Cover

Bis vor ein paar Tagen war ich der Meinung gewesen, es gäbe nichts Schlimmeres als eine Abschlussprüfung vor den Sommerferien.
Aber nein, ich hatte mich grundsätzlich geirrt. Es gibt tatsächlich noch etwas Schlimmeres: Meine Abschlussprüfung, mit dem ich mein Abitur nachholte, war heute. Dazu kam noch, dass ich kaum schlafen konnte und heute Morgen wieder mit meinen unglaublichen Zahnschmerzen aufwachte.
Der Tag konnte gar nicht schlimmer anfangen. Als ich schließlich aufstand sah ich erschrocken zum Wecker. Sag niemals es geht nicht noch schlimmer!
Es war schon nach acht Uhr Morgens und meine Abschlussprüfung fing schon um halb neun an. Also sputete ich mich im Bad und brach alle meine bisherigen Rekorde.
Schnell ließ ich den Blick über meinen viel zu kleinen Kleiderschrank gleiten und entschied mich für mein trägerloses Top und eine schwarze Jeans. Meinen kleinen sichelförmigen Mond hatte ich immer dabei, seitdem mein Vater ihn mir vor ein paar Wochen zum Achtzehnten Geburtstag geschenkt hatte. Er meinte, es sei etwas sehr wertvolles, dass ich niemand anderen geben dürfe. Für mich nur reine Nebensache, er diente als hübsches Armbändchen.
Es war ein schöner Sommermorgen in Arizona und die Sonne erhellte schon einen kleinen Teil des Himmels.
Als ich aus meiner kleinen Wohnung kam und die Sonne meine nackten Arme streifte, zuckte ich etwas zusammen. Es war doch wärmer als ich gedacht hatte.
Schnurr stracks lief ich zu meinem Fahrrad und radelte in Höchstgeschwindigkeit durch die fast noch leeren Straßen. So ruhig heute, dachte ich. Bald sind Sommerferien und in unserer Stadt wird das immer als ein großes Fest gefeiert. Ich habe mich damit noch nie so richtig beschäftigt. Die Straßen sind schon beschmückt und an den Häusern sind kleine Sommerlichter angebracht. Sieht ja schon ganz hübsch aus, dachte ich spöttisch, aber nichts für meinen Geschmack. Ich schnalzte heftig mit der Zunge. Mein Vater hatte mich damals immer gezwungen auf dieses Fest zu gehen. Sommernachtsferier, dass ich nicht lache! Aber diesmal wird das anders, ich bin schließlich achtzehn und kann meine eigenen Entscheidungen treffen.
Als ich dann endlich die Schule erreichte, sah ich schon meine Freunde am Tor und sie winkten mir zu. „Hey, Kim! Na, verschlafen?“, brüllte Michael, als ich nicht mal am Tor vorbei war.
Sprintend hielt ich genau vor seinen Füßen und meine Bremsen quietschten. Michael erschrak und wich zur Seite. Ich konnte nicht anders und lachte laut auf.
Das hast du davon, du Trottel, sagte ich in Gedanken belustigt.
„Pass doch mal ein bisschen auf! Du hättest mich beinahe voll erwischt!“
Ich nickte. „Ach was, das war Absicht.“ Emily, Sascha und Stefan, meine übrigen Freunde, lachten herzhaft.
Stefan schlug Sascha auf den Rücken und die beiden gingen voran. Michael murmelte noch etwas Unverständliches und gang hinterher. Emily wartete noch auf mich, bis ich mein Fahrrad richtig abgestellt hatte und dann gingen wir in die übergroße Schule hinein. Als wir mitten auf dem Gang waren, brach ich das Schweigen und fragte sie etwas völlig belangloses.
„Sag mal, hast du viel gelernt?“, fragte ich Emily.
„Na klar, sind immerhin Abschlussprüfungen! Ich will unbedingt Jura studieren, da brauche ich einen guten Abschluss.“
„Super“, seufzte ich. „Ich konnte mich kaum konzentrieren. Guck mich bloß nicht so an! Ich bin nicht so ein Superhirn wie du. Außerdem habe ich sehr schlecht geschlafen und bin total müde.“ Als Demonstration gähnte ich herzhaft und Emily schüttelte den Kopf und seufzte.
„Das dachte ich mir schon fast. Warum nimmst du das Leben nicht etwas ernster? Man lebt schließlich nur einmal und daraus sollte man etwas machen. Du dagegen hängst bei deiner dummen Kanzlei fest, an die dein Vater so hart arbeitet und bezahlt wirst du auch kaum dafür.“
„Kann schon sein“, erwiderte ich mit einer Handbewegung um die Sache ruhen zu lassen. Als wir beide den Kursraum betraten, waren alle Tische schon unzählige Zentimeter auseinander gezogen. Stöhnend suchte ich mir einen Platz ganz weit hinten. Emily folgte mir und runzelte die Stirn, als ich mich setzte.
