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Prolog.




Schon Monate war es her, dass ich Safrina sterben sah. Nichts konnte ich ausrichten, um sie zu retten. Doch nun, war alles vergebens.
Wie egoistisch sie gehandelt hatte!
Verzweifelt senkte ich meinen Blick. Die Zeit verging viel zu schnell. Ich wollte sie ergreifen, die Zeit zwingen, stehen zu bleiben. Doch nichts würde davon helfen. Ich saß hier und entwürdigte mich als König der Dämonen. Ja, ich war ein Dämon. Der Stärkste, den es jemals gegeben hatte.
Doch diese Zeiten waren vorbei, genau dann, als Safrina mein Leben für immer verlassen hatte.
Seit Monaten schon, saß ich hier und überlasse mich meiner vollkommnen Trauer. Ich hatte Safrina geliebt und dafür hasste ich sie umso mehr dafür.
Warum?
Diese Frage hatte ich mir gestellt, seitdem ich Safrina das erste Mal gesehen hatte. Alles hatte ich aufgegeben, um ihr nur so nah wie nur möglich zu sein.
Und jetzt hatte ich mich selbst aufgegeben, dass was ich mal war, existierte nicht länger.
Plötzlich erklang ein knarrendes Geräusch und die große Tür des Thronsaals wurde geöffnet.
Ich blickte meinen Berater gelangweilt ins Gesicht. Er trug eine kohlrabenschwarze Robe, die er tief ins Gesicht gezogen hatte. Nur ein schmales Kinn und seine Lippen konnte man erkennen.
Ich begann leise zu seufzten. Er war die einzige Gesellschaft die ich erduldete.
„Meister“, sagte er und blickte mich mit einem fiesen Grinsen an und verbeugte sich leicht.
Ich wedelte schlicht mit der Hand und gab ihm damit zu verstehen, dass er weiter sprechen sollte.
Leise schlich er zu mir herüber und legte leicht seinen Kopf schräg.
„Wie ich sehe, badet Ihr immer noch in Selbstmitleid.“ Seine Stimme war nur ein tiefes Gemurmel.
Craven hatte schon vorher meinem Vater gedient. Dem letzten Dämonenkönig in Kereth.
Mein Vater, den ich nie wirklich anerkannt hatte, wurde durch seinen Hass und den Groll gegen König Johann ein Ungetüm. Er verwandelte sich binnen Wochen in ein komplett anderes Wesen, das sogar mir nicht gefiel.
Mein Vater hatte sich deswegen gegen König Johann gewandt und somit den Tod verdient. Öfters hatte er sich an weibliche Auralia vergangen, sie misshandelt und vergewaltigt. Damals war ich noch um einiges jünger und konnte nicht beurteilen, was er tat. Und es war alles andere als richtig.
Der frühere Dämonenkönig wollte all die Macht, die selbst König Johann nicht besaß, besitzen.
Ich schüttelte wieder meinen Kopf. Craven sah mich mit einem fiesen Grinsen weiter an und beobachtete mich.
„Ihr solltet Euch endlich um Euer Volk kümmern. Die nächste Ratsitzung findet bald statt.“
Ich verzog meinen Mund und stand lässig von meinem Thron auf. Dabei ließ ich Craven nicht aus den Augen.
„Wie wär’s, wenn Ihr stattdessen Meiner dort hingeht? Ich habe schon etwas anderes vor.“
Mein Berater lächelte leicht und ich wusste nicht wieso, doch dieser Moment verhieß für mich nichts Gutes.
„Natürlich. So, wie Ihr es verlangt.“ Als hätte er auf genau diese Antwort von mir gehofft.
Sein Lächeln verzog sich für einen kurzen Augenblick. Craven hob seinen Kopf und zog seine Robe herunter, dabei sahen mich zwei violette, kristallklare Augenpaare an.
Das Zeichen eines Weltenwandlers. Entsetzt starrte ich ihn an.
Noch nie zuvor hatte ich Craven wirklich gesehen.
Seine eindringlichen, violetten Augen musterten mich. Eine perfekte Augenbraue war leicht gewölbt.
Cravens rundes und dennoch schmales Gesicht verzog sich leicht, als er mein Entsetzen sah. Seine pechschwarzen Haare fielen ihm leicht ins Gesicht. Seine Wangenknochen lagen höher und waren ausgeprägter, als die Meinen.
Er wirkte vom Aussehen nicht älter als neunzehn. Mein Ego litt besonders darunter.
