte ich mir, stark genug zu sein mich selbst zu töten und wieder hatte ich nicht den Mut dazu…“

Ein weiteres Mal stockte Elena und diesmal liefen ihr die Tränen über die Wangen. „Es…tut mir leid“, flüsterte Deston. Doch Elena lachte auf und wischte sich die Tränen weg. „Ich brauche kein Mitleid, von niemandem.“ Sie holte tief Luft und fuhr fort.

„Ich weinte fast eine Stunde, doch dann dachte ich mir das Daron das nicht gewollte hätte. Ich wischte mir die Tränen ab und stand auf. Ich sah ausdruckslos auf Daron hinunter. Das Energienetzt auf seinem Körper war verschwunden. Es war eindeutig, dass er tot war. „Hoch“, flüsterte ich und machte eine Bewegung mit der Hand. Darons Körper hob wenige Zentimeter vom Boden ab und schwebte neben mir her, als ich auf den Wald zu lief. Ich wählte eine große Eiche aus, die am Waldrand stand und hob mit meiner Magie ein Grab aus. Dann ließ ich Daron hineinsinken. Ich pflückte ein paar Blumen, die auf der Wiese standen und legte sie auf seine Brust, dann schloss ich das Grab. Ein flacher Stein diente als Grabstein. Ich veränderte ihn so, dass Daron darauf stand.
Danach drehte ich mich um und ging auf die Stadt zu. Seit dem war ich nie wieder an seinem Grab. Ich brachte es nicht über mich wieder dorthin zurück zu kehren.
Ich ging zu der Höhle und legte mich auf mein Bett aus Moos und Gras. Stundenlang starrte ich zur Deckte. Gegen Abend hörte ich Stimmen von draußen. Ich hob den Kopf und veränderte mit einem gemurmelten „Sicht“ die Struktur des Schuttes so dass ich hinaus sehen konnte. Um mein Versteck schlichen Soldaten. Ich sah zehn von ihnen, aber mein Gehör verriet mir das es mindestens fünfzehn sein mussten.
Sie stocherten in den Trümmern herum, räumten große Geröllhaufen zu Seite und sahen in jede Spalte. Früher oder Später würden sie auch mein Versteck entdecken. Ich sank zurück auf mein Bett und schloss die Augen.
Fünfzehn bis an die Zähne bewaffnete Soldaten. Dazu kam noch, dass ich einen Teil meiner Magie verbraucht hatte, als ich dieses Arschloch tötete. Sieben von ihnen konnte ich vielleicht noch besiegen. Aber dann würde ich meine ganze Energie verbrauchen und Ohnmächtig werden. Also beschloss ich auf den passenden Moment zu warten und dann von hier zu verschwinden.
Es dauerte noch ein paar Minuten, bis sich alle Soldaten von meinem Versteck abgewandt hatten. Ich sprang auf und rannte los. Kurz spürte ich den Druck des Schuttes, als ich durch ihn hindurch rannte. Dann schlug mir ein kühler Wind entgegen und ich flitzte, wie von einer Tarantel gestochen, auf die Häuserruinen zu.
Hinter mir wurden Rufe laut. „Da ist sie!“ „Schnell! Sie entwischt uns!“ Ich achtete nicht darauf und rannte einfach weiter. Ich hörte Schüsse, wurde aber von keiner Kugel getroffen. Endlich erreichte ich die Häuser und sprang durch ein Loch in einer Wand. Ich landete in einem Zimmer, das einigermaßen Intakt war. Schnell duckte ich mich hinter einen Geröllhaufen und beobachtete das Loch, durch welches ich herein gekommen war. Ich war so abgelenkt, dass ich den Soldaten nicht bemerkte, der sich von hinten an mich heran schlich. Plötzlich explodierte ein höllischer Schmerz in meinem Hinterkopf und ich verlor das Bewusstsein.

Ich wusste nicht, wie lange ich Ohnmächtig gewesen war. Aber als ich wieder wach wurde tat mir der Kopf höllisch weh. Ich strich mit einer Hand über meinen Hinterkopf und spürte Blutverkrustete Haare.
Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich in einem Anhänger saß. Meine Füße waren an Eisenstangen am Boden gekettet und meine Hände an den Wänden des Anhängers. Probeweise zog ich an den Ketten, doch diese gaben nicht nach. „Scheiße, lasst mich hier raus!“, schrie ich und trat gegen einen Wasserkanister der in meiner Nähe stand. Der Kanister kippte zur Seite und rutschte ein Stück über den Boden bevor er gegen die Wand stieß.
„Du kleiner Wildfang“, erklang eine tiefe, brummende Stimmer hinter mir. Ruckartig drehte ich mich um und erkannte den Soldaten, der mich niedergeschlagen hatte. Er hatte den gleichen Helm auf, so konnte ich sein Gesicht nicht erkennen. Durch sein T-Shirt sah man der er durchtrainiert war und auch schon etlich Kämpfe ausgetragen hatte. Seine Arme waren vollkommen mit Narben überzogen. „Wir hatten noch ganz schön zu kämpfen, bis wir dich im Anhänger hatten. Du hast einen Teil von uns schwer verletzt.“ „Das tut mir aber leid“, meinte ich sarkastisch und wand den Blick ab. Wenigstens hatten sie mich nicht kampflos gefangen nehmen können. Auch wenn ich mich nicht daran erinnerte was ich getan hatte. „Es wird Zeit“, meinte der Soldat plötzlich und kam auf mich zu. Ich verengte die Augen zu schlitzen und sah ihn bedrohlich an. „Für was?“ „Ich muss die Blut abnehmen und untersuchen. Halt still.“ Er zog eine Spritze aus einer seiner Hosentaschen und ging neben mir in die Hocke. Ich hatte jedoch nicht vor mich einfach so zu ergeben. Nein, mein Blut würde er nur bekommen wenn er mich wieder nieder schlug. Ein schneller Tritt gegen seine Wade brachte ihn zu fall. Die Spritze rollte über den Boden des Anhängers und fiel auf die Straße. „Du kleine…“ Er packte mich am Hals und drückte mich an der Wand hoch. „Wehe du machst das noch einmal“, zischte er. Ich sah ihm trotzig in die Augen. Er ließ mich los und ich rutsche an der Wand hinunter. Dann drückte er mir sein Knie in den Bauch und einen Arm gegen den Hals. „Mach keinen Fehler. Ich habe zwar den Befehl dich leben zum Labor zu bringen, aber ich habe es nicht so mit Befehlen“, erklärte er und zog eine weitere Spritze aus seiner Hosentasche. Doch ich zog den Arm weg. Wenn ich ihn genug provozierte, würde er vielleicht das tun wofür ich nicht stark genug war. Vielleicht würde er mich töten. Doch diese Hoffnung verrauchte, als er sich mit seinem ganzen Gewicht gegen mich lehnte und meinen Arm hinter meinem Rücken hervor zog. Ein kurzes Stechen, gefolgt von einem ziehenden Schmerz, verriet mir dass er mir Blutabnahm.
Dann wurde das Gewicht weniger und ich bekam auch wieder Luft. „Ich mag Wildfänge, auch wenn ich bis jetzt nur mit Jungs zu tun hatte, die sich so wehrten“, sagte der Soldat und ging wieder zu seinem Platz zurück. Ich beobachtete ihn genau, da ich mir nicht sicher war was er als nächstes vorhatte. Er setzte sich auf einen provisorischen Hocker und gab ein Tropfen meines Blutes auf eine kleine Glasplatte. Diese schob er in ein handgroßes, graues Kästchen. „So mal sehen was dein Fim-Wert so spricht“, murmelte er mehr zu sich, als zu mir. Ich sah in verwirrt an. Fim-Wert? Was sollte das für ein Wert sein. Ich wusste, dass man verschiedene Blutwerte bestimmen konnte, doch dieser eine war mir noch nie zu Ohren gekommen. Nach wenigen Sekunden gab das Kästchen ein Piepen von sich und der Soldat sog scharf die Luft ein. „Das…ist unmöglich“, flüsterte er und drückte auf ein paar Knöpfe an dem Ding. Wieder piepte es. „Das gibt es doch nicht.“ Er wand mir den Blick zu und starrte mich an. Ich erwiderte seinen Blick trotzig, bis er seinen senkte. „Einen so hohen Wert habe ich noch nie gesehen. Noch nicht einmal bei Daron“, sagte er und sah wieder auf das Kästchen.
Die Erwähnung von Darons Namen machte mich wütend. Keiner dieser Ärsche durfte seinen Namen in den Mund nehmen. Sie waren schuld an seinem Tod. Sie hatten ihn auf dem Gewissen. „Du hast nicht das Recht seinen Namen auszusprechen!“, blaffte ich den Soldaten an und wollte aufspringen, doch die Ketten hinderten mich daran. Ich riss an den Ketten und versuchte sie irgendwie los zu werden. Doch nichts half.
Der Gesichtsausdruck des Soldaten hellte sich auf. „Du scheinst ihn gemocht zu haben. Soll ich dir mal etwas über deinen Daron erzählen?“ „Nein, ich will nichts hören. Du kanntest ihn doch gar nicht!“, schrie ich ihn an. Doch das schien ihn nur noch mehr zu belustigen. „Dein Daron war ein Mörder.“ „Nein!“ „Doch! Er hat Menschen getötet, nur um dieses Gift zu entwickeln. Er ist ein verdammter Mörder und hatten den Tod verdient!“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein…“ Ich wollte es nicht glauben. Ich konnte es nicht glauben. Daron hätte nie jemanden getötet, wenn er es nicht unbedingt gemusst hatte. „Glaub es, oder lass es. Fest steht das er viele Menschen auf dem Gewissen hatte“, meinte der Soldat und wand sich von mir ab.
Ich schüttelte den Kopf und spürte wie mir Tränen in die Augen stiegen. Konnte es wirklich wahr sein? Konnte Daron wirklich Menschen getötet haben? Wieder schüttelte ich den Kopf. Aber ja, er hätte es tun können. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so kalt werden konnte wie er. Beim Training hatte er nicht mit der Wimper gezuckt, auch nicht wenn er mich dadurch verletzte. Lieber heilte er danach die Wunden, als mich beim zu schonen. Ich spürte, dass der Soldat mich beobachtete und schluckte meine Tränen hinunter. „Interessant“, murmelte er. „Wie heißt du?“ Ich sah ihn verwundert an. „Elena und du?“ Er schien einen Moment zu überlegen, ob er mir seinen Namen nennen sollte. Entschied sich dann aber dafür. „Ich heiße Mike.“ „Sag bloß du freundest dich mit einer Gefangenen an?“, erklang plötzlich eine fremde Stimme. Ich sah zur Plane, die den hinteren Teil des Anhängers verdeckte. An einer Ecke hob ein Mann, mit kurzen braunen Haaren die Plane hoch und sah Mike und mich an. „Du weißt, dass die gefährlich sind“, meinte der Mann und sah mich bösartig an. „Ich habe mich nur unterhalten. Außerdem, was fällt dir ein mich belehren zu wollen? Ich bin der Rang höhere von uns beiden“, sagte Mike gereizt. Der andere Soldat neigte in gespielter Demut den Kopf. „Tut mir leid Sir. Aber der Sergeant verlangt nach dem Arsch, der die Idee hatte die Kleine niederzuschlagen.“ Mit diesen Worten und einem dreckigen Grinsen im Gesicht verschwand der Soldat wieder.
Mike stieß genervt die Luft aus und stand auf. „Versuch dich ruhig zu verhalten und mach keine Dummheiten, dann passiert dir auch nichts“, murmelte er, als er an mir vorbei lief und aus dem fahrenden Wagen sprang.
Ich lachte leise. Wenn er wirklich glaubte, ich würde weiter hier herum sitzen und Däumchen drehen, dann hatte er sich geschnitten. Ich versicherte mich, dass kein anderer Soldat in der Nähe war, dann konzentrierte ich mich auf die Ketten an meinen Handgelenken. Metall hatte ich noch nie beeinflusst, deshalb musste ich mich erst einmal mit der Energie vertraut machen. Langsam erkannte ich die Struktur des Energienetzes und begann es zu verändern. In Zeitlupe bogen sich die breiten Metallreifen an meinen Handgelenken auf, bis ich meine Hände heraus ziehen konnte. Das gleiche tat ich bei meinen Fußfesseln. Dann stand ich schwankend auf. Das Metall zu verändern hatte mich mehr Energie gekostete, als ich gedacht hatte. Wankend ging ich zu der Plane. Ich wusste nicht wie viele Soldaten da draußen waren. Aber es war mir auch egal. Ich wollte hier weg, gleich wie viele von ihnen ich töten musste. Ich holte tief Luft und sprang aus dem fahrenden Wagen. Sobald meine Füße den Boden berührt hatten, rannte ich los. Ich stieß Soldaten zur Seite und setzte meine Kraft gegen sie ein. Noch hatte ich keinen getötet, ich würde es wenn ich müsste.
Ich hörte einen Schuss und spürte fast zeitgleich einen Schmerz im rechten Arm. Mein Blick wanderte zu der Wunde und ich sah, dass ein Loch in meinem Oberarm klaffte. „Scheiße“, murmelte ich und lief weiter. So gut es ging ignorierte ich die Schmerzen. Die Soldaten um mich herum griffen nach mir, hielten mich fest. Dann fiel noch ein Schuss, der mich am Bein traf und ich fiel in den Staub. Die umstehenden Männer lachten. Ich wollte mich aufrappeln doch ein Tritt, der mich zwischen die Schulterblätter traf, hinderte mich daran. Mir blieb einige Sekunden die Luft weg und rote Punkte tanzten vor meinen Augen. Da trat jemand auf meine Handgelenke und hielt mich so am Boden fest. „Wenn das nicht die Kleine ist, die Noel getötet hat“, erklang eine Stimme über mir und ich drehte den Kopf. Der Soldat, welcher Mike zum Sargent geschickt hatte, stand über mir und grinste mich wieder bösartig an. „Hebt sie hoch“, befahl er den beiden, die mich am Boden fest hielten. Diese packten mich unter den Armen und zogen mich auf die Beine. Ich sog scharf die Luft ein, als die Schmerzen in meinem Arm schlimmer wurden. „Wir können es nicht leiden wenn einer von uns ermordet wird“, meinte der Soldat vor mir und legte die Hand an mein Kinn. So zwang er mich ihn anzusehen. Dann näherte er sich meinem Ohr. „Weißt du was wir mit Mördern unserer Kammeraden machen?“ Seine Stimme klang bedrohlich leise und er strich mit einem Finger über mein rechtes Auge. Ruckartig zog ich meinen Kopf zurück. „Lass mich los!“, schrie ich und trat nach ihm. Doch die beiden, die mich hielten, drückten mich auf die Knie. Irgendwo her hatte der Soldat vor mir eine Fackel bekommen. Sie war schon etwas abgebrannt und das Feuer war erloschen. Doch der Stumpf glühte immer noch. „Ach übrigens, mein Name ist John“, meinte der Soldat und drückte mir die Fackel ins Gesicht.
Ich schrie und wand mich, als der glühende Stumpf meine Haut berührte. Die Soldaten hielten meinen Kopf fest, so dass ich ihn nicht wegdrehen konnte. Meine Schreie gingen im Lachen der Umstehenden unter. Ich kniff die Augen zusammen, damit sie nicht verbrannt wurden. Mein ganzer Körper verkrampfte sich und ich spürte, wie die Fackel sich in mein Fleisch fraß.
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis John die Fackel aus meinem Gesicht nahm. Die Schmerzen betäubten mich und ich stand kurz vor einer Ohnmacht. So konnte ich mich nicht wehren, als meine Hände zusammen gekettet wurden. Wieder wurde ich auf die Beine gezogen und stolperte vorwärts, als John an der Kette zog. „Komm Kleine, hob, hob“, meinte er lockend, wie wenn er mit einem Hund sprechen würde. Er zog wieder an der Kette und ich war gezwungen ihm zu folgen. Nur unter großen Anstrengungen konnte ich mich auf den Beinen halten.