„Oh man, warum willst du nur immer ganz hinten sitzen? Vorne kann man sich viel besser konzentrieren.“
Ich schüttelte den Kopf. „Vergiss es. Damit mich der Lehrer ununterbrochen anschaut, oder eher gesagt auf mein Papier? Damit alle sehen können was ich für einen mist schreibe? Ne, danke ich verzichte.“
Emily seufzte und ließ sich auf den Platz neben mich sinken. Michael, Sascha und Stefan saßen eine Reihe weiter vorne. Plötzlich drehte sich Michael um und fragte mich:„ Na, wieder zickig heute?“ Ich runzelte die Stirn.
Na gut, wenn er sich mit mir anlegen will.
„Klar, Micha. Das sagt genau der, der heute fast umgefahren worden ist. Ach ja, und zufällig war ich diejenige, die das getan hat. Also das nächste Mal treffe ich dich, probier’s nur weiter mich zu reizen.“
Der Rest meiner Freunde drehte sich schlagartig zu mir um. „Uhhh. Da muss ich aber Angst haben! Du kannst mich nicht reizen, ich dich schon. Es macht immer wieder Spaß.“
Emily tippte mich sanft auf die Schulter. Ich drehte meinen Kopf in ihre Richtung um ihr Gesicht anschauen zu können. Sie ist eine sehr zierliche Person, unter ihrer dunklen Lockenpracht, verbirgt sich ein Kleines, Rundes Gesicht. Ihre Lippen sind Schwungvoll und ihre Augen sind von einem matten blau. Sie flüsterte mir zu: „Was ist denn heute mit dir los, Kim? Du warst schon lange nicht mehr so drauf. Entspann dich ein bisschen.“
Seufzend gab ich auf. „Na gut.“ Ich drehte meinen Kopf ganz langsam zu Michael um und guckte ihm ernst ins Gesicht. Er war ein sehr muskulöser Junge. Nicht so wie bei Bodybuildern, sondern eher auf die nette Weise. Seine Haare waren aus natürlichem Blond die kurz geschnitten und wirr gestylt waren. Seine Augen, sind die schönsten die ich je gesehen habe. Man könnte meinen sie seien aus purem Gold, aber sie sind nur bernsteinfarben. Trotzdem sehr merkwürdig. Natürlich bemerkte er wie ich ihn musterte und lächelte mich sarkastisch an. Das tat er immer, wenn er gewonnen hatte, egal was es auch war. Michael machte immer gerne kleine Wetten. Das ging mir manchmal echt auf die Nerven. Er wettete immer drauf, dass ich zu spät komme zum Unterricht oder zu Abendkursen. Eigentlich sollte mich das Ganze ja nicht stören, trotzdem musste ich seine Art jetzt schon seit der Grundschule ertragen, langsam reicht’s.
„Sorry, Micha. Ich bin wegen der Abschlussprüfung nur total gereizt. War nicht ernst gemeint.“ Michael zuckte mit den Schultern. „Ja ich weiß, tut mir auch leid.“ Er drehte sich um und Stefan musterte mich besorgt.
„Was ist?“, zischte ich.
„Ach nichts. Viel Glück und so.“ Ich nickte ihm zu und dann blickte hinunter in den Raum, zur Tafel. Die Tische waren hier alle Blockweise so wie auf Treppenstufen aufgestellt. So wie im Theater oder im Kino. Damit wollten die Lehrer mehr ruhe schaffen.
Gelangweilt und gleichgültig ließ ich den Blick durch den Kursraum wandern. Hoffentlich muss ich hier nie wieder hin. Die Schule hat mich schon seit der Highschool angekotzt.
Dann kam unser lieber Herr Lehrer, wie immer zu spät, in den Kursraum. Herr Tränendrüse, so nannten wir ihn immer, war ein Mann mittleren Alters. Immer sehr depressiv und traurig. Er kleidete sich steht’s schwarz und trug nichts anderes. Man könnte meinen, er lebt nur aus Trauer in den Tag hinein.
Er setzte seine Ihr-geht-mir-alle-am-Arsch-vorbei Miene auf und schmiss seine Tasche auf das Pult.
„So Ruhe jetzt! Ich teile die Arbeiten aus und ihr fangt, wie immer, erst dann an wenn alle eine haben!“ In aller ruhe teilte er die Zettel aus und marschierte ganz gelassen zu jeden einzelnen Tisch. Bis er auf Monika stieß und zu ihr hinunter blickte.