Seine Lippen verzogen sich erneut zu einem schiefen Lächeln. „Da gibt es noch etwas, dass Ihr wissen solltet“, begann er wieder zu sprechen. Diesmal war es kein Gemurmel mehr. Seine Stimme war männlich und sehr tief.
Ich ging darauf ein und musterte ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue.
„Sprecht“, wies ich ihn an.
Craven trat einen Schritt zurück und flüsterte leise:„Safrina.“ Er hauchte ihren Namen und in seiner Stimme schwang liebevolle Sorge mit. Es war wie ein Stich in mein lebloses Herz.
Mein Körper begann unwiderruflich an zu zittern. Als er ihren Namen aussprach, mit solch einer Hingabe, konnte ich nicht anders, als seine Schultern zu packen und ihm fest in die Augen zu blicken. Craven war fast genauso groß wie ich.
„Craven“, sagte ich gepresst. Mein Körper verweigerte mir jeglichen Dienst.
„Was weißt du über sie?“
Bisher hatte ich ihm nur Oberflächlich meine Lage erklärt und er hatte mir in der ersten und schwersten Zeit zur Seite gestanden.
Doch sein Gesicht zeigte diesmal keine Regung, nur seine Augen, die verräterisch glänzten.
„Sag schon“, brüllte ich verärgert. Ich verzichtete auf jegliche Umgangsformen und schritt sofort zum ‚Du’ um. Meine Wut und Trauer nahm das vollkommene Ausmaß an. Meine Finger bohrten sich gewaltsam in sein kaltes Fleisch.
Jede Nacht wurde ich geplagt von Safrinas heimlichen Besuchen in meinen Träumen. Dort war ich am verletzlichsten – und sie wusste es. Immer wieder bat sie mich, sie zu finden, dass sie nicht tot war. Aber ich hatte sie doch sterben sehen, oder nicht?
Warum taten sie mir alle das an? Hatte ich nicht schon genug im Stillen gelitten?
Jede Nacht, in der ich schlief, erklang ihre zarte und klare Stimme in mein Ohr, als stünde sie genau neben mir. Safrina erzählte mir von ihrer Welt, von ihrer Mutter und ihrem Vater. Doch ich konnte nur Bruchstücke wahrnehmen. Denn genau dann, als ich ihr genauer zuhören wollte, verschwand sie samt dem fließenden Licht und ließ mich alleine in der Finsternis zurück.
Als würde sie mir kleine Hinweise zurücklassen. Safrina hasste den Ort, an dem sie war. Gab es den Himmel wirklich? So war es für Safrina die reinste Hölle.
Ich schüttelte leicht meinen Kopf, als Craven zu sprechen begann.
„Ich weiß so ziemlich alles, was in deinem spärlichen Köpfchen vorgeht. Du hast dich mit dem Falschen angelegt. Sie gehört mir.“
Sein fieses Grinsen wurde zu einer hässlichen Fratze und er trat weitere Schritte zurück. Ich blickte ihn mit meinen fassungslosen Augen an. Langsam drehte er zurück und sein Kopf drehte sich nochmals zu mir, dabei entblößte er zwei lange Fangzähne. Meine Augen weiteten sich noch mehr.
Verdammt noch mal, was war er nur?
Craven stieß leise die Tür auf und verschwand mit der Dunkelheit. Dabei ließ er seine dunkle Robe mitten im Raum liegen. Meine schockgeweiteten Augen sahen ihm nach und ich wusste, es würde mein Ende

bedeuten.



Kapitel 1: Verzweiflung




Craven hatte seine Drohung wahr gemacht. Schon in den nächsten Tagen wurde ich vom Thron gestoßen, verachtet und gehasst. Craven hatte mich aus, nun, seinem Land verbannt.
Jeden neuen Tag verbrachte ich im Wald Kelioth.
Ich irrte umher und fasste keinen klaren Gedanken mehr. Die Jagd war eröffnet.
Verzweifelt kniff ich meine Augen zusammen und ließ mich auf einem Stein nieder. Was hatte mich nur zu solch einer Tat getrieben?
Ich wusste genau, dass es nicht so weiter gehen konnte. Ein kleiner Seuftzer entrann meiner Kehle.
Meine Haut war vollkommen verblasst und meine wirren Haare fielen mir ins Gesicht.
Überall roch es nach ihr. Safrina. Der süße Duft brannte in meiner Kehle.
Es war ein magischer Ort und nun verpestete ich ihn mit meiner Anwesenheit. Ich schnaubte.
Ich war nicht mehr Sicher hier. Und schon gar nicht in Osmalien.
