Perfekter Moment
Wann darf ich glücklich sein?
Es war wie ein Strudel der mich tief hinunter zog. Es drückte mich nach unten und ich konnte nicht klar denken. Das Gefühl der Orientierungslosigkeit stieg in mir auf. Ich wusste nicht mehr wo unten und oben war. Mein Blick wie versteinert, nahm ich nichts mehr um mich wahr. Zerstreute Gedanken wirbelten in meinem Kopf umher. Dann begann sich alles zu fügen und meine Vorstellung vom Leben begann zu verschwinden. Ich verstand.
„…wie man hier sieht, ist der Tumor bereits in einem fortgeschrittenen Stadium, in dem es sich uns unmöglich macht eine deutliche Entscheidung zu fällen.“
Ich blickte wie verhext auf die Röntgenaufnahme meines Kopfes. Der Arzt zeigt mit einem Stift auf einen kleinen schwarzen Punkt in der rechten Hälfte. Sollte dieser schwarze Punkt also über mein restliches Leben bestimmen?
„Wir werden Payson gleich noch etwas Blut abnehmen und diese vom labor untersuchen laasen, um dann den weiteren Verlauf zu besprechen und eine Behandlung zu beginnen.“
Ich habe einen Tumor. Langsam wurde mir klar was das bedeuten würde. Wie hoch war denn bitte die Wahrscheinlichkeit, dass ich das überleben würde? Gab es überhaupt eine reelle Chance für mich? Selbst wenn sich durch die Untersuchung meines Blutes irgendetwas ergeben sollte, wusste ich dass es nie wieder so sein würde wie früher. Die Ärzte würden vor keiner Methode zurückschrecken um mich zu behandeln und die Krankheit würde tun was ihr gefällt, sie könnte mich sogar meine wunderschönen schwarzen Locken kosten.
„Payson? Hast du gehört was der Arzt gesagt hat? Es gibt Behandlungen die den Krebs bekämpfen können.“
Ich nickte nur. Das musste er doch schließlich sagen. Es war seine Pflicht seinen Patienten vom Unmöglichen zu überzeugen, sie zu ermutigen. Ich musste sehr aufgewühlt ausgesehen haben denn meine Mutter nahm unbeholfen meine Hand. Es war ein komisches Gefühl, da sie so etwas nie tat. Sie war ein eher emotionsloser Mensch. Doch wenn ich ihr jetzt in die Augen sah konnte ich Schmerz und gleichzeitig Trauer erkennen und ein gewisses Maß an Sorge - um mich. Da war der Zeitpunkt für mich gekommen zu weinen. Die Tränen kullerten meine Wangen runter. Der Arzt war vollkommen überfordert und rief schnell seine Assistentin um uns nach draußen zu begleiten.
Zu Hause war eine sehr gedrückte Stimmung. Ich verzog mich sofort in mein Zimmer. Ich musste nachdenken. Über alles aber besonders über mich und meine Krankheit, die ich akzeptieren musste. Zuallererst machte ich mir klar, dass es wichtig war nicht aufzugeben. Egal wie aussichtslos es auch schein mag, um diese Krankheit zu besiegen muss ich kämpfen. Nicht nur für mich, sondern auch für meine Mutter, meinen Vater und meinen kleinen Bruder Phil. Ich war es ihnen schuldig. Außerdem gab es doch auch noch eine Chance für mich. Ich hatte schon von vielen gehört, die die Krankheit besiegt haben, bei denen die Behandlungen, wie eine Chemotherapie, angeschlagen ist und am Ende alles gut ausgegangen ist. Warum sollte das bei mir anders laufen? Nein, es würde genauso laufen. Ich musste jetzt positiv denken. Alles andere würde mich nur schwach machen und das konnte ich jetzt beim besten Willen nicht gebrauchen. Ich musste stark sein. Doch je mehr ich mir darüber Gedanken machte wie ich am besten damit umgehen sollte, desto weniger verschwand die Angst vor dem Tod.
Ich konnte gar nicht sagen wie dankbar ich darüber war, dass meine Familie mich nicht bemitleidete sondern genauso weitermachte wie bisher. Niemand sprach über meine Krankheit und wir kehrten wieder zum Alltag zurück. Das tat mir gut, denn es half sie ein bisschen zu vergessen. Ich wollte auch sonst nichts verändern und fuhr gewöhnlich mit dem Fahrrad zur Schule. Als ich das riesige Schulgebäude betrat kam ich mir merkwürdig klein vor. Ich wusste nicht ob ich es mir einbildete aber ich hatte auch das Gefühl, dass mich alle anstarrten. Schnell ging ich zu meinem Schließfach, holte mein mathebuch heraus und verschwand in meinem Klassenraum. Ich setzte mich auf meinem Platz ganz hinten im Klassenraum und packte meine Sachen aus, dann ließ ich meinen Blick im schweifen. Gerade blickte ich den braunen Türrahmen, der eine blaue Tür fasste, als diese aufging und ich direkt in die grünen Augen von meinem Mitschüler Miles sah. Natürlich hätte ich die Augenfarbe auf die Entfernung nicht erkannt wenn ich sie nicht schon vorher genau studiert hätte. Ein Lächeln umspielte sein Gesicht und ich spürte wie mir die Röte in die Wangen stieg. Schnell senkte ich meinen Kopf und vergrub mich hinter meinen langen braunen Locken. Es war immer das Gleiche. An dem Tag, als Miles das erste Mal durch diese Tür kam, war ich vom ersten Augenblick an von ihm faszinierd und nach der ersten Musikstunde war ich verloren. Es war der Moment als er mich ansah und seine Stimme den Raum erfüllte, in dem ich mein Herz das erste Mal in meinem Leben verschenkte. Ich hatte noch nie jemanden so wunderschön singen gehört. Ab diesem einen Moment, als er mir so tief in die Augen sah und er für kurze Zeit nur für mich sang, konnte ich ihn nicht mehr ansehen ohne sofort rot zu werden. So ging es jetzt schon ganze vier Monate. Ich wusste nicht mehr was ich tun sollte. Um ihn anzusprechen war ich zu schüchtern und zu ängstlich vor einer Abfuhr. Andererseits wurde es auch langsam merkwürdig wie ich ihm aus dem Weg ging, nur um ihn nicht ansehehn zu müssen. Lediglich morgens, wenn er den Klassenraum betrat, trafen sich unsere Blicke.
„Guten morgen!“
Frau Kiebing betrat den Klassenraum. Ich hebte meinen Kopf von der Tischplatte und lenkte meine Gedanken auf den Matheunterricht. Die Stunde verging extrem langsam und da Integrale nicht meine Stärke waren, widmete ich mich dem leeren Karoblatt vor mir. Als es endlich zur Pause gongte, blickte ich auf mein Blatt und konnte nicht fassen, dass ich Miles gezeichnet hatte. Schnell verstaute ich meinen Block in der Tasche und verlies den Raum. Vor meinem schließfach bleibe ich stehen. Ich tausche mein Mathebuch gegen mein Geschichtsheft. Dann hole ich noch einmal meinen Block hervor und gehe dichter an mein schließfach, so, dass niemand sieht was ich in der Hand halte. Langsam schlage ich die erste Seite auf und blicke in ein perfektes Portrait von Miles. Hatte das wirklich ich eben gezeichnet? Es war merkwürdig, wo ich doch sonst nicht so künstlerisch begabt war. Ich konnte nur hoffen, dass niemand aus meiner Klasse aufgefallen war, was und besonders wen ich gezeicnet hatte. Besonders Miles nicht. Plötzlich klopfte es an meiner schließfachtür. Vor Schreck ließ ich meinen Block fallen. Schnell bückte ich mich um ihn aufzuheben, doch es kam mir eine Hand zuvor. Als ich mich wieder aufrichtete blickte ich in die wundervollen grünen Augen. Für kurze Zeit war ich wie in Trance, doch dann fiel mir die Zeichnung wieder ein. Schnell griff ich nach meinem Block, doch Miles ließ nicht los. Er blickte erst das Blatt und dann mich an. Ich spürte wie mir die Röte wieder ins Gesicht stieg. Ich musste etwas sagen, doch was? Ich war wie gelähmt.
„Hast du das gemacht?“
Ich brachte nur ein Nicken zustande und blickte dann wieder hoch, ich wollte seinen Ausdruck in den Augen sehen. Sie glänzten und es lag eine gewisse Bewunderung und auch Neugier in ihnen.
„Ich… es tut mir leid wenn ich zu weit gegangen bin, aber ich weiß selbst nicht wie du auf das Blatt gekommen bist.“
Seine Lippen zogen sich zu einem Lächeln und sofort merkte ich wie meine Wangen wieder glühten. Er ließ meinen Block los und er schnellte gegen meinen Bauch. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich ihn immernoch fest umklammert hielt. Stumm schaute ich miene Finger an.
„Es gefällt mir.“
Mein Kopf schnellte hoch und ich sah wie sein Lächeln breiter wurde. Verlegen sah ich wieder weg. Ihm gefiel mein Bild, na und? Was sollte das schon bedeuten?
„Vielleicht können wir…“
Der Gong übertönte den Rest seines Satzes und bevor er erneut anfangen konnte, sah ich wie Herr Genft sich unserem Klassenraum näherte.
„Herr Genft ist gleich da, schnell sonst wird er wütend.“
Ich griff blind nach meinem Rucksack und schmiss meine Schließfachtür zu. Wir erreichten den Klassenraum kurz vor Herrn Genft, Miles direkt hinter mir. Wir setzten uns auf unsere Plätze und der Geschichtsunterricht began. Die Französische Revolution mochte mich ja sonst interessieren, aber doch nicht nachdem Miles mit mir gesprochen und ich mich zum kompletten Idioten gemacht hatte. Was hatte ich nur wieder angestellt? Aber es musste ja so kommen, dass gerade er die Zeichnung sehen musste. Peinlicher gings echt nicht. Die einzige gute Sache an die ich mich klammerte war die Tatsache, dass ihm das Bild gefiel und er nicht verärgert war. Ich hatte meine Chancen also nicht komplett verspielt.
Gerade als herr Genft die Rolle der Deutschen in der Französischen revolution erklärte flog ein kleiner gefaltete Zettel auf meinen Tisch. Es stand mein Name darauf. Schnell faltete ich ihn auseinander und konnte nicht glauben was da stand:
An Payson.
Ich würde mich freuen wenn du ein beabsichtigtes Portrait von mir machst.
Hast du nach der Schule schon etwas vor?
Die Nachricht konnte nur von Miles sein. Niemand anderes hatte meine Zeichnung gesehen. Ich zog einen Stift und schrieb:
Klar, Garantie für ein gutes Ergebnis gebe ich aber nicht!
Ich faltete den Zettel wieder zusammen und warf ihn in die Richtung aus der er kam. Insgeheim hoffte ich aber, dass er Miles erreichen würde. Wie einfach es war, etwas an ihn zu schreiben. Da wurde mir auf einmal bewusst, dass es zwar einfach war mit ihm zu schreiben, ich ihm aber ein Treffen zugesagt hatte, was bedeuten würde ich müsste ihm gegenübertreten. Das konnte ich nicht, ich würde anlaufen wie eine rote Tomate und mich total lächerlich vor ihm machen. Doch Zeit zum Nachdenken blieb mir nicht. Wieder landete der Zettel auf meinem Tisch. Hastig machte ich ihn auf:
Nach der Schule an deinem Schließfach
Gerade wollte ich etwas schreiben, da erklang der Schulgong. Ich war verloren.
Biologie fiel heute aus und somit hatte ich Schulschluss. Langsam ging ich zu meinem schließfach und verstaute mein Geschichtsheft darin. Ich stand einfach nur da, vergrub mich in meinem Schließfach und wartete darauf, dass Miles kam. Als es dann an meiner Schließfachtür klopfte, erschrack ich trotzdem. Ich schnellte mit dem Kopf hoch und knallte gegen die Tür.
„Tut mir Leid! Alles klar?“
Stumm hielt ich mir die Stelle an der, der Schmerz pochte.
„Zeig mal her.“
Ohne jedes weitere Wort nahm er meinen Kopf in seine Hände und blickte auf meine Stirn. Unfähig zu atmen blickte ich ihm in seine Augen, die mir so unglaublich nah waren.
„Ich denke das wird eine Beule werden. Tut mir echt Leid.“
Er sah mich entschuldigend und mitleidig an und er hielt immer noch meinen Kopf umfasst. Jetzt war ich an der Reihe etwas zu sagen. Ungewöhnlich flüssig ging es mir von den Lippen.
„Ist nicht weiter schlimm. Warum muss ich auch so schreckhaft sein.“
Ein grinsen umspielte seine Lippen und er ließ meinen Kopf los. Verlegen blickte ich auf den Boden und fummelte an den Bändern meiner Jacke herum.
„Wegen dem Portrait. Meine Eltern haben demnächst Hochzeitstag und ich dachte es wäre ein schönes Geschenk. Leider bin ich nicht sonderlich begabt. Bei mir sehen Schweine meistens aus wie leere Eistüten.“
Unwillkürlich musste ich anfangen zu lachen. Er stimmte mit ein und das Eis war gebrochen.
„Da komme ich dann ins Spiel. Ich soll das Portrait von dir malen, was du deinen Eltern schenken möchtest?“
„Das wäre super. Würdest du das für mich machen?“
„Gerne. Aber wie gesagt, bis vor zwei Stunden wusste ich nichts von meiner künstlerischen Ader, also keine Garantie auf ein gutes Ergebnis!“
„Das Risiko gehe ich ein.“
„Okay, dann mach ich es.“
„Echt? Danke. Wann wollen wir uns denn treffen? Hast du heute noch Zeit?“
Ich wollte mit freuden ein ‚ja’ erwiedern doch dann holte es mich wieder ein. Die Krankheit. Ich spürte wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Ich konnte nur ein gehauchtes „Nein“ erwiedern, dann drehte ich mich um und rannte aus der Schule. Ich schloss mein Fahrrad auf und fuhr nach Hause. Ich musste heute ins Krankenhaus. Ich hatte keine Zeit für niemanden. Ich hatte einen Termin mit Doktor Rickens. Er wollte mit mir und meiner Mutter über die letzten Blutuntersuchungen sprechen. Um dann meine Behandlungsmöglichkeiten zu diskutieren. Egal wie es danach mit mir weitergehen sollte, ich konnte danach niemanden sehen.
Zu Hause ging ich direkt in mein Zimmer. Stellte meine Tasche an ihren gewöhnlichen Platz und legte mich auf mein Bett. Doch lange zum Trübsal blasen blieb mir nicht.
„Pay, wir müssen los. Kommst du?“
Es ging also los. Ich wollte nicht gehen, zu viel Angst wühlte in meinem Kopf. Doch ich wusste ja, dass ich gehen musste wenn ich wissen wollte, wie es jetzt weiterging.
Die Fahrt ins Krankenhaus war sehr ruhig. Weder meine Mutter noch ich sagten ein Wort. Im Krankenhaus angekommen wurden wir direkt zu Doktor Rickens gebracht. Meine Mutter und ich setzten uns auf die zwei Stühle vor seinem leeren Schreibtisch und warteten. Als er nach gefühlten zwanzig Minuten das Zimmer betrat, nahm meine Mutter meine Hand. Er begrüßte uns und setzte sich dann. Nach einer kurzen Erkundigung nach meinem Befinden kam er gleich auf den Punkt.
„Es hat sich durch die weiteren Untersuchungen ergeben, dass sich die Krebszellen bereits weiter verbreitet haben, als wir bisher vermuteten.“
Ich spürte wie der Griff um meine Hand sich verstärkte.
„Was hat das für Payson zu bedeuten?“
Die Miene des Arztes wurde ernster und meine Mutter fing an auf ihrem Stuhl zu wippen.
„Ich möchte Ehrlich zu ihnen sein. Die Krebszellen haben sich bereits im Körper von Payson verteilt. Es macht es uns dadurch unmöglich sie mit einer Chemotherapie zu bekämpfen. Es tut mir Leid, aber ich kann nichts für ihre Tochter tun.“
Die letzten Worte hallten in meinem Kopf wie ein Echo: ‚nichts mehr für ihre Tochter tun’. Ich war die Tochter. Er konnte nichts mehr für mich tun. Das bedeutete ich hatte verloren ohne überhaupt die Möglichkeit zu haben zu kämpfen. Was würde jetzt mit mir passieren? Auch wenn ich es eigentlich wusste, wollte ich es nicht begreifen. Es schien so ungerecht. Doch obwohl ich mir der Situation ziemlich bewusst war, fühlte ich nichts. Noch nicht einmal Tränen wollten mir kommen. Ich blickte auf die Hand von meiner Mutter, die meine immernoch umschlossen hielt. Dann blickte ich zu ihr auf. Ihr Gesicht war leichenblass und ihre andere Hand hatte sich vor ihren Mund gelegt. Ihr kullerten die Tränen die Wangen herunter. Doch auch das ließ mich in diesem Moment nichts fühlen. Ich brachte es lediglich fertig, die Hand von meiner Mutter mit meinem Daumen zu streicheln. Sie blickte mich durch ihre verquollenen Augen und dem Tränenschleier an und schluchzte nur noch mehr. Ich wandt den Blick von ihr ab und schaute den Arzt an. Entschlossen stellte ich die Frage, vor die sich meine Mutte wahrscheinlich am meisetn fürchtete und ich mivh im Grunde auch.
„Wie lange habe ich noch?“
Der Arzt sah mich mit versteinertem Gesicht an. Dann blickte er in seine Unterlagen, als ob es da irgentwo stehehn würde. Als ob mein Todesdatum bereits ausgerechnet in meiner Akte stand.
„Es ist schwer zu sagen, aber ich denke es bleibt ihnen noch ein Monat.“
Meine Augen weiteten sich und ich nickte. Benommen starrte ich im Raum herum und mekrte deshlab auch nicht wie Doktor Rickens diesen verließ. Ich weiß nicht wie lange wir noch da saßen, aber irgendwann stand ich auf und trat vor meine Mutter.
„Ich möchte jetzt bitte nach Hause.“
Meine Mutter hatte inzwischen ihre Tränen unter Kontrolle und nickte. Ich nahm sie bei der Hand und wir verließen die Praxis.
Die Fahrt nach Hause war genauso still wie die Hinfahrt, zwischendurch hörte ich einen Schluchzer von meiner Mutter aber dabei blieb es dann auch.
Zu Hause angekommen öffnete mein Vater uns die Tür. Bei dem Anblick meiner Mutter verstand er sofort und stellte keine Fragen. Ich war ihm dafür sehr dankbar. Ich hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand in meinem Zimmer bevor Phil auftauchte. Ich schmiss mich auf mein Bett und starrte an die Decke. Als es draußen dunkel wurde spürte ich, wie eine Träne meine Wange herunter lief und plötzlich war der Knoten geplatzt. Ich weinte bis ich irgendwann einschlief. Den Rest der Woche ging ich nicht zur Schule.
Nachdem ich mich die Woche über mit dem Gedanken, bald zu streben arrangiert hatte wollte ich de Rest meines Lebens so verbringen wie ich ihn sonst auch verbracht hätte. Ich wollte normal weitermachen, ich wollte keine Geschenke und keinen teuren Urlaub in ein Land, dass ich schon immer mal sehen wollte. Es sollte alles beim alten bleiben und ich wollte so in Erinnerung bleiben wie ich war. Am Montag ging ich deshalb auch wieder in die Schule.
Ich wollte gerade den Klassenraum betreten, als mich jemand am Arm davon abhielt und mich stattdessen in die Nische neben der Tür zog. Gearde wollte ich mich weheren als ich Miles vor mir stehen sah. Mit besorgter Miene sah er mich an.
„Alles in Ordnung mit dir?“
Ob alles in Ordnung mit mir war. Eigentlich gab es darauf gab es nur eine Antwort, aber ich war noch nicht bereit sie ihm zu geben.
„Was sollte denn sein?“, fragte ich deshalb.
„Du bist Vorgestern so plötzlich weggelaufen und gestern warst du nicht in der Schule, ich hab mir Sorgen gemacht.“
Er hat sich Sorgen gemacht. Er mochte mich also wirklich. In mir brach ein lautes Feuerwerk der Freude aus und ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht stieg.
„Es war nichts. Es war einfach nur ein anstrengender Tag und gestern hatte ich Kopfschmerzen. Heute ist alles wieder gut und ich bin putzmunter.“
Bei dem letzten Satz senkte ich meinen Blick auf meine Schuhe, ich konnte ihm beim Lügen nicht ins Gesicht blicken. Ich spürte wie sich seine Hand auf meinen Oberarm legte.
„Das freut mich.“ Ein erleichtertes Grinsen überfiel sein Gesicht. „Treffen wir uns nachher bei deinem Schließfach?“
Unsere Englisch Lehrerin kam und ich brachte nur noch ein Nicken zustande.
Im Unterricht war ich ziemlich gut drauf. Ich meldete mich und wurde von Frau Framming gelobt und jedes Mal wenn ich etwas sagte, nutzte Miles die Gelegnheit sich umzudrehen und mich anzusehen. Hätte ich ihn dabei angesehen, hätte ich jedesmal den Faden verloren! Dann gongte es zur Pause und ich ging zu meinem Schließfach. Miles lehnte bereits lässig an meiner Tür und grinste mir entgegen als ich auf ihn zusteuerte.
„Du blockierst mein Schließfach!“
„Hab ich gar nicht bemerkt!“
Lachend ging er beiseite und ließ mich meine Sachen hinter die Tür verschwinden lassen. Ich machte sie zu und setzte mich davor. Miles tat es mir gleich.
Wir redeten über die Schule, unsere Klasse und über das Portrait, das ich von ihm anfertigen sollte. Bevor es wieder zum Unterricht gongte, verabredeten wir uns für den Nachmittag in der Bücherrei.
Als ich die Bücherei betrat saß Miles bereits an einem der vielen Tische und blätterte in einer Broschüre. Er hatte sich den hintersten ausgesucht bei dem eine extra Lampe stand.
„Hey!“ Miles sah von seiner Zeitschrift hoch.
„Hallo.“
Ich setzte mich gegenüber von ihm auf einen Stuhl und zog meine Federtasche hervor.
„Wollen wir dann anfangen?“
„Ja, klar. Ich habe einen großen Block mitgebracht.“
Miles gab mir den Block und ich legte ihn im Hochformat vor mich hin.
„Ist das Format so in Ordnung?“ Miles nickte.
„Und Bleistift ist auch okay? Oder wolltest du eine bunte Zeichnung?“
„Nein Bleistift ist perfekt. Es soll genauso werden wie das was du letztens gemacht hast.“
Ich schenkte Miles ein Lächeln, um mich gleich darauf darüber zu wundern, wie einfach das doch ging.
„Leg deine Hände am besten flach auf den Tisch und deinen Kopf darauf und schau am besten in eine Richtung.“
Gesagt getan. Miles faltete seine Hände vor ihm auf dem Tisch und legte sein Kinn darauf. Ich setzte den Bleistift an und begann zu zeichnen. Ich nahm jede einzelne Stelle von Miles Gesicht in mir auf, um sie dann auf das Papier zu bringen. Alles war so einfach, nur die Richtung die Miles sich ausgesucht hatte brachte mich etwas aus der Konzentration: er schaute mir direkt in die Augen.
„Du hast echt schöne Augen.“ Erschrocken blickte ich hoch. Hatte ich das wirklich gerade gesagt?
Ein schälmisches Grinsen umspielte Miles Lippen.
„Dann hast du deine noch nicht gesehen!“
Sofort senkte ich verlegen meinen Blick wieder auf das Bild.
Nach etwa einer Stunde legte ich den Stift beiseite und begutachtete mein Werk. Miles richtete sich auf und kam zu mir herum. Er stellte sich hinter mir und stützte sich jeweils rechts und links von mir auf den Tisch. Ich konnte seinen Atem auf meinem Kopf spüren.
„Was macht denn der Schmetterling auf meiner Hand?“
Entschuldigend senkte ich den Kopf.
„Ich weiß auch nicht. Ich hatte das Gefühl, es würde nicht fertig aussehen wenn ich ihn nicht gezeichnet hätte. Tut mir Leid, ich kann ihn zum Glück wieder wegradieren.“
Gerade wollte ich das Radiergummi am untern Flügel ansetzten, als Miles sehr energisch meinen Namen aussprach.
„Payson, das ist wundervoll. Ich danke dir. Meine Eltern werden ausflippen!“
Verwundert blickte ich ihn an aber in seinem Gesicht sah ich nur ein großes Lächeln. Er meinte es ernst!
„Es freut mich, dass es dir gefällt. Dann hat sich die Arbeit wenigstens gelohnt!“
„Ich bin dir echt was schuldig. Wie wäre es, wenn ich dich heute Abend ins Kino einlade?“
Er stellte sich links von mir, nahm seine Hand aber nicht vom Tisch, sodass er mich jetzt komplett umfasste. Mein Herz schlug schneller. Miles sah mich erwartungsvoll an. Ich musste ihm schnell antworten sonst würde ich mich auf der Stelle in eine Tomate verwandeln.
„Ich … ähm … gerne!“
„Schön, dann los, wir müssen uns beeilen um die Vorstellung nicht zu verpassen.“
In einer Bewegung hing er sich seine Tasche über die Schulter, nahm den Block unter den Arm und nahm meine Hand und zog mich aus der Bücherrei. Völlig perplex ließ ich alles geschehen. Draußen gingen wir dann zum Parkplatz und Miles hielt immernoch meine Hand umfasst und ich entzog sie ihm nicht. An seinem Auto angekommen stieg ich auf den Beifahrersitz während Miles seine Sachen im kofferraum verstaute. Als wir bereits fuhren, drehte er die Musik laut auf und sang mit. Ich saß einfach nur da, blickte ihn an und hörte ihm aufmerksam zu. Es war wundervoll wie er sang. Leider war die Fahrt viel zu schnell vorbei und wir hatten das Kino erreicht. Ich konnte mich gar nicht so schnell abschnallen, da hatte Miles meine Tür schon geöffnet.
„Danke.“ Verlegen senkte ich meinen Blick.
Wie selbstverständlich nahm er meine Hand und ich ließ es zu. An der Kasse kaufte er zwei Karten für einen Film, der gerade neu angelaufen war. Wir setzten uns hin und warteten darauf, dass der Film begann. Auch wenn dieser sehr gut war, konnte ich mich auf die Handlung nicht wirklich konzentrieren. Immer wieder schielte ich Miles an, dessen Augen auch mich festhielten. Da spürte ich, wie sich sein Arm um meine Schultern legte und er mich fragend ansah. Ich nickte nur lächelnd. Ich kuschlete mich an ihn und er legte seinen Kopf auf meinen. Als es im Film gerade zum Finale kam und die beiden Protagonisten sich ihre Liebe gestanden, legten sich Miles Finger an mein Kinn und hoben meinen Kopf an, sodass ich ihm direkt in die Augen sah. Dann legten sich seine Lippen auf meine und er küsste mich. Ich hatte so etwas schönes noch nie erlebt und ein wundervolles Glücksgefühl überfiel mich. Langsam erwiederte ich seinen Kuss und versank vollends in ihm. Plötzlich traf mich ein Stich im Herzen und ich zuckte zurück. Bilder huschten durch meinen Kopf. Ich im Krankenhaus. Miles an meinem Grab, verständnislos, wie ich es soweit hab´ kommen lassen, wenn ich doch gewusst hatte wie es um mich stand. Mit einem Satz hatte ich meine Tasche in der Hand und verließ laufend das Kino. Die Tränen kullerten mir über die Wangen und als ich hörte, dass Miles mir folgte, rannte ich nur schneller. Ich wollte ihn nicht mehr sehen. Ich rannte Straßen entlang, die ich noch nie in meinem Leben durchquert hatte, aber das war egal. Mein Blick war verschleiert durch die vielen Tränen, die meine Augen verließen. Ich wusste nicht mehr wie lange ich gelaufen war, doch irgendwann hielt ich an und fiel in mich zusammen. Erst da merkte ich, dass meine Sicht nicht nur durch die Tränen getrübt war sondern auch durch den andauernden Regen, der mir vorher gar nicht aufgefallen war. Ich kniete auf dem Bürgersteig in einer abgelegenen Gegend und hatte meinen Kopf zwischen meine Hände gestützt. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so gefühlt. Noch nicht einmal nach der Diagnose war es so schlimm gewesen. Alles in mir wollte schreien, doch ich konnte nicht. So sehr ich mich auch anstrengte den Kopf anzuheben und einen Ton hervorzupressen, es kam nichts heraus. Ich war völlig leer und doch so unglaublich belastet. Belastet mit Dingen, die ich nicht ändern konnte, die ich einfach nicht ändern konnte, so sehr ich es auch wollte. Der Arzt hatte es gesagt. Ich konnte nicht geheilt werden. Was damals noch nicht richtig bei mir angekommen war, prasselte so stark wie der Regen auf mich herunter und schien mich zu begraben. Ich wollte mich wehren, wollte über meinen Körper bestimmen. In mir tobte es. Und plötzlich war es ganz einfach. Ich richtete meinen Oberkörper auf und schrie. Ich schrie, wie ich noch nie in meinem Leben geschrien hatte. Ich schrie für mich, meine Familie und für Miles, mit dem ich niemals zusammen sein werden kann. Dann brach meine Stimme zu einem lauten Schluchzer und ich fiel wieder auf meine Knie. Meine Kleider waren mittlerwile total durchnässt und ich rang nach Luft. So saß ich also da und spürte, wie mir die Kälte in die Knochen zog. Ich musste schon lange in dem Regen auf dem kalten Boden liegen. Wenn ich nicht schon früher sterben wollte als es nötig war musste ich aus dem Regen raus. Ich nahm meine Kräfte zusammen und stemmte mich hoch. Mit zittrigen Beinen stand ich jetzt und hob meinen Kopf um die Richtung festzustellen, aus der ich gekommen war. Doch die Straßen rechts und die direkt vor mir waren anhezu identisch. Ich drehte mich um und blickte die letzte mögliche Straße hinunter und erkannte einen Vorbau mit grünem Licht darin, an den ich mich wage erinnerte. Ich musste also in diese Richtung. Langsam sette ich einen Fuß vor den anderen, darauf bedacht nicht hinzufallen, da ich meine Beine noch nicht ganz wieder unter Kontrolle hatte. Durch die nächsten Abbiegungen, entschieden durch kleine Merkmale, quälte ich mich hindurch, doch die nächste Kreuzung wollte beim besten Willen nicht zurück in meine Erinnerungen kommen. Ich blickte nach rechts und links genauso wie nach vorne, doch nichts kam mir bekannt vor. Ohne zu wissen wo ich war kamen mir erneut die Tränen. Sie erschienen mir nicht richtig, da ich in so vielen schlimmeren Situationen geweint hatte, doch ich konnte nichts gegen sie tun. Ich setzte mich in einen überdachten Hauseingang und kramte in meiner Tasche nach meinem Handy. Doch ich fand keins. Ich musste es verloren haben, doch selbst das schien gerade bedeutungslos. Das einzige an das ich denken konnte und wollte war Miles. Ich blendete die Krankheit aus und dachte über uns nach. Ich hatte ihn total vor den Kopf gestoßen. Man konnte fast sagen, ich hatte mit ihm gespielt. Ihm Hoffnung auf etwas gemacht, von dem ich selbst wusste, dass ich es ihm niemals geben könnte. Doch es hat sich alles so richtig angefühlt und so wunderschön. Ich hatte alles kaputt gemacht. Doch musste das nicht sowieso irgentwann passieren? Wenn nicht heute wäre es in einer Woche passiert. Ich hätte es nicht weitergehen lassen können, mit dem sicheren Tod im Hinterkopf. Das wäre nicht fair ihm gegenüber gewesen. Doch aus der Sache kam ich jetzt nicht mehr heraus. Ich hatte ihn geküsst und es war wunderschön. Ich fühlte etwas in mir aufsteigen und auf einmal musste ich lachen. Mir kullerten die Tränen zwar immernoch über die Wange, doch ich lachte lautstark dabei. Ich verstummte. Da kam eine Gestalt die Straße links von mir herauf. Sie lief und mein Instikt sagte mir, dass ich laufen sollte, wenn ich Miles nicht sehen wollte. Doch meine Beine waren wie gelehmt und mein Blick wie erstarrt auf die dunkle, aber immer klarer werdende Gestalt gerichtet. Als er näher kam sah ich, dass auch er bereits völlig durchnässt war. Ein schlechtes Gewissen überkam mich und ich senkte den Blick. Dann erschienen weiße Sneakers in mein Blickfeld, ich hob meinen Kopf und blickte in die Augen von Miles. Selbst wenn ich gekonnt hätte wäre eine weitere Flucht jetzt unmöglich gewesen, da er direkt vor mir Stand und der Hauseingang nicht sehr breit war. Ich blickte in seine verletzten und verständnislosen Augen und sofort kamen mir wieder die Tränen. Ich wollte meinen Kopf zur Seite drehen doch Miles hinderte mich daran. Er kniete sich vor mir in eine Pfütze, hielt meinen Kopf mit seinen Händen umschlossen und sah mich einfach nur an. Es war schlimmer als alles was er hätte sagen können. Ich war gefangen in meiner eigenen Haut und würde ohne eine Erklärung nicht mehr aus der Sache heraus kommen. Ich musste ihm alles erzählen. Die ganze Wahrheit. Ich schluckte schwer. Doch bevor ich etwas sagen konnte zog Miles mich an sich und drückte mir einen Kuss auf meine feuchten Lippen. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und wollte für immer in diesem Moment verharren. Miles löste sich von mir und hielt mich mit seinen Armen etwas auf Abstand, sodass er mir in die Augen schauen konnte.
„Wenn es nicht ich bin, was ist es dann?“
Jetzt hatte er mich. Ich konnte ihn nicht mehr von mir wegstoßen, ihm irgendwelche Gründe nennen warum aus uns nichts werden konnte, nicht nach dem Kuss eben.
„Miles ich … Ich … Ich kann es dir nicht sagen.“
„Dann hab ich hier nichts mehr verloren.“
Miles ließ meine Schultern los, richtete sich auf und wand sich von mir ab um zu gehen. Jetzt lag es an mir den entscheideneden Schritt zu tun, wenn ich ihn nicht verlieren wollte. Ich stand auf und griff nach seiner Hand. Doch Miles drehte sich nicht um.
„Miles!“
Abrupt drehte er sich um, entriss mir seinen Arm und ich wich eingeschüchtert einen Schritt zurück.
„Was? Soll ich mir jetzt wieder anhören, dass du Kopfschmerzen hast und morgen wieder alles gut ist? Ich hab deine Ausreden so satt Payson. Warum sagst du mir nicht die Wahrheit? Und jetzt komm mir nicht mit ‚Es ist alles in ordnung’ denn das ist es offensichtlich nicht. Man rennt nicht ohne Grund aus einem vollen Kino kurz nachdem man geküsst wurde. Man sitzt auch nicht stundenlang im Regen ohne sich zu melden. Ich bin durch die halbe Stadt gelaufen um dich zu suchen. Es ist nichts in Ordnung. Nichts.“
Ich zitterte am ganzen Körper und hätte Miles am liebsten direkt ins Gesicht geschrien. Ich hatte so eine Wut im Bauch, der ich jetzt Platz machen musste.
„Du hast keine Ahnung wie es mir geht. Keiner hat das. Du denkst du kennst mich und meinst zu wissen dass etwas nicht in Orndung. Schön, super! Der Kandidat hat tausend Punkte auf der Richter-Skala! Ich bin krank, okay. Ich bin unheilbar an Krebs erkrankt. Da hast du es, es ist wirklich nichts in Ordnung. Bist du jetzt glücklich?“
Ich holte Luft und guckte zu ihm hoch. Seine Augen waren vor Entsetzte geweitet. Gerade wollte er zum sprechen ansetzten, doch bevor er etwas sagen konnte, schnitt ich ihm das Wort ab.
„Weißt du eigentlich wie lange ich schon in dich verliebt bin? Seit dem Tag an dem du in unserer Klasse das erste Mal gesungen hast. Es war so einfach dich von weitem zu beobachten. Es war als hätten du und die Krankheit sich abgesprochen. Beides kam auf einmal auf mich zu und wollte mir nahe sein. Ich war überglücklich. Bis mir klar wurde, dass ich dich damit nur verletzten würde. Es ging immer weiter und weiter mit uns und der Kuss im Kino hat das Fass zum überlaufen gebracht. Ich konnte und wollte nicht länger ein Spiel mit dir spielen, dass wir beide am Ende verlieren würden.“
Miles nahm meine Hände und ich blickte direkt in seine Augen. Er weinte. Sofort stiegen auch mir die Tränen in die Augen und ich senkte meinen Blick. Er zog mich in seine starken Arme und legte seinen Kopf auf meinen. Es war ein stiller und schöner Moment, in dem keiner von uns etwas sagen musste, da wir uns auch so verstanden. Nach einer Zeit hob Miles den Kopf und hielt mich so im Arm dass er mich sehen konnte.
„Du sollst wissen, dass ich für dich da bin. Egal was kommt, wir schaffen das. Ich liebe dich Payson.“
Dieser eine Satz reichte mir um meine Arme um seinen Hals zu legen und meinen Mund auf seinen zu drücken. Miles Arme schlossen sich fester um meine Hüfte und ich spürte wie meine Füße vom Boden abhebten. Auch wenn uns beiden klar war, dass ich bald sterben würde, war dies ein perfekter Moment.
Die nächsten Wochen waren Miles und ich unzertrennlich. Wir verbrachten jede freie Minute miteinander und kosteten alles aus, was uns das Leben zu bieten hatte. Keiner von uns sprach über das unvermeidliche, auch wenn es uns jeden Tag verfolgte. Meine Angst vor dem Tod würde bis zum Ende nicht verschwinden, aber sie wurde durch Miles zu etwas nebensächlichem verdrängt. Es gab Tage an denen ich mich schlecht fühlte, und für einen kurzen Moment dachte, dass es jetzt vorbei sein würde. Doch dann kam Miles, legte sich zu mir ins Bett, schmiegte sich an mich und sang mir etwas vor. Oft lag er mehrere Tage neben mir, wenn es mir schlecht ging und wenn mich nachts fiese Albträume heimsuchten, streichelte Miles zärtlich mein Gesicht und versicherte mir, dass er da war. Wenn er schlief oder ich mich einsam fühlte, griff ich einfach an meinen Hals. Ich umfasste einen wunderschönen Schmetterlingsanhänger, den mir Miles geschenkt hatte und fuhr mit meinen Fingern die silbrig glatte Oberfläche entlang. Jedesmal wenn ich Miles Herzschlag spürte und jedesmal wenn ich ihn beim schlafen beobachtete und sich ein Lächeln auf seine Lippen stiehl, dankte ich Gott, dass er mir diesen Jungen geschickt hatte. Manchmal wachte Miles auf, während ich ihn beobachtete und grinste schief, so als ob er etwas wüsste, was sonst niemand weiß. Dann zog er mich zu sich und küsste mich zärtlich und wenn er von mir abließ, blickte ich ihm in seine liebvollen Augen und erlaubte mir glücklich zu sein.
Es sind schon zwei Jahre vergangen als ich am Morgen in Miles Armen nicht mehr aufgewacht bin. Manchmal beobachte ich Miles von hier oben. Es ist komisch ihn mit andern Mädchen zu sehen, aber dennoch verständlich. Sein Leben muss schließlich weitergehen. Doch ihn glücklich zu sehen, macht auch mich glücklich und zu wissen dass er mein Foto noch immer bei sich trägt umso mehr.
Tag der Veröffentlichung: 21.04.2012
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