Kapitel 3.



John zog mich zu dem Wagen, in dem ich vorher gefangen war. Er stieg in den Anhänger und setzte sich hin. Meine Ketten machte er an einem Ring im Boden fest und zog sie an. Ich wollte auch in den Hänger steigen, doch John stieß mich zurück. Ich fiel auf den Boden und wurde mitgeschleift. Ich wollte schreien, doch der Staub ließ mich nur husten. Endlich holte mich die ersehnte Dunkelheit zu sich. Doch trotz dass ich Ohnmächtig war, bekam ich noch etwas von meiner Umgebung mit.
Ich hörte das Lachen der Männer, spürte Tritte und die Steine, welche mir den Rücken aufschlitzten.
Doch dann verlor ich endgültig das Bewusstsein.

„Du hast keine Narben“, unterbrach Deston Elena. „Was?“ Deston deutete auf ihr Gesicht. „Du sagst dieser John hätte dein Gesicht verbrannt. Aber du hast keine Narben“, erklärte sie. Elena lachte. „Du willst die Narben sehen?“ Sie zuckte mit der Schulter. „Wenn es dich glücklich macht.“ Sie fuhr mit der Hand über ihr Gesicht und ließ sie wieder sinken. Deston sah, wie das Gesicht von Elena sich veränderte. Ihre rechte Gesichtshälfte fing an zu zucken und nach wenigen Sekunden entstellte eine hässliche Narbe ihr Gesicht. Wieder trat Mitleid in Destons Blick. „Hör auf mich so anzusehen“, knurrte Elena und ließ die Narbe wieder verschwinden. „Ich mag die Narben, welche ich am ganzen Körper habe. Sie erinnern mich an das, was ich schon erlebt habe.“ Deston hob eine Augenbraue und sah sie an. „Und warum veränderst du dann dein Gesicht?“, wollte sie wissen. Elenas Blick wanderte zu Professor Mask. „Mit der Zeit habe ich gelernt dass das was mir gefällt anderen nur die Möglichkeit gibt mich zu quälen. Du musst wissen eine Verletzung fällt nicht so sehr auf, wenn man sie an einer Stelle des Körpers zufügt an der schon einmal eine war.“ Sie wand den Blick wieder Deston zu. Diese sah sie nur noch mitleidiger an. „Herr Gott! Ich bin es gewohnt Schmerzen zu ertragen. Noch einmal so ein Blick und ich werde sehen ob du das auch bist“, drohte Elena und ihre Stimme war dabei eiskalt. Professor Mask machte einen Schritt auf sie zu, doch Deston gab ihm ein Zeichen sich nicht zu bewegen. „Na schön. Erzähl weiter“, meinte sie an Elena gewandt. Diese lachte leise.

"Es dauerte vielleicht nur ein paar Minuten, oder aber Stunden, bis ich wieder zu Bewusstsein kam. Ich wurde immer noch hinter dem Wagen hergezogen, aber ich verspürte keine Schmerzen mehr. Es war, als hätte mein Körper keine Lust mehr sie wahrzunehmen. Den Soldaten war ich mittlerweile auch egal. Sie unterhielten sich und keiner schenkte mir Beachtung. In der Menge entdeckte ich Mike. Erst wollte ich ihm rufen, doch dann erinnerte ich mich daran dass auch er ein Soldat war. Ich konnte ihm nicht trauen, auch wenn ich ihn irgendwie sympathisch fand. Nach genauem Hinsehen erkannte ich, dass er eine blutverkrustete Lippe hatte, außerdem war sein linkes Auge geschwollen.
Er schien bemerkt zu haben, dass ich ihn beobachtete denn er wandte mit den Blick zu. Doch im Gegensatz zu meinem, war sein Blick eiskalt. In dem Moment wusste ich, dass meine Sympathie für ihn verflogen war. „He Leute, wir sollen die Kleine nicht töten!“, erklang plötzlich ein Ruf und ein Mann trat in mein Sichtfeld. Er hob mich am Kragen hoch und warf mich in den Anhänger. Als ich aufschlug wurde mir die Luft aus den Lungen gepresst und ich musste husten. „Hört auf mit der Scheiße! Wenn sie stirbt bekommt ihr keinen Lohn, denkt daran!“ Mit diesen Worten verschwand er wieder in der Menge. „Sei froh, dass die meisten hier auf das Geld angewiesen sind“, knurrte John und verpasste mir einen Tritt in den Magen. Tränen rannen mir über das Gesicht und keine Sekunde später bereute ich sie. Denn die Tränen brannten in der offenen Brandwunde. Ich biss die Zähne zusammen und schluckte die Tränen hinunter. „Leck mich du Arsch“, murmelte sich und sah John zornig an. Blitzschnell war er bei mir und kniete sich über mich. Er drückte meine Hände über meinem Kopf auf den Boden und sah mich grinsend an. „Bring mich nicht auf Ideen“, meinte er und leckte mir über die Wange. Ich riss den Kopf weg. Da lachte John und zwang mich ihn anzusehen. „Noch eine dumme Bemerkung Kleine und du wirst es bereuen.“ Ich nickte ängstlich, als ich plötzlich Bilder von dem Mann vor Augen hatte, den ich als erstes getroffen hatte, nach dem meine Geschwister gestorben waren. Ich wollte nicht, dass mir noch einmal jemand so weh tat wie er. Um seine Drohung zu verdeutlichen setzte sich John auf mein Becken. Ich wand mich unter ihm, doch er lachte nur. „Runter von ihr!“, knurrte plötzlich eine tiefe Stimme und John flog gegen die Anhängerwand.
Mike stand, mit dem Rücken zu mir, da und verstellte John den Weg. „Keine Angst, ich hätte dir schon noch was übrig gelassen“, meinte dieser lachend und rappelte sich auf. Mike kam mit großen Schritten auf ihn zu und schlug ihm ins Gesicht. John flog nach hinten und keuchte, als er auf dem Rücken aufschlug. „Du besitzt so viel Anstand wie ein Hund!“ Wieder lachte John und stützte sich auf die Ellbogen. „Nur wenn die Gefangene wie eine läufige Hündin aussieht.“ Mike machte noch einen Schritt auf ihn zu und zog ihn an den Haaren hoch. „Raus hier!“ Er stieß John aus dem Wagen und ließ die Plane herunter. Dann drehte er sich zu mir um. „Wehr dich, verdammt noch mal!“, knurrte er und half mir auf. Ich sah ihn verwirrt an. „Ich weiß, dass du nicht so bist wie sie uns eintrichtern. Aber zu freundlich sollte man auch nicht sein“, meinte er und setzte sich neben mich. „Was…warum…“ Ich konnte nicht klar denken. Das eben stand im kompletten Gegensatz zu dem Blick, den er mir draußen zugeworfen hatte. „Ich kann dir in Anwesenheit von andern nicht helfen. Zumindest nicht, wenn es mehr als zwei sind“, begann er. „Ich muss meine Befehle ausführen und wenn mich diese nicht her geschickt hätten, hätte John dich wahrscheinlich…“ Er brach ab und schien nach Worten zu suchen. „Ich bin nicht immer da. Das nächste mal wehr dich!“ Er stand auf und ging zum hinteren Ende des Anhängers. "Warum willst du mich beschützen?“, fragte ich und sah ihm nach. „Weil ich es versprochen habe.“ „Wem?“ Er drehte sich zum mir um. „Deinem Daron. Vor zwei Jahren hat er mein Leben gerettet. Ich wollte ihm Geld geben, ein neues Leben oder sein altes. Aber er wollte nur dass ich das Mädchen beschütze, welches wie eine Tochter für ihn war. Ich verstand nicht, warum er Angst um dich hatte. Dann kam ich zur Armee und musste Leute wie euch beide jagen. Da verstand ich warum ich ihm versprechen musste dich so gut es geht zu beschützen.“ Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Du musst aber verstehen, dass ich mich nicht gegen Befehle stellen kann.“ Unbewusst berührte er sein geschwollenes Auge und sein Lippe.
„Das verstehe ich. Ich will nicht, das anderen wegen mir etwas passiert“, erwiderte ich und senkte den Blick. „Jetzt lass mich deine Wunden versorgen“, meinte Mike und kam wieder zu mir. Ich lächelte ihn an und schüttelte den Kopf. „Nicht nötig. Das mach ich schon.“ Er sah mich verwirrt an. „Wie willst du…“ „Ganz einfach. Ich muss nur „heile“ sagen und schon schließen sich die Wunden“, erklärte ich und genau in dem Moment passierte es auch. Die Brandwunden in meinem Gesicht schlossen sich und ließen nur eine Narbe zurück. Die Schürfwunden verheilten komplett und die blauen Flecken verblassten. Mike sah mich entgeistert an. „Wie…wie hast du das gemacht?“, wollte er wissen und wich einen Schritt zurück. Ich lächelte matt. „Über jedem Lebewesen, jedem Gegenstand, jedem Ding liegt ein Energienetz. Durch das Gift, welches bei der Explosion des Labors freigesetzt wurde, habe ich die Fähigkeit bekommen dieses Netz zu sehen. Das Gift war kein Gift im eigentlichen Sinne. Es brachte bei den Menschen in seiner Nähe das zum Vorschein, was wir alle vergessen haben, jedoch trotzdem in uns tragen. Es bringt die Magie zum Vorschein, welche die Menschen in früheren Zeiten benutzt haben. Mit ihrer Hilfe kann ich das Energienetz verändern. Ich bin froh, dass ich die Magie besitze, so konnte ich die Fesseln lösen und meine Wunden heilen…“ „Und deswegen wollen sie dich in ein Labor bringen, in dem sie Experimente an dir ausprobieren werden, nur um herauszufinden woher diese Magie kommt“, beendete Mike meinen Satz. „Wie kannst du darüber nur froh sein?“ Ich senkte den Blick. „Sie werden sich die Zähne an mir ausbeißen. Keiner bekommt Antworten von mir, die er nicht versteht. Wenn man die Magie nicht kennt, ist ihre Natur schrecklich. Aber wenn man sie kennt, ist es noch schlimmer“, murmelte ich mehr zu mir selbst. „Wie meinst du das?“ Ich lachte leise. „Ganz einfach. Du weißt, dass du alterst und irgendwann sterben wirst. Doch ich kann es sehen. Ich sehe es an dem Netzt aus Energie, das über dir liegt. Es leuchtet noch sehr hell, doch verliert es schon an Kraft. So sehe ich die ganze Welt und deshalb weiß ich wie lange jemand, oder etwas, noch zu leben hat. Auf der anderen Seite kann ich dieses Netz nach meinen Wünschen verändern. Ich könnte, wenn ich wollte, deine Arme in Flügel verwandeln. Du würdest kaum etwas spüren, wahrscheinlich gar nichts, aber ich würde sehen wie deine Knochen brechen, wie aus deinen Muskeln Federn werden und wie deine Haut schmilzt nur um sich neu zu bilden.“ Mike starrte mich an und ich war selbst davon überrascht, dass ich das alles wusste. Ich hatte so etwas noch nie getan, oder gesehen. Aber ich wusste, dass es ging. Außerdem war ich über die Nüchternheit meiner Stimme überrascht. Ich hätte nicht gedacht so etwas einfach erzählen zu können.
„Wie kann ein so kleines Mädchen solche Sachen wissen?“, fragte Mike und sah mich weiterhin an. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es selbst nicht. Das Wissen ist einfach da. Manchmal kann ich davon Gebrauch machen, ein anderes mal nicht.“ Plötzlich ging ein Ruck durch den Anhänger und wir blieben stehen. „Ich glaube, wir schlagen unser Nachtlager auf“, meinte Mike und sah zu der Plane. „Heute Nacht hat ein anderer Soldat Wachdienst bei dir. Wenn irgendetwas ist, benutze deine Kräfte. Lass nicht zu, dass sie dich wie ein Stück Fleisch behandeln.“ Mit diesen Worten sprang er aus dem Anhänger und ließ mich alleine. Draußen konnte ich gebrüllte Befehle hören. Die Soldaten sammelten sich um ihr Lager aufzuschlagen. Ich konnte durch die Plane den Schein von Feuer erkennen und wünschte mir auch an einem zu sitzen. Mit der kommenden Dunkelheit wurde es zunehmend kälter. Ich konnte zwar meinen Körper so verändern, dass ihm die Kälte nichts ausmachen würde, doch dann würde ich auch wieder an Kraft verlieren und das wollte ich nicht. Vielleicht bräuchte ich sie noch für etwas anderes. Also rollte ich mich am Boden des Anhängers zusammen und starrte auf die Plane.
Ich bekam jedoch nicht mehr mit, welcher Soldat als Wache für mich abgestellt worden war, da ich nach wenigen Minuten einschlief.