Mir fiel das Tor der Verdammnis ein. Keiner hatte sich je wieder hindurch gewagt. Zaffron mitsamt Julien und ihren Anhängern, waren in die Menschenwelt geflüchtet, als ob sie wüssten, dass mein Absturz vorhersehbar war. Langsam straffte ich meine Schultern. Ob ich ihnen je wieder in die Augen sehen konnte, stand auf einem anderen Kapitel.
Schnell stand ich auf und betrachtete die Gegend. Überall liefen Dämonen herum und suchten nach mir. Ich war auf der Flucht und der Gejagte. Lässig stieß ich meine Hände in meine schwarze Jeanshose. Ich zog meine Augenbrauen zusammen. Cravens letzte Worte hallten mir wieder im Kopf herum.

„Ich weiß so ziemlich alles, was in deinem spärlichen Köpfchen vorgeht. Du hast dich mit dem Falschen angelegt. Sie gehört mir.“



Mit dem Falschen angelegt? Was wusste er schon von mir?
Meine Schwäche kannte er. Safrina.
Aber woher sollte er wissen, was ich dachte und von wem ich in der Nacht verfolgt wurde?
Ich riss geschockt meine Augen auf. Sofort blieb ich wie angewurzelt stehen und schaute ins Leere.
Er hatte mich beobachtet. Craven war nicht nur ein Weltenwandler, einer der Phenomia. Er konnte tatsächlich Gedankenlesen.
Mein Körper spannte sich unter dem enormen Druck an, meine Hände ballten sich in den Hosentaschen zu Fäusten. Mit schnellen Schritten ging ich durch den Wald.
Ich hatte schon von diesen Wesen gehört, doch ihnen nie wirklich Glauben geschenkt. Damals hatte ich stark an deren Existenz gezweifelt. Doch nun fügte sich jedes kleine Puzzleteil zu einem Ganzen zusammen. Mein Vater hatte von Anfang an gewusst, auf was er sich dort einließ, als er Craven zu uns holte. Wusste mein Vater damals schon, dass ich stärker war als er?
Meine Mundhöhle fühlte sich trocken an. Was für eine Art Dämon war Craven noch?
Seine violetten Augen hatten vor Sorge nur so gestrahlt, als er Safrinas Namen aussprach. Sie wurden gläsern und verletzlich. Es verursachte erneut einen Stich in meinem Herzen.
Ich blickte zu Boden und achtete nicht besonders auf den Weg, denn ich wusste nur zu gut, wo sich das wieder aufgebaute Tor befand.
Nach dem unerbittlichen Krieg war es komplett zerstört gewesen. Dies war das erste Ziel gewesen, damit die Auralia nicht in die Menschenwelt fliehen konnten. Fast alle waren gestorben.
Doch dank Safrinas übereilten Entschluss, hatten die Auralia keine Königin mehr und lebten unter den Dämonen. Ich schüttelte nachdenklich meinen Kopf.
Es hatte nichts gebracht, dass sie sich opferte. Schnaubend ging ich weiter.
Langsam schlug ich mir den Weg durch den Wald und kam an einem riesigen Feld an. Unserem Feld, dachte ich und ging mit gesunkenem Kopf weiter.
Kein Dämon traute sich je wieder hierher. Alles war verwüstet. Sogar die Pflanzen litten an den Folgen von Safrinas Tod. Trotz allem war dieser Ort heilig für mich.
Der Weg war lang und hart. Immer wieder kreisten sich meine ganzen Gedanken um Safrina. Sie war stark und hatte einen unglaublichen Dickkopf.
Außerdem war sie die schönste Frau, die ich jemals gesehen hatte.
Vom Aussehen her, wirkte sie wie sechzehn. Was ich überhaupt nicht verstand, aber sie musste viel zu früh erwachsen werden. Seitdem ihre Mutter fort war, hatte sie Risse bekommen. Das Gesamtbild war leicht zerkratzt. Doch als nun auch der Krieg ausgebrochen war und ihr Vater an dessen Folgen starb, war es völlig zerrissen. Auseinandergefetzt.
Safrina hatte nicht nur für ihr Volk gehandelt, nein. Sie wollte nicht mehr leiden.
Wirklich hassen konnte ich sie dafür nicht, auch ich habe Schmerz erfahren und dann hatte ich sie gefunden. Ich war wieder ich selbst, durch Safrina.
Wieder seufzte ich deprimiert auf.
Als ich die Grenze zu Kereth überschritten hatte, kamen auch schon gleich neue Ritter von Craven. Sie ritten alle auf schwarzen Pferden, die abnormaler Weise nach Tod stanken. Ich zog die Nase kraus und lief durch die verrotteten Felder.
