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Teil 3 - Südamerika, Karibik

Alpha O’Droma

 

 

 

Abenteuer eines Globetrottels

 

 

Die Mutter aller Reisetagebücher

 

 

 

 

Für Dirk Roß

 

 

 

Naja, eigentlich schrieb ich den Schinken hier für einen guten Zweck, deshalb ist nur die Widmung für dich, mein lieber Globetrottelbuddy.

Wie ich dich kenne, kannst du gut damit leben.

 

Die Verkaufserlöse gehen zu 100 Prozent an:

 

 

 

 

Copyright Alpha O'Droma 1990-2020

Cover by KateBono.com

 

 

Nach der Jahrtausendwende war erst mal nix mit Reisen, die Nuller Jahre liefen beschissen für mich. Der erste von drei Bandscheibenvorfällen bedeutete die endgültige Pleite. Meine Frau, mein Haus, mein Boot die komplette Sparkassenwerbung war binnen eines Jahres verloren. Rosemary und ich trennten uns im Guten – sie wollte wieder zurück nach Irland und ich erlitt den zweiten Bandscheibenvorfall, der mich Monate lang ans Bett fesselte.

Doch jede Krise ist eine Chance. Was kann man im Liegen schon tun?

 

So wurde ich Schriftsteller.

 

Das Reisen begann ich erst in den Zehner Jahren wieder, nachdem ich bei Günther Jauch etwas Kohle abgeräumt hatte. Und natürlich sah das mit 50 anders aus als mit 25. Aus dem attraktiven, athletischen jungen Mann ist mangels Bewegung ein fetter alter Sack geworden, der aussieht, wie etwas, das die Katze angeschleppt hat. Das verändert auch die persönlichen Bedürfnisse. Auf den Bed-Bug-verseuchten Matten im 6-Mann-Dormitory eines abgerockten Travellers Hostels zu pennen, läuft nicht mehr:

 

Ich brauche jetzt ein vernünftiges Bett.

 

Und da lange Flüge in Sitzen, die für Goblins konstruiert wurden, einem veritablen Oger wie mir ebenfalls sehr zusetzen, bin ich zunehmend mit dem Schiff gereist.

Schweren Herzens habe ich meinen alten Rucksack entsorgt (die Reißverschlüsse waren kaputt) und mir einen neuen zugelegt.

     

 

Foto: Nach 25 Jahren ist nicht nur der Backpack etwas heruntergekommen, sondern auch sein Träger.

Tag 1 - Von Hobbits und Elfen

 

It’s the final countdown. And final preparations. Ihr seht hier mein Gepäck, 100-Liter-Backpack, Isomatte, Schlafsack, Zelt, Daytrip-Citybag, Kamerastativ, Minilaptop & Powerbank. Klamotten halte ich für überbewertet, deshalb nehme ich ein Regencape, drei alte T-Shirts, drei Unterhosen und zwei Paar Socken mit. Viel wichtiger ist ein Handtuch (Don’t panic!), eine Hängematte und 10 Meter Seil. Toilettentasche, Spanisch-Wörterbuch und Lesebrille runden das Ensemble ab. Nicht im Bild Gaffa-Tape, Kamera (guess why), Wanderschuhe, Pullover und Wollmütze, die ich morgen tragen werde. Und natürlich eine Hose, denn Zweithosen sind dekadent. That‘s it. Ich habe sogar noch etwa acht Liter Platz für Shitupickuponthetrip oder Verpflegung.

 

Das Ende des Grand Prix von Suzuka gegen 8:00 früh konnte ich noch erleben, dann ging mein Zug nach Hamburg.

Umsteigen in Uelzen. Die Unterführung hat etwas Märchenhaftes, mutet an wie eine Hobbithöhle.

Auf dem Bahnsteig angekommen, bemerke ich die charakteristische Fassade, Türmchen mit goldenen Kugeln und frage einen älteren Bahnbediensteten, ob sich Hundertwasser hier ausgetobt hätte.

Erfreut, dass ihm endlich mal jemand genau diese Frage stellt, hält mir der gute Mann einen dreiminütigen Vortrag, ja dem sei so und so weiter und so fort.