Ich wurde durch laute Rufe geweckt, doch hielt die Augen geschlossen. Dann stieg mir plötzlich ein Brandgeruch in die Nase und ich schlug die Augen auf. Ich wurde von Flammen geblendet und musste erst ein paarmal blinzeln um meine Umgebung genau zu erkennen. Ich lag immer noch in dem Anhänger und eben dieser stand in Flammen. Panik ergriff meinen Körper. Ich wusste ich konnte die Flammen zurückhalten, aber in diesem Moment konnte ich mich nicht darauf konzentrieren.
Stattdessen stand ich auf und wollte aus dem Wagen springen, doch die Ketten hinderten mich daran. Zur gleichen Zeit, als ich aus dem Anhänger springen wollte zuckte ein stechender Schmerz durch meinen Hals. „Wehr dich“, hallten Mikes Worte in meinem Kopf wieder. Ich sah die Ketten an meinen Händen an und konzentrierte mich, so gut es ging. „Öffnen“, murmelte ich und sah zu wie die Ketten aufsprangen. Meine Haut darunter war verbrannt, doch der Schmerz kümmerte mich nicht. Ich nahm wieder Anlauf und wollte gerade hinausspringen, als wieder das stechen in meinem Hals aufflammte und ich nach hinten gerissen wurde. „Verdammt was…“ Ich legte eine Hand an meinen Hals und zog sie mit einem Schmerzensschrei wieder zurück. Ich starrte auf meine Finger. Diese waren verbrannt. „Was zur…“ Ich stockte, als mir bewusst wurde, was das Brennen an meinem Hals hieß. Jemand hatte mir auch eine Kette um den Hals gelegt. Als ich mich umdrehte wurde meine Vermutung bestätigt. Eine Eisenkette war quer durch den Wagen gespannt und an der hinteren Wand des Anhängers befestigt. „So ein Mist!“ Ich konnte nicht noch einmal meine Magie einsetzen, denn dann hätte ich keine Kraft mehr. Aber ich musste aus dem Anhänger raus. Vielleicht konnte ich mir noch so viel Energie aufsparen, dass ich aus dem Anhänger hinausspringen konnte.
Allmählich nahm der Rauch im Anhänger zu und ich musste andauernd husten. Außerdem brannte sich die Kette in meinen Hals. Ich musste sie loswerden. Also schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf die Eisenkette. „Öffnen“, flüsterte ich ein weiteres mal und die Kette fiel von meinem Hals. Doch passierte genau das, was ich befürchtet hatte. Ich wurde schwächer und sackte in mir zusammen. Ich hustete am laufenden Band und war wieder einer Ohnmacht nahe, als mich zwei Hände packten und nach hinten rissen. Ich stieß vor Schreck einen spitzen Schrei aus, war aber zu kraftlos um mich aus den Händen zu winden. Das war mein Glück, dann keine zwei Sekunden später fiel ich auf nassen Boden und blieb hustend liegen. Mike kniete neben mir. „Alles okay?“, fragte er und betrachtete mich besorgt. Ich konnte nur nicken. Der Rauch hatte mir die Stimme geraubt.
„Ich muss den anderen löschen helfen. Bleib hier und versuch bitte nicht abzuhauen“, meinte Mike und sah mir fest in die Augen. Wieder nickte ich. Abhauen hatte in meinem Zustand keinen Sinn. Ich würde nicht weit kommen, bis ich ein weiteres mal zusammenbrach.
Soldaten mit Eimern rannten an mir vorbei, schreie hallten durch die Nacht und der Schein des Feuers brach sich in den Augen der Vorbeieilenden. Ich drehte mich um und starrte auf den Wagen, in dem ich vor ein paar Sekunden noch gelegen hatte. Genau in diesem Moment explodierte er. Ein Schrei entrann meiner Kehle, doch er ging im Lärm unter. Ich sah Männer, die durch die Luft geschleudert wurden und bewegungslos am Boden liegen blieben. Mit letzter Kraft zog ich mich an einem anderen Wagen hoch und humpelte zu den Verletzten. Ich kniete mich neben einen der Soldaten und zog ihm den Helm ab. Er hatte rote Haare und sein Gesicht war Blutüberströmt. Ich zögerte keinen Augenblick.
Daron hatte mir zwar beigebracht, dass man seinen Feinden nicht half, aber ich konnte die Männer nicht einfach so liegen lassen. Also konzentrierte ich mich auf die Wunde des Mannes und flüsterte: „Heile.“ Dann stand ich auf und lief zu dem nächsten Verletzten. Auch ihn heilte ich. So schnell wie ich konnte lief ich zu den übrigen fünf und sprach jedes mal „heile“. Ich musste nicht bei dem Soldaten bleiben, bis die Wunden geschlossen waren, so konnte ich die meisten vor dem Tode retten. Doch dann verließen mich die Kräfte und ich sackte wieder zu Boden. Mehr konnte ich nicht für sie tun.
„Du hast gerade deine Feinde geheilt“, schoss es mir durch den Kopf. „Wie dumm kann man eigentlich sein?“ Ich ignorierte meine innere Stimme und konzentrierte mich stattdessen darauf nicht das Bewusstsein zu verlieren. Doch leider geschah genau das. Zumindest zum Teil. Es war als würde ich mit offenen Augen schlafen. Ich bekam alles mit, konnte aber auf nichts reagieren.
Ich sah, wie das Feuer nach und nach gelöscht wurde, wie man die restlichen Verletzten auf einen Planwagen legte und wie sich ein Sanitäter um sie kümmerte. Dann kam Mike zu mir und redete mit mir. Ich konnte ihm aber keine Antwort geben, so sehr ich mich auch anstrengte. Er hob mich hoch und brachte mich zu einem Planwagen, auf dem noch kein anderer lag. Dann wickelte er mich in eine Decke und verschwand wieder. Ich hatte meine Augen auf den Himmel gerichtet und sah, dass es langsam morgen wurde. Zuerst färbte sich der Himmel gelb, dann rötlich und nahm schließlich einen unschuldigen hellblauen Farbton an. Ich hörte den geschrienen Befehl die Toten zurück zulassen und weiterzuziehen. Einige Augenblicke später kam dann auch Mike wieder zu mir.
„Was ist los mit dir?“, fragte er und sah mich wieder besorgt an. In diesem Moment fing ich an die Mitleidigen Blick zu hassen. Ich brauchte kein Mitleid, von niemandem und vor allem nicht von einem Soldaten, auch wenn es Mike war. Wer hatte mich denn in dem Anhänger angekettet? Ich wollte es ihm sagen, ihm ins Gesicht schreien, doch ich konnte mich immer noch nicht rühren und brachte keinen Ton heraus. Irgendwo hinter uns wurde Mikes Name gebrüllt und er sprang ohne ein weiteres Wort wieder vom Wagen.
So verflogen die Stunden, in denen keiner nach mir sah. Plötzlich fing mein ganzer Körper an zu kribbeln und ich dachte mein Kopf würde explodieren. Zuerst schob ich es auf die Wunden, welche ich bei dem Brand erlitten hatte, doch dann wurde mir klar dass es etwas anderes war. Ich spürte wie meine Energie zurück kam und das in einer Menge, wie ich es noch nie gespürt hatte. Ich stand auf und fühlte mich so stark wie nie zuvor. Doch meine Freude über die neugewonnene Stärker versiegte, als die Soldaten ihre Gewehre auf mich richteten. „Sie ist wach!“ „Sergeant sie ist aufgestanden!“ Riefen ein paar der Männer und sahen sich suchen um.
Hinter einem der vielen Wagen kam ein hochgewachsener Soldat hervor. Bei näherem Betrachten erkannte ich das sich eine weißliche Narbe quer über sein Gesicht zog. Seine Haare waren weiß und er sah nicht so aus, als würde er viel lächeln. „Wo ist das kleine Monster?“, rief er und sprang vor mir auf den Wagen. Die Erschütterung war so stark, das ich aus dem Gleichgewicht kam und stürzte. Grinsend sah der Sergeant zu mir herunter. „Nicht wirklich standfest die Kleine“, meinte er. Ich knurrte und stand wieder auf. „Der Klügere gibt nach“, erwiderte ich und sah ihn fest an. „Vorlaut ist sie auch noch.“ Er lief um mich herum, ließ dabei seine Hand über meine Schulter gleiten und spielte mit einer meiner Haarsträhnen. Ich wusste, dass er mich verunsichern wollte und ging nicht darauf ein. Ich stand aufrecht da und sah ihm aus den Augenwinkeln nach. //Sie zuckt noch nicht einmal mit der Wimper// Erklang seine Stimme plötzlich, doch seine Lippen bewegten sich nicht. Er zwirbelte meine Haarsträhne zwischen zwei Fingern und ließ dann schließlich seine Hand an meiner Wange ruhen. //Reagier doch endlich darauf. Meine Männer fangen schon an zu lachen// Da begriff ich endlich. Es waren seine Gedanken, die ich hörte. Ich verkniff mir ein grinsen und sah ihn weiterhin fest an. „Was hast du mit meinen Männern gemacht?“, fragte er und schlug mir auf die Wange. „Ich habe sie vor dem Tod gerettet.“ Wieder schlug er mir auf die Wange diesmal aber fester. „Der Tod ist etwas natürliches, dass was du getan hast ist es nicht!“ Er schrie mich an und kleine Speicheltropfen trafen mein Gesicht. Ich wischte sie mit einer angewiderten Geste weg. „Gut, das nächste mal lass ich ihre Männer sterben“, knurrte ich und drehte mich um. „Keiner geht aus einem Gespräch mit mir, bevor ich es nicht gesagt habe!“ Und schon flog ich auf die andere Seite des Anhängers. Ich schlug mir den Kopf an und schürfte mir den rechten Arm auf. Aber es war mir egal. Erstaunlicherweise waren mit die stechenden Schmerzen auf einmal vollkommen egal. Ich stand einfach wieder auf und sah den Sergeant ausdruckslos an. „Haben sie ihren Standpunkt geklärt? Oder müssen sie mich dafür erst umbringen?“, fragte ich mit genauso ausdrucksloser Stimme. Schon war er bei mir und schlug mich wieder. Ich fiel hin, setzte mich wieder aufrecht und wurde sofort wieder nach hinten geschleudert, als er mich in den Magen trat. Ein Keuchen kam mir über die Lippen, aber das war auch schon alles an Gefühlsregung die ich zeigte.
Ich sah dem Sergeant wieder ausdruckslos in die Augen und er erwiderte meinen Blick zornig. Es war ein stummer Kampf, den wir austrugen. Nach einigen Minuten wandte er sich ab und sprang vom Wagen. Ich hatte gewonnen. Grinsend setzte ich mich wieder auf und murmelte: „Heile.“ Die Abschürfungen an meinem Armen schlossen sich und nur bei wenigen blieb eine feine weiße Line zurück. Die Soldaten sahen mich zum Teil erschrocken, zum Teil feindselig und zum Teil auch interessiert an. Ich ignorierte sämtliche Blicke und wandte ihnen den Rücken zu.
Die nachfolgenden Tage wurde ich von keinem beachtet, außer wenn ich versuchte von dem Planwagen herunter zu kommen. Dem Umstand dass mich keiner beachtete, verdankte ich es auch dass ich meine Kräfte ausprobieren konnte. Ich testete wie lange ich meine Kräfte benutzen konnte ohne einen Schwächeanfall zu bekommen. Außerdem fand ich heraus, dass sogar die Luft ein Energienetz besaß. Dieses war zwar schwerer zu erkennen, als die anderen. Aber ich lernte es genauso schnell zu kontrollieren. So konnte ich tagsüber die warme Luft, um mich herum, angenehm kühl halten und nachts die kühle Luft schön warm.
Mike kam, im Laufe der Woche, immer seltener zu mir und wenn ich ihn dann doch einmal sah hatte er immer eine andere Verletzung.
Ich fragte ihn genau zweimal, ob ich ihn heilen sollte. Das erste mal verneinte er nur. Aber beim zweiten mal gab es mir eine Ohrfeige, die sich gewaschen hatte. Rote Lichter explodierten vor meinen Augen und ich fiel hin. Dann spürte ich dass meine Lippe aufgeplatzt war und meinte Wange pochte wie verrückt. „Es tut mir leid…Ich wollte nicht...“, stotterte Mike, als ihm bewusst wurde was er getan hatte. Ich sagte nichts, wandte ihm einfach den Rücken zu. Meine Reaktion sah wohl sehr gefühllos aus. Aber im inneren kochte ich vor Wut. Warum hatte er das getan. Ich wollte ihm doch nur helfen. Die Antwort auf diese Frage ließ nicht lange auf sich warten. „Ich kann das nicht mehr! Du willst wissen warum ich mich nicht von dir heilen lasse? Weil mich der Sergeant töten würde, wenn er es herausfände. Er hat alle töten lassen, die du geheilt hast. Ich war dabei, ich hab meine Freunde und Kameraden erschossen und das nur weil du ihnen geholfen hast.“
Seine Worte machten mich noch wütender. Außerdem sah ich in seinen Gedanken, dass es stimmte und viel bestialischer gewesen war, wie er zugeben wollte. Ich konnte mittlerweile nicht nur Gedanken lesen, sondern auch Erinnerungen sehen.
Ich sah die Männer, welche ich geheilt hatte. Sie knieten auf dem staubigen Boden und hatten die Hände auf dem Rücken gefesselt. Der Sergeant stand vor ihnen und hielt eine Predigt, dass sie eigentlich tot sein müssten und nur wegen einem Dämonenweib wie mir noch leben würden. Er meinte Gott würde ihnen nie verzeihen, wenn sie mein teuflisches Geschenk annehmen würden. Er redete ihnen ein, dass sie sterben müssten um Ruhe zu finden und in den Himmel aufsteigen zu können. Ich kam mir vor wie im Mittelalter, mit seinen religiösen Ansichten. Aber das Schlimmste war, dass die Männer ihm auch noch glaubten. Alle bis auf Mike. Dann gab der Sergeant den Befehl den Männern die Narben, welche sie von meiner Heilung hatten, wieder aufzuschlitzen. Mike tat es, zwar mit Ekel vor sich selbst und Hass für seinen Vorgesetzten, aber er tat es. Als die Männer so verwundet vor ihm lagen, wollte er am liebsten davon laufen und alles vergessen. Aber er konnte sich seinen Befehlen nicht wiedersetzen.
Die Männer wanden sich auf dem Boden und flehten um ihr Leben. Doch der Sergeant sah sie ausdruckslos an. „Anlegen Soldat“, schrie er Mike an. Mike hob seine Pistole und zielte auf das rechte Auge des ersten Mannes.// Wenigstens ist ihr Leid dann zu Ende// dachte er. „Und Feuer!“, erklang die Stimme des Sergeants. Mike drückte den Abzug durch, ein Knall hallte durch die Luft und der erste Mann kippte nach hinten. Sein rechtes Auge war komplett zerfetzt. So ging es auch den weiteren Sieben. Jeder von ihnen musste in den Lauf der Pistole blicken und starb kurze Zeit später.
Auf dem Gesicht des Sergeants lag ein seliges Lächeln.
Mit einem Keuchen riss ich mich aus der Erinnerung und stützte mich mit den Händen am Boden ab. „Alles okay?“, wollte Mike wissen. Ich nickte. „Ja, alles okay. Mir ist nur etwas schwindelig.“ Er sollte nicht wissen, dass ich seine Gedanken lesen konnte. Ohne ein weiteres Wort sprang Mike vom Wagen und verschwand in der Dunkelheit der Nacht.
Nach diesem Vorfall sah ich Mike nur noch wenn er zum Wachdienst bei mir abgestellt wurde. Er sprach nicht mehr mit mir, was mich etwas traurig machte. Aber ich wusste auch warum er das tat. Seinen Gedanken konnte ich entnehmen, dass der Sergeant ihm mit dem Tod gedroht hatte wenn er sich noch einmal mit mir unterhielt.
Ich belauschte Tagsüber die Gespräche der Soldaten und fand heraus, dass wir nur noch eine Woche unterwegs waren, bis wir bei dem Labor ankamen in das mich die Truppe bringen sollte. Ich musste mir etwas einfallen lassen um zu verschwinden. Aber dabei musste ich so wenig wie möglich auffallen. Dass hieß keinen töten oder verletzen.
Am dritten Tag der Woche kamen wir in eine weitere Stadt. Die Stimmung unter den Soldaten wurde merklich gespannter. Ich konnte mir am Anfang nicht erklären warum, doch dann kamen sie.
Es war Nacht, eine so finstere Nacht wie ich sie noch nie erlebt hatte. Die Feuer der Soldaten wurden geradezu von der Dunkelheit verschluckt. Drei der fünf Wachen, welche normalerweise den Wagen bewachten auf dem ich saß, waren zur Nachtwache des Lagers abgestellt worden.
Ich saß mit gekreuzten Beinen auf dem Boden und belauschte mal wieder die Wachen. „Meinst du sie greifen heute Nacht an?“, wollte der braunhaarige wissen. Sein Kamerad, der blonde Haare hatte, zuckte mit den Schultern. „Es ist die perfekte Nacht für sie. Lassen wir uns überraschen ob sie es sich trauen.“
Ich legte die Stirn in Falten. Von wem sprachen die beiden da? Es hörte sich fast so an als würden sie über Geister reden. Dann hallte ein Ruf durch die Nacht. „Sie kommen!“ Die beiden Soldaten zuckten zusammen und sahen sich wissend an. „Es geht los“, meinte der Blonde. „Mal sehen wie viele heute dran glauben müssen.“ Beide legten ihre Gewehre an und zielten in die Dunkelheit. „Wer kommt? Was ist hier los?“, fragte ich und stand auf. „In dieser Stadt gibt es schlimmere als dich“, murmelte der Braunhaarige. „Jetzt kommen die Dämonen raus.“ Ich sah ihn verwirrt an. „Dämonen?“ Da traf mich etwas Hartes an der Wange und ich kippte zur Seite weg. „Schluss jetzt mit dem Schwätzchen konzentrier dich!“, erklang die Stimme des Blonden. Ich setzte mich stöhnend auf und hielt mir den Kopf. „Muss das sein? Ich hab doch gar nichts getan“, zischte ich.
