Erinnerungen
Donnerstag, 23.September 2010. Morgen ist es soweit. Dann ist er schon drei Monate Tod. Warum mir jetzt wieder die Gedanken daran hochkommen weiß ich nicht. Vielleicht liegt es daran, das ich den Zigarettengeruch heute auf dem Schulhof intensiv gerochen habe. Oder aber, weil ein Mitschüler zu einer Beerdigung musste. Ich weiß es nicht. Aber ich erinnere mich an den Tag von vor fast genau drei Monaten.....
Es war nicht gerade warm, aber trotzdem zog ich mich nicht dick an. Seid langer Zeit zog ich meine schwarze Hose wieder an und einen schwarzen Pulli. Heute war die Beerdigung von meinem Großvater. Er war im Schlaf gestorben, in einem Krankenhaus in Ehrang. Ich weiß nicht wie seine letzten Stunden waren, ob er schmerzen hatte oder nicht. Um ehrlich zu sein, will ich es auch nicht wissen. Doch etwas in mir sagte, das er schmerzlos gestorben war. Ob man im Schlaf schmerzen spüren kann weiß ich nicht. Auch das will ich nicht wissen. „Sarah kommst du bitte“, rief mich meine Mutter und ich ging die Treppe runter. Es war ziemlich früh und man merkte mir nicht an, das ich jetzt auf eine Beerdigung gehen würde. Als wir im Auto waren fuhren wir direkt zum Friedhof nach Bombogen. Dort angekommen waren alle schon da, außer meine Oma. Wir machten uns Sorgen, das ihr was zugestoßen war, immerhin hatte sie vorher einen Schlaganfall gehabt. Doch als mein Vater sie dann holen war, war alles in Ordnung mit ihr. Sie kam ziemlich aufgelöst zum Friedhof. Als wir dann in den kleinen Raum gingen, wo der Sarg stand, konnte ich auch nicht mehr. Der ganze Kummer und die ganze Traurigkeit die in mir war, floss nur so aus mir heraus. Ich setzte mich auf einen der Stühle und weinte bitterlich. Meine Oma kam zu mir und drückte mich ganz fest, auch sie weinte. Es war furchtbar. Furchtbar das er nicht an dem Speiseröhrenkrebs gestorben war, sondern einfach sein Herz versagt hatte. Er hätte noch leben können! Er hätte, aber er hat es nicht.... Wie ungerecht doch die Welt war. Warum musste er jetzt sterben, hätte er doch noch leben können. Ich vermisse ihn, immerhin war er mein Opa. Und ja, er hätte auch an dem Krebs sterben können, aber ich hoffte das er daran nicht sterben würde. Doch jetzt ist es zu spät. Er liegt jetzt in dem Sarg und ich sitze davor und weine. Dann fing es an zu regnen. Es passte. Der Himmel spiegelte meine Innere Welt. Es regnete in mir in strömen und auch draußen regnete es viel. Der Regen in mir kam als meine Tränen zum Vorschein und flossen dahin. Der Pastor sagte etwas, doch ich vernahm es nicht. Ich hörte alles wie durch einen Schleier. Erst als der Pastor ging erhob ich mich und mein kleiner Bruder auch. Ich nahm das Kreuz, was an das Grab kommen sollte und folgte dem Pastor raus in den strömenden Regen. Mein Bruder, er war erst 5, wollte unter dem Schirm gehen und ging neben dem Pastor her. Dies brachte ein kleines lächeln auf die Lippen, das jedoch nicht lange hielt. Wir gingen ganz vorne, hinter uns trugen Verwandte den Sarg, dahinter folgten die anderen. Als wir am Platz ankamen, stellte ich das Kreuz hinter den Sarg. Dann gingen wir in die Kirche. Drinnen begann dann der Gottesdienst. In der Mitte vom Gottesdienst begann auch dann mein Bruder bitterlich zu weinen. Als ich das sah musste auch ich wieder anfangen zu weinen. Es war einfach nur ein furchtbarer Tag. Nach dem Gottesdienst gingen wir wieder zum Grab. Auch dort hielt der Pastor eine Rede und dabei wurde der Sarg langsam nach unten gelassen. Ich sah mir die Gäste an und vielen sah man an, das auch sie geweint hatten. Mein Blick blieb an meiner Uroma hängen. Sie sah furchtbar aus. Ihre Augen waren etwas geschwollen, aber ich konnte es ihr nicht verübeln. Es musste für sie schlimm gewesen sein, jetzt auch noch ihren letzten Sohn zu verlieren. Ich merkte wie mir die Tränen wieder in die Augen stiegen und wischte sie, noch bevor sie ihren Weg hinab fanden, weg. Am Ende war ich froh, dass es nun vorbei war. Der Tag war bis jetzt einfach zu viel für mich. Langsam ging ich den Weg zum Parkplatz entlang und ich wollte nur noch nach Hause. Doch kurz bevor wir fuhren, überlegte ich es mir anders und ich fuhr noch mit zum Kaffee. Auf dem Weg wurde ich wieder traurig, da ich ihm ein Versprechen nie abnehmen konnte. „Zeig mir bitte dein Zeugnis, auf dem keine vier drauf ist.“
Dieses Versprechen konnte ich ihm nie ablösen. Besonders als ich einen Monat später mein Abschlusszeugnis in der Hand hielt. Es war keine vier darauf.
Tag der Veröffentlichung: 24.09.2010
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