Keiner, außer diejenigen, die vom königlichen Blut abstammten, konnten mich sehen. Craven hatte dies nicht überdacht, als er seine Angestellten losschickte, um mich zu töten.
In Höchstgeschwindigkeit raste ich durch das Land. Alles zog an mir vorbei. Wie einst mein Leben.
Freiwillig würde ich dieses Land nie wieder betreten wollen.
Der Brief von Safrina wog in meiner Hosentasche auf einmal mehrere Kilos. Scharf zog ich die Luft ein und rannte noch schneller.
Ich hatte ihn als Erinnerung an sie mitgenommen. Ihr ganzes Leben hatte sie in diesen Brief niedergeschrieben. Jedes kleines Detail, was sie dachte, es wäre wichtig. Und das war es auch.
Für mich bedeutete dies alles. Safrina war mein Lebensinhalt, der nicht mehr da war.
Früher einmal, war ich anders gewesen. Mein Vater hatte mich blutrünstig erzogen. Die Auralia sollten meine Feinde sein, sie waren nicht gut für unseres Gleichen.
Doch er hatte nicht bedacht, dass Safrina den Stein des ewigen Lichtes besaß. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass es einen Stein, mit solch einer unbändigen Kraft überhaupt gab. Aber als ich die Erzählungen gehört hatte, fielen mir fast die Augen aus dem Kopf.
Immer ein weiblicher Auralia sollte diesen Stein besitzen und bewachen, er erstrahlte unglaubliche Kraft. Als ich Safrina das erste Mal sah, wusste ich sofort, dass sie ihn besaß. Doch es war nicht der Stein, der mich in den Bann gezogen hatte. Es war immer sie gewesen.
Schweren Herzens brachte ich die letzten Schritte hinter mich. Überall roch es widerlich nach Verwesung. Ich schüttelte den Kopf und trat dem Tor entgegen. Früher hatte ich die Menschenwelt immer betreten. Zusammen mit meinem Vater. Ich wusste, dass die Menschen viel weiter waren, als wir. Doch mich zog es nie dorthin. Doch nun blieb mir nichts anderes übrig.
Leise murmelte ich die Worte, um das Tor der Verdammnis zu öffnen. Der Boden bebte leicht, als sie die Türen öffneten. Der Nebel zog sich empor und ich trat in die Schwärze hinein.


Als sich die Schwärze entzogen hatte, die mir neue Kraft gegeben hatte, war ich auf der anderen Seite. Grüner Rasen, weite Flächen und Bäume hießen mich Willkommen.
Ich zog tief die Luft ein und fühlte mich wieder etwas besser. Langsam ging ich durch den Wald. Ich wusste genau wohin ich gehen musste. Meine Füße trugen mich in die Stadt.
Überall sah ich Menschen, die sich zu mir umdrehten. Den weiblichen Wesen fielen fast die Augen aus dem Kopf. Ich grinste leicht. Der Wind wehte mir die Haare aus dem Gesicht. Dabei erklang eine sanfte Stimme.
Sei glücklich, hauchte sie.
Ich erschrak und drehte mich schlagartig um. Doch niemand stand hinter mir. Ich und glücklich sein? Wer hatte sich diesen Mist ausgedacht?
Ich schnaubte und ging, schneller als zu vor, weiter. Die Sonne stand hoch am Himmel und beleuchtete die Stadt. Kaum Wolken zierten den Himmel und Vögel sangen ihr Lied.
Es war friedlich hier, genau so, wie ich es in Erinnerung gehabt hatte. Schnell straffte ich meine Schultern und lief über die Straße. Vor mir stand es. Das Haus von Zaffron. Ob er da war?
Ich klopfte barsch gegen die weiße Holztür und schob meine Hände in die Hosentaschen. Schon nach kürzester Zeit hörte ich Schritte. Ich holte noch mal tief Luft.
Die Tür wurde aufgerissen und ein verwunderter Julien stand mir gegenüber. Er war etwas kleiner als ich. Ein kleines Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus.
Er erwiderte es kurz. „Dagon?“, fragte er leise und schaute sich um.
„Ich bin allein gekommen“, murmelte ich. Julien nickte und ließ mich eintreten. Schnell schloss er hinter sich die Tür und ging voraus. Der kleine Flur breitete sich vor mir aus. Dahinter lag das Wohnzimmer. Er steuerte direkt auf eines der grauen Sofas zu und ließ sich darauf nieder. Neben Julien war ein süßes Mädchen. Ich roch an ihr den Dämon.