Plötzlich fiel ein Schuss und zeitgleich brach das Chaos im Lager aus. Hier und da explodierten die Feuer, schreie hallten durch die Luft, Schüsse fielen, Soldaten liefen durcheinander. Hier und da sah ich wie Soldaten fielen. Aber ich hatte keinen Anhaltspunkt, wer die Angreifer waren. Bis sich plötzlich eine Hand um meinen Mund legte und ich kalten Stahl an meiner Kehle spürte. Dann hörte ich ein sirren und die beiden Soldaten vor dem Wagen sackten in sich zusammen. Als sie nicht mehr aufstanden löste sich die Hand von meinem Mund. „Bist du eine Verbündete dieser Männer?“, zischte eine Stimme in mein Ohr. Ein Lachen entrann sich meiner Kehle. „Verbündete? Klar, ich verbünde mich mit meinen Entführern. Geht`s noch?“, meinte ich sarkastisch. „Diese Leute beschützen nur Verbündete und bewachen nur Fim. Also was bist du?“ Das Messer bohrte sich in mein Fleisch und ich spürte wie Blut meinen Hals hinunter rann. Ich schluckte und fuhr mir mit der Zunge über die Lippen. „Ich bin weder das eine noch das andere. Sie haben mich entführt, aber ich weiß nicht warum. Ich denke mal sie wollten sich mit mir die Zeit versüßen. Das ist ihnen jedoch nicht gelungen“, log ich und hatte Erfolg. Das Messer löste sich von meinem Hals. Ich holte tief Luft und drehte mich um. Ich schrak als ich meinen Angreifer sah. Es war ein Mädchen, nicht viel größer als ich. Sie trug eine Maske, die aus verschiedenem dünnem Metall bestand, ein Bauchfreies Top und lange schwarze Hosen. Sie deutete mit einem Nicken zu einem Jungen mit einer ähnlichen Maske. „Er bringt dich hier weg.“ Dann hielt sie mir noch einmal das Messer an die Kehle. „Wenn ich herausfinde dass du zu ihnen gehörst werde ich dich eigenhändig töten, verstanden?“ Ich nickte schnell und lief zu dem Jungen. „Bleib dicht bei mir“, meinte er und rannte ohne ein weiteres Wort los.
Ich musste mich beeilen um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Er war so flink wie ein Wiesel. Einmal schlüpfte er an einem Soldaten vorbei und tötete ihn mit einer einzigen Handbewegung. Ich bemerkte es erst als der Soldat vor mir zusammen sackte und nicht mehr aufstand. Ich sprach über ihn hinweg und rannte weiter.
Keine zwei Minuten später kamen wir in einen Bereich, in dem ein paar Soldaten tot auf dem Boden lagen. Hier war der Kampf schon lange vorbei. Der Junge vor mir blieb plötzlich stehen und stieß gegen ihn. „Pass doch auf!“ Ich wich einen Schritt zurück. „Tut mir leid. Ich wollte nicht…“ „Entschuldige dich nie, dass ist ein Zeichen der Schwäche“, erwiderte der Junge und lief weiter. Ich sah ihm verwirrt hinterher und folgte ihm dann wieder.
Er führte mich von dem Kampf weg, an unzähligen Häuserruinen vorbei, bis er endlich an einer Lucke stehen blieb. Diese öffnete er und sprang hinein. „Na komm schon, oder bist du festgewachsen?“, erklang seine Stimme von unten als ich zögerte. Ich holte tief Luft und sprang ihm hinterer. Der Schacht war nicht so tief wie ich gedacht hatte. So überraschte es mich als ich nach wenigen Sekunden schon wieder Boden unter den Füßen spürte und zur Seite kippte. „Nicht so stand fest, was?“, kicherte der Junge. Ich warf ihm einen wütenden Blick zu. „Noch ein blöder Spruch und du bist tot, kapiert?“, fragte ich in ruhigem Ton. Doch das schien ihn nicht zu beeindrucken. „Komm, hier entlang“, meinte er und verschwand in der Dunkelheit des Tunnels. Ich sprang auf und lief ihm hinterher. „Wo sind wir hier?“, wollte ich wissen. „In der Kanalisation, wo sonst? Hier halten wir uns versteckt und planen unsere Angriffe.“ „Wer ist wir?“ Der Junge blieb stehen und ich stieß mit ihm zusammen. „Das erklärt dir am besten jemand anderes“, murmelte er und lief wieder weiter.
Nach einer Weile, in der wir in stille durch den Tunnel gelaufen waren, kam plötzlich ein Licht in Sicht. Als wir den Tunnel verließen traute ich meinen Augen nicht.
Vor mir breitete sich eine Art Becken aus, in dem Wasser stand und auf dem Wasser schwammen Häuser. Ein unheimliches bläuliches Licht ging von der tiefe des Sees aus und hüllte die ganze Halle ein. „Willkommen in Zelta“, sagte der Junge und nahm seine Maske ab. Doch es war kein Junge, sondern ein Mädchen, eine junge Frau sogar. Sie hatte rabenschwarzes Haar und leuchtend blaue Augen. Lächelnd sah sie mich an. „Ich bin Fera und du?“ Ich zögerte kurz, sagte dann aber: „Mein Name ist Elena.“ Sie nickte und führte mich am Rand des Beckens entlang auf einen langen Steg zu.
„Zelta wurde während des Krieges von Flüchtlingen erbaut. Wir wohnen schon seit Jahren hier untern und entziehen uns der Macht der Regierung. Das ist denen ein Dorn im Auge und deshalb suchen sie nach unserer Stadt. Aber bis jetzt wurde sie noch nicht gefunden. Wir leben von dem Wasser, auf dem unsere Häuser schwimmen und halten es durch Reinigungsbecken in den Tunneln sauber. Zu essen bekommen wir von oben. Unsere Anführerin ist Sun. Sie hat dich mit mir geschickt. Du kannst bei mir im Haus wohnen, wenn du willst. Ich habe noch eine Menge Platz und es wäre schön etwas Gesellschaft zu haben“, erklärte Fera als wir gemeinsam, über den Steg, zu der Stadt liefen. Ich war so fasziniert davon, dass ich ihre Worte nur bruchstückhaft hörte. „Warum habt ihr die Soldaten überfallen?“, fragte ich schließlich und sah Fera an. Diese lächelte wieder. „Besser wir überfallen sie, als sie uns. Zwischen der Regierung und den Zeltanern herrscht ein Krieg. Es wird kein großer Wirbel in den Städten darum gemacht, damit nicht noch mehr Menschen auf die Idee kommen sich uns anzuschließen. Aber er herrscht trotzdem.“
Inzwischen hatten wir die Stadt erreicht und die Leute sahen mich neugierig an. Ich versuchte zu lächeln, doch es gelang mir nicht. Ich hatte es noch nie leiden können, wenn man mich so anstarrte.
„Es gibt Städte? Ich dachte die wären alle zerstört worden“, nahm ich das Gespräch mit Fera wieder auf. Diese sah mich erstaunt an. „Du hast wohl sehr weit vom Schuss gelebt, kann das sein? Naja, egal. Ja, es gibt Städte. Sie wurden neu aufgebaut und sind jetzt strengstens überwacht. Keiner hat mehr wirklich einen freien Willen. Alles wird von der neuen Regierung bestimmt und dass schlimmste ist, dass sie Menschen gefangen nehmen, nur weil sie die sogenannten Fim sind.“ Ich schwieg wieder eine Weile, dann frage ich: „Was sind Fim?“ Ich hoffte dass man mir nicht anmerkte dass ich selbst zu ihnen gehörte. Aber ich wollte herausfinden, warum wir so genannt wurden. „Fim, sind Menschen die mit einem Gift in Berührung gekommen sind. Die Regierung hat sie als hochgradig gefährlich eingestuft, da sie die Gabe haben alles in ihrer Umgebung zu kontrollieren. Ich habe gehört, dass ein Labor eingerichtet wurde, in dem die Fim untersucht und erforscht werden. Aber die meisten von ihnen werden auf der Stelle getötet“, erklärte sie mir. Es gab also wirklich mehr als Daron und mich. Vielleicht konnte ich ja noch jemanden finden, der Magie beherrschte und mich noch weiter fördern konnte. „Hättet ihr mich mitgenommen, wenn ich ein Fim wäre?“ Fera schüttelte den Kopf. „Nein, Sun hasst die Fim. Angeblich hat einer von ihnen ihre Eltern getötet.“
Endlich blieb sie vor einem Haus stehen. „Hier wohne ich. Bis Sun und die anderen zurückkommen, dauert es bestimmt noch. So lange können wir noch etwas essen.“ Mit diesen Worten betrat sie das Haus. Ich folgte ihr und sah mich in dem Zimmer um, welches wir betraten. Es war im japanischen Stil eingerichtet. „Mein Wohnzimmer“, meinte Fera und kniete sich an den kleinen Tisch in der Mitte. „Komm setzt dich.“ Ich ging zu ihr und setzte mich ihr gegenüber. „Schön sieht es hier aus.“ Sie lächelte. „Danke. Nach dem Essen zeig ich dir das Zimmer in dem du schlafen kannst.“ Sie klatschte einmal und schon rollte ein kleiner grauer Roboter in das Zimmer. „Zweimal Mittagessen“, sagte Fera zu dem Roboter und er verschwand wieder. „Was…“ „Ein Roboter erleichtert einem das Leben ungemein. Aber im Gegensatz zu den meisten hier habe ich nur einen der für mich kocht.“ Und schon kam der Kleine wieder ins Zimmer, diesmal mit zwei Tellern die gut gefüllt waren. Er stellte sie wortlos auf den Tisch und verließ das Zimmer wieder. „Lass es dir schmecken. Das meiste davon ist zwar Päckchenfraß, aber etwas anderes gibt es hier unten nicht. Außerdem hält es sich länger als frisches Essen“, rechtfertige Fera die Pampe die vor mit stand. Ich lächelte sie an. „Ich habe schon seit Tagen nichts mehr gegessen, da ist es mir egal wie es aussieht oder ob es frisch ist oder aus dem Päckchen.“
Sie lächelte zurück und fing an zu essen.
Zu meiner Verwunderung hatte ich wirklich Hunger und schlang das Essen geradezu hinunter. Keine von uns redete ein Wort, bis unsere Teller leer waren. „Wow du legst wirklich ein Tempo hin beim Essen, wie ich es noch nie gesehen habe“, meinte Fera grinsend. „Wie gesagt, ich habe schon seit Tagen nichts mehr gegessen. Tut mir leid.“ Doch sie schüttelte den Kopf. „Das muss dir nicht leid tun. Ich würde genauso reinhauen, wenn es das erste Essen seit Tagen wäre.“ Dann stand Fera auf und streckte mir eine Hand hin. „Komm ich zeig dir, wo du schlafen kannst.“ Ich ergriff ihre Hand und ließ mich auf die Beine ziehen. Zusammen gingen wir in einen Flur und dann eine gewundene Treppe hinauf. Im ersten Stock war die Decke so niedrig, dass wir auf allen vieren krabbeln mussten. „Ich habe den Boden hier erst vor einem Jahr einziehen lassen. Ich wollte unbedingt eine zweite Etage“, erklärte Fera und krabbelte vor mir her. „Und warum ist es hier so eng?“, wollte ich wissen. „Ganz einfach, weil ich es so gemütlicher finde.“ Sie schob eine kleine Tür auf und krabbelte in den nächsten Raum. „Hier kannst du schlafen. Dass Zimmer hab ich mir mal als Entspannungsraum eingerichtet.“ Ich sah mich neugierig um. In dem Zimmer lagen überall gemütliche Kissen in vielen verschiedenen Farben. Es sah wirklich sehr gemütlich aus und ich hätte mich sofort in die Kissen kuscheln können. Als eine Stimme zu uns herauf drang. „Oh, dass muss Sun sein. Komm, sie wird mit dir reden wollen“, sagte Fera und krabbelte wieder zu der Treppe zurück. Ich folgte ihr und als wir untern waren entdeckten wir Sun, die im Wohnzimmer auf dem Boden saß und den Kopf auf das kleine Tischchen gelegt hatte. Ihre lange schwarzen Haare fielen ihr über das Gesicht und verdeckten es ganz.
„Sun?“ Fera ging zu ihr und rüttelte an ihrer Schulter. „Ich bin wach“, murmelte Sun und hob den Kopf. Sie lächelte Fera an, dann fiel ihr Blick auf mich und das Lächeln verschwand. Fera setzte sich neben sie und deutete auf den Platz ihr gegenüber. Ich hockte mich auf eines der bequemen Kissen und sah die beiden an. „Also dann, schieß los“, meinte Sun und erwiderte meinen Blick. Verwirrung trat in meine Augen. „Mit was?“ „Wer bist du? Wo kommst du her? Was beabsichtigst du jetzt zu tun? Bleibst du hier oder verschwindest du wieder?“, fragte Sun und stützte den Kopf auf die Hände.
Ich überlegte einen Moment. „Elena. Aus einer Stadt eine Woche von hier entfernt, ich weiß es nicht und ich würde gerne hier bleiben, wenigstens eine Weile.“ Sun zog eine Augenbraue hoch. „Das waren knappe Antworten.“ „Ich hab nicht mehr. Ich kann dir leider nicht sagen, was ich jetzt tun werde und wie lange ich hier bleiben möchte.“ Sie legte den Kopf schief. „Warum nicht?“ Ich fuhr mir mit der Hand über das Gesicht. Wie sollte ich ihr meine Situation erklären? „Es ist schwierig…Ich weiß nicht wie…“ „Sun lass sie. Sie wurde von den Soldaten entführt, bestimmt hat sie keine Ahnung wie es jetzt mit ihr weiter gehen soll“, wandte Fera ein. Sun sah sie kurz an, dann nickte sie. „Gut. Du kannst hier bleiben so lange du willst. Aber falls du gehst musst du mir eines versprechen. Du darfst wirklich niemandem sagen wo Zelta ist.“ „Ich verspreche es dir. Ich weiß wie es ist, wenn man nicht entdeckt werden möchte“, versprach ich und lächelte Sun an. Diese nickte wieder. Dann fielen ihr plötzlich die Augen zu und sie kippte zur Seite.
„Sun!“, schrie Fera und beugte sich über sie. Ich sprang auf, lief um den Tisch herum und kniete mich vor sie. Ich legte Sun eine Hand auf die Stirn und suchte nach dem Grund ihrer Ohnmacht. Keine Sekunde später hatte ich die Ursache gefunden. „Sie muss verwundet worden sein. Such nach einer Wunde“, sagte ich zu Fera und wir fingen an Suns Körper abzusuchen. Ich zog ihr das Oberteil aus und entdeckte sofort eine Stichwunde an ihrer linken Seite. Sie hatte ein Mullpflaster darüber geklebt, deshalb hatten wir das Blut nicht gesehen. „Verdammt Sun, dass du immer den Helden spielen musst“, murmelte Fera und strich ihrer Freundin über den Kopf. Ich überlegte hektisch, was ich tun konnte. Wenn ich Sun heilen würde, würde Fera erfahren das ich eine Fim war. Doch das war mir in dem Moment egal. Ich musste etwas tun. Ich wusste nicht wie viel Blut Sun schon verloren hatte und ob sie es noch zu einem Arzt schaffen würde oder ob es hier überhaupt einen Arzt gab. Ich holte tief Luft und sah Fera fest an. „Fera, ich werde jetzt etwas tun, aber du musst mir versprechen dass du es Sun nicht erzählst, solange sie nicht selbst auf die Idee kommt“, meinte ich und legte eine Hand auf Suns Wunde. Fera sah mich verwirrt an. „Was hast du vor? Das hilft ihr nicht.“ „Doch, es wird ihr helfen“, erwiderte ich. Dann konzentrierte ich mich auf Suns Wunde und das Energienetzt ihrer Haut. „Heile“, murmelte ich und die Wunde schloss sich langsam. Feras Augen weiteten sich als ihr bewusst wurde was ich da tat. „D…du bist…du kannst…“, stotterte sie. Doch ich ignorierte sie und heilte weiter Suns Wunde. Nach einer halben Stunde war Sun über den Berg und ich hundemüde.
„Sie überlebt es, keine Angst“, erklärte ich Fera und schloss die Augen kurz, was ein Fehler war. Schon wurde ich von Fera umgeworfen und sie drückte mich auf den Boden. Ich lachte müde als sie meine Hände über den Kopf drückte. „Keine Angst, ich werde mich nicht wehren“, murmelte ich. „Ich bin zu müde dazu.“ Ich ließ die Augen geschlossen und entspannte mich. „Warum hast du uns angelogen? Du bist eine Fim!“, schrie Fera und ich spürte eine Klinge an meinem Hals. „Tu es, du ersparst mir damit viel Leid.“ Ich öffnete die Augen und sah sie müde an. Fera zögerte und nahm die Klinge von meinem Hals. „Wie meinst du das?“ „Ich werde von den Soldaten gejagt, damit sie mich in ein Labor bringen können in dem die Wissenschaftler Experimente an mir durchführen wollen. Also wenn du mir jetzt die Kehle durchschneidest ersparst du mir eine Menge“, erklärte ich. „Ich werde dich nicht töten und ich werde Sun nichts von deinem Geheimnis erzählen. Wir werden ihr sagen, dass sie länger Ohnmächtig gewesen war und die Wunde in dieser Zeit geheilt ist“, beschloss Fera und ließ mich frei. Ich setzte mich auf und lächelte wieder müde. „Aber dann müssen wir sie in ihr Haus bringen.“ Fera nickte. „Kannst du dir einen ihrer Arme um die Schulter legen und mir helfen?“ Anstatt zu antworten tat ich es einfach. Zusammen schleppten wir Sun eine Stunde durch Zelta, bis wir an einem kleinen Haus ankamen, das von außen etwas schäbig aussah.
„Hier wohnt sie?“, wollte ich wissen als Fera die Tür mit einem Fuß aufstieß. „Ja. Sun hat es gerne schlicht. Sie sagt je weniger sie bei sich hat umso weniger wird sie den Sachen nachtrauern können falls sie verloren gehen oder wir entdeckt werden.“ Wir brachten Sun in ihr Schlafzimmer und legten sie auf das Bett. Fera holte eine Decke und deckte sie zu, dann verließen wir das Haus wieder. Draußen gähnte ich herzhaft und streckte mich. „Du bist wohl auch müde“, meinte Fera und knuffte mich in die Seite. Ich nickte. „Ja. Das eben hat mich sehr geschwächt. Ich muss schlafen um wieder zu Kräften zu kommen.“ Wir liefen auf dem schnellsten Weg zu Feras Haus zurück. Dann wünschten wir uns eine gute Nacht und gingen ins Bett. Ich kuschelte mich in die Kissen und schlief sofort ein.


