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Die Pferde wieherten ununterbrochen. Ängstlich und verunsichert wandten sie sich um die eigene Achse. Mit ihren Hufen stießen sie gegen ihre Stallboxen und versuchten sich auf ihre Hinterbeine aufzurichten, was die Tiere aber nicht schafften. Das Gepolter der Tiere brachte ihren Besitzer um seinen Schlaf.
Bauer Pawel wälzte sich unruhig auf beide Seiten, wohingegen seine Frau seelenruhig auf ihrer Betthälfte schlummerte. Der Bauer, war in seinem besten Alter und hatte seine Tiere schon viele lange Jahre. Einige von ihnen, zog er schon von Geburt an, auf. Er wusste also auch, welch empfindliche Natur sie waren. Auch wenn gelegentlich Mäuse und Ratten seinen alten Pferdestall zu den eher ungebetenen Gästen gezählt wurden, schloss er deren Anwesenheit ausnahmsweise aus. Allen Vermutungen zum Trotz, zündete er nur müde seine Nachtleuchte an. Doch gerade, als er sich auf dem Weg machen wollte, verstummte das aufgeregte Wiehern seiner Tiere. Leise, fluchend umsonst das kuschelig warme Bett verlassen zu haben, kehrte er dahin wieder zurück. Nichtsahnend was sich in dem maroden Stall abgespielt hatte.

Der nächste Morgen brach an und die aufgehende Sonne erstrahlte in ihren schönsten Rot - und Blautönen. Nachdem er sein Bett nun wieder verließ, fiel ihm auf, dass seine Tiere die ganze Nacht über so merkwürdig ruhig waren. Da er seine Pferde so noch gar nicht kannte, beschloss er der Sache auf den Grund zu gehen. Nachdem er verschlafen in seine Stiefel aus Bärenfell schlüpfte, warf er sich seinen schweren Parka aus Wolfspelz um und verschloss diese mit einer einfach verzierten Brosche. Die alte und recht reparierungsbedürftige Holztür ächzte schwerfällig, als er diese öffnete. Die schneidende Kälte traf ihn unmittelbar danach.

Irgendetwas stimmte hier nicht!

Jeder Tag begann so, wie der letzte endete, setzte die Arbeit fort, die am Tag zuvor nicht geschafft wurde. Alles schien seine geordneten Bahne zu gehen. Die Luft war, wie zu dieser Jahreszeit in den Karpaten üblich, schneidend kalt gewesen. Zusätzlich vermengte sich der Duft von geräucherten Speck mit dem Duft von brennenden Heu. Äxte fielen plump von oben nach unten. Deren scharfe Blätter verkeilten sich in dem Holz. Mit dem zweiten kräftigen Hieb fraßen sie sich durch die Fasern und spalteten die ohnehin schon handlichen Holzblöcke entzwei. Doch manchmal landete das Axtblatt nicht auf dem Holz sondern auf dem Hals eines Huhns. Beides war hier in diesem Dorf, welches in der Nähe der Karpaten war, Gang und Gäbe. Der Tag schien nicht wie jeder Tag zu sein, obwohl es nach außen hin ganz danach aussah als wäre er es. Doch dem war nicht so!

Er stampfte, kämpfte sich durch den hüfthohen Schnee und den Schneesturm, welcher ihm unbarmherzig ins Gesicht peitschte. In den Bergregionen war es durchaus üblich, dass das Wetter jederzeit umschlagen konnte, so wie an diesem Morgen, der anfänglich so herrlich begonnen hatte. Der Schneesturm legte sich schnell wieder und Bauer Pawel setzte seinen Weg zu seinem Stall fort, nach dem er einen Zwischenstopp unter der schützenden Dachzinne seines Silos einlegte. Als er dann den mühsamen Weg zum Stall bewältigte und dann davor stand, wurde sein flaues Gefühl im Magen noch schlimmer. Ein Ausdruck des Entsetzens, machte sich in seinem, wettergekerbten Gesicht breit. Der Pferdestall war vollkommen verwüstet und seine Tiere lagen reglos und in grotesken Positionen im Stall. Auf den ersten Blick war an den Tieren selbst, nichts Auffälliges zu entdecken. Man konnte davon ausgehen, eine seltsame Krankheit wäre über sie hergefallen. Gerade, als er seinen Augenmerk von ihnen richten wollte, fielen ihm zwei seltsame winzige Löcher an einem der Hälse seiner Tiere.