„Verflucht“, zischte ich leise und wich von ihr zurück. Ihre moosgrünen Augen sahen mich fragend an. Julien lachte lauthals los. „Sorry, Dagon. Das ist Michelle“, er zeigte auf das kleine Mädchen hinter sich und sie lächelte leicht. „Sie ist meine Freundin und wohnt schon seit…längerer Zeit hier.“ Ich nickte teilnahmslos und setzte mich auf das andere Sofa. Michelle roch viel zu süßlich. Eindeutig Vampir. Ich zog die Nase kraus und rückte noch weiter ab.
„Ist Zaffron da?“, fragte ich mit erstickter Stimme. Julien schüttelte kurz seinen Kopf.
„Nein. Seitdem… Safrina nicht mehr da ist…“, er schluckte laut und sah mich mit eindringlichen Augen an, „ist er zu seinem Zirkel gegangen.“
Bei ihrem Namen zuckte ich leicht zusammen und seufzte leise. „Wo ist dieser Zirkel? Ich muss unbedingt mit ihm sprechen.“
Julien zog beide Augenbrauen hoch und musterte mich. „Was liegt an?“ Seine Stimme wirkte Geschäftsmäßig. Michelle schwieg die ganze Zeit über. Sie sprach nicht ein Wort.
„Das was ihr alle erwartet habt“, sagte ich schlicht und ließ das Thema fallen. Julien nickte nur traurig und sah mit bemitleidet an. Wie ich es hasste!
„Wo kann ich diesen Zirkel finden?“
„Sie treffen sich immer in der Innenstadt. Unter ihrem Gebäude liegt ihr Treffpunkt. Genaueres weiß ich leider nicht.“
Ich nickte. „Sein Geruch liegt im ganzen Haus verteilt. Ich werde ihn schon finden.“
Julien klopft mir auf die Schulter und entließ mich. Michelle lächelte mich nur zaghaft an. Mit schnellen Schritten ging ich aus der Tür hinaus ins Freie.

Ich hatte es mir leichter vorgestellt, Zaffron zu finden, als gedacht. Seufzend ließ ich mich auf eine Bank im Park fallen. Sein würziger Geruch lag hier überall verstreut und unter dieser gewaltigen Menschenmasse war es schwer, Zaffron ausfindig zu machen.
Leicht legte ich meinen Kopf zurück und schaute der untergehenden Sonne dabei zu, wie sie hinter dem Horizont verschwand.
„Erschreck dich nicht!“, murmelte eine sanfte Stimme. Mein Kopf fuhr hoch und neben mir saß ein jüngeres Mädchen. Sie hatte blondes, langes Haar das ihr über den Rücken fiel. Ihre grünen Augen musterten mich. Sie wirkte nicht älter als achtzehn.
Wieder wehte der Wind mir eine sanfte Stimme her, die nicht von dem Mädchen kam, das neben mir saß.
Sei glücklich.
Ich stand hektisch auf und sah mich um.
Safrina! Eindeutig, ich irrte mich nicht. Doch so sehr ich mich auch konzentrierte, ich konnte sie nicht finden. Seufzend ließ ich mich wieder auf die Bank fallen. Das Mädchen musterte mich lächelnd.
„Dagon“, flüsterte sie voller Freude und legte ihre zarte Hand auf meinen Arm.
Ich zog meine Augenbrauen zusammen. „Woher kennst du meinen Namen?“
Sie lächelte ihr Engelslächeln. „Ich bin dir gefolgt.“
„Das war nicht die Antwort auf meine Frage“, sagte ich grimmig und schaute wieder auf die untergehende Sonne.
„Ich weiß. Aber du solltest wissen, dass ich sie sehen kann.“
Erschrocken fuhr mein Kopf in ihre Richtung und sie grinste triumphierend. „Wen sehen?“
Ohne weitere Worte sprang sie auf und ging mit langsamen Schritten von mir weg. Schnell ging ich ihr hinterher und packte sie am Arm. Sie wirkte nicht überrascht und lächelte wieder.
„Folge mir“, flüsterte sie sanft und entzog sich meiner Umklammerung.
Seufzend ging ich neben ihr her. War es eine Falle?
„Wie heißt du?“, fragte ich leise, als das Schweigen die Oberhand gewann. Sie blinzelte kurz zu mir hoch, lächelte aber wieder. Dabei schüttelte sie leicht den Kopf. „Später“, verriet sie mir und ging schneller als zuvor.
Ihr süßer Duft wehte mir entgegen. Auralia. Verwundert folgte ich ihr.
Schweigend gingen wir durch die von Menschenmassen überfluteten Straßen. Es wurde langsam Abend und wir gingen in immer weitere Gassen hinein. Plötzlich blieb sie vor einem etwas heruntergekommenen Haus stehen und klopfte an die verdreckte Stahltür.