Kapitel 4.


Am nächsten Tag wachte ich von einem lauten Geräusch auf und stieß mir den Kopf an der niedrigen Decke. Mir den Hinterkopf reibend stieg ich die gewundene Treppe zum Wohnzimmer hinunter und fand dort Fera auf dem Boden sitzend und über ein Buch gebeugt.
„Was war das?“, wollte ich wissen und sah sie fragend an. „Wahrscheinlich ist mal wieder ein Stahlträger des neuen Tunnels umgestürzt“, erwiderte sie ohne von ihrem Buch aufzusehen. Ich setzte mich neben sie und ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Ich erkannte eine Uhr an der Wand mir gegenüber, die meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war ein Stundenglas durch das Wasser tropfte. Striche auf dem Glas zeigten die Standen an. Wir hatten schon weit nach Mittag. „Warum hast du mich nicht geweckt?“, fragte ich. „Hätte ich das tun sollen? Ich bin immer froh, wenn ich ausschlafen kann.“ Sie sah mich lächelnd an. „Außerdem musstest du ja wieder zu Kräften kommen, nach der Aktion gestern Abend.“
„Welche Aktion denn?“, erklang eine Stimmer hinter uns. Ich drehte mich um und sah Sun, die sich schwer gegen den Türrahmen lehnte. „Du solltest noch nicht so viel laufen. Deine Wunde ist zwar verheilt, aber du bist immer noch geschwächt“, meinte ich und sah sie besorgt an. „Mir geht es gut, danke Fr. Doktor“, erwiderte sie gereizt. „Ich kann es mir nicht leisten krank zu sein. Der Widerstand muss organisiert werden und braucht meine Führung.“ Sun stieß sich vom Türrahmen ab und kam zu uns herüber. Schwer atmend ließ sie sich neben Fera sinken. „Du wirst dem Widerstand nichts nützen, wenn du an deinen Verletzungen stirbst“, erklärte ich wohl wissend dass Sun nicht auf mich hören würde. Diese schnaubte einfach nur und legte eine Hand auf ihre Verletzung. „Du solltest besser auf Elena hören“, murmelte Fera und klappte ihr Buch zu. „Sie hat dich immerhin gerettet.“ Sun sah mich an und neigte den Kopf etwas. „Dafür danke ich dir. Aber wie schon gesagt, der Widerstand braucht meine Führung. Ich kann nicht länger als nötig im Bett bleiben…“ Sie stockte. „Wie lange war ich eigentlich Ohnmächtig.“ Ich schluckte und warf Fera einen fragenden Blick zu. „Fünf Tage“, entgegnete diese überzeugend. Sun riss die Augen auf. „So lange? Wer hat in der Zwischenzweit meine Arbeit gemacht?“ „Ich natürlich, was denkst du denn?“ „Was würde ich nur ohne dich machen?“, meinte Sun sichtlich erleichtert. „Dir würde der Arsch auf Grundeis gehen“, erwiderte Fera grinsend. Ich musste ein Lachen unterdrücken und überspielte es, so gut es ging, mit einem Hustenanfall. „Wie dem auch sei. Ich muss wieder an die Arbeit.“ Sun stand auf und verließ mit schnellen Schritten das Haus.
Als sie draußen war, sah Fera mich an. „Und dir sollten wir schnell eine Arbeit suchen. Jeder hier hat eine und du darfst keine Ausnahme sein.“ „Und was soll ich machen? Ich habe noch nie gearbeitet“, erklärte ich und sah Fera fragend an. „Mal sehen, was machst du denn gerne?“ Ich überlegte einen Moment. „Ich schnitze ganz gerne…“ „Das ist hervorragend. Brenn sucht immer Leute die schnitzen können.“ Fera sprang auf und zog mich am Arm hoch. „Und wer ist Brenn?“, wollte ich wissen während sie mich aus dem Haus und über eine Brücke zog. „Er ist der Tischler hier unten. Eine der wichtigsten Arbeiten hier, da unsere Häuser und die Brücken aus Holz bestehen. Leider haben wir nicht viele Leute, die gut mit Holz umgehen können“, erklärte Fera und blieb vor einem Hausstehen. Sie klopfte und von drinnen hörte man Schritte.
Ich dachte Brenn wäre ein älterer Mann, mit vielleicht schon weißen Haaren und einem Bart. Umso größer war mein Erstaunen, als uns ein junger Mann von gerade mal achtzehn Jahren die Tür öffnete.
„Hey Brenn, ich bringe dir Nachschub für deine Werkstatt“, meinte Fera und deutete mit dem Daumen auf mich. Ich lächelte und hob die Hand zum Gruß. Er grinste mich an. „Hallo Nachschub…aber das ist nicht dein richtiger Name, oder?“ Ich schüttelte schnell den Kopf. „Ich heiße Elena.“ „Und du kannst mit Holz umgehen?“ Er sah mich fragend an. „Wäre ich sonst hier?“ „Wie ich sehe versteht ihr euch. Dann mach ich mich wieder an meine Arbeit“, warf Fera ein und schob mich durch die offene Tür. „Pass auf sie auf, sie ist etwas Besonderes.“ Und schon war sie verschwunden.
„Du bist also etwas Besonderes?“, wollte Brenn wissen und schloss die Tür hinter mir. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich bin vielleicht etwas anders, aber nicht besonders.“ Er lachte und bedeutete mir ihm zu folgen. Er führte mich zu einer Treppe und dann in einen Keller, der von demselben gespenstischen blauen Licht erfüllt was wie der Rest der Stadt. In die Wände waren runde Fenster eingelassen, durch die es blau schimmerte.
„Sind wir unter Wasser?“, fragte ich und trat ans Fenster. Brenn nickte. „Ja, dieser Keller ist aus speziellem Metall gefertigt, so dass er schwimmt.“ Ich sah eine ganze Weile aus dem Fenster, bis ich ein lautes Krachen hinter mir hörte. Ich wirbelte herum, hatte schon ein Wort auf den Lippen das einen möglichen Angreifer außer Gefecht setzten würde, doch dann sah ich Brenn an, der zurück lächelte. „Du bist sehr schreckhaft, kann das sein?“, fragte er während er ein weiteres Stück Holz in der Mitte zerhackte und in den Ofen neben ihm warf. „Etwas, aber das wärst du auch, wenn man sie dich gejagt hätten“, entgegnete ich. „Gejagt? Was hast du denn angestellt?“ Hatte ich etwa gejagt gesagt? Scheiße, aber ich konnte es ja nicht einfach zurück nehmen. „Ich weiß nicht…das musst du die Soldaten fragen, die mich festgenommen haben“, meinte ich etwas unsicher. Brenn betrachtete mich kurz, dann lächelte er. Ich glaubte in seinen Augen so etwas wie einen wissenden Glanz zu erkennen. Doch bevor ich genauer hinsehen konnte, wandte er schon wieder den Kopf von mir weg und dem Ofen zu. Er warf weitere Holzstücke hinein und es wurde zunehmend heißer in dem kleinen Raum. „Was soll ich hier eigentlich machen?“, wollte ich wissen und unterbrach das Schweigen zwischen uns. Brenn sah mich an und zuckte mit den Schultern. „Das frage ich mich auch. Heute wird hier nicht mit Holz gearbeitet. Heute Schmiede ich nur unsere Waffen. Aber wenn du willst, kannst du zusehen. Setzt dich irgendwo hin und fühl dich wie zu Hause.“
Ich lief zu einer der Werkbänke und schob die darauf liegenden Sachen zur Seite. Dann setzte ich mich auf die Tischkannte. „Ich weiß nicht mehr wie es ist ein zu Hause zu haben“, murmelte ich und ließ die Füße baumeln. Brenn sagte nichts dazu. Er schob eine Eisenstange in den Ofen und wartete. Während dessen legte er einen Hammer, eine Eisenzange und zwei Arbeiterhandschuhe neben einen Ambos und wickelte die Ärmel seines Oberteils hoch. „Welche Waffen benutzt ihr denn?“, fragte ich neugierig, als er die Handschuhe anzog und die glühende Eisenstange aus dem Ofen holte.
Er grinste. „Wehe du lachst, wenn ich dir das verrate.“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich lach nicht darüber, versprochen.“ „Wir kämpfen mit Dolchen, Wurfmessern und Schwertern.“ Jetzt war meine Neugier um ein vielfaches gestiegen. „Warum gerade mit diesen Waffen?“, wollte ich wissen, stützte die Hände zwischen meinen Beinen auf die Tischplatte und lehnte mich etwas in seine Richtung. „Naja, für uns ist es leichter an Metall zu kommen, als an Schusswaffen. Wir haben den Schwertkampf wieder erlernt und ihn perfektioniert. Wir sind Meister darin und unsere Schwerter sind sogar Schusssicher. Mache von uns können damit Kugeln abwehren“, erklärte Brenn während er die Eisenstange mit dem Hammer bearbeitete.

