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Es waren einmal Zwillingsbrüder, die jeder nur Bill und Boll nannte. Ihr Vater, der Eigentümer einer Handelsfirma war, mit einem Supermarkt, welcher so groß war, wie ein ganzes Einkaufzentrum, hatte ihnen bereits vor Jahren seine Firma überlassen, und war in den Ruhestand gegangen.

„Jetzt ist es an euch, den Betrieb zu übernehmen.“ Sagte er zu ihnen. „Ich möchte keinen von euch bevorzugen. Ich habe die Firma aufgeteilt, und jeder von euch wird sich um einen Bereich kümmern. Bill, du kümmerst dich um die Lebensmittel, und du, Boll, um die Haushaltswaren.“

Da das alte Verkaufsteam auch unter der neuen Firmenleitung tätig sein würde, waren Bill und Boll zuversichtlich, das Werk ihres Vaters erfolgreich weiter führen zu können. Aber rätselhafterweise war nur Bill Erfolg beschieden. Boll bekam immer größere Schwierigkeiten, bis seine Abteilung kurz vor der Insolvenz stand. Bei ihren Besprechungen versäumte Boll es nie, seinem Bruder vorzuwerfen, er habe die bessere Hälfte der Firma bekommen, denn essen müssten die Leute schließlich immer. Daraufhin antwortete Bill ihm immer wieder das Gleiche: „Und womit sollten die Leute kochen?“ „In Ordnung, daran liegt es also nicht.“ Gab Boll zu. „Aber du schwimmst im Geld, während ich fast ruiniert bin, obwohl ich nicht weiß, woran es liegt! Du musst doch irgendein Geheimnis haben!“

Bill druckste eine Weile herum, rückte dann aber mit der Sprache heraus: „Also gut, ich gebe es zu. Ich besitze ein geheimes Zauberamulett! Es ist mein Talisman. Ich weiß, das klingt etwas komisch, aber ich schwöre dir, seit ich es verwende, habe ich nie wieder Probleme mit Geld gehabt!“ Boll machte große Augen. „Wirklich? Ein Talisman? Im Jahr 2010?!“ – „Ich versichere dir es, dass es so ist, lieber Bruder! Es liegt nur an diesem Talisman, Ehrenwort!“ – „Nun, wenn es so ist,“ entgegnete Boll, „und weil du schon längst Millionär bist, und ich pleite, obwohl wir beide in der selben Firma arbeiten, dann bitte ich dich, als dein Bruder, darum, mir diesen Talisman zu borgen!“

Boll wollte ihn nur so lange verwenden, bis er sich wieder stabilisiert hatte. – „Das kommt überhaupt nicht in Frage!“ antwortete Bill. Aber nach einer Weile, denn Boll konnte sehr hartnäckig sein, wenn er wollte, gab Bill klein bei, und erklärte sich bereit, seinem Bruder den kostbaren Talisman zu leihen. Er tat es aber nicht, ohne ihm zuvor ein Wort der Warnung zukommen zu lassen: „Boll, hör mir zu, das ist sehr wichtig! Dieser Talisman symbolisiert die Göttin des Geldes, und funktioniert am Besten, wenn er sich in der Nähe von Geld befindet. Du solltest ihn also in deine Kasse legen. Und außerdem musst du ihn jede Stunde mindestens einmal respektvoll betrachten, sonst ist die Göttin beleidigt, und dann hilft sie dir nicht mehr!“ –

Mit diesen Worten übergab Bill Boll das Zauberamulett, und Boll tat, wie ihm geheißen. Nach nur wenigen Monaten war die Abteilung von Boll wieder liquide, und nach einem Jahr, hatte er sich finanziell stabilisiert. Dankbar ging Boll in das Büro seines Bruders, um ihm, wie er es versprochen hatte, sein Zauberamulett zurück zu geben.

„Danke Bruderherz! Der Zauber der Göttin hat tatsächlich funktioniert!“
Bill nahm den Talisman lächelnd entgegen, drehte ihn in seinen Fingern, und sagte:
„Das ist überhaupt kein Zauberamulett, Bruderherz.“
„Was!?“ rief Boll. „Aber…“ – „Ich kenne dich genau, und wusste, dass du ein Sturkopf bist, und du nicht auf mich gehört hättest, wenn ich dir gesagt hätte, dass du dich in Geldfragen auf niemanden verlassen kannst, und dich dazu ermahnt hätte, deine Einnahmen ständig persönlich selbst zu kontrollieren. Durch den Trick mit dieser wertlosen Medaille, die natürlich keineswegs über Zauberkräfte verfügt, habe ich dich dazu gebracht, regelmäßig deinen Kassenbestand zu überprüfen! Sobald den Langfingern klar wurde, dass du zuverlässig und regelmäßig in die Kasse guckst, hörten deine Geldbestände damit auf, auf so geheimnisvolle weise zu schrumpfen!“ –

„Diebe! Diese verdammten Diebe waren also schuld!“ rief Boll empört. „Ich werde sie allesamt entlassen!“ – „Das wirst du nicht tun!“ entgegnete sein Bruder ruhig. „Du bist es, der von unserem Vater die Verantwortung für diese Abteilung übertragen bekommen hat, und nicht deine Angestellten. Zweitens weißt du nicht, wer es war, und drittens hast du ein erfahrenes Team, welches schon seit Jahrzehnten bereits unter unserem Vater dieser Firma gedient hat. Verlierst du es, gehst du noch einmal unter, aber dann für immer!“

– „Aber die Diebe!“ protestierte Boll. – Bill machte eine fuchtelnde Handbewegung, um seine Worte zu unterstreichen: „Ach was! Diebe hin oder her! Du bist der Chef, du selbst bist es, der verantwortlich für deine Verluste ist. Lass es dir von mir gesagt sein, Bruderherz, bei aller Liebe. Erst die Gelegenheit macht Diebe!“

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Tag der Veröffentlichung: 26.02.2010

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