Endlich vereint
„Kann ich mitspielen?“, fragte ein braunhaariges Mädchen zwei andere Mädchen. „Nein darfst du nicht. Meine Mama hat gesagt ich darf nicht mit fremden spielen“, damit gingen die beiden weg. Das Mädchen blieb traurig zurück. Tränen bahnten sich ihren Weg nach draußen. Schnell wischte sie sich über die Augen und ging wieder nachhause. Zuhause angekommen wurde sie auch schon von ihrem Vater begrüßt, nämlich mit einer schallenden Ohrfeige. „Ayumi, weißt du eigentlich wie viel Uhr es ist?“, schnauzte er sie an. Ayumi schüttelte ängstlich den Kopf. Ihr Vater schlug sie noch einmal. Dann lies er von ihr ab und verschwand im Wohnzimmer. Ayumi ging langsam auf ihr Zimmer. Es war jetzt genau drei Jahre her, seid ihr Zwillingsbruder gestorben ist. Sie schaute sich im Spiegel an und sah ein weinendes 8-jähriges Mädchen vor sich, das Ayumi nicht kannte. Wenn jetzt ihr Bruder hier wäre, würde er sie in den Arm nehmen und sagen: „Es wird alles gut.“ Dann würde es ihr besser gehen, das wusste sie. Doch er kam nicht und nahm sie in den Arm, denn er war Tod. Ayumi spitze die Ohren und als sie sicher gehen konnte, dass sie niemand hörte, öffnete sie das Fenster und kletterte hinaus.
Ayumi rannte die Strecke und kam schon nach 10 Minuten beim Friedhof an. Schnell und leise schlüpfte sie durch das Tor und ging zielstrebig den Weg entlang. Als sie vor einem Grab ankam, verbeugte sie sich einmal und kniete sich dann davor. „Hallo
Oni-chan. Wie geht es dir? Ich wünschte du wärst hier bei mir, es ist so schrecklich. Papa hat mich wieder geschlagen, weißt du“, sagte sie und stützte ihren Kopf auf ihren Armen ab. Plötzlich hörte sie ihr eine bekannte Stimme: „Hallo Nee-chan. Mir geht es gut aber ich vermisse die sehr…Ich wünschte ich könnte wieder mit dir verstecken spielen. Das hat immer so viel Spaß gemacht. Und du brauchst keine Angst zu haben. Papa wird dir nichts mehr antun, das verspreche ich dir.“ Es war ihr Bruder Kira. Er stand etwas weiter hinten, aber sie konnte ihn deutlich hören. „Ich möchte zu dir, Kira. Ich vermisse dich so“, sprach Ayumi mit erstickter Stimme. Tränen rannen ihr jetzt über das Gesicht und sie stand schnell auf. Sie ging erst etwas langsam auf ihn zu, doch er entfernte sich. Dadurch wurde sie schneller, doch er entfernte sich dann noch mehr. Schließlich rannte sie so schnell, als wäre der leibhaftige hinter ihr her. „Ich komme zu dir Kira. Warte auf mich“, schrie sie und ein verwunderter älterer Mann, der an ihr vorbei ging, hob verwundert den Kopf.
Fragend schaute er ihr hinter her, dachte sich aber nichts dabei. Ayumi rannte immer schneller, das so sie schon fast hinfiel. Dann stolperte sie und fiel wirklich hin. Es machte ihr nicht aus. Schnell war sie wieder auf den Beinen und rannte weiter. Ding Ding Ding.
Sie hörte dieses Geräusch nur ganz leise, aber es wurde bei jedem Schritt, den sie tat schneller. „Komm Nee-chan. Hier ist es toll. Wir können hier spielen, die ganze Zeit“, hörte sie wieder Kira sagen. Als sie aufsah und blinzelte, konnte sie sehen, dass er die Arme weit ausgebreitet hatte. Ein lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sie rannte auf die Gleise zu, stoppte nicht. Noch 5 Schritte trennten sie von einander. Dann nur noch 4, dann 3. Schließlich nur noch 2 Schritte. Als sie den letzten Schritt auf die Gleise trat, rief sie: „Endlich bin ich wieder bei dir.“ Dann erfasste der durchfahrende Zug sie. Eine Frau schrie, Anwohner aus den umherstehenden Häusern kamen heraus gerannt. Eine Frau musste wegsehen, ein Mann sah fassungslos auf das tote Mädchen und stammelte: „Oh. Mein. Gott.“ Sie riefen den Notarzt und die Polizei. Diese trafen ein, konnten nur den Tod des Mädchen feststellen. Was die Menschen nicht sahen, war, dass zwei Kinder auf der nahe liegenden Mauer saßen, lächelnd und Händchen haltend.
„Jetzt sind wir endlich vereint, Ayumi“, meinte der braunhaarige Junge. „Ja, Kira. Endlich vereint“, antwortete ein ebenso braunhaariges Mädchen.
Tag der Veröffentlichung: 07.11.2010
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