„Entschuldige, Elena, aber meine Besuchszeit ist für heute zu Ende“, meinte Deston und sah Elena entschuldigend an. Diese wurde aus ihren Gedanken gerissen und nickte knapp. „Ich verstehe. Dann werde ich den Rest meiner Geschichte wohl für mich behalten müssen.“ Doch Deston schüttelte den Kopf. „Nein musst du nicht, ich komme morgen wieder. Um die gleiche Zeit.“ Wieder nickte Elena. „Dann bis morgen.“
Deston packte ihr Aufnahmegerät weg und stand auf. Dr. Mask brachte sie nach draußen und verschloss die Tür hinter sich.
Einen Moment hörte Elena wie sich die beiden unterhielten. Aber sie hatte keine Lust besser hinzuhören. Ihre Gedanken spielten verrückt. Was wollte Lisa von ihr? Warum kam sie ausgerechnet jetzt um ihre Geschichte zu hören?
Ein Knall riss sie aus ihren Gedanken und sie sah Mask, der die Tür hinter sich zugeschlagen hatte und jetzt wütend auf sie zukam. „Ich warne dich! Wenn du ihr erzählst was hier passiert, wirst du danach kein Wort mehr über die Lippen bringen!“, brüllte er und hob drohend die Hand. Elena lächelte ihn nur an. „Ich werde ihr alles erzählen und du kannst nichts dagegen tun!“ Seine Hand traf hart ihre Wange und ihr Kopf flog gegen die Wand. Mit einem schmerzvollen keuchen sackte sie in sich zusammen. Mask grinste zufrieden, drehte sich zur Tür um und wollte schon gehen, als hinter ihm ein leises Geräusch erklang. Er wand sich zu Elena um. Diese lachte leise und sah ihn von untern heraus an.
„Du bist ein Arschloch, weißt du das?“, knurrte sie und stand schwankend auf. Mask packte sie am Hals und drückte sie gegen die Wand. „Und du hältst jetzt besser den Mund!“ Er drückte ihr die Luft ab, doch Elena sah ihn weiter verächtlich an. Er drückte fester zu und spürte wie langsam Panik in ihr aufstieg. Ihr Körper verkrampfte sich und fing an zu zucken. Gleich würde sie in Ohnmacht fallen. Doch diese Erleichterung würde er ihr nicht geben, noch nicht. Mask drückte noch einmal fest zu und ließ sie dann los. Elena glitt hustend an der Wand hinab und blieb keuchend sitzen. Sie spürte plötzlich einen stechenden Schmerz am Unterarm und starrte auf den Schnitt der sich über ihre Haut zog. Geschockt erkannte sie, dass er sich genau an ihrer Schlagader entlang zog. Schwer atmend und wütend sah sie Mask an. „Du Arsch“, brachte sie noch über die Lippen bevor sich ihre Sicht verdunkelte und sie Ohnmächtig wurde.
„Bis morgen F720“, meinte Mask und wischte sein blutiges Skalpell an Elenas Oberteil ab. Er wusste dass sie nicht sterben würde. Die Wunde würde schnell aufhören zu bluten und in einer Stunde würde keiner mehr den Schnitt sehen. Aber es verschaffte ihm Genugtuung ihr zu zeigen, welche Macht er über sie hatte.
Genau wie Mask vermutet hatte wachte Elena nach ein paar Stunden wieder auf. Der Schnitt war verheilt, aber ihr war schlecht. Schnell sprang sie auf und lief, soweit es ihr die Ketten erlaubten, in eine Ecke des Raumes und übergab sich. Würgend ging sie in die Knie und hielt sich mit einer Hand an der Wand fest. In letzter Zeit war ihr immer schlecht wenn sie aufwachte. Sie wusste woran es lag, behielt es aber für sich. Wenn Mask herausfinden würde, das sein Plan aufging wäre ihr Leben zu Ende sobald seine Frist abgelaufen war.
Auf allen vieren kroch sie zu ihrem Platz zurück und lehnte die Stirn gegen die kühle Wand. „Verfluchte Scheiße! Reis dich zusammen und hör auf ihnen deine Schwäche zu zeigen!“, schrie sie sich selbst an. Ein Kettenrasseln und leichtes ziehen an ihren Handgelenken ließ sie zusammenzucken. „Nicht schon wieder“, schoss es ihr durch den Kopf, als sie herum gerissen und auf die Beine gezogen wurde. Wacklig blieb sie stehen und hielt sich an den Ketten fest. „Mask! Du verdammter Mistkerl!“, knurrte sie und sah in den Spiegel ihr gegenüber. In diesem Moment veränderte sich die Beschaffenheit des Spiegels und sie sah Mask dahinter. Er grinste sie selbstgefällig an. Sie hörte ein klicken und dann spürte sie ein leichtes ziehen in den Armen. Mask drehte einen Schalter an der Wand und das Ziehen wurde stärker. Es waren kleine Stromstöße die durch Elenas Körper jagten.
Sie konnte den Strom bis zu einem gewissen Punkt regulieren so dass er sie nicht verletzte, aber ab einer bestimmten Voltzahl funktionierte das nicht mehr und darauf wollte Mask hinaus.
Nach wenigen Minuten war Elenas Schmerzgrenze erreicht, auch wenn sie dieses mal mehr ausgehalten hatte. Ihr Schrei gellte durch den Raum und sie sackte wieder in sich zusammen. Nur noch die Ketten verhinderten dass sie fiel. „Hör auf…hör endlich auf!“, murmelte sie schwach.
Mask grinsen wurde breiter. „Du wirst immer resistenter gegen Strom. Bald haben wir es geschafft“, erklang seine Stimme durch den Lautsprecher in ihrer Zelle. Dann stellte er den Strom ab und verschwand aus dem Beobachtungsraum.
Elena konnte sich nicht setzten, da Mask ihre Ketten nicht lockerte, und so musste sie bis zum nächsten Morgen stehen.

