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Vormittag eines alten Mannes


Der alte Mann war auf dem Sofa eingenickt, nachdem er sein Marmeladebrötchen mit Kaffee gefrühstückt hatte. Jetzt kam er wieder zu sich. In seinem Bauch rumorte es – der verdammte Kaffee! Er humpelte zum Klo, der Gürtel machte Schwierigkeiten, es war knapp, aber er schaffte es noch rechtzeitig.

Er humpelte in die Küche zurück. Die Katzen drückten sich an ihn und maunzten leise.
„Ihr habt noch nichts gekriegt?“, murmelte der Alte. „Hat euch der Alte noch nichts gegeben?“
Die Katzen maunzten lauter. Der alte Mann bückte sich zum Vorratsschrank herunter und holte eine Dose Katzenfutter. Beim Aufrichten hielt er sich ächzend den Rücken. Nachdem er das Futter in die Schalen verteilt hatte, musste er sich wieder bücken, um es den Katzen hinzustellen. Er stützte sich an der Kommode ab.
„Das Alter ist ein Beschiss!“, murmelte er. Die Katzen blickten vom Futter auf und sahen ihn aus gelben Augen an.

Auf der Kommode lagen Paprikaschoten, die der Alte im Garten geerntet hatte. Eine hatte ein Loch, das war wohl von einem Wurm genagt worden. Wenn man drauf drückte, pfiff die Luft heraus, dass es klang wie eine Maus. Die Katzen blickten hoch, als der Alte die Schote zusammen presste. Er lachte und tat es noch einmal, aber jetzt hatten sich die Katzen wieder dem Futter zugewandt und schmatzten leise.

Der alte Mann legte die Schote zurück und humpelte zur Anrichte, um sich etwas kalten Kaffee einzugießen. Eine der Katzen machte ein würgendes Geräusch. Er schaute hin, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie sie das ganze Futter auf die Dielen spie. Die andere Katze schaute zu.
Der Alte schimpfte. Jetzt sollte er das sauber machen! Wo er sich kaum bücken konnte!
„Kannst du das nicht selbst aufwischen?“ fuhr er die Katze an. „Ich gebe dir einen Eimer, einen Lappen ...“ Er lachte, hustete, stützte sich an der Anrichte ab, bis der Husten vorbei war. Er fühlte im Schritt, ob ein Malheur passiert war, aber nein, alles trocken. „Na, was meinst du, Katze? Willst du das wegputzen?“
Beide Katzen sahen ihn aus ihren gelben Augen an.
„Keine Bange, ich weiß, dass ihr mit dem Eimer nicht klar kommt. Ich mach’ das schon.“
Die Katzen liefen an ihm vorbei, er hörte von draußen die Katzenklappe klappern, da waren sie wohl auf dem Weg in den Garten.
Der Alte überlegte. Er konnte auch warten, nachher wollten die Kinder kommen, die konnten das besser wegmachen als er.

Das Telephon klingelte, der Alte humpelte, so schnell er konnte, hinüber, um den Hörer aufzunehmen. „Hallo?“
„Papa, bist du’s?“
„Die Katzen sind es nicht.“
„Papa, tut uns Leid, wir können heute nicht kommen.“
„Aber ...“
„Aber nächsten Sonntag, da kommen wir bestimmt. Versprochen. Tschüs!“
„Aber ...“ Die Hand des Alten zitterte, als er den Hörer auflegte.

Als er fertig war mit dem Aufwischen des Bodens und den Eimer ausgekippt und weggeräumt, den Lappen ausgewaschen und ausgewrungen hatte, ging er ins Bad, um die Hände zu waschen. Vor der Schublade mit den Seniorenwindeln blieb er stehen und überlegte. Dann schüttelte er den Kopf, ging in den Flur, griff sich den Stock und öffnete die Haustür.
Dort verharrte er, an den Türrahmen gestützt, und überlegte. Vielleicht traf er auf seinem Spaziergang einen Bekannten, vielleicht die Nachbarin, da musste er stehen bleiben und schwatzen, das konnte dauern. Er drehte sich um, er legte doch lieber diese Windel an.

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Tag der Veröffentlichung: 16.10.2009

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