Sie schaute mich eindringlich an, bevor eine tiefe Männerstimme erklang. Er sprach in einer Sprache, die ich nicht verstand.
Verwundert zog ich meine Augenbrauen hoch und musterte das Mädchen unter mir. Sie ging mir gerade mal bis zur Brust.
In ihrem Gesicht spiegelte sich Safrina wieder. Ich wusste nicht wieso, doch sie erinnerte mich schmerzhaft an Safrina.
Dann sprach das kleine Mädchen erneut und die Tür wurde laut aufgerissen. Vor uns stand ein muskulöser Mann mit schwarzen Haaren. Er hatte eine gebräunte Haut und braune Augen.
Ein starker Kontrast zu dem Mädchen.
„Komm“, flüsterte sie zu mir und ich folgte ihr zaghaft.
Vor uns erstrecke sich eine große Eingangshalle. Schwarzer Marmor spiegelte sich im Kerzenlicht, die überall im Raum verteilt waren. An der Decke hing ein riesiger Kronleuchter und ich schluckte laut.
Von außen wirkte das Gebäude sehr heruntergekommen. War es nur ein Versteck?
Das blonde Mädchen ging voraus zu einer größeren Treppe, die nach unten führte. Die Räume glichen sich alle. Hinter mir lief das Muskelpaket und sein heißer Atem brannte in der Luft.
Ich wusste sofort, dass es einer der früheren Krieger von meiner Vater war.
Aber was machte das Mädchen hier? Eine Auralia, die Elfen des Lichts?
Waren manche von ihnen doch noch durch das Tor geflohen?
Ich schüttelte nachdenklich mit meinem Kopf.
Schweigend gingen wir doch die kerzenlicht durchfluteten Räume und Gänge, bis wir an einer großen Holztür ankamen. Sie hatte goldene, verschnörkelte Muster. Sie ähnelte sehr meiner früheren Thronsaaltür.
Wieder klopfte das Mädchen und wartete geduldig auf Einlass.
Die Tür wurde barsch aufgezogen und Zaffron trat hinaus. Geschockt riss ich meine Augen auf. Er sah nicht mehr aus wie früher. Seine brauen, wirren Haare fielen ihm ins Gesicht und sein freundliches Lächeln, was ich an ihm immer so bewundert hatte, war vollkommen verschwunden. Sein aufgeknöpftes Hemd hing an ihm herunter und man konnte seine blasse Haut sehen.
Seine pechschwarzen Augen sahen zu mir herüber und er verkrampfte sich. „Dagon?“, fragte er verwundert und ich nickte leicht als Antwort.
Das blonde Mädchen packte mich am Arm und zog mich in den Raum. Es war Zaffrons Zimmer.
Überall standen weite, dunkle Bücherregale und ein riesiges Doppelbett. Ein roter Teppich zierte den sonst so schwarzen Marmorboden. Kerzenlicht durchflutete das große Zimmer.
Ich ließ mich auf eines der schwarzen Sofas sinken und er tat es mir nach. Das blonde Mädchen wanderte zu den Bücherregalen und suchte angestrengt.
„Was tust du hier?“, fragte Zaffron plötzlich und zog seine Aufmerksamkeit wieder auf sich.
Ich räusperte mich und antwortete:„Ich wollte mit dir sprechen.“
Verwundert zog Zaffron eine Augenbraue hoch und hörte mir gespannt zu.
„Es ist alles aus dem Ruder gelaufen.“ Verzweifelt seufzte ich und blickte zu Boden.
„Ich hätte nicht damit gerechnet, dass Craven zu solch einer Tat fähig wäre. Jetzt ist unsere ganze Existenz bedroht, komplett vernichtet zu werden. Er ist zwar schlau und stark dennoch trachtet er nur nach dem Bösen.“ Ich knirschte mit meinen Zähnen und ballte meine Hände zu Fäusten.
Zaffron drückte mit seiner starken Hand meine Schulter und ich verzog mein Gesicht.
„Ich weiß“, seufzte er. „Es ist eine schwierige Situation. Durch Safrinas Tod, hat sich einiges verändert. Du weißt nur die halbe Wahrheit…“, Zaffron stockte, als er in mein verblüfftes Gesicht sah.
Plötzlich kam das blonde Mädchen wieder zurück zu uns, mit einem dicken veralteten Buch in der Hand. Sie lächelte mich zaghaft an. „Hier drin findest du alles, was du wissen musst. Wenn du fragen hast, kannst du dich jederzeit an uns wenden“, sagte sie lieblich, legte das Buch neben mir auf das Sofa und schlich aus dem Raum.