Alle seufzten gleichzeitig. Monika war eine allseits Bekannte, entschuldige den Ausdruck, Schlampe. Sie zog sich immer etwas Knappes an, erhofft sich dadurch bessere Noten bei den männlichen Lehrern. Alle wussten das, auch die Lehrer.
Herr Tränendrüse räusperte sich und ging einfach weiter.
Als er alle Arbeiten ausgeteilt hatte klingelte er mit seiner komischen Klingel auf seinem Pult und das bedeutete, dass wir nun genau vier Stunden für die Aufgaben hatten. Seufzend drehte ich meine Zettel um und stellte erleichtert fest, dass die Aufgaben doch gar nicht so schwer waren, wie ich angenommen hatte.
Nach diesen ewig vergehenden vier Stunden, war es nach dem Klingeln endlich vorüber. Ich stellte zu meiner Zufriedenheit fest, dass ich alle Aufgaben geschafft hatte. Wenn sie richtig waren, musste ich mir die Sommerschule ersparen.
Die Sommerschule war dazu da, dass man die Abschlussprüfung noch mal wiederholen durfte und Zeit hatte, sich nochmals darauf vorzubereiten, also für Idioten gemacht. Diese Idioten schafften es nicht bis zur Note drei, also mussten sie mindestens acht Punkte haben um eine drei minus zu bekommen.
Ich hoffte inständig, dass ich eine drei hätte, denn mein Vater hatte mich für die Sommerferien schon total ausgebucht und mir eine Gehaltserhöhung versprochen.
Emily warf sich zurück in den Stuhl und schlug den Kopf nach hinten und massierte sich mit den Fingern ihre Schläfen. „Puh! Wir haben es geschafft. Hoffe ich zumindest! Ich habe keine Lust auf die Sommerschule, da doch jetzt die Ferien beginnen.“
Ich schnalzte mit der Zunge. „Ferien? Super, nicht für mich. Mein Vater macht in den Ferien Urlaub mit seiner neuen Affäre. Also muss ich solange dort arbeiten. Morgen ist schon mein erster Arbeitstag und ich muss noch früher aufstehen als sonst.“
Emily stand auf und winkte mich hinter sich her. Als wir auf den Gang waren sagte sie:„ Du schaffst das schon, ich werde dich dort mal besuchen wenn du willst, dir auch ein bisschen Arbeit abnehmen. Ich könnte mal eine Ablenkung gebrauchen. Das mit deinem Vater tut mir leid, dass er sich nicht so um dich kümmert wie du es verdienst. Aber du weißt ja anders ist es bei mir ja auch nicht.“
Es stimme. Ihre Familiensituation war genauso kompliziert wie meine. Ihre Mutter war aber nicht gestorben so wie meine. Meine Mutter wurde von irgendeiner Sekte in Washington ermordet. Weil sie angeblich, wie mein Vater sagte, ein wertvolles Artefakt gestohlen hatte. Natürlich hätte ich damals nie damit gerechnet, dass meine Mutter klauen würde, aber man kann sich ja immer in jemanden täuschen.
Ganz in meinen Gedanken verloren gingen wir beide schweigend nebeneinander her, bis Michael mit seiner neuen Freundin aufkreuzte. Sie hieß Sarah Newton, war einsdreiundsechzig Zentimeter groß und hatte hüftlanges, blondes Haar.
Eigentlich gar nicht Michaels Geschmack, er stand auf dunkelhaarige. So wie Emily und ich sie waren.
Ich unterschied mich äußerst groß von Sarah. Sie war sehr zierlich und hatte kaum Oberweite. Ich hingegen war sehr kurvenreich, versteht mich nicht falsch ich bin nicht fett, sondern eher normal. Nur meine Oberweite war etwas mehr als bei anderen. Aber das störte mich nicht und auch keinen anderen. Meine Haare waren von einem schokobraunem Ton, sie gingen mir bis zu meinem Bauchnabel. Meine Augen sind von einem sehr dunklen grün überzogen. Emily meinte, alle die grünen Augen hatten, waren wunderschön und sehr geheimnisvoll. Ich glaubte diesen Quatsch natürlich nicht, aber es schmeichelte mir auch auf irgendeine Art und Weise.
Michael räusperte sich und schaute mich verlegen an. Warum, wusste ich nicht genau, wahrscheinlich weil ich ihn schon wieder musterte, er aber das falsche interpretierte.
Bis ich begriff was los war, stupste mich Emily an und ich sah ruckartig zu ihr.
„Was ist denn?“, fragte ich überrascht.