Die Bisswunden, kamen Bauer Pawel sehr bekannt vor.
Doch als er diese seltsame Wunden das letzte Mal sah, war er noch ein kleiner Junge. Zu jung, um zu begreifen was sich in den Räumlichkeiten zu Gange war. Sein Vater verbot ihm damals in den Stall zu gehen und spielen durfte er damals nur bei Tageslicht. Auch dem Wald durfte er sich bis auf zwanzig Fuß nicht nähern. Er konnte sich an diese Tage noch gut erinnern. Im ersten Monat des Wintermondes im Jahre 1642 entdeckte sein Vater die verendeten Pferde. Als er eines Abends, sein Bett verlies nicht schlafen konnte, wurde er auf das rege führende Gespräch zwischen seinem Vater und seiner Mutter aufmerksam. Vorsichtig näherte er sich dabei der Brüstung, hielt sich aber trotzdem etwas im Dunklen, da er sonst Gefahr laufen könnte von seinen Eltern entdeckt zu werden. Im Nachhinein wusste er zwar nicht mehr, worum es bei diesem regen Gespräch ging, er konnte sich aber daran erinnern, dass das Wort “Strigoi” bei jedem zweiten Satz fiel. Als damals, nur wenig später, bei einem anderen Bauern wieder deren Tiere gestorben waren, fiel das Wort “Strigoi” ein weiteres Mal. Im Gegensatz zu den meisten Kindern, glaubte er nicht an Monster und andere Wesen.

An diesem Tag, dreißig Jahre später, sah er sich gezwungen, an diese zu glauben. Ein Gefühl von Unsicherheit und Panik machten sich in ihm breit.

“Strigoi!” murmelte er entsetzt und ängstlich zugleich vor sich hin.

Nur langsam, wurde ihm bewusst, was er da sah.
Er sah sich verunsichert in dem maroden Stall um, so als würde er innerlich hoffen von niemanden beobachtet zu werden. Fluchtartig verließ er seinen Aufenthaltsort.

Panisch suchte er nach seiner Frau. Überall suchte er nach ihr. Sie hätte längst heimkehren sollen. In einem Moment des Durchatmens, stießen sie dann, eher unsanft zusammen.

“Anuschka! Bin ich froh dich vor mir stehen zu sehen.” ließ er sie leise wissen.

Er zog Anuschka zu sich und umarmte sie mit einem herzlichen Druck.

Bauer Pawel versuchte einen gelassenen Eindruck auf seine Frau zu hinterlassen. Seine Frau, aber kannte ihn gut genug um von ihm deuten zu können, dass er etwas vor ihr verbergen wollte.

“Pawel… ist was passiert?” fragte sie ihn, irritiert über sein merkwürdiges Verhalten.

“Nichts ist geschehen, mein Herz… Es ist alles gut!” antwortete er ruhig.

Bauer Pawel, hatte größte Mühe seine Angst und Unsicherheit vor ihr zu verstecken.

“Du zitterst, Pawel und auch deine Stimme tut es… wie Espenlaub.” stellte sie fest.

“Mir ist nur kalt, Anuschka, weiter nichts.” log er und versuchte so sein Verhalten als harmlos abzutun.

“Nein, das glaube ich eher weniger!” konterte sie ein wenig brüsk.

Er biss sich auf seine rissige Lippe, blieb aber ruhig.

“Es ist irgendetwas anderes… irgendetwas stimmt mit dir nicht, mein lieber Ehemann!” mutmaßte sie.

Sie löste sich aus ihrer Umarmung und musterte ihn eine ganze Weile. Ihr Blick schien ihn zu durchbohren.
Bauer Pawel, verwarf er den Gedanken sie weiter zu belügen. Zum einen, weil er wusste, dass es zwecklos war, denn Anuschka schien anscheinend einen siebten Sinn dafür zu haben und zum anderen hatten sie beide, sich bei der Hochzeit und später in der Ehe geschworen, niemals den Anderen zu belügen.

“Anuschka… um ehrlich zu sein…” druckste er weiter herum.

“Was? Was ist geschehen, Pawel?” fragte sie verunsichert.

Sanft strich sie ihm dabei die dunkelbraune Strähne, aus seinem Gesicht. Sie ging dann mit ihrem Mann in das Haus.