Als Agent Deston am Morgen wieder in Elenas Zelle erschien schlief diese noch in ihrer unnatürlichen Haltung gefangen. Deston rannte zu ihr und zog an den Ketten. Als diese sich nicht bewegen ließen, drehte sie sich verärgert zu Professor Mask um. „Lassen Sie sie runter, sofort!“, fauchte sie und machte einen Schritt auf Mask zu. Dieser drückte auf einen Schalter neben der Tür und die Ketten lockerten sich. Elena rutschte an der Wand hinunter und sah Deston müde an. „Danke“, murmelte sie und wunderte sich sofort über die Dankbarkeit in ihrer Stimme. Deston lächelte Elena an und setze sich vor sie. „Kannst du weiter erzählen, oder willst du noch etwas schlafen?“ Elena schloss kurz die Augen und murmelte dann: „Es geht schon. Noch eine Stunde, dann bin ich wieder fit.“
Deston nickte. „Dann schieß los. Ich hab auch wieder das Aufnahmegerät dabei.“ Elena musste lächeln. Noch nie hatte sich jemand so für ihre Geschichte interessiert wie Lisa und so langsam machte es Elena Spaß sie ihr zu erzählen.

„Ich war bei Brenn stehen geblieben, oder? Nachdem er eine Weile auf die Eisenstange eingeschlagen hatte, legte er sie wieder in das Feuer zurück und warf noch ein paar Stücke Holz dazu. „Und was sagst du zu unserem kleinen Versteck hier unten?“, wollte er wissen. „Es ist einfallsreich. Ich wäre im Leben nicht auf die Idee gekommen hier nach einem Rebellenlager zu suchen.“ „Das ist ja der Sinn der ganzen Sache. Wie bist du eigentlich hier her gekommen?“, fragte Brenn und zog sich nebenbei sein Oberteil aus. Mir blieb die Luft weg, als ich seinen nackten Oberkörper musterte. Ich vergaß total auf seine Frage zu Antworten und sah ihn, mit einem Kribbeln im Bauch an. „Mund zu, sonst gibt`s Durchzug“, grinste er und drückte meinen Unterkiefer mit einem Finger hoch. Ich hatte nicht bemerkt, wie nahe er bei mir stand und strich jetzt unwillkürlich über seine leicht behaarte Brust.
Als ich bemerkte, was ich tat zog ich meine Hand schnell zurück und wandte den Blick ab. Ein leises Lachen erklang, dann legten sich zwei Arme um mich. „Warum schämst du dich denn?“, wollte Brenn wissen. Ich spürte wie mir die Röte in die Wangen stieg und stammelte etwas Unverständliches. Brenn lachte lauter und drückte mich an sich. „Ich dürfte solche Gefühle noch nicht haben. Ich bin erst vierzehn. Aber ich kann nichts dagegen machen“, murmelte sich und legte meine Hände an seine Brust. „Fera hatte recht. Du bist etwas Besonderes. Du bist eine Magierin und hast solche Gefühle, weil du weißt wie schön sie sind. In deinem Unterbewusstsein lieg das Wissen von vielen hundert Jahren verborgen.“ Ich sah verwundert und erschrocken in seine Augen. „W…woher weißt du das?“ Brenn lächelte. „Weil ich die Merkmale kenne. Meiner Mutter war eine Magierin und sie hat mir alles darüber beigebracht bevor sie gestorben ist. Ich weiß dass du durch deine Magie um ein paar Jahre älter geworden bist. Nur dein Körper hat diese Veränderung noch nicht begriffen. Warte noch etwas und du wirst sehen, dass er sich schlagartig verändert. Ich wusste es schon bevor du mein Haus betreten hast und ich wusste, seit ich dich das erste mal gesehen habe, das ich mich in dich verlieben würde.“ Ich sah ihn noch eine Weile an, dann lehnte ich meinen Kopf gegen seine Brust und schloss lächelnd die Augen. Er wusste was ich war und hatte nichts dagegen. Außerdem wusste ich jetzt warum ich eben solche Gefühle für ihn entwickelt hatte und das er das gleiche für mich empfand. Glücklich lächelte ich und umarmte ihn. Unwillkürlich strich ich über seinen Rücken und er über meinen.
Ich merkte erst gar nicht, wie seine Hand unter mein Oberteil wanderte. Erst als ein Kribbeln durch meinen Körper ging bemerkte ich dass er mich streichelte. Er erforschte meinen Oberkörper mit seinen Händen, verweilte an meinen Brüsten und ging dann wieder auf Erkundungstour. Ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Körper aus und gleichzeitig eines das nach mehr schrie. Seine Hände hatten inzwischen meinen Hintern erreicht und drückten mich leicht gegen ihn während er mich in einen Kuss verwickelte. Ich verschränkte meine Hände in seinem Nacken und ließ mich langsam nach hinten sinken. Ich kam auf der Tischplatte zum Liegen und drückte mich Brenn entgegen. Dieser ließ seine Hand wieder unter mein Oberteil wandern und schob es sanft nach oben. Mein ohnehin schon erhitzter Körper erwärmte sich noch mehr, als Brenn anfing meinen Oberkörper zu küssen und langsam nach unten wanderte. Ich wand mich unter seinen Berührungen und stöhnte leicht auf, als er an einer empfindlichen Stelle oberhalb meines Beckens sog. Sofort wurde ich knallrot und zu allem Überfluss sah Brenn genau in diesem Moment zu mir hoch. „Das muss dir nicht peinlich sein“, meinte er lächelnd. Seine Stimme, die eine Oktave tiefer war als zuvor, jagte einen Schauer durch meinen Körper. Ich konnte nur nicken, da mein Kopf so verwirrt war das ich kein Wort und erst recht keinen Satz zustande brachte. Meine Wangen fingen an zu glühen, als Brenn mir meine Hose langsam herunterzog. Er küsste sich über mein Becken und wanderte weiter nach unten. „Brenn…“, keuchte ich leise, sofort huschte er wieder zu meinem Gesicht und küsste mich. Das Feuer in mir war entfacht und ich wollte endlich mehr. Während ich Brenns Kuss erwiderte öffnete ich den Kopf seiner Hose und schob sie ihm über die Hüften. Er sah mich noch einmal fragend und um Einverständnis bittend an. Ich nickte und dann verbrachten wir ein paar leidenschaftliche Stunden miteinander…“

Deston räusperte sich und sah Elena mit geröteten Wangen an. „Sag bloß du schämst dich so etwas zu hören. Es sollte wohl eher mir peinlich sein dir zu erzählen, wie ich mein erstes Mal erlebt habe. Aber das ist das natürlichste auf der Welt“, meinte Elena und lächelte Lisa an. Diese biss sich auf die Lippe. „Nicht du solltest mich über so etwas belehren, sondern ich dich.“ Elena lachte. „Im Prinzip schon. Aber du musst bedenken, ich habe auf Wissen Zugriff das so alt ist wie die Menschheit. Ich bin sozusagen um viele Jahre älter als du.“ Lisa nickte lächelnd. „Und keine Angst, ich habe nicht vor noch mehr ins Detail zu gehen.“ Elena lächelte als Lisa sie dankbar ansah.

