Cover

Es war einst in Schloss Neugebäude
ein tolles Fest im Gange.
Prinzesslein hatt' Geburtstag heute
und feierte mit Glanz und Prange.

Vier Jahre war das Mägdlein alt
und freute sich gar sehr der Feier,
ihr Augenmerk dem Schauspiel galt,
das stattfand in dem Schlossgemäuer.

Des Schlossverwalters Töchterlein,
Klein Berta, spielte mit Gefühl
im Schauspiel ihre Rolle fein,
als aufklang schauriges Gebrüll.

Und in den Saal schlich lefzenschürzend
ein furchterregend Löwentier,
sein Anblick war zu Tod bestürzend:
gefletschte Zähne, Mähnenzier.

Die Wachen stürzten hinterher
und hoben ihre Schwerter,
da rief es: „Nein! Ich bitte sehr!“
Das war des Schlossverwalters Berta.

Sie riss sich los von Vaters Hand,
zum grimmen Löwen hin sie rannte,
um seinen Kopf die Ärmchen schlang
und so den Wüstenkönig bannte.

„Oh, tut ihm nichts! Er ist doch lieb!“
So flehte Bertas Kinderstimme,
und sieh, der wilde Löwe blieb
in ihrem Arm ganz frei vom Grimme.

Der König war davon erbaut.
Er schenkte ihr das wilde Tier,
rief lachend: „Kleine Löwenbraut!“
und hob auf sie sein Bier.

Klein Berta zog mit sanftem Finger
das große, gelbe Ungetüm
zurück in seinen Löwenzwinger
und war von Stund' an oft bei ihm.

Danach vergingen viele Jahre,
und Berta hold und schön erblühte
zu einer Maid mit güld'nem Haare,
der'n Herz für einen Leutnant glühte.

Noch koste sie den Löwen täglich
und kraulte zärtlich Kopf und Fell,
doch liebt' den Leutnant sie unsäglich,
und so verlobte man sich schnell.

Die Hochzeit wurde angesetzt,
da war für jeden Arbeit drin,
und Jungfer Berta, abgehetzt,
ging kaum noch zu dem Löwen hin.

Von seiner Löwenbraut vergessen,
das Tier allein im Zwinger lag.
Wer kann die Sehnsucht wohl ermessen,
die tief es schmerzte Tag um Tag?

Es brach der Tag der Hochzeit an,
und Berta fiel ihr Löwe ein.
„Ach, einmal noch, mein lieber Mann,
möcht' ich bei meinem Freunde sein!“

Der Bräutigam dem Tier misstraute,
doch Berta bettelte ihn weich.
Zum Löwen eilt' die schöne Braute
in seinem Stein- und Gitterreich.

Der Löwe rieb den Riesenschädel
behaglich unter ihrer Hand.
Da rief der Leutnant: „Komm jetzt, Mädel,
lass knüpfen uns das Eheband!“

Doch als der Löwe wahrgenommen
die barsche Stimme in der Nähe,
da ist er in die Wut gekommen,
und er springt brüllend in die Höhe!

Im Sprunge reißt er Berta nieder.
Der Leutnant zieht das blanke Schwert,
und in des Löwen starke Glieder
der kalte Stahl nun tödlich fährt.

Doch ist's zu spät, denn Berta starb
unter des Löwenfreundes Pranken,
und der so glücklich um sie warb,
fand nie mehr einen froh'n Gedanken.


Als Löwenbraut und unvermählt
hat Berta ihren Tod gefunden,
bleibt im Gedächtnis aller Welt
dem Löwenbräutigam verbunden.

Impressum

Texte: Text und Coverfoto: Elisabeth Schwaha
Tag der Veröffentlichung: 14.08.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Die Tragödie einer großen Liebe, allwelche die grausame Wandlung von zärtlicher Nähe zu schmerzlicher Entfernung erlitt. Nach einer Altwiener Sage

Nächste Seite
Seite 1 /