„Wer ist sie?“, fragte ich voller Neugier. Um Zaffrons Lippen zuckte es.
„Du wirst es nicht glauben“, sagte er bewundernd. „Aber sie ist es tatsächlich. Ist es dir noch nicht aufgefallen?“, fragte er mich.
„Was aufgefallen?“
„Die Ähnlichkeiten zwischen Safrina und ihr.“
Ich nickte leicht. Natürlich hatte ich versucht, es zu verdrängen. Was wollte Zaffron damit bezwecken?
„Sie ist die erste Prinzessin gewesen“, murmelte er in Gedanken. Ich zuckte kaum merklich zusammen. Dabei sah ich ihn mit geschockten Augen an.
„Ich hätte niemals damit gerechnet, sie wiederzufinden.“ Zaffron ließ seine Schultern etwas sinken und schaute mich traurig an. „Aber der Grund ist ein anderer, warum sie wieder zurück ist.“
Ich zog eine Augenbraue hoch und hörte ihm weiter zu.
„Damals ist sie mit den Prinz der Dämonen geflohen, hier her. Doch es gab keinen Nachfolger mehr, als der Vater des Prinzen starb. So musste er zurück kehren und hatte sie zurück gelassen.“
Seine Stimme wurde mit jedem Wort leiser und trauriger.
„Sie war daran zerbrochen und wurde im Zirkel aufgenommen.“ Er seufzte und schaute auf seine Hände. „Der Prinz war dein Vater, Dagon.“
Meine Augen weiteten sich. „M-Mein Vater?“, stotterte ich und Zaffron nickte.
„Dein Vater war es, der sich einst in eine Auralia verliebt hatte. Doch als dein Großvater starb, musste in neuer Nachfolger antreten. Da dein Vater keine Brüder hatte, musste er dies übernehmen. Er wurde regelrecht dazu gezwungen.“
„Und deswegen ist er zu einem Monster geworden“, schlussfolgerte ich und blickte auch zu Boden. Ich bemerkte, wie Zaffron sich von Sofa erhob und mir das Buch in die Hände drückte.
„Finde heraus, wer du wirklich bist“, murmelte er und verließ den Raum. Mein verstummtes Herz verzog sich schmerzhaft, als ich an meinen toten Vater dachte.
War er nur aus Liebe, so geworden? Ich seufzte stark und sah auf das Buch.
Würde ich später auch mal so werden? Schoss es mir wie ein Blitz durch den Kopf.
Ich schüttelte den Kopf und stand vom Sofa auf.
Ich ging in Raum hin und her, um wenigstens klar im Kopf zu bleiben.
War mein ganzes Leben eine Lüge? Ich zog meine Augenbrauen zusammen und blieb mitten im Raum stehen. Dabei nahm ich das Buch und betrachtete es. Es wirkte sehr alt und war von Hand geschrieben. Das Buch trug meinen Nachnamen.
Ich schluckte schwer als ich ihn las. Belios Daemon.
Ich seufzte und setzte mich erneut auf das schwarze Sofa. Es gab leicht unter mir nach. Voller Neugier hielt ich das Buch in meinen Händen. Gequält schaute ich weg und verzog meinen Mund.
Ich dachte eigentlich, wer ich wirklich war. Hatte ich mich getäuscht? War mein ganzes Leben auf einer Lüge aufgebaut?
Ich riss mich zusammen und schlug die erste Seite auf. Das Papier war schon ziemlich in die Jahre gegangen und zerfledderte langsam. Behutsam blätterte ich herum, bis ich auf meinem Stammbaum stieß. Verwundert entdeckte ich den Namen meines Vaters, darunter war meiner.
Aber was war mit meiner Mutter? Verwundert strich ich über Vaters Namen. Ramian Daven.
Ich verzog meinen Mund und sah neben seinem Namen, noch einen. Fala Charlyne. Verwundert starrte ich den Namen an. War dies meine Mutter? Lebte sie noch?
Hektisch stand ich auf und verließ den Raum. Stille breitete sich in den Gängen aus. Nach kürzester Zeit hatte ich Zaffron entdeckt, der in Speiseraum aß. Er zog beide Augenbrauen hoch und betrachtete mich. Sein Blick wanderte zu meiner Hand, in der ich das Buch fest umklammert hielt.
Mein Blick richtete sich auf die Restlichen Wesen, die im Raum saßen und gebannt zu mir starrten. Sogar die Prinzessin konnte ich ausfindig machen, die mich breit angrinste.
