Cover


Vergiss mich nicht.!


Tu was!
-Lieb sie!
-Hass sie!
-Trauer um sie!
Nur lass sie nicht im Stich!

Montagmorgen:


Während die gleisende Sonne unerbarmt vom Himmel schien und sich in meine Haut brannte ließ ich meinen Kopf erschöpft gegen den Autositz sinken. Der Porsche meines Dad's summte und im Innenraum roch es nach Zigaretten. Ich ließ leise schnurrend die Fenster öffnen und mein Arm legte sich auf die dünne Oberfläche. Es war Anfang September und die Sonne hatte sich noch nicht verabschiedet. Die Vögel saßen immer noch in ihren Nestern und die Bienen summten auf den bunten Wildblumenwiesen an denen wir vorbeifuhren.
Mit einem gezielten drücken schaltete ich das teure Radio ein. Auf dem lilanen Bildschirm wurde der Kanal angezeigt und ich drehte die Lautstärkeregler auf.
Mein Dad seufzte leise und schaute mich genervt an. Ich grinste innerlich doch mein Gesicht zeigte keine Regung. Ich hatte noch immer nicht mit meinem Schicksal abgeschlossen und dass wusste er auch zu gut.
In meine Nase stieg der Duft von Erde und meine ozeanblauen Augen wanderten zu den frisch gesäten Feldern. In deren Mitte stand eine in die Jahre gekommene Vogelscheuche und lächelte böse in meine Richtung.
Meine Mundwinkel zuckten, doch ich unterdrückte das Grinsen.
Mit einem lauten Hupen riss mich das Auto aus meinen Gedanken, während mein Dad einen Traktor umkurvte.
"Nun mach doch nicht so ein Gesicht, es wird dir gefallen, du hast ein riesiges Zimmer und…", weiter kam mein Vater nicht, denn ich unterbrach ihn mit einer zornig Handbewegung.
"Aber ich will kein großes Zimmer, ich will normal sein, nur einmal!"
Das war unser tägliches Thema. Mein Vater war einer der besten Männer im Bereich Forschung und hatte so manche global sehr wichtigen Erkenntnisse herausgefunden, was sehr positive Auswirkungen auf die 2-köpfige Familie hatte.
Doch nur wegen des Geldes wollte ich nicht gemocht oder gar bevorzugt werden. Es ging mir gegen den Strich Freunde zu haben, die nur auf mein Geld aus waren.
Trotzdem war mein Vater immer noch ein wunderbarer Mensch, der mir in vielerlei Hinsicht half…..ebenso nach dem Tod meiner Mutter.
Ich hatte mich zurückgezogen und mich oft Stunden in mein Zimmer gesperrt.
Es war wie ein Loch im Herzen, das mich von Sekunde zu Sekunde mehr auffraß.
Es schmerzte mich, jeden Morgen in den Spiegel zu sehen und zu wissen: "Das ist Mama's kleines Mädchen."
Doch mein Vater half mir, sowie ich ihm half.
Wir hielten uns gegenseitig über Wasser, damit uns das schwarze Loch im Ozean nicht verzehren konnte.
Auch wenn manchmal der rettende Ring fehlte.


Montagvormittag:

Der schwarze Sportwagen hielt mit quietschenden Reifen vor dem schmiedeeisernen Tor. Das Internat konnte man nicht wirklich beschreiben. Es sah aus, als wäre es einem Rosamunde Pilcher Film entsprungen.
Hohe Wände, helle Fassaden, spitze Fenster und ein wunderschöner Garten.
Mein Vater schnaubte zufrieden. Man sah Bewunderung in seinen Rehaugen aufblitzen. Langsam stieg ich aus dem schnittigen Wagen, während der Kies unter meinen Sneakers knirschte. Mein aufmerksamer Blick folgte den Vögeln, die sich in Scharen vom Dach stürzten.
Es war schön, wirklich schön, doch das Internat roch nach Geld und schnürte mir die Luft ab.
Hier sollte ich leben?
Mitten unter reichen Schnöseln und selbstverliebten Gören.
Mein Magen begann schon bei dem Gedanken zu rebellieren und ich konnte den Würgereiz nur mit Mühe unterdrücken.
"Nun sag doch auch mal was!", forderte mein Dad mit bedeutungsvollem Blick.
Meine Augen verdrehten sich und huschten nochmals über das riesige Gelände.
Die Uhr des steinernen Turmes, im Osten des Internats, schlug 14:00 Uhr und der Duft von Narzissen stieg mir in die Nase.
Es waren die Lieblingsblumen meiner Mutter gewesen.
Mit mühsamer Kleinarbeit hatte sie sich ihr eigenes kleines Beet angelegt.
Jeden Sommer hatte sie Stunden im Garten verbracht bis ihr am Abend die Knie schmerzten. Ich brachte ihr jedesmal Schmerzsalbe, doch es war ihr egal.
Mit ihrem strahlenden Lächeln hatte sie mir dann erklärt:" Ein Indianer kennt keinen Schmerz."
Mein Blick traf meinen Dad. "Ganz OK!", sinnierte ich leise.

Montagnachmittag 15:00 Uhr

Die schmale Hand der Konrektorin der Aprilynne Private School, welche mein Dad gerade dankend annahm, erinnerte so gar nicht an meine alte Schule.
An der Jackson High School liefen die Lehrkräfte in dunklen Kostüme herum, immer einen strengen Gesichtsausdruck.
Dort waren die Menschen nicht richtig. Verstellt und nur Schatten ihrer selbst.
Ganz im Gegensatz zu Miss Brown, wie das vergoldete Namensschild sie auswies.
Ihr Büro erinnerte nicht an die tristen Räume meiner alten Schule und schon gar nicht an Unterricht. Die Sonne schien durch die riesigen Räume und das helle gelb der Wände erstrahlte in einem matten Gold. Die Einrichtung bestand aus zusammengewürfelten Möbelstücken die aber trotzdem eine wunderschöne Atmosphäre zu zaubern schienen.
Das nette Lächeln der schlanken Frau strahlte und ihre roten Locken wippten leicht auf ihrer Schulter. Sie war schon etwas älter und ihre schlanke Figur steckte in einem rosa Nadelstreifkostüm. Sie erinnerte mich an die Großmutter aus den Märchen. Gutherzig und hilfsbereit.
"Ich hoffe sie hatten eine angenehme Reise?", fragte sie in einem ernsthaft interessierten Tonfall. Da mein Vater den größten Teil der Konversation übernahm versank ich langsam in meinen eigenen Gedanken. Wie von selbst schweiften sie zu meiner Großmutter. Sie war eine großherzige alte Dame gewesen. Immer für einen Scherz zu haben und unglaublich hilfsbereit.
Jeden Sonntag verbrachte sie in der Morgenmesse nur um sich dann über den viel zu vielen Weihrauch zu ärgern. Und dann vor 2 Jahren fand man sie selig lächelnd in ihrem Rosenbeet. Es waren ihre Lieblingsblumen, die die sie jeden Morgen auf den Essenstisch stellte. Die, die einen angenehmen Duft im Hause verbreiteten. Die, die heute auf ihrem Grab zu finden sind. Das Quietschen eines Stuhles riss mich aus der Versunkenheit und ich schaute überrascht auf. Mein Vater sah mich auffordernd an und folgte dann der Konrektorin aus der Tür.
Ich beeilte mich die zwei einzuholen und schloss leise die braune Doppeltür hinter mir

Miss Brown's Absätze klapperten auf dem Marmorboden des Schlaftrakts.
Um ehrlich zu sein bewunderte ich sie um ihr Eleganz und ihr sicheres Auftreten.
Ganz im Gegensatz zu mir. Ich fühlte mich sichtlich unwohl in meiner Haut.
Meine Rollkoffer schepperten viel zu laut in der Stille & ich sah mich hektisch um.
Wir bogen in einen schmaleren Gang. Gesäumt von einer lilanen Tapete, befanden sich hier sechs weiße Türen in großem Abstand. Die Schlafräume, drengte sich ein leiser gedanke in meinen Kopf und ich stöhnte innerlich auf.


Jede Tür war mit einer goldenen Zahl versehen. Einfach übertrieben knurrte meine innere Stimme. Ich konnte die Arroganz aus jedem Raum schon förmlich mit den Händen greifen.
„Dein Zimmer“, lächelte Miss Brown und blieb vor der Tür, die mit einer großen Fünf gekennzeichnet war stehen. Ich nickte kurz und sah meinen Dad an. Tränen standen ihm in den Augen und er zog mich in seine Arme. Mein Gesicht schmiegte sich an seine Schulter. Ich wollte ihn nicht gehen lassen. Er war das letzte, das mir geblieben war. Mein sicherer Hafen. Langsam löste er sich von mir und küsste meine Stirn.
Dann drehte er sich um und verließ mich zusammen mit der Konrektorin. Er war noch nie ein Mann der großen Worte gewesen. Und dennoch hätte ich mehr erwartet, doch es war zu spät.
Ich drehte den Schlüssel, der im Schloß steckte um und die Tür öffnete sich ohne auch nur ein Quietschen von sich zu geben.
Sonne blendete meine Augen und ich trat blinzelnd ein. Der Raum erschlug mich.





Impressum

Tag der Veröffentlichung: 16.03.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine Mum. Weil du immer da bist.

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