In Hamburg wohne ich bei Udo, habe aber keine Zeit, Hallo zu sagen, denn ich verbringe einen launigen Abend mit zwei zauberhaften Elfen. Petra und Nicole, schön, dass es euch gibt!

 

 

Mein Reisegepäck

Tag 2 - Auslaufen

Weil ich zwischen Check-Out im Atlantic und Check-In auf dem Dampfer drei Stunden totzuschlagen habe, treffen wir uns am Montag noch zum Frühstück im Elbgold, einem Kaffeeröster-Yuppie-Treff, wo außer uns dreien nur Leute zu verkehren scheinen, die sich selber ostentativ geil finden. Egal, der Kaffee ist gut. Die Mädels bringen mich zu meinem Pott, der Check-In geht fix. Vor dem Auslaufen ist noch die obligatorische Rettungsübung angesagt und wir sammeln uns an den Rettungsbooten.

Man erkennt sofort, wer es nicht schaffen wird.

Mit unseren klobigen Schwimmwesten sehen wir albern aus. Obwohl wir die schon anhaben, macht die Crew den Safety Dance. Schließlich müssen wir noch auf eine Durchsage des Captains warten, die, so werden wir informiert, zweisprachig erfolgen wird. Gelangweilt näsele ich mit Lautsprechertimbre: „We are all going to die. Wir werden alle sterben.“ Gekicher in meiner Umgebung, doch ein Steward schaut mich tadelnd an: „Not funny!“ Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung. Danach opulentes Dinnerbuffet. Um 20 Uhr legen wir ab. Ganz unprätentiös mit einem großen Feuerwerk und fetter Lasershow auf dem Pooldeck, wo die Crew unentwegt Sektgläser verteilt. DJ Uwe legt massenkompatible Mucke auf.

Das ist mir dann doch zu viel und ich ziehe mich in meine Kabine zurück. Das Pooldeck kann ich auch auf dem Bord-TV betrachten. Meine Lieblingseinstellung jedoch ist die Brückenkamera, wo man die Reise quasi im Drivers Seat verfolgen kann. Die läuft ab jetzt immer so nebenbei. Hat was Meditatives. Und man ist auf dem neuesten Stand, sollte etwa ein Eisberg unserer harren. 

 

 

Abschied von Hamburg

 

 

 

 

 

Tag 3 - MS Methusalem

 Die Aura ist für Überseekreuzfahrtverhältnisse ein kleineres Schiff, 202 Meter, 42.289 GT, 627 Kabinen. Besatzung 415 Mann, was ich bei „nur“ circa 1200 Passagieren beachtlich viel finde. Beim gestrigen Abendessen und heutigem Frühstücksbuffet schien ich mit meinen 55 Lenzen der Jüngste zu sein.  Einzige Ausnahme war eine Familie, Eltern Mitte 30, zwei Kinder ca. 5 und 8. Angesichts der Tatsache, dass es an Bord einen Kids Club gibt, der fast komplette Ganztagesbetreuung anbietet, musste ich grinsen, denn die beiden Kackbratzen hatten das ganze Programm exklusiv. Eine junge Frau sah ich, die offensichtlich mit ihrer Großmutter reist und etwa ein Dutzend „jüngere Paare“ zwischen 50 und 60. Das war es aber auch schon. Der komplette Rest ist 65+, wie ich am Vormittag bei einer Lesung des Dokumentarfilmers Klaus Kiesewetter über Nordsee und Biskaya im vollbesetzten Theater feststellen sollte. Liegt wohl auch an der Länge der Reise. Ich hatte „Positionierungsfahrt Südamerika“ gegoogelt und war so auf diesen Trip gestoßen. Erst an Bord erfuhr ich, dass meine 37 Tage nur ein Drittel der gesamten Reise darstellten, die in 117 Tagen einmal um Planet Nummer 3 führt. Wer hat schon so viel Zeit und Kohle über, wenn nicht Pensionäre? Rentner eher nicht.