„Ich habe dich gefragt wie deine Abschlussprüfung gelaufen ist, aber du hast nicht geantwortet“, sagte Sarah herablassend zu mir und schaute mich finster an.
„Oh, entschuldige ich bin heute etwas neben mir. Na ja, bei mir lief es ganz okay. Die Aufgaben waren gar nicht so schwer wie ich es mir ausgemalt hatte. Ich werde wohl paranoid.“ Emily kicherte auf meine Antwort und ich stimmte belustigt ein.
Nur Sarah sah mich immer noch forsch an.
Michael zuckte mit den Schultern. „Bei mir war es nicht anders. Trotzdem hoffe ich, nicht durchzufallen. So wie Sascha immer.“
Sarah stupste Michael in die Rippen und er wich lachend aus. Sarah war zuvor mit Sascha zusammen gewesen. Das war ungefähr vor drei Monaten der Fall , der arme. Ich mochte Sarah nicht, damit war ich nicht allein. Keiner Verstand wieso Michael mit dieser zusammen war.
Sascha am allerwenigsten. Ich hatte aufrichtiges Mitleid mit ihm, denn seitdem war er nicht wiederzuerkennen. Immer verhaute er alle Prüfung, dabei war er eigentlich Kursbester. Ich überlegte mir, ihn mal zu besuchen und aufzuheitern.
Ich wandte mich an Emily. „Hey, ich geh dann jetzt mal. Morgen ist mein erster Arbeitstag und ich will etwas früher schlafen gehen. Ach ja, ich geh vorher mal zu Sascha okay? Ich ruf dich an!“
Das „Ich ruf dich an!“, sagte ich schon im laufen. Ohne eine Antwort abzuwarten bin ich einfach losgerannt um Sascha noch zu erwischen. Er fuhr immer sehr schnell los.
Als ich am Parkplatz angekommen war, sah ich ihn gerade in sein Auto einsteigen.
„Sascha! Hey, Sascha! Warte mal!“
In Höchstgeschwindigkeit sprintete ich zu ihm hin. Überrascht blickte er aus dem Fenster und stieg dann wieder aus seinem neuen Auto aus.
Mit einer hochgezogenen Augenbraue schaute er mich an. Keuchend legte ich meine Hände auf die Knie und schaute zu Boden. Ich hasste laufen wie die Pest.
Als ich wieder normal stand musterte er mich immer noch.
Sascha ist einer meiner besten Freunde und sah gar nicht mal so schlecht aus. Er wist auf eine Gute Art Gebaut und seine Augen sind aus purem Blau. Seine Haare sind genau wie meine Schokobraun und Kurz geschnitten. Es ähnelte Michaels Frisur.
Sascha trug immer Schlabberklamotten, so wie die Hip-Hopper in ihren Videos. Mit diesen coolen Käppis und den langen T-Shirts.
„Ich wollte dich was fragen“, und brach somit das Schweigen.
Er nickte. „Was ist denn los?“
„Hast du heute schon was vor?“
Überrascht blickte er zu mir hinunter. Er war ein ganzes Stück größer als ich.
Mit meinen mickrigen einsachtundsechzig war ich wenigstens größer als Monika oder Sarah. Sascha dagegen war einsfünfundachtzig groß.
„Eigentlich nicht, wieso?“
„Na ja, da du mein bester Freund bist und ich lust habe mal wieder zu dir zu kommen, denke ich das heute ein ganz guter Zeitpunkt ist?“
Er lachte. „Na gut, wann willst du denn kommen?“
„Wollen wir jetzt gleich schon weg? Ah mist ich bin mit dem Fahrrad da. Das könnte schwierig werden.“
Er schüttelte den Kopf. „Ach was, unterschätz mein Auto nicht!“
Wir einigten uns darauf, dass ich in einer Stunde bei ihm sein würde, da das mit dem Fahrrad doch etwas zu heikel war. Als ich gerade auf mein Fahrrad stieg und los fahren wollte, überraschte mich eine Hand an meiner Schulter.
Erschrocken blickte ich nach hinten und sah Michael.
Ich zog meine gezupften Augenbrauen hoch. „Was ist denn jetzt schon wieder Micha? Ich muss los und mich endlich umziehen.“ Ich stieg langsam von meinem Fahrrad und stellte es an die Wand.
„Also?“
Er sah mich argwöhnisch an. Dann lächelte er. „Hm, ich habe zufällig mitbekommen das du zu Sascha willst?“
Ich nickte. „Ja, ich will ihn ein bisschen aufmuntern. Das mit Sarah hat ihn ganz schön mitgenommen. Das weißt du ja.“
Er nickte. „Ja.“ Und seufzte schließlich. „Ich wollte dich fragen, ob ich vielleicht mitkommen könnte?“ Seine Blicke trafen meine.