Insgesamt waren wir zu elft. Ale sahen sie unterschiedlich aus. Sogar der frühere Krieger meines Vaters war anwesend. Sein Arm war beschützend um die Schulter der Prinzessin geschlungen.
Ich kämpfte mit meinen Nerven und setzte mich zu Zaffron. Die anderen achteten nicht weiter auf uns, sodass ich frei sprechen konnte.
„Wer ist Fala Charlyne?“, fragte ich ernst und sah in Zaffrons schwarze Augen, die mich musterten.
Zaffron schaute mich verblüfft an. Ich schlug die Seite meines Stammbaumes auf und überreichte sie ihm. Er las den Namen meiner Mutter und wirkte traurig.
„Deine Mutter.“
„Ist es…?“
Zaffron schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nicht die Prinzessin. Deine Mutter ist nach deiner Geburt gestorben. Wir wussten nicht, wer und was sie wirklich war.“
Ich nickte benommen und Zaffron übergab mir wieder das Buch. Meine Mutter war Tod.
Warum suchte mich der Tod immer heim? Ich schüttelte verzweifelt meinen Kopf.
Zaffron drückte helfend meine Schulter und ich lächelte ihn zaghaft an. „Du wirst es schon herausfinden, glaube an dich. Wenn du möchtest, geh zur alten Bibliothek. Sie liegt in der Nähe von meinem Zimmer. Die Tür kannst du nicht verfehlen“, sagte er vielversprechend und wand sich wieder seinem Essen zu.
Ich stand von der Essensbank auf und ging erneut auf die stillen Gänge.
Meine Hände lagen schlaff an meinem Körper und ich hielt das Buch weiterhin fest umklammert. Was wusste ich noch alles nicht?
Fragen über Fragen stellte ich mir und ich musste eine Antwort finden Entschlossen ging ich durch die Gänge und suchte die Bibliothek. Und tatsächlich. Es war eine Doppeltür mit roten mustern und Verschnörkelungen drauf. Vorsichtig schob ich sie auf und die Tür gab ein knarrendes Geräusch von sich. Im Raum war alles dunkel und roch nach Staub.
Ich machte die Kerzen an und sah mich um. Der Raum war riesig. Überall standen weite, dunkle Bücherregal und Sofas. Ein weicher, grauer Teppich lag auf dem Boden.
Ich wagte einige Schritte zu einem rustikalen Sofa und ließ mich niedersinken. Dabei betrachtete ich erneut das Buch in meinen Händen. Ich schlug es hastig auf und suchte nach etwas Hilfreichem.
Ich fand einige Aufzeichnungen meiner Vorfahren, den letzten Herrschern von Kereth. Sogar über König Johann, Safrinas Vater. Doch bei der Hälfte des Buches, hatten die Schriften ein Ende genommen. Leere Seiten waren nur noch vorhanden und ich gab seufzend auf.
Plötzlich wurde die Tür erneut geöffnet und ein blonder Kopf sah zu mir herüber. Es war die Prinzessin. „Störe ich?“, fragte ihre sanfte Stimme und ich schüttelte den Kopf. Dabei klappte ich das veraltete Buch zu und sie setzte sich neben mich.
Ihre grünen Augen musterten mich. „Hast du schon etwas herausgefunden?“, fragte sie leise.
Wieder schüttele ich mit dem Kopf. Sie senkte den Blick zu dem Buch und seufzte.
„Ich hatte gehofft, es würde mehr Informationen enthalten. Doch wie es scheint, ist dies nicht der Fall.“ Sie sah mich erneut an und lächelte zaghaft.
Ich nickte. „Leider nicht.“ Meine Stimme war erstickt und rau. Ich knurrte leise und bedrohlich, dabei zuckte das blonde Mädchen neben mir zusammen.
„Ich hatte ganz vergessen, wie Temperamentvoll Hochblüter der Dämonen doch sein können“, sagte sie spaßig und versuchte ihre Angst zu verstecken.
Ich konnte ihr das nicht verübeln. Zaghaft lächelte ich sie an und sie strahlte zurück. Wie konnte sie immer noch überaus fröhlich sein, wenn mein Vater sie dennoch verlassen musste? Wusste sie, dass ich ihn getötet hatte? Sehr Wahrscheinlich. Doch damals blieb mir nichts anderes mehr übrig.


Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 29.09.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
[Die Fortsetzung ist da! Ich hoffe, dass es allen gefallen wird ;)] Ich widme diese Fortsetzung an alle Leser, die mich unterstüzen und meine Geschichten lesen. Vielen dank euch allen! :]

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