Den ganzen Weg entlang, hielten sie ihre Köpfe nachdenklich gesenkt. Nach dem sie ein Stück weit gelaufen sind, hielt sie ihren Atem an. Anuschka verharrte während sie schon ihren Fuß auf den Boden setzen wollte. Es machte den Eindruck, als wäre sie mitten im Bewegungsablauf erfroren.


Auffällige rote Punkte, waren im Schnee zu sehen. Das leuchtende Weiß lies diese noch intensiver wirken, als sie nun ohnehin waren.

“Pawel?” rief sie nach ihm, obwohl er unmittelbar neben ihr stand.

Sie rüttelte heftig an seinem Arm. Als seine Frau bemerkte, dass ihr Mann keine Reaktion zeigte, rüttelte sie noch ein wenig kräftiger an ihm.

“Pawel?” rief sie wieder nach ihm, wobei ihre Stimme vor Angst zu stottern begann. “Pawel? Was ist das?” löcherte sie ihn verunsichert und neugierig zugleich.

Ihre Angst wurde, von Mal zu Mal immer größer und größer. Nach einer Weile erwachte er dann aus seiner Gedankenwelt.

“Geh nicht in den Stall!” wies er sie ausdrücklich darauf hin.

Sie wollte nicht auf ihn hören und lief geradewegs dorthin. Gerade noch im selben Augenblick, konnte er sie am Hineingehen hindern, indem er sich zwischen seiner Frau und der Scheunentür stellte.

“Geh da nicht hinein, Anuschka! Bitte!” empfahl er ihr weiter.

Seine Stimme nahm dabei an Schärfe und Nachdruck zu, trotzdem war ein Hauch von Anflehung darin zu hören.

Ihr Misstrauen wuchs und wuchs.

“Was hast du, denn?” fragte sie noch verunsicherter, als sie ohnehin schon war.

Anuschka war Angst und Bange über sein Verhalten, doch auch Neugier war es, die sie beflügelte und dazu bewog ihren Mann mit ungewöhnlicher Stärke beiseite zu schieben. Beherzt, gab sie dem alten Scheunentor einen Ruck, der sich dadurch sofort öffnete. Anuschka sah sich um und überlegte weshalb ihr Pawel sich so seltsam benahm. Den Grund dafür fand sie aber nicht.
Verwundert und erleichtert zugleich, drehte sie sich zu ihm.

“Ich weiß nicht was du hast, mein Herz. Es ist doch alles in bester Ordnung.” meinte sie mit skeptisch zusammengezogenen Augenbrauen.

Seine Gesichtsfarbe wich noch im selben Augenblick, sobald er einen Blick in die Scheune warf.

“D - D - Das … das, das kann nicht sein. Das ist unmöglich! Völlig unmöglich!” stotterte er, als hätte er einen Geist gesehen.


Alles war so wie vorher, so als ob nichts gewesen wäre. Plötzlich packte er seine Frau an den Oberarmen. Sein Gesicht war von Furcht gezeichnet, was bei ihr Erstaunen hervorrief.

“Ich hätte schwören können, dass sie, die Pferde tot waren. Es war grauenhaft. Ich dachte Satan und seine Kinder hätten darin gewütet.” flüsterte er vollkommen verängstigt.

“Die Kälte scheint dir den Verstand geraubt zu haben. Ich denke eine warme Suppe würde dir jetzt ganz gut tun.” empfahl sie ihm lächelnd.

Anuschka griff nach seiner Hand und er erwiderte ihren freundlichen Gesuch.

“Vielleicht hast du recht, meine Liebste.” antwortete er ihr mit gesenkter Stimme.

Schweigend kehrten die beiden in ihre alte Holzhütte. Sobald sie ihn zu Bett brachte, begab sie sich in die Küche und machte sich daran, ihm eine warme Suppe zuzubereiten. Schnell nahm sie sich einen mittelgroßen Eimer aus Holz und schöpfte eine großzügige Menge Wasser aus dem hauseigenen Brunnen. Nachdem sie ihre erste Arbeit getan hatte, ging sie schnell wieder ins Haus zurück. In ihrer Küche wieder angekommen, feuerte sie das Holz unter dem Kessel aus Gusseisen an. Das vorher eingelegte Gemüse wurde mit einem kleinen Messer aus Stahl geputzt. Während die Suppe vor sich hin köchelte, sah sie nach ihrem Mann, ob er auch tatsächlich im Bett blieb, wie sie es ihm geraten hatte.

“Deine Suppe ist gleich soweit.” informierte sie ihn herzlich.

“Wozu die Mühe? Ich bin nicht krank und schon gar nicht verrückt.” ließ er sie schmollend wissen.

“Jetzt wirst du erst einmal deine Suppe essen und wenn du geschlafen hast, sprechen wir darüber.” empfahl sie ihm.

Auch wenn ihm ihr Verhalten nicht so ganz passte, gehorchte er ihr. Anuschka wird schon recht haben, mit dem was sie sagt, dachte er sich insgeheim. Er löffelte die Suppe, die sie ihm kurz zuvor ins Zimmer gebracht hatte, bis auf den letzten Rest aus. Die ausströmende Wärme zwang ihn auf eine angenehme Art, seine Augen zu schließen und zu schlafen.

Während ihr Pawel tief und fest schlief , verbrachte sie den ganzen Tag im Haus. Der Himmel ist längst wieder aufgeklart und erstrahlte in seinem schönsten Azurblau. Es war kaum zu glauben, dass morgens noch ein heftiger Schneesturm tobte.
Inzwischen dämmerte es, als sie das Abendbrot anrichtete. Doch gerade als sie hinausgehen wollte, um frische Eier aus dem Hühnerstall zu holen, passte sie der alte Mann ab. Er hieß Yuri und war bei den restlichen Nachbarn nicht sehr beliebt. Sie hatten Angst vor ihm und begegneten ihm mit Argwohn. Es sprach sich sogar herum, dass er bei Neumond junge Frauen entführte und sie dann verspeiste, um am Leben zu bleiben.
Er war für die damalige Zeit auch sehr alt.

Bauer Yuri also, hinkte die wenigen Schritte auf Anuschka zu. Der stark ausgeprägte Witwenbuckel ließ ihn viel kleiner erscheinen, als er eigentlich war. Mit einer energischen Handbewegung winkte er sie zu sich herüber und als Anuschka nahe genug herankam, grinste er ihr mit einem zusätzlichen Nicken zu. Sofort umhüllte sie der Geruch von zuviel Met. Stark vergilbte und bereits faule Zähne reihten sich in einen weiten, weiten Abstand in seinem bösartigen Mund. Sie hielt ihren Atem an und versuchte dabei nicht aufzufallen. Er sah sich mehrmals vorsorglich um. Es war besser, wen niemand seinem Gespräch lauschen könnte.

“Pawel hatte die Wahrheit gesagt, böse Machenschaften sind hier im Gange Anuschka!” orakelte er mit dumpfer Stimme.

Pawels Frau hatte dabei große Mühe ihn zu verstehen.

“Das ist das Werk von Morois, das lass dir sagen.” murmelte er, diesmal mit etwas lauterer Stimme.

Anuschka schenkte ihm keinen Glauben, weil sie sich dachte, dass sonst niemand mit ihm spräche.

“Morois?” hakte sie interessiert nach.

Er nickte eifrig.

“Möge mich der Blitz beim Scheißen treffen, sollte ich nicht die Wahrheit gesprochen haben.” kommentierte er entrüstet.

Sie zeigte sich peinlich berührt und räusperte sich kurz darauf.

“Wieso bist du dir dabei so sicher?” befragte sie ihn kritisch.

Mit Argusaugen musterte sie ihn.

“Ich denke, wir werden das Gespräch woanders fortsetzen müssen.” stellte er ängstlich fest.

Er sah sich vom neuen mehrere Male um, ehe er zu sprechen begann.

“Dieser Ort ist zu gefährlich… zu groß ist die Gefahr von neugierigen Blicken und hellhörigen Ohren gesehen und gehört zu werden.” klärte er sie auf.
“Komm mit, ich kenne da einen Ort, wo man sich sicher darüber unterhalten könnte.” meinte er folglich.

“Ich weiß nicht ob das was ich tue, rechtens ist, zumal ich Pawels Weib bin, darüber hinaus gibt es Gerüchte dich um dich kreisen.” ließ sie ihn wissen.

Er lachte unmittelbar nach ihrem Satz laut auf. Schnell wurde aus einem lauten Lachen ein Kichern.

“Gerüchte?” fragte er verunsichert nach.

“Man sagt dir nach du würdest kleine Kinder und Jungfrauen verspeisen…. vorzugsweise Jungfrauen sollen es sein.” unterrichtete sie ihn darüber.

Yuri blieb wie angewurzelt stehen und beäugte sie kritisch. Sie mimte die Ahnungslose.

“Ach..” brummte er mit einer abfälligen Handbewegung. “Ich bin zu alt, als das ich mir den Humbug irgendwelcher Tölpel anzuhören, dessen Bier ihnen nicht gut bekommen ist.” beschwerte er sich mürrisch drein sehend.

Als sie dann zu ihm ankamen, wies er ihr einen Platz zu und bot ihr einen Met und auch einen selbst gebrannten Schnaps an, den er ihr kurz zuvor stolz präsentiert. Doch Anuschka lehnte beides freundlich ab.

“Du erwähntest die Morois, wer sind die?” fragte sie ihn.

“Du hast nie von ihnen gehört?” fragte auch er sie.

Anuschka schüttelte nachdenklich den Kopf.

“Wer sind die?” hakte sie nach.

“Scheußliches Pack! Ganz üble Kreaturen, Anuschka.” brummte er fluchend. “Weder Mensch noch Vampir… nichts als Marionetten derer die wir Kainskinder nennen. Sie sind Anwärter deren Dasein. Die Strigoi sind deren Meister. In ihrem Befehl haben sie eure Pferde gebissen. Sie unterstehen denen, der sie gebissen hatte. Diese Zwischengestalten haben ihre Seele nicht aus freien Stücken an den Teufel geopfert.” berichtete er abfällig.

Abfällig über die, die sie zu dem machten was sie nun sind.

“Humbug! Schauermärchen, die man unseren Kindern erzählt wenn sie nicht spuren.” spielte Anuschka die Geschichte herunter.

“Dasselbe dachte auch ich; bis ich selbst Zeuge eines heillosen Überfalls wurde. Das war vor 60 Jahren. Das, was sich bei euch eine Nacht zuvor vorgetragen hatte, gleicht sich bis auf Haar mit dem was ich damals als lebhafter junger Bursche beobachtet hatte… ein furchtbares Unheil, für welches ich Monate und etliche Winter gebraucht hatte, bis ich es geschafft habe es vollkommen aus meinem Kopf zu verbannen. Es bedarf im Übrigen mehr als vier Krüge damit mein Verstand am Schwinden ist.” kommentierte er voll Ehrfurcht und nachdenklicher Traurigkeit.

Aber seine Stimmung hellte sich schnell wieder auf.

“Falls du dich fragen solltest, wie viele es bis heute waren… es waren zwei. Zwei Krüge, wenn ich mich recht entsinne.” bemerkte er gewitzt.

Anuschka staunte nicht schlecht, nach dem sie seine Antwort hörte. Sie sah aus dem Fenster und bemerkte, dass das Blau des Himmels immer dunkler wurde. Wie von einer Tarantel gestochen, sprang sie auf.

“Meine Güte! Pawel vermisst mich sicher schon. Ich werde nun fortgehen müssen. Ich danke dir für deine Gastfreundschaft, auf bald!” verabschiedete sie sich von Bauer Yuri.

“Auf bald.” verabschiedete er auch sie.

Schnell verließ Anuschka Yuris Holzhütte. Mühsam stampfte sie sich durch den kniehohen Schnee, den Weg nach Hause frei. Völlig atemlos und verwirrt, ließ sie sich das Gespräch mit Yuri durch den Kopf gehen. Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken, als sie dabei bedachte, dass Menschen unter der Kontrolle von Vampiren stehen sollten. Wesen, dessen Existenz sie stark anzweifelte.

Es war bereits die Nacht angebrochen, als sie sich aufmachte ins Bett zu gehen. Nachdenklich schritt sie die Treppe nach oben. Sie schloss sofort die Augen, sobald sie sich an ihren Mann schmiegte. Anuschka schlief zwar tief und fest, doch er wurde von unheimlichen Träumen heimgesucht worden. Diese erschienen ihr so echt, dass sie sich nun nicht mehr sicher war, ob sie tatsächlich nur geträumt hatte oder doch längst wach war.
Plötzlich war ein kaum wahrnehmbares Knacken zu hören. Anuschka schrak hoch. Kurz darauf überlegte sie ob sie ihren Ohren Glauben schenken sollte. Das Geräusch erstarb so schnell wie es kam. Erleichtert schloss sie die Augen und war wieder dabei einzuschlafen. Tatsächlich gelang es ihr. Doch Anuschka wurde ein zweites Mal aus dem Land der Träume entrissen. Wieder war ein Knacken zu hören, diesmal war es ein lauteres und durchdringendes Knacken. Auf leisen Füßen schlich sie sich nach unten zur Küche.
Ich muss doch den Kamin ausgemacht haben, murmelte sie ängstlich vor sich hin. Sofort suchte sie die Küche auf. Als sie zum Kamin blickte, traute sie ihren Augen kaum. DA brannte tatsächlich Holz. Sie hatte sich nicht geirrt. Obwohl sie keine zwei Schritte mehr von ihrer Kochnische entfernt war, wagte sie diese beiden nicht.

Unheimliche Stille umringte sie. Dennoch wurde Anuschka das Gefühl nicht los, dass sie jemand im Schutz der Dunkelheit anstarrte. Sie beobachtete.
Unbehagen stieg in ihr auf, welches stetig an Größe zunahm.
“Wer ist da?” fragte sie, während sie sich ängstlich auf allen Seiten umsah.

Mit einem kurzen Fauchen erlosch das Feuer wieder, wie von Geisterhand. Noch im selben Moment standen ihr die Haare zu Berge. Ihre Frage blieb unbeantwortet. Plötzlich machte sich eine unerklärliche Müdigkeit und Erschöpfung breit. Sie drohte noch an Ort und Stelle das Bewusstsein zu verlieren. Die unheimliche Stille und auch das Gefühl, dass sie beobachtet wurde, verschwand zur selben Zeit.
Anuschka gelang es aus letzter Kraft zu ihrem Mann zurückzukehren.
An Schlaf war dennoch nicht zu denken. Zu sehr fühlte beschäftigte sie dieses nicht minder unheimlicher Zwischenfall, der sich nur wenige Augenblicke zuvor ereignete. Ohne es zu bemerken hatte sie bereits die Augen geschlossen.
Bauer Yuri also, hinkte die wenigen Schritte auf Anuschka zu. Der stark ausgeprägte Witwenbuckel ließ ihn viel kleiner erscheinen, als er eigentlich war. Mit einer energischen Handbewegung winkte er sie zu sich herüber und als Anuschka nahe genug herankam, grinste er ihr mit einem zusätzlichen Nicken zu. Sofort umhüllte sie der Geruch von zuviel Met. Stark vergilbte und bereits faule Zähne reihten sich in einen weiten, weiten Abstand in seinem bösartigen Mund. Sie hielt ihren Atem an und versuchte dabei nicht aufzufallen. Er sah sich mehrmals vorsorglich um. Es war besser, wen niemand seinem Gespräch lauschen könnte.

“Pawel hatte die Wahrheit gesagt, böse Machenschaften sind hier im Gange Anuschka!” orakelte er mit dumpfer Stimme.

Pawels Frau hatte dabei große Mühe ihn zu verstehen.

“Das ist das Werk von Morois, das lass dir sagen.” murmelte er, diesmal mit etwas lauterer Stimme.

Anuschka schenkte ihm keinen Glauben, weil sie sich dachte, dass sonst niemand mit ihm spräche.

“Morois?” hakte sie interessiert nach.

Er nickte eifrig.

“Möge mich der Blitz beim Scheißen treffen, sollte ich nicht die Wahrheit gesprochen haben.” kommentierte er entrüstet.

Sie zeigte sich peinlich berührt und räusperte sich kurz darauf.

“Wieso bist du dir dabei so sicher?” befragte sie ihn kritisch.

Mit Argusaugen musterte sie ihn.

“Ich denke, wir werden das Gespräch woanders fortsetzen müssen.” stellte er ängstlich fest.

Er sah sich vom neuen mehrere Male um, ehe er zu sprechen begann.

“Dieser Ort ist zu gefährlich… zu groß ist die Gefahr von neugierigen Blicken und hellhörigen Ohren gesehen und gehört zu werden.” klärte er sie auf.
“Komm mit, ich kenne da einen Ort, wo man sich sicher darüber unterhalten könnte.” meinte er folglich.

“Ich weiß nicht ob das was ich tue, rechtens ist, zumal ich Pawels Weib bin, darüber hinaus gibt es Gerüchte dich um dich kreisen.” ließ sie ihn wissen.

Er lachte unmittelbar nach ihrem Satz laut auf. Schnell wurde aus einem lauten Lachen ein Kichern.

“Gerüchte?” fragte er verunsichert nach.

“Man sagt dir nach du würdest kleine Kinder und Jungfrauen verspeisen…. vorzugsweise Jungfrauen sollen es sein.” unterrichtete sie ihn darüber.

Yuri blieb wie angewurzelt stehen und beäugte sie kritisch. Sie mimte die Ahnungslose.

“Ach..” brummte er mit einer abfälligen Handbewegung. “Ich bin zu alt, als das ich mir den Humbug irgendwelcher Tölpel anzuhören, dessen Bier ihnen nicht gut bekommen ist.” beschwerte er sich mürrisch drein sehend.

Als sie dann zu ihm ankamen, wies er ihr einen Platz zu und bot ihr einen Met und auch einen selbstgebrannten Schnaps an, den er ihr kurz zuvor stolz präsentiert. Doch Anuschka lehnte beides freundlich ab.

“Du erwähntest die Morois, wer sind die?” fragte sie ihn.

“Du hast nie von ihnen gehört?” fragte auch er sie.

Anuschka schüttelte nachdenklich den Kopf.

“Wer sind die?” hakte sie nach.

“Scheußliches Pack! Ganz üble Kreaturen, Anuschka.” brummte er fluchend. “Weder Mensch noch Vampir… nichts als Marionetten derer die wir Kainskinder nennen. Sie sind Anwärter deren Dasein. Die Strigoi sind deren Meister. In ihrem Befehl haben sie eure Pferde gebissen. Sie unterstehen denen, der sie gebissen hatte. Diese Zwischengestalten haben ihre Seele nicht aus freien Stücken an den Teufel geopfert.” berichtete er abfällig.

Abfällig über die, die sie zu dem machten was sie nun sind.

“Humbug! Schauermärchen, die man unseren Kindern erzählt wenn sie nicht spuren.” spielte Anuschka die Geschichte herunter.

“Dasselbe dachte auch ich; bis ich selbst Zeuge eines heillosen Überfalls wurde. Das war vor 60 Jahren. Das, was sich bei euch eine Nacht zuvor vorgetragen hatte, gleicht sich bis auf Haar mit dem was ich damals als lebhafter junger Bursche beobachtet hatte… ein furchtbares Unheil, für welches ich Monate und etliche Winter gebraucht hatte, bis ich es geschafft habe es vollkommen aus meinem Kopf zu verbannen. Es bedarf im Übrigen mehr als vier Krüge damit mein Verstand am Schwinden ist.” kommentierte er voll Ehrfurcht und nachdenklicher Traurigkeit.

Aber seine Stimmung hellte sich schnell wieder auf.

“Falls du dich fragen solltest, wie viele es bis heute waren… es waren zwei. Zwei Krüge, wenn ich mich recht entsinne.” bemerkte er gewitzt.

Anuschka staunte nicht schlecht, nach dem sie seine Antwort hörte. Sie sah aus dem Fenster und bemerkte, dass das Blau des Himmels immer dunkler wurde. Wie von einer Tarantel gestochen, sprang sie auf.

“Meine Güte! Pawel vermisst mich sicher schon. Ich werde nun fortgehen müssen. Ich danke dir für deine Gastfreundschaft, auf bald!” verabschiedete sie sich von Bauer Yuri.

“Auf bald.” verabschiedete er auch sie.

Schnell verließ Anuschka Yuris Holzhütte. Mühsam stampfte sie sich durch den kniehohen Schnee, den Weg nach Hause frei. Völlig atemlos und verwirrt, ließ sie sich das Gespräch mit Yuri durch den Kopf gehen. Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken, als sie dabei bedachte, dass Menschen unter der Kontrolle von Vampiren stehen sollten. Wesen, dessen Existenz sie stark anzweifelte.

Es war bereits die Nacht angebrochen, als sie sich aufmachte ins Bett zu gehen. Nachdenklich schritt sie die Treppe nach oben. Sie schloss sofort die Augen, sobald sie sich an ihren Mann schmiegte. Anuschka schlief zwar tief und fest, doch er wurde von unheimlichen Träumen heimgesucht worden. Diese erschienen ihr so echt, dass sie sich nun nicht mehr sicher war, ob sie tatsächlich nur geträumt hatte oder doch längst wach war.
Plötzlich war ein kaum wahrnehmbares Knacken zu hören. Anuschka schrak hoch. Kurz darauf überlegte sie ob sie ihren Ohren Glauben schenken sollte. Das Geräusch erstarb so schnell wie es kam. Erleichtert schloss sie die Augen und war wieder dabei einzuschlafen. Tatsächlich gelang es ihr. Doch Anuschka wurde ein zweites Mal aus dem Land der Träume entrissen. Wieder war ein Knacken zu hören, diesmal war es ein lauteres und durchdringendes Knacken. Auf leisen Füßen schlich sie sich nach unten zur Küche.
Ich muss doch den Kamin ausgemacht haben, murmelte sie ängstlich vor sich hin. Sofort suchte sie die Küche auf. Als sie zum Kamin blickte, traute sie ihren Augen kaum. DA brannte tatsächlich Holz. Sie hatte sich nicht geirrt. Obwohl sie keine zwei Schritte mehr von ihrer Kochnische entfernt war, wagte sie diese beiden nicht.

Unheimliche Stille umringte sie. Dennoch wurde Anuschka das Gefühl nicht los, dass sie jemand im Schutz der Dunkelheit anstarrte. Sie beobachtete. Unbehagen stieg in ihr auf, welches stetig an Größe zunahm. 
“Wer ist da?” fragte sie, während sie sich ängstlich auf allen Seiten umsah.

Mit einem kurzen Fauchen erlosch das Feuer wieder, wie von Geisterhand. Noch im selben Moment standen ihr die Haare zu Berge. Ihre Frage blieb unbeantwortet. Plötzlich machte sich eine unerklärliche Müdigkeit und Erschöpfung breit. Sie drohte noch an Ort und Stelle das Bewusstsein zu verlieren. Die unheimliche Stille und auch das Gefühl, dass sie beobachtet wurde, verschwand zur selben Zeit.
Anuschka gelang es aus letzter Kraft zu ihrem Mann zurückzukehren.
An Schlaf war dennoch nicht zu denken. Zu sehr fühlte beschäftigte sie dieses nicht minder unheimlicher Zwischenfall, der sich nur wenige Augenblicke zuvor ereignete. Ohne es zu bemerken hatte sie bereits die Augen geschlossen. 

Im Gegensatz zur letzten Nacht fiel sie in dieser Nacht in eine traumlosen Leere. Selbst als die Sonne bereits aufgegangen war und auch später am Himmel zu sehen war, verweilte sie darin. Bereitwillig übernahm er ihre Aufgaben. Schnell bemerkte er jedoch, dass Anuschkas Abwesenheit nicht unentdeckt blieb. Zumal sie als ein vorbildliches, treues und fleißiges Weib galt. Mehrere Nachbarn erkundigten sich bereits nach ihr.

“Wo hast du dein Weib gelassen, Pawel? Hatte sie es mit dir nicht mehr ausgehalten?” spöttelte ein Nachbar.

Pawel wusste das Bauer Sergej seine Fragen nur scherzhaft meinte, also lächelte er zurück. Es sollte auch der letzte Versuch einer Aufmunterung sein. Andere hingegen zeigten sich ein wenig besorgter.

“Ihrer Gesundheit ergeht es nicht besonders gut.” entschuldigte er sie, so wie er es auch bei den anderen schon den ganzen Tag über tat. Tatsächlich war ihm die Furcht im Gesicht abzulesen. Auch fürchtete er in Gottes Ungnade gefallen zu sein. Pawel bekam es ein weiteres Mal mit der Angst zu tun, als er auf Anuschkas Bettseite blickte. Wahnvorstellungen und Fieber schienen sein geliebtes Weib zu plagen. Ihr frischer, rosiger Teint wich einer unheimlichen Leichenblässe. Sie wand sich in kräftigen Schüben. Wie von einer höheren Macht willkürlich gesteuert schmiss sie sich von der einen Seite zur anderen. Wider der Natur blieb sie dann stocksteif und mit weit aufgerissenen Augen und Mund im Bett liegen. Ihre Hände hatten das Bettlaken fest im Griff. Dabei liefen die Knöchel weiß an. Pawel blieb wie angewurzelt stehen. Er schaffte es nicht den Mut aufzubringen, sich seiner Frau auch nur einen Schritt zu nähern. Er hörte zwar seinen Namen rufen. Doch er schien, auch wenn dem so war, nicht aus ihrem Mund zu kommen und es schien auch nicht ihre Stimme gewesen zu sein. Sie klang so unnatürlich schrill, so als wären ihre Lungen undicht gewesen. In einen plötzlichen Anflug des Schwächeanfalls fühlte er sich gezwungen sich am Türrahmen festzuhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 26.03.2012

Alle Rechte vorbehalten

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