„Ehm, eigentlich wollte ich mit meinem besten Freund mal was alleine machen. Du kannst doch sicherlich Sarah fragen? Echt, sorry aber ich muss so was von los!“
Bevor er mich noch mal aufhalten konnte schnappte ich mir das Fahrrad und sprintete in Richtung meine Wohnung. Nach etwa zehn Minuten war ich schon dort, stellte mein Fahrrad im Keller ab und lief die Treppen fast schwebend hoch.
Als ich meine Tür aufschloss kam mir die Dunkelheit entgegen.
Keuchend machte ich das Licht an und die Vorhänge auf. Heute Morgen war ich so in eile gewesen, da hatte ich keine Zeit mehr gehabt sie zu öffnen.
Schließlich putzte ich mir die Zähne und zog meine Sachen aus. Diesmal entschied ich mich für mein schwarzen mini Rock und mein schwarzes Top. Noch schnell ein schickes, Zebragestreiftes Tuch umgeworfen und die Haare ein bisschen nachgeföhnt, schon war ich fertig. Gerade rechtzeitig, denn zu Fuß brauchte ich eine halbe Stunde zu Saschas Haus. Er lebte genauso wie ich schon eigenständig. Nur das er ein ganzes Stadthaus besaß und ich nur eine kleine Mietwohnung.
Schnell zog ich noch meine Perlon Strumpfhose und meine schwarzen, hohen Pumps dazu an. In meine Tasche packte ich mir Schminke, mein Handy und anderen Kleinkram den ich immer mitnahm, ein. Schnell zog ich meine Haustür zu und rannte das Treppenhaus hinunter. Mein Mp4-Player durfte natürlich nicht fehlen und ich machte mir Musik an, damit ging ich immer ein bisschen schneller als ohne.
Nach einer halben Stunde war ich fast da. Die Sonne schien heute so wundervoll und ausgeprägt wie ich sie noch nie gesehen hatte. Wahrscheinlich habe ich einfach nicht genau darauf geachtet.
Schließlich gelangte ich, zu meiner Erleichterung ohne Schweißtropfen im Gesicht, an Saschas Haustür und klingelte. Nach ein paar Sekunden öffnete er sie mir mit einem aufrichtigen Lächeln.
„Du bist aber pünktlich, Kim. Sieht dir gar nicht ähnlich.“ Warum müssen alle über meine Unpünktlichkeit scherzen und wenn ich doch mal pünktlich komme, solche Bemerkungen machen? Das ist nicht gerade fair, dachte ich mir.
„Ach, vielleicht will ich einfach früher nach Hause gehen?“ Und lachte über meinen miesen Scherz. Er ließ mich reinkommen in sein Stadthaus.
Ich hatte vor bis Abends zu bleiben und dann ins Bett zu gehen, damit ich mich gleich am Morgen nicht so schlecht fühlte wie heute.
Der Tag verlief gut, wir waren draußen und später hatten wir uns eine DVD eingelegt und eine Komödie angeschaut. Dabei knabberten wir Chips und tranken Literweise Cola. Danach verzog ich mich schnell in sein Badezimmer.
Schließlich schminkte ich mich noch mal nach und kam zurück in sein großes Wohnzimmer. Es war wundervoll mit einem Flachbildfernseher DVD zu gucken.
Viel besser als mit meiner alten Kiste. Als es etwa nach sechs Uhr Abends war, klingelte plötzlich mein Handy. Widerwillig nahm ich es aus meiner Tasche und schaute auf den Display.
Es war tatsächlich mein Vater. Sollte ich abnehmen?
„Wer ist das?“, fragte Sascha gelangweilt, er wollte unbedingt weiter gucken.
Ich schluckte laut und ging zu dem Sofa zurück ohne einmal den Blick von dem Display abzuwenden. „Mein Vater.“ Mehr brauchte ich nicht zu sagen, Sascha verstand genau warum ich zögerte.
Endlich fasste ich allen Mut zusammen und nahm ab. Mit einem schwachen „Hallo“ begrüßte ich ihn.
„Hey meine kleine Maus. Ich bin es dein Daddy. Ich bin gerade vor deiner Wohnung, aber du scheinst nicht dort zu sein? Ich wollte noch einmal gern mit dir reden.“
Nochmals schluckte ich laut. „Wozu denn, Dad?“
„Darf ein Vater nicht seine Tochter besuchen? Okay, es hat etwas mit deinem Job morgen zu tun, ich wollte dir noch ein paar Sachen darüber erzählen bevor du wirklich anfängst.“
Seufzend nickte ich. „Na gut, ich bin gerade bei Sascha. Ich komme sofort. In einer halben Stunde bin ich da warte solang.“
Schnell drückte ich auf meinem Touchhandy auf „Anruf beenden“ und damit war für mich der Tag gelaufen.