„Die Wochen vergingen und ich lebte mich in Zelta ein. Ich wohnte weiter bei Fera und freundete mich auch mit Sun an. Brenn und ich liebten uns und zeigten es uns gegenseitig, sooft wir Gelegenheit dazu hatten. Aber wir mussten vorsichtig sein. Brenn erzählte mir eines Abends das er einige Zeit mit Sun zusammen gewesen war und diese immer noch schrecklich eifersüchtig sei. Also trafen wir uns heimlich oder unter einem Vorwand, wie zum Beispiel das ich länger arbeiten musste. Es ging alles gut, ich war glücklich und fühlte mich seit lange wieder wohl.
Eines Morgens hatte ich Lust zu schwimmen und ging über die Brücken zu einem Platz den ich auf meinen Streifzügen durch die Stadt entdeckt hatte. Es war eine Plattform auf der noch keine Häuser standen. Diese war jedoch wegen einem Zaun von der Stadt aus nicht zu sehen. Ich zog meine Kleider aus, unter denen ich einen Bikini von Fera trug und betrachtete mich im Wasser.
Brenn hatte recht behalten. Nach der ersten Nacht, oder besser gesagt dem ersten Mittag, den ich mit ihm verbracht hatte, hatte sich mein Körper verändert. Er war nicht länger der Körper einer vierzehnjährigen. Ich sah aus wie eine siebzehnjährige. Immer noch verwundert über meinen Körper betrachtete ich mich von allen Seiten. Meine roten Haare waren länger geworden und reichten jetzt bis zur Hüfte, mein Bauch war flach und meine Brüste voller. Ich fühlte mich wohl in meinem Körper und fand dass ich schön aussah, bis auf die Narben welche ich von den Soldaten hatte.
Ich setzte mich auf den Rand der Plattform und ließ die Füße ins Wasser hängen. Dabei sah ich zu, wie sich die Wasseroberfläche veränderte sobald ich meine Füße bewegte. Ein gemurmeltes „hoch“ ließ Wassertropfen vor meinem Gesicht schweben und ich lächelte als ich mich darin spiegelte. In diesem Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich konnte alles verändern. Ich brachte Wasser zu Schweben und konnte mit einem einzigen Wort meine gesamte Umgebung umgestalten. Warum sollte ich nicht auch mich selbst verändern können?
Ich sah auf meinen Arm über den sich kleine weiße Linien zogen. Die Narben und den tieferen Schürfwunden. „Verändern“, flüsterte ich vorsichtig, doch nichts passierte. Vielleicht konnte ich es doch nicht. Was wenn ein Magier gegen seine eigene Magie immun war? Etwas Enttäuscht strich ich über die Narben und sah erstaunt zu, wie sie verschwanden. „Also muss ich die Narben berühren damit sie verschwinden“, dachte ich und legte eine Hand auf mein Gesicht. „Verändern“, flüsterte ich ein weiteres Mal und ließ meine Hand langsam sinken. Vorsichtig beugte ich mich über das Wasser und starrte erstaunt auf mein Gesicht. Es war keine Narbe mehr zu sehen. Die Haut spannte sich glatt über meine Stirn und Wange. Ich lächelte und berührte mein Gesicht zögernd mit den Fingerspitzen. Nichts passierte. Ich hatte mein Gesicht wieder. Lachend stand ich auf, nahm Anlauf und sprang in den See. Ich schwamm ein paar Runden und kehrte zur Plattform zurück. Gerade als ich auf die Plattform steigen wollte hörte ich Stimmen. Schnell strich ich über mein Gesicht und murmelte: „Meins.“ Ich hoffte das dieses Wort reichen würde um mein Gesicht wieder so werden zulassen wie es war. Ich lugte über den Rand der Plattform und sah zwei Männer. Doch bei genauerem Hinsehen erkannte ich einen dritten, der auf dem Boden lag. Die beiden traten immer wieder auf die Person ein. Ich kannte den braunen Haarschopf, welcher neben dem Fuß des einen hervorschaute, nur zu gut.
„Brenn!“, rief ich und kletterte auf die Plattform. Die beiden Männer drehten sich zu mir um und…fingen an zu lachen. „Lasst ihn in Ruhe!“ Wütend stapfte ich auf die beiden zu und suchte nach einem Wort um sie unschädlich zu machen. Doch Brenns Blick ließ mich innehalten. „Schau mal, da kommt seine Retterin in strahlender Rüstung“, meinte einer der beiden. „So wie die aussieht könnte sie mich auch mal retten“, brummte der andere und musterte mich. Ihre Blicke waren mir egal. Ich starrte Brenn an, der am Kopf blutete und eine aufgeplatzte Lippe hatte. Wenn das mal alle Verletzungen waren.
Brenn zog sich auf die Knie hoch. „Hey Leute, sie hat nichts damit zu tun. Lasst sie in Ruhe“, murmelte er und verzog das Gesicht vor Schmerz. „Halt die Backen steif da unten!“, knurrte der erste und trat Brenn in den Bauch. Ein knurren drang aus meiner Kehle vor dem ich mich selbst erschreckte. „Wenn ihr ihn noch einmal berührt werdet ihr es bereuen!“ Wieder lachten die beiden und traten nach Brenn um mich zu provozieren. „Jetzt reicht`s“, knurrte ich und stand in dem Bruchteil einer Sekunde hinter den beiden. Ich sah auf ihre Beine und flüsterte: „Hoch.“ Mit einem erschreckten Aufschrei fielen die beiden hintenüber und starrten verwirrt zu mir hoch. „Du kannst…du bist…“, stammelten sie. Ich nickte. „Ja, ich bin eine. Aber ihr werdet es vergessen und keinem jemals davon erzählen können“, entgegnete ich und betonte „vergessen“ extra so, dass mein Zauber auf sie wirkte. Die beiden schienen plötzlich nicht mehr zu wissen wo sie waren und was sie hier wollten. Sie standen auf, fingen an sich zu unterhalten und verließen die Plattform.
Ich wandte mich schnell Brenn zu und half ihm auf die Beine. Er stützte sich schwer auf mich, aber lächelte. „Was wollten die beiden von dir?“, fragte ich und half ihm zum Rand der Plattform zu humpeln und sich dort hinzusetzten. „Ich hatte Schwierigkeiten mit ihnen. Nichts Großartiges…“ Ich nahm mein Oberteil und tauchte einen Zipfel davon ins Wasser und sah ihn unbeeindruckt an. „Raus mit der Sprache Brenn!“, meinte ich und meine Stimme ließ keinen Wiederspruch zu. „Na schön. Ich hatte Jahre lang bei ihnen Eisen und Holz bestellt. Aber dann kam es nach einer Weile immer unregelmäßiger und die Ware war viel zu überteuert. Da jedoch alle hier darauf angewiesen sind musste ich mir neue Partner suchen. Zum Glück gibt es hier noch einige die Verbindung zu den Rebellen über der Erde halten. So bekam ich meine Ware billiger und immer dann wenn ich sie brauchte. Aber den beiden schmeckt das nicht, da ich der einzige war der bei ihnen bestellt hat. Jetzt sind sie bankrott und geben mir die Schuld daran…aua!“, erklärte er und zuckte zusammen, als ich anfing seine Platzwunde zu reinigen. „Nicht Motzen, Mund halten“, knurrte ich viel aufgebrachter als ich eigentlich war. Brenn sah mich fragend an. „Was hast du denn?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht. Ich bin wohl noch etwas aufgewühlt wegen eben.“ Ich säuberte die Wunden nun vorsichtiger und sanfter. Wir schwiegen einen Moment und als ich fertig war zog Brenn mich an sich. „Weißt du was Kleine?“ Er sah mich mit glänzenden Augen an. „Ich liebe dich“, fügte Brenn, in mein Ohr flüsternd, hinzu. Mir lief ein Schauer durch den Körper, da seine Stimme wieder eine Oktave tiefer gefallen war als sonst. Ich wusste was er wollte und seine Lippen an meinem Hals bestätigten meine Vermutung. „Nicht Brenn, hier kann uns jeder sehen“, flüsterte ich. Doch in meiner Stimme lag nicht halb so viel Wiederstand wie ich beabsichtig hatte hineinzulegen. Er drückte mich sanft auf die Plattform und sah mit in die Augen. „Ich bin diese Geheimnistuerei leid. Ich will das es jeder weiß“, meinte er und bevor ich etwas erwidern konnte hatte er meinen Mund mit seinen Lippen verschlossen. Ich ergab mich seiner Sanftheit und bald hatten wir alles um uns herum vergessen. Erst als ein lauter Knall ertönte ließen wir voneinander ab und sahen uns verwirrt um.
Von einem der Eingänge stieg Rauch auf und man hörte Geschrei aus der Stadt. Ich sah Brenn fragend an, doch der schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung“, antwortete er auf die Frage, welche in meinen Augen zu lesen war. Schnell zogen wir uns unsere Kleider wieder an und liefen in die Stadt. Auf dem Weg dorthin rannten uns Frauen und Kinder entgegen. Brenn hielt eine Frau am Arm fest und sah sie eindringlich an. „Was ist hier los?“, wollte er wissen. Die Frau sah ihn erschrocken an. „Sie greifen an. Sie haben unser Versteck gefunden!“ Brenn sah mich fest an und ich erwiderte den Blick. „Wir müssen helfen“, sagte ich, nahm Brenn am Arm und zog ihn hinter mir her. Ein paar Minuten später standen wir vor Suns Haus. Stimmengewirr drang zu uns heraus. Ich konnte Suns und Feras Stimmen erkennen. Aber es waren noch drei andere dabei, die ich zwar kannte aber zu keinem Namen zuordnen konnte. Brenn betrat ohne zu klopfen das Haus und sah die Versammelten an. Ich folgte ihm etwas zögernd.
Jetzt sah ich auch die anderen drei, deren Stimmen ich gehört hatte. Es waren „Ratsmitglieder“ wie sie sich nannten. Sie halfen Sun bei den Entscheidungen, welche sie treffen musste. Zwei davon waren Männer, die dritte eine Frau. Sie sahen uns missbilligend an. „Was wollt ihr?“, frage die Frau. „Stimmt es, dass wir angegriffen werden?“, wollte Brenn wissen. Sun nickte. „Ja. Die Soldaten müssen irgendwie herausgefunden haben wo wir uns verstecken.“ Sie beäugte und misstrauisch, vor allem mich. „Was habt ihr zwei gemacht?“ Sie kam auf mich zu und strich meine Haare glatt. „Dir hat ja jemand ganz schön die Haare verwuschelt.“ Ich lief etwas rot an und sah kurz zu Brenn. Dieser legte einen Arm um mich. „Ich hab sie so verwuschelt“, meinte er grinsend und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Sun funkelte mich an. „Dann stimmen die Gerüchte also. Ihr beide seid zusammen. Naja, jetzt habe ich besseres zu tun als mich über euch aufzuregen.“ Sie wandte uns den Rücken zu und sah die anderen an. „Also wie gehen wir vor?“ Einer der Männer erhob jetzt die Stimme. „Wir sollten sie frontal angreifen so dass sie gar nicht erst in die Stadt eindringen können. Wir rufen alle Kampffähigen zusammen und empfangen sie am Tunneleingang.“ Die anderen nickten anerkennend. Doch ich schüttelte den Kopf. „Dann geht ihr in den Tod.“ Er Mann sah mich an. „Woher willst du das wissen? Du bist zu jung um schon einen Kampf in dieser Größenordnung miterlebt zu haben.“ „Ich weiß es einfach, okay. Ihr könnt euch in dem Gang nicht gegen die Schusswaffen der Soldaten verteidigen. Der Gang ist zu eng um mit Schwertern zu kämpfen, ihr werdet alle sterben.“ Alle sahen mich an. Keiner sagte etwas, aber ich konnte ihren Gedanken entnehmen das sie mir zustimmten. „Na schön, was schlägst du vor?“, fragte die Frau und sah mich neugierig an. „Ich würde sie in die Stadt kommen lassen. Alle sollen von hier verschwinden außer den Kampffähigen. Die Postieren wir in der Stadt und sobald die Soldaten an einem Posten vorbei kommen werden sie getötet“, überlegte ich. „Wir schalten einen nach dem anderen aus.“

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Tag der Veröffentlichung: 14.03.2012

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