Geräuschlos landete ich in der unendlich friedlichen Nacht die sich über das Flachdach erstreckte. Das Gelände war weit weg vom Treiben der Stadt und auch die Natur, die das Industriegebiet umgab, ließ keinen Ton verlauten. Es war stockdunkel, nicht einmal der Mond zeigte sich heute. Ich rückte gerade meine Nachtsichtbrille zurecht, als ich hörte wie mein Partner hinter mir ebenfalls landete.
Wie auf Kommando bewegten wir uns vorwärts über das Dach und ich ging im Kopf den Gebäudeplan durch, den ich vor ein paar Minuten noch vor mir ausgebreitet hatte und tatsächlich erhob sich vor uns nach wenigen Schritten die äußere Öffnung des Lüftungsschachts. Ich musste schmunzeln. Ein Lüftungsschacht. Wie in einem billigen Film. Oftmals ist der simpelste und vorhersehbarste Weg der, den manche Menschen übersehen und unvorsichtig werden.
Mein Partner öffnete den Verschluss und ich verankerte das Halteseil bevor ich mich vorsichtig in die Öffnung schob. Mit einem weiteren Zeichen ließ er mich langsam hinuntergleiten. Wir ließen uns dabei viel Zeit, da jedes Geräusch vermieden werden musste. Als ich Boden unter den Füßen hatte, löste ich die Verankerung wieder und gab ein kurzes Zeichen nach oben bevor ich langsam den Schacht in Richtung Westen entlang kroch, meinem Ziel entgegen.
In meinem anliegenden Suit und der warmen Luft entgegenkriechend, spürte ich bald den Schweiß über mein erhitztes Gesicht gleiten, aber ich hatte es nicht weit. Ich löste ein Gitter unter mir und hielt es sorgsam fest, während ich mich hindurchließ. Hier machte sich mein Training wirklich bezahlt.
„Es ist nicht sehr nachsichtig, einen so wertvollen Schatz ohne entsprechende Sicherheitsvorkehrungen aufzubewahren.“, kam es mir wieder in den Sinn als ich den Safe am anderen Ende des Raums betrachtete. In der Tat wäre es seltsam den Raum nicht ausreichend zu sichern. Wir hatten einen Plan vom Gelände und der Außenhaut, aber nicht von der inneren Vorrichtungen und dem Alarmsystem, das war wo ich gefragt war. Spontane Ideen zur Ausführung meines Auftrages.
Ich scannte den Raum. Ich schien mich in einem Büro zu befinden, doch irgendetwas erschien mir seltsam. Nur ein gigantischer Teppich und ein Schreibtisch schienen mich vom Safe zu trennen und der Abstand zwischen der Tür und dem Schreibtisch erschien trotz der beachtlichen Größe des Raumes unnatürlich lang. Der Teppich war fein gewoben und bedeckte nur den Bereich vor dem Tisch. Der Teppich.
Langsam hob ich einen kleinen Teil der Ecke des Teppichs an um meine Vermutung zu bestätigen. Eine drucksensible Platte war unter diesem angebracht und scharf geschalten.
Fiebernd nachdenken betrachtete ich den Raum eingehender um einen Weg zu suchen, die Distanz zu überbrücken. Ich konnte weit springen, aber ich bezweifelte, dass ich es so weit schaffen würde und das Restrisiko war mir zu groß. Trotz meiner interessanten Berufswahl, stand ich nicht wirklich auf Risiken.
Deswegen betrachtete ich die Decke und überlegte, ob sie mich tragen würde. Da ich ohnehin keinen anderen Ausweg wusste, holte ich eine kleine Pistole aus meinen Stiefeln, an die ich mein Kletterseil einhakte und versuchte so gut es geht zu zielen und eine stabile Verstrebung zu erwischen. 3..2..1.. und bei 0 war ein leises Klicken und Surren zu vernehmen, als das Seil nach vor schoss und sich mit einem Geräusch in die Decke rammte, das für mich in der Stille viel zu laut erschien. Ich lauschte kurz, aber kein weiteres Geräusch war zu vernehmen. Ich zog ein paar Mal prüfend am Seil und als es nicht nachgab, schwang ich mich mit einer fließenden Bewegung über den Teppich bis ich auf dem Tisch zu stehen kam. „So weit, so gut.“, dachte ich und ging in die Hocke um auf Augenhöhe mit dem Safe zu sein. Schnell zog ich den Apparat hervor, den ich mit wenigen Griffen am Schloss des Safes befestigte. „Es ist schon schön, wenn man Zugriff zu solchen technischen Firlefanz hat.“, dachte ich wieder einmal, „Das vereinfacht meine Arbeit wirklich sehr.“.
Der Apparat leuchtete erst orange und dann grün auf bevor sich der Safe geräuschlos öffnete. Dort auf einem kleinen Polster gebettet lag er. Wie äußerst kitschig, als hätte man ein drittklassiges Agentenfilmdrehbuch vor sich. Der Gedanke ließ mich die Stirn runzeln. Von Anfang an stank der Auftrag eigentlich bis zum Himmel, aber ich hatte mich überreden lassen.
Meine Gedanken wurden von der Stimme durch meine Kopfhörer verdrängt. „Gibt es ein Problem?“, fragte mein Partner flüsternd. „Noch nicht.“, antwortete ich ebenso leise und öffnete den Safe soweit, als dass ich hineingreifen konnte. Es war anzunehmen, dass auch mein Zielobjekt durch einen Drucksensor gesichert war, also überlegte ich die Schritte, die ich tun musste genau. „Mach dich bereit.“, warnte ich meinen Partner und zog das Seil stramm. Genau in dem Moment als ich den Stein aus dem Polster hob, brach das Chaos aus. Das Licht ging an und eine Sirene schellte ohrenbetäuben los. Ich schwang mich hastig hoch zu der Befestigung an der Decke und entfernte sie, während ich mitten auf dem Teppich landete. Da der Alarm schon ausgelöst war, kümmerte ich mich nicht weiter darum. Mit schnellen Schritten eilte ich zum Schacht, als ich schon Stimmen vernehmen konnte, die sich rasch näherten. Zu rasch. Mit klopfenden Herzen zog ich mich nach oben und verschloss den Schacht. Trotz der Eile versucht ich nicht zu viel Wirbel zu machen während ich zurückkroch, da unter mir die Hölle losbrach. Etwas panisch durch den Adrenalinschub schaffte ich es erst beim 2. Mal mich in die Schlaufe einzuklinken, aber wurde sofort nach oben gezogen, als mein Partner den Widerstand am Seil spürte. „Schnell!“, zischte ich ihm zu während wir über das Dach hetzten. Hinter uns flog eine Tür auf und als ich kurz nach hinten sah, konnte ich einige Männer ausmachen, die die Verfolgung aufgenommen hatten. Ich blickte wieder nach vorn als ich ein sich näherndes Rattern hörte, das den Helikopter ankündigte, der sich uns schnell näherte. Ich duckte mich und schrie auf als mit einem plötzlichen Knallen ein Schuss direkt neben mir eine Stange traf und mit einem „Pling“ abprallte. Wir steigerten unser Tempo noch so weit es in der Dunkelheit ging, aber mein Partner war der erste der den Helikopter mit einem Hechtsprung erreichte und ich folgte ihm ohne einen weiteren Gedanken, als der nächste Schuss durch die Luft sauste und diesmal den Helikopter traf. Kaum war ich drinnen und krallte mich am Boden liegend an den Sesseln fest, als der Helikopter sich auch schon in die Lüfte erhob. Immer noch schwer atmend, ließ ich mich auf den Rücken fallen und verbarg mein nasses schwitzendes Gesicht mit einer Hand. „Bist du verletzt?“, fragte mein Partner und ich schüttelte nur langsam den Kopf, unfähig etwas zu sagen. Langsam ließ der Adrenalinschub nach und ich stemmte mich erschöpft in den Sitz. „Hast du den Stein?“, ließ er nicht locker und ich spürte seinen Blick als er mich anstarrte. „Was glaubst du denn?“, grummelte ich und klopfte nur leicht auf meine Seitentasche ohne ihn auch nur einmal anzusehen. Großkotz, dachte ich, ich habe die ganze Arbeit gemacht und für den mickrigen Job bekommt er bezahlt. Zu blöd, dass ich bei diesen Coups meistens auf einen Partner angewiesen bin.
Ihn schon gar nicht mehr beachtend schaute ich aus dem Fenster und betrachtete die Stadt unter uns. Ein zufriedenes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, da ich wusste, dass es nun ein Ende hatte. Keine frechen Partner, keine unausstehlichen Arbeitsgeber und keine nächtlichen Adrenalinschübe mehr. Ich hatte trotz meines jungen Lebensalters genug Geld gespart, um mir einen friedlichen und ruhigen Lebensabend zu leisten und das machte mich doch etwas stolz.
Der Helikopter setze zur Landung an und ich konnte auch schon eine Limousine und meinen Auftraggeber am Landeplatz ausmachen. Zufrieden lächelnd kam er uns entgegen, als die Rotorblätter immer langsamer wurden. Wie ein halbstarker Mafioso sah der etwas untersetzte Mann mit der Zigarre im Mundwinkel aus, als er seine Arme weit öffnete um uns wie seine Enkelkinder in Empfang zu nehmen. „Da seid ihr ja endlich meine Hübschen“, paffte er vergnügt, „Habt ihr mir etwas Schönes mitgebracht?“. Gierig rieb er seine Hände, als ich den Stein hervorzauberte und in seine fordernde Hand fallen ließ. „Gut. Sehr Gut.“, sagte er und winkte einen seiner Bodyguards herbei, der ihm einen Koffer reichte, den er sofort an mich weitergab ohne den Blick vom Stein in seinen fleischigen Pranken abzuwenden. Mein Partner griffen gleichzeitig danach, aber ich schlug wütend seine Hand beiseite und funkelte ihn an. Auch er sah mich mit nicht weniger Wut an, aber verschränkte dann schnaubend die Arme. Ich überprüfte kurz den Inhalt und nickte dann kurz.
„Sind sie mit Lyon vertraut?“, fragte mein Auftragsgeber fast beiläufig, während er den Stein an seinen Bodyguard übergab.
„Lyon? Sie meinen Frankreich?“, stellte ich ihm etwas verwirrt die Gegenfrage.
„Es gibt ein Gemälde, das ein gewisser…“, ich unterbrach ihn mitten im Satz und hob abwehrend die Hände, „Das war mein letzter Auftrag, das sagte ich ihnen bereits nicht nur ein Mal.“
Er blickte finster drein und betrachtete mich still und ich ließ sein miesmütiges Starren über mich ergehen.
„Nagut.“, sagte er schließlich und klopfte meinem Partner auf die Schultern, als sie sich zu seinem Auto bewegten. „Der hier macht sich in letzter Zeit auch ganz gut.“
Mein Partner schaut ihn verwirrt an, nicht ganz sicher ob er gerade beleidigt worden war oder nicht und ich musste schmunzeln.
Auch ich setzte mich in Bewegung, aber in die andere Richtung.
„Passen Sie auf sich auf!“, hörte ich den Mafioso hinter mir und ich winkte nur als Antwort ohne mich noch einmal umzudrehen. Langsam joggte ich die Straßen entlang, ich hatte es nicht weit bis zur nächsten Ubahnstation. Hinter einer Hecke zog ich mir eine Jeans und ein Shirt über meinen Suit bevor ich die Station betrat. Es war zwar keine Menschenseele zu sehen, aber ich wollte nichts riskieren. Mit einem Seufzen ließ ich mich auf die Bank nieder um auf die Bahn zu warten und entspannte mich das erste Mal wirklich an diesem Tag. „Das war’s!“, dachte ich, „Jetzt ist es endlich vorbei.“
Zufrieden lehnte er sich in seinem teuren Ledersessel zurück und streckte seine steifen Arme über seinen Kopf. Alles lief nach Plan, sie hatte den Test bestanden. Genau das, was er für seinen Auftrag brauchte. Alles was in seinem Zweitbüro im Stockwerk unter ihm geschehen war, hatte er über eine versteckte Kamera beobachten können. Der Verlust des Steins war zu verkraften durch das was er heute gewonnen hatte. Das Spiel hatte begonnen.
Tag der Veröffentlichung: 03.08.2015
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Mein erster Versuch mit einer Veröffentlichung meiner kleinen Geschichten. Ich habe niemanden, der sie Korrektur-liest, also seid nachsichtig. :)
Magenta