„Sascha, tut mir leid das ich jetzt weg muss, aber mein Vater will mich sprechen wegen Morgen. Du weißt ja, dass ich in den Sommerferien dort arbeite.“
Er nickte. „Dafür habe ich natürlich vollstes Verständnis. Trotzdem schade, dass du gehen musst, hat gerade so viel Spaß gemacht. Das sollten wir auf jeden Fall wiederholen. Ruf mich einfach an wenn du mal wieder Zeit hast, okay?“
Ich nickte. „Na klar.“ Schnell umarmte ich ihn noch mal zum Abschied und machte mich auf die Socken zu meiner Wohnung.
Was will mir mein Vater nur jetzt wieder von mir? Ich dachte er wäre schon längt weg mit seiner neuen Flamme. Ursprünglich war das so geplant gewesen.
Der Himmel hatte sich schon etwas verdunkelt und ich hatte es nicht eilig nach Hause zu kommen. Trotzdem, ausweichen konnte ich ihm nicht. Also legte ich an Tempo zu.
Nach vierzig Minuten war ich endlich dort und sah von meinem Vater seine schwarze Limousine parken, mit extra verdunkelten Scheiben. Zu schick, ich würde mit so etwas niemals rum fahren.
Sein Chauffeur lehnte an dem Wagen und mein Vater stand an meiner Haustür und winkte mir lachend zu. Ich verdrehte die Augen und schloss die Tür auf.
„Komm Dad, sag mir dann einfach oben was du willst. Ich will heute mal früher schlafen gehen“, sagte ich etwas zu schnippisch.
„Aber, aber meiner Liebe. Wir haben genug Zeit.“ Seufzend stieg ich die Treppen hoch und er folgte mir. Seine Schritte waren so leise gewesen, dass ich mich erschreckte als er plötzlich hinter mir stand.
„So schreckhaft heute, Liebes.“ Er lachte sein kehliges lachen und wir traten in meine kleine Wohnung ein. Langsam schloss ich die Tür und schaltete gleich das Licht ein.
Mein Vater hatte es sich schon in einem Sessel gemütlich gemacht.
Ich setzte mich auf das gegenüberliegende Sofa und schaute ihn prüfend an. Mal sehn was jetzt kommt.
Einige Sekunden später räusperte sich mein Vater, Damon.
„Also ich wollte mit dir noch einige Sachen durchgehen was du machen musst, was du niemals weitererzählen darfst und ich muss dich noch über unsere Familie aufklären.
Also was meinst du, wo soll ich anfangen?“
Er lehnte sich in den Sessel zurück und legte seinen Kopf schief. Für diesen Augenblick, im schwachen Licht meiner Lampe, wirkte mein Vater tatsächlich gefährlich…
„Ich würde sagen das du am besten da anfängst, was deiner Meinung nach am wichtigsten ist, keine Angst ich werde nicht dazwischen quatschen, vielleicht, wenn es nötig ist ein paar Fragen stellen das ist dann schon alles.“ Ich tat sehr gelangweilt und müde, versuchte ich zumindest.
Er zog eine perfekte Augebraue hoch und musterte mich.
„Nun, dann fange ich mal mit deiner Mutter an.“ Erschrocken blickte ich ihn an.
„Ja es stimmt, du wusstest schon immer das ich dir nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte nicht war? Dacht’ ich es mir doch. Du bist schon immer die klügste aus unserer Familie gewesen.“ Machte er Witze? Ich und klug? Wie lächerlich!
„Ich hatte dir erzählt, dass deine Mutter ermordet wurde von einer Sekte, nun ja das stimmt zum Teil. Es ist eine Art von einer Bruderschaft die nicht gerade einfühlsam ist, wenn sie so ein verbrechen mit mir begangen hat. Deine Mutter war jemand gefährliches für sie, weil sie uns beschützt hat. Du wärst es auch und genau deswegen sind wir nach ihrem tot umgezogen und ich wollte dich sicher wissen, dass du nicht in Gefahr schwebst. Das Artefakt konnte ich jedoch mit meinen Brüdern noch retten und du besitzt es bereits.“
Erschrocken fasste ich sofort an mein Handgelenk. Der Kleine sichelförmige Mond, den mir mein Vater geschenkt hatte, habe ich seitdem nie wieder abgenommen und ehrlich gesagt konnte ich es auch nicht.
Er nickte. „Genau, das ist das Zeichen unter dem du geboren bist. Genau wie deine Mutter. Damals wussten wir nicht, was es damit auf sich hatte und wir versuchten ihn los zu werden, doch deine Mutter bekam es nicht mehr ab, nicht nachdem sie gestorben war.“ Er seufzte. „ Es ist eine viel zu komplizierte Geschichte.“
Dann sah er mich eindringlicher an, sein Blick war so intensiv, dass ich nicht weg schauen konnte.
„Mein kleiner Schatz, ich würde dir das alles sehr gern ersparen. Doch da du jetzt für mich und meine Firma arbeitest muss ich dir noch etwas Dringliches sagen. Unsere Klienten sind keine Menschen.“
Ein kleiner schrei entfuhr mir und ich stand plötzlich und saß nicht mehr. Schnell setzte ich mich wieder hin. „Was sind sie denn dann?“, fragte ich zögernd.
Er lächelte. „Genau das, was ich auch bin. Es sind Unsterbliche, diejenigen die du als Vampire bezeichnen würdest.“
Er schaute mich prüfend an. Vampire? Das glaub ich nicht! So etwas gibt es einfach nicht. Oder doch? Würde mir mein Vater solche Lügen erzählen? Er hat es schon einmal getan, aber nur um mich zu schützen wie er betonte. Ich weiß nicht was ich glauben sollte doch eines beschäftigte mich mehr.
„Dann sagen wir mal es gibt diese Vampire wirklich. Wie viele sind hier in dieser Stadt? Kenne ich vielleicht welche?“
Er nickte. „Dein bester Freund Sascha und dein anderer Freund Michael sind ebenfalls Klienten von uns. Wie auch die Sarah aber das ist eine andere Geschichte.“ Er verzog den Mund.
Meine Freunde sind Vampire? Zugegeben, sie verhielten sich nicht wie normale Menschen und hatten auch einen sonderbaren Akzent und ein unsterblich schönes Aussehen. Aber Vampire? Darauf wäre ich niemals gekommen.
„Was war meine Mutter?“, ich musste es einfach Fragen.
Er seufzte. „Ich wusste, dass du mich das fragen würdest. Ich weiß nicht wie ich es dir sagen soll. Erklären kann man so etwas nicht leicht also hör mir genau zu. Nun“, er beugte sich etwas vor uns stützte sein Gesicht mit seinen verschränkten Fingern, „Deine Mutter war so etwas wie ein Himmelskind. Der Mond bezieht sich nicht nur auf ihn sondern zeigt auch die Sonne die im Himmel vereint werden, wenn der Tag sich entweder verdunkelt oder erhellt. Wie du es ausdrücken würdest wäre sie nach allem Anschein ein Engel. Ein Mensch mit Flügeln. Sie war auch auf eine Art unsterblich und alterte nicht.“ Er schluckte laut. „Doch verwundbarer als Vampire war sie alle mal.“
Für einen kurzen Augenblick schien die Welt stehen zu bleiben. Was war nur aus der Welt geworden, die ich einst sah? Meine Mutter ein Engel mein Vater ein Vampir. Da machte sich eine ganz andere Frage in meinem Kopf breit.
Ich holte tief Luft und fragte dann nach einigen Anläufen:„ Und… was … bin ich dann? Offensichtlich fühle ich mich nicht komisch. Oh doch da gibt es etwas, ich kann unglaublich schnell laufen. Und leider wache ich des Öfteren mit heftigen Zahnschmerzen auf. Mein ganzer Kiefer tut dann höllisch weh.“
Entsetzt starrte er mich an. Danach schluckte er und antwortete:„ Du zeigst also schon Anzeichen. Ich hatte gehofft, dass es nicht so sein würde. Wie lange hast du schon diese Zahnschmerzen?“
Verblüfft schaute ich ihn an. Wieso tut das zur Sache?
„Hm mal überlegen. Ich denke es schon seit einiger Zeit ist das so, ich kann mich gar nicht daran erinnern wann es nicht mehr so war. Mir fällt gerade auf, dass ich kaum noch was esse.“
„Dann ist es also schon sehr weit fortgeschritten.“ Bemerkte er steif.
Mein Vater überlegte kurz schüttelte den Kopf und sah mich dann wieder an.
„Kim, mein Liebes. Du machst eine Verwandlung durch. Zu was weiß ich selber nicht, alle Anzeichen von beidem sind da. Deine Zahnschmerzen, dass du so schnell rennen kannst und das mit deinem Appetit. Genau wie ich konnte deine Mutter auch keine Nahrung mehr aufnehmen.“ Er musterte mich.
„Also weißt du nicht, zu was ich mutiere?“
Er lachte. „Mutieren? So könnte man es auch nennen. Ich bin mir nicht sicher, aber du könntest eine Kreuzung aus beidem von uns sein. Es ist zwar nur eine Theorie, aber durchaus relevant.“
Er zuckte mit den Schultern. „Wenn es wirklich wahr sein sollte, dass du eine Kreuzung aus uns beiden bist. Oh Gott, du wärst etwas so, wie könnte ich es ausdrücken? Sonderbares, wundervolles und so etwas wie dich hat es noch nie gegeben! Ich muss gleich sofort los zu meinen Brüdern!“
Was sollte ich davon halten?
„Dad? Warum haben sie Mum umgebracht?“, fragte ich in einem sehr ernsten Tonfall.
„Nun, weil sie ein Himmelskind ist, deswegen. Sie tötet normalerweise Unsterbliche.
Sie sind das totale Gegenteil von uns, voller Reinheit und Licht.“
Ich schluckte. „Warum warst du dann mit ihr verheiratet? Hast sogar ein Kind gezeugt!“ Okay das war etwas übertrieben, aber wenn es wirklich wahr ist, dann ja was? Was würde ich dann tun?
Er sah mich belustigt an. „Deine Mutter war anders, sie konnte niemanden umbringen. Du kannst dich zwar kaum an sie erinnern, weil das alles geschah als du noch sehr klein warst, aber deine Mutter war eine so liebevolle Person wie ich noch nie jemanden gesehen habe. Ich habe mich in sie verliebt und unsere Bruderschaft hat sie aufgenommen. Was ich dir am Anfang erzählte, ist wahr. Ihr eigenes Volk hat sie Umgebracht es ist wie ich sagte, eine andere Art von Bruderschaft. Sie hat damals so ein verbrechen, für sie zumindest, begangen und musste getötet werden um wieder Rein und voller Licht zu sein. Deine Mutter hat einen Unsterblichen geheiratet, was für die Himmelskinder unvorstellbar ist. Wie ich sagte, sie töten uns.“
Das musste ich erstmal verdauen. Sie hatten sie umgebracht, nur weil sie meinen Vater liebte? Wie schrecklich…
Langsam begriff ich, warum er mich hierher brachte und mich sicher wissen wollte.
„Wissen diese Himmelskinder, dass ich existiere?“ Das Wort „Himmelskinder“ sprach ich wie ein Schimpfwort aus.
Er schüttelte den Kopf. „Zum Glück nicht, sie wissen nicht das deine Mutter schwanger war. Einem Himmelskind ist es nur gestattet ein Kind zu zeugen oder zu bekommen, wenn der, ich sage mal König, damit auch einverstanden war. Damit hat sie mehrere Gesetzte auf einmal gebrochen.“ Er lächelte mich schief an.
„Nun, tut mir leid das ich jetzt das Thema wechsle, aber wir können uns ja noch lange genug Unterhalten. Also, morgenfrüh wirst du zu Marianne gehen, frag nach ihr in der Eingangshalle. Lern erstmal die Mitarbeiter kennen und erzähl mir dann später wie es war.“
Ich nickte. „Okay, aber wissen sie, was ich bin? Oder so was in der Art.“
Mein Dad fing an zu lachen, wurde dann aber ernster. „Nein, ich dachte es sei besser, dass sie es nicht wissen. Man weiß ja nie wie man auf so was reagieren soll. Keine Angst sie werden dir nichts tun! Ach ja, ich habe ihnen erzählt du seihst ein Mensch und für mich sehr wichtig. Sie werden dich sehr schätzen, aber eins noch, es sind alle ausschließlich Vampire.“
„Also darf ich meine Freundin Emily nicht mal mitnehmen?“
Er schaute erstaunt zu mir. „Doch klar, ich werde bescheid sagen, damit sie sich drauf einstellen können. Tut mir leid mein Mäuschen ich muss meinen Flieger noch kriegen. Wir sehen uns später.“
Er stand auf, drückte mir einen sanften Kuss auf die Stirn und verließ somit glamourös meine Wohnung.
Eine unbestimmte, lange Zeit lang saß ich einfach nur ganz still auf meinem Sofa. Mit Leerem Blick schaute ich ins dunkle Wohnzimmer. Was sollte ich von diesem Gespräch halten? Was mir mein Vater erzählt hatte, ist schrecklich und erstaunend zugleich. Vampire? Himmelskinder? Sind wir in einem paralllen Universum gelandet? Wieso habe ich von dem allem nichts mitbekommen?

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 05.05.2010

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /