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Es war einmal ein Schlosserlehrling
in Wien, damit er schlossern lerne,
doch wie's im Leben damals herging,
schlug ihn der Meister oft und gerne.

Beschäftigt war er bei dem Bau
vom Jagdschloss Herzog Leopolds,
doch weil sein Eifer eher mau,
kriegt' er die Hälfte nur des Solds.

Doch auch ein fauler Mensch muss essen,
so klaute er vom Schlosserwagel
ganz still und heimlich und vermessen
einen gar kostbarn Kunstschmiednagel.

Den wollt' er in der Stadt verkaufen
und eilte durch den Wienerwald,
doch hat er leider sich verlaufen,
und finster war es auch schon bald.

Er fand nicht vor und nicht zurück.
Vorm selben Baum er immer stand,
egal, in welchem Waldesstück
er meinte, dass er sich befand.

Darob erfasst' ihn heißer Schrecken,
er wollte nun kein Dieb mehr sein,
und um den Nagel zu verstecken,
schlug er ihn in den Baumstamm ein.

Auf einmal zuckte gelbes Feuer
über den Schlosserbuben hin,
es roch zudem wie faule Eier,
und der Teufel stand vor ihm.

„Ei, Knabe, hör, ich kann dich lehren,
was eines Schlossers Fertigkeit,
ich kann dir dein Geschick vermehren,
wirst Meister sein in kurzer Zeit!“

Der Jüngling bangte um sein Leben
und um die ew'ge Seligkeit.
„Dann muss ich meine Seel' dir geben
und bin verdammt in Ewigkeit!“

Ein Lachen fuhr dem Bösen aus.
„Ich geb' umsonst, was du erträumst,
wenn du es schaffst tagein, tagaus,
dass du die Messe nie versäumst!“

Der Knabe dacht', das fiel' ihm leicht,
und schlug in diesen Handel ein.
Und wirklich hat er's schnell erreicht,
als Schlosser sehr berühmt zu sein.

Sein Meisterstück ein Nagel war,
so wunderreichlich schön verziert,
den schlug er in die Eiche da,
wo er sich damals hat verirrt.

Und keinen Tag versäumte er,
zum Gottesdienste hinzugehen,
es fiel ihm auch nicht weiter schwer,
er ließ sich gern von allen sehen.

Für jeden Schlosser wurd' es Brauch,
wenn auf der Walz nach Wien er kam,
er einen Nagel machte auch
und einschlug in den Eichenstamm.

Als nun der Stamm voll Nägel war,
da ließ man jene Eiche fällen,
um den beschlag'nen Stumpf fürwahr
am Stephansplatze aufzustellen.

Auch unser Schlosser war zufrieden,
weil seine Stücke all gelangen,
hat bösen Umgang stets gemieden,
ist jeden Tag zur Mess' gegangen.

Doch eines Abends saß er spät
in einer Wirtsstub noch darinnen,
die Glocke rief schon zum Gebet,
die Messe würde gleich beginnen.

Der Schlosser wollt' zur Kirche schnell,
doch hielten ihn die Freunde auf,
es sei ja draußen noch so hell,
ein kleines Schnapserl ging' noch drauf!

Auch gäb's um zehne und um elfe
noch weit're Heil'ge Messen,
er hätte Zeit doch bis um zwölfe,
das sollte er doch nicht vergessen.

So blieb der Schlossermeister sitzen,
trank mit den Zechkumpanen weiter,
um zehn Uhr kam er zwar ins Schwitzen,
doch war sein Hirn schon ziemlich heiter.

Um elf Uhr hört' er's wieder läuten.
„Jetzt muss ich aber!“ rief er aus,
konnt' aber kaum mehr grade schreiten
und torkelte herum im Haus.

Läutet's nicht schon die Wandlung ein?
Der Schlosser sprang ernüchtert hoch,
da kam ein altes Weib herein,
und grinst: „Zu spät ist's doch!

Die Messe ist schon längst vorbei,
du hast die rechte Zeit vertan!
Das ist der Lohn der Sauferei,
gleich bricht dein letztes Stündchen an!“

Der Schlosser sank entsetzt zurück.
Wie war die Zeit so schnell vergangen?
Warf auf die Flaschen einen Blick,
trank weiter unter Angst und Bangen

wohl eine gute Stunde lang.
Da sprang die Tür auf, dass es knallt'!
Die Alte in die Stube drang
und ward zur Beelzebubgestalt.

„Du wärst noch gut zurecht gekommen,
du hättest mir nicht glauben sollen,
nun wird dir deine Seel' genommen,
wie ich es immer habe wollen!“

Der Teufel nahm den Schlosser mit,
die Zecher sahen seine Fratze.
Den „Stock im Eisen“ aber sieht
man heute noch am Stephansplatze.

Impressum

Texte: Text: Elisabeth Schwaha Coverbild: gemeinfrei aus http://de.wikipedia.org/wiki/Stock-im-Eisen_(Wien)
Tag der Veröffentlichung: 21.08.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Nach einer Altwiener Sage

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