„Wenn du das hier liest, bin ich wahrscheinlich schon tot. Hier untern in dieser Zelle werden mich früher oder später die Kräfte verlassen die ewigen Foltern und Versuche auszuhalten. Schon lange macht mir die ständige Pein nichts mehr aus aber meine Grenzen sind erreicht. Dies alles währte einfach zu lange. Ich kann nicht mehr.
Während meiner Zeit in diesem Loch denke ich oft an früher zurück. Damals war alles noch besser und mein Leben noch normal. Ich ging als Kind zur Schule wie alle anderen auch, hatte Freunde, eine liebende Familie. In meiner Klasse waren viele nette Jungen und Mädchen mit denen ich mich auch gut verstand, doch eine war da, die anders war. Sie war perfekt. Seit wir uns das erste Mal getroffen hatten verbrachten wir praktisch jede freie Minute miteinander. Unschuldig wie wir damals waren spielten wir miteinander. Doch wir wurden älter, verliebten uns ineinander oder waren es doch schon immer gewesen. Mit 16 Jahren musste ich von zu Hause fort, weil meine Eltern es nicht mehr aushielten mit mir zusammen zu leben. Niobe hatte meine Hand gehalten, als ich meinen Eltern sagte, dass wir ein Paar seien.
In dieser Zeit gab es einen Regierungswechsel, das faschistische Regime kam an die Macht. Jeder, der anders war, wurde festgenommen und in Versuchslager gesteckt. Niobe und ich konnte uns jahrelang verborgen halten. Wie fielen nicht auf, waren nach außen ganz normale Bürger. Doch wir wurden verraten. Niobe erwischten sie zuerst. Sie kam eines Tages nicht vom Einkaufen zurück und ich sah sie nie wieder. Kurz darauf holten sie mich. Sie drangen in meine Wohnung ein, verwüsteten alles, nahmen mich fest. Und das alles nur, weil ich eine Frau liebte, weil ich nicht in ihr System passte, weil sie keinen Ausbruch duldeten. Dann brachten sie mich hier her. Zusammen mit anderen Gefangenen wurde mir meine Identität abgesprochen, eine Nummer stattdessen zugeteilt. Wir mussten unsere Kleider abgeben und bekamen an ihrer statt einen schlichten Leinensack mit Löchern für Kopf und Arme und uns wurde der Schädel kahl rasiert. Jeder wurde in eine einzelne Zelle gesteckt. Dort gab es nichts außer den vier kalten Betonwänden und einer schäbigen Toilette in der Ecke. Hier unten verlor man jegliches Gefühl für Zeit und noch schneller das für Willenskraft. Am Anfang kamen sie in regelmäßig kurzen Abständen und holten mich ab. Ab und zu wurde ich in einen großen Saal gebracht, in dem alle versammelt wurden um an uns irgendein Präparat zur Leistungssteigerung auf Nebenwirkungen zu testen. Wir Gefangenen waren billiger, als legale Laboratorien mit anständigen Probanden. Und auch leichter in der Entsorgung. Das war wichtig, denn oft waren Zellen neben mir von einem Tag auf den anderen unbesetzt, doch an Nachschub herrschte kein Mangel.
Öfter aber wurde ich geholt, um in eine weitere Kammer gesperrt zu werden, die nur der Folter der Gefangenen diente, um von ihnen Informationen zu bekommen, oder einfach nur um des Folterns Willen. Von mir wollten sie nichts erfahren, nur meinen Kopf immer und immer wieder unter Wasser tauchen bis ich das Gefühl hatte keine Luft mehr zu bekommen.
Zu essen bekam ich nur einmal am Tag, waschen konnte ich mich nicht selber, nur hin und wieder wurde ich aus meiner Zeller geholt um dann an den Handgelenken mit Eisenketten nach oben gezogen mit einem harten, kalten Wasserstrahl abgespritzt zu werden. Nicht selten trug ich Blessuren davon, doch niemand interessierte sich für die Verletzungen der Gefangenen.
Mit der Zeit war es um meine körperliche Verfassung immer schlechter bestellt. Ich wurde immer dünner, schlief schlechter und konnte immer weniger Nahrung bei mir behalten. Eines Tages wurde ich in eine andere Zelle verlegt. Sie war im Grunde wie die alte. Doch bald fand ich ein kleines Stück Holzkohle in einem Loch in der Wand, durch das Ratten immer wieder hereinhuschten, um an Futter zu kommen. Ich beschloss meinen Weg aufzuschreiben in der Hoffnung, dass das Stück Toilettenpapier, auf das ich schrieb, nicht von den falschen Leuten gefunden würde. Das Rattenloch diente mir dabei als Versteck. Seit damals ist nicht viel anderes passiert, als das, was ich schon beschrieben hätte: grundlose Foltern, dubiose Versuche, zeitloses Dasein. Ich weiß auch nicht genau, wie lange ich schon hier bin. 2 Jahre? 5 Jahre? Oder auch 10? Ich weiß es nicht und es spielt auch keine Rolle mehr.
Ich warte seit Ewigkeiten auf Befreiung. An einen eigenständigen Ausbruch denke ich schon lange nicht mehr, mein Kampfgeist ist gebrochen. Das letzte Präparat, das ich bekommen habe, wird mich töten, ich spüre es. Es vergiftet mich von Innen.
So schließe ich meinen Bericht und hoffe, dass ihn eines Tages jemand finden wird, der die Wahrheit über dieses Lager an die Öffentlichkeit bringt und seine Erbauer zur Rechenschaft zieht und die Regierung so zu Fall bringt.“
Wendy Laurence
Tag der Veröffentlichung: 07.01.2011
Alle Rechte vorbehalten