Es lebte dermaleinst in Wien,
wie es in alten Sagen stand,
eine gar stolze Bürgerin
mit starkem Hang zu eitlem Tand.
Gab all ihr Hab und Gut für Seide,
für Samt, Brokat und Lederschuh,
behängte sich mit Goldgeschmeide,
sonst fand sie nimmer ihre Ruh'.
Bei Sonnenschein flanierte sie
im Festtagsstaat durch jede Straß',
doch auch der Regen stört' sie nie,
weil sie da vor dem Spiegel saß.
Sie putzte sich, sie schmückte sich,
betrachtete ihr Konterfei
voll der Gewissheit innerlich,
dass sie die Allerschönste sei.
Doch eines Tags ging sie zu weit.
Sie sah ein Bild der Muttergottes
und überhäuft' ihr schlichtes Kleid
mit Worten frevelhaften Spottes.
„Du willst die Himmelskön'gin sein
mit diesem ärmlichen Gewande?
Ein Kleid wie meins, so seidenfein,
verdient die größte Ehr' im Lande!“
Dass sie in Tollheit sich verrannte,
das kümmerte die Eitle nicht,
das Bild Mariens aber wandte
vor dieser Hoffart das Gesicht.
Selbigen Tags Schlag Mitternacht,
da klopft' es an der Bürg'rin Pforte.
Als man verschlafen aufgemacht,
stand da ein altes Weib am Orte.
„Was willst du, altes Fetzenweib?“
Die Bürgerin war weit zu hören.
„Trägst Dreck und Lumpen nur am Leib
und wagst es, nächtlich mich zu stören?!“
Die Alte aber lachte schrill:
„Du glaubst, du seist besonders fein?
Das bist du nur, solang ich will,
das schönste Kleid ist nämlich mein!“
Die Bürgerin verlachte sie.
„Du dummes, altes Bettelweib,
ein schönes Kleid hat eine nie,
die solche Lumpen trägt am Leib!“
Die Alte aber hob mit List
den Deckel einer alten Truhe.
„Schau nur, was du da drinnen siehst,
aus Gold sind Kleid und Schuhe!“
Der Bürgerin in ihrer Gier
die Augen fielen fast heraus,
solch edles Kleid und Goldgezier
hatt' sie noch nie in ihrem Haus!
Ein Sammetkleid bedeckt mit Gold,
ein Schleier wie das Sternenzelt
und Silberschuhe, weich besohlt,
war'n in der Truhe ausgestellt.
„Was willst du, liebe Frau, dafür?“
so rief das eitle Frauenzimmer.
„All mein Vermögen geb ich dir,
auf dies Gewand verzicht' ich nimmer!“
Die Alte zog's Gesicht in Falten.
„Ich borge dir das Kleid drei Tage,
dein Gut und Geld kannst du behalten,
doch gibst du mir dann ohne Klage
was dieses Kleid um Mitternacht
des dritten Tages grad bedeckt.
Schlag ein und es ist abgemacht,
der Handel wird damit perfekt!“
Die eitle Frau schlug freudig ein,
was mochte schon das Kleid bedecken?
„Drei Tage werd' ich Schönste sein,
dann kann ich drunter was verstecken.“
So dachte sie und zog gleich an
die unerhörte teure Pracht,
ging in die Stadt hinaus sodann,
auch wenn es war noch finstre Nacht.
Die nächsten Tage sah man sie
tagein, tagaus allüberall,
sie war so wunderschön wie nie
und tanzte jede Nacht am Ball.
Kurz vor der dritten Mitternacht,
da hat es seltsam sie durchschreckt,
mit einem Mal hat sie bedacht,
sie selbst war von dem Kleid bedeckt!
Sie eilte heim, sich zu entkleiden,
doch weh! das höllische Gewand
ließ nicht von ihrem Leib sich schneiden,
wie sie auch riss und wild sich wand.
Da schlug die Turmuhr Mitternacht.
Wie sehr die Frau sich auch verkrallte,
sie hat das Kleid nicht weggebracht,
und vor dem Tore stand die Alte.
„Ei, Schätzchen mein, du trägst mein Kleid?
Es decket deinen Körper zu!
Du bist nun mein, auch wenn's dich reut,
und find'st in Ewigkeit nicht Ruh'!
Komm her, mein Lieb, dass ich dich hole,
denn du bist mein für alle Zeit!“
Sie goss aus rauchender Phiole
ein Gift über das Höllenkleid.
Wie das nun qualmte, schmerzte, brannte!
Wie nun die Frau ihr Hochmut reute,
als sie in Todesangst erkannte,
dass sie dem Teufel ward zur Beute!
Denn statt der alten Bettlerin
stand der Leibhaftige vor ihr,
er streckt' ihr seine Krallen hin,
um sie zu packen voller Gier.
Doch eh' er sie noch angerührt,
da ward mit einem raschen Stoß
die Seele himmelwärts entführt,
dem Teufel blieb das Prachtkleid bloß.
Mariens starke Mutterhand
erwies der Frau sich hilfreich mild,
weil unter derem Kleid sich fand
ihr Taufgeschenk, ein Gnadenbild.
So half der Frau in höchster Not
die Einsicht und die wahre Reue,
sowie das kleine Taufkleinod,
das sie getragen voller Treue.
Texte: Text: Elisabeth Schwaha
Coverbild: "Blumenschmuck für die Marienstatue" Josef Kinzel, 1852-1925
Tag der Veröffentlichung: 17.08.2011
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Widmung:
Nach einer Altwiener Sage