Nachdem dieses schwimmende Altersheim mich in Chile abgekippt hat, wird es weiter nach Sydney schippern, durch Südostasien via Indischer Ozean zurück Richtung Heimat. Eigentlich etwas irreführende Werbung, das mit den 117 Tagen, denn wenn die Aura wieder in Hamburg ankommt, werden dort bereits 118 Tage vergangen sein, schließlich praktiziert man den klassischen Anti-Phileas und klaut den ganzen Geronten dieserart einen kompletten Tag, was in deren biblischem Alter ‘ne Menge Lebenszeit ist. Andererseits frage ich mich angesichts des siechenden Rollatorengeschwaders, das sich hier von einem Buffet zum nächsten schleppt sowieso, wie viele den Heimathafen überhaupt wiedersehen. Ob die wohl intendiert überbuchen?

Was geschieht in diesem Falle? Gibt es eine Seebestattung? Wird die Oma im Kühlhaus gelagert und dann in Hamburg en Block mit dem Eishaken von Bord gehievt oder verfeuert man sie im Maschinenraum, klopft den Rußfilter aus und füllt das Ganze in eine Urne? Ich wette, die haben Urnen auf Lager. Müssen sie doch bei dem Publikum, oder?

 

Fragen über Fragen, ich werde dem nachgehen. Versprochen!    

 

 

 

Meine Kabine

 

Tag 4 – Wir paarschippern jetzt

 

19:30, Tatort Nightfly Bar. Aufgerufen zum Treff der Alleinreisenden, geselle ich mich zögerlich dazu. Aber ich bin neugierig und ihr Vögel wollt ja schließlich täglich was zum Beömmeln. Nach drei Tagen an Bord habe ich die Hoffnung auf eine gut erhaltene Witwe längst aufgegeben, aber immerhin ein drittes Kind gespottet und hoffe, dass es sich mit den beiden Geschwistern gut versteht, aber ansonsten gibt es nix Neues an der Gerontenfront. Auch bei den immerhin etwa 40 Alleinreisenden bin ich wohl der Benjamin. Eine adipöse Animateuse verteilt Sekt und versucht, Stimmung auf Stößchen-Niveau zu verbreiten, was zu meinem Entsetzen gelingt. Ich bestelle mir in stillem Protest ein Bier. Schließlich verkündet sie, man hätte extra für uns Tische in einem der Bordrestaurants reserviert. Zwar haben wir alle bereits zu Abend gegessen, aber zu einer extra Mahlzeit sagt hier niemand Nein und so setzen wir uns in Gruppen an runde Tische und ich lausche schweigend dem Smalltalk, der sich hauptsächlich ums Essen dreht. Dabei wird vom fachkundigen Publikum über „Mein Schiff“ abgelästert, aber auch der Vergleich mit amerikanischen Kreuzfahrtlinien wird angestellt, deren Verköstigung auf – für Amis – erstaunlich hohem Niveau stattfinden soll. Jeder erzählt, wo er überall schon war, Alaska-Kreuzfahrt, Nordmeer, Arktis, Karibik, Emirate, Indischer Ozean – ich merke, hier sitzen die Profis, bei einigen ist es nicht die erste Weltumrundung, man übertrifft einander darin, an welch exotischen Orten man schon mit einem schwimmenden Buffet vorbeigeschippert sei und geriert sich dabei als Humboldts Erbe.

 

Ich gebe mich fasziniert.

 

Zu späterer Stunde werden die Geschichten persönlicher. Man berichtet, in welcher Branche man selbst, der ge- beziehungsweise verschiedene Ehepartner reich geworden sei oder welcher edlen Dynastie man entstamme, sprich, was man geerbt habe. Auch hier versuchen sich die Meisten noch interessanter darzustellen, als sie ohnehin schon sind. Ein Trauerspiel. Zwei Damen nerven besonders in ihren Versuchen, das Gespräch zu monopolisieren, sichtlich irritiert, dass sie nicht - wie gewohnt - im Mittelpunkt des Interesses stehen.

Schließlich zieht die Truppe weiter ins Theater: Kapitänsvorstellung.

Erst verbreiten Nebelmaschinen eine subversive Muschebubu-Stimmung, dann wirft eine professionelle Lasershow die