Aus dem Leben eines Rauchers
Meine Freundin liegt in der Klinik. Ihr wurde ein Muttermal wegoperiert, von dem sie annahm, dass es ihr Gesicht entstellt. Mir war es kaum aufgefallen; ich gucke eher auf ihre Figur.
Mein Besuch im Krankenhaus war aber anstrengend. Ich konnte nichts mit ihr anfangen, weil es ein Zweibettzimmer war. Sie jammerte, weil sie sich langweilte. Sie sagte, ich stinke nach Zigarettenqualm. Sie klagte über das Essen und trug mir auf, ihr ein halbes Pfund frischer Lychees zu bringen sowie eine Schachtel belgischer Pralinen. Sie gab mir eine Liste mit den Titeln von Illustrierten, die ich für sie besorgen solle. Sie küsste mich zum Abschied, aber schaute gleichzeitig auf den Fernseher.
Dieser Besuch hat unserer Beziehung geschadet, dachte ich, als ich mit dem Fahrstuhl runter fuhr.
„Wo kann man hier eine rauchen?“, fragte ich den Mann an der Information.
„Draußen vor dem Eingang.“ Er wies mit vorgestrecktem Kinn den Weg.
Vor dem Eingang saß ein Mann im Rollstuhl in der Sonne. Er hustete, die Zigarettenschachtel lag auf seinem linken Bein. Das rechte Bein fehlte, das leere Hosenbein war eingeklappt.
„Morgen wird mir auch das hier wegoperiert“, erklärte er mir zwischen zwei Rauchkringeln. „Raucherbein.“
„Aber Sie haben doch nur noch dieses eine!“
„Ja, das andere haben sie mir letztes Jahr wegoperiert. Versehentlich! Das hier war gemeint!“
„So ein Scheiß! Haben Sie da noch Zutrauen?“
„Na, jetzt ist keine Verwechslung mehr möglich!“
Ich hatte einen dummen Witz auf der Zunge, blieb aber still. Er aber schien es geahnt zu haben, denn er blickte an sich runter und sagte: „Na, so groß ist er nun auch nicht.“
Tag der Veröffentlichung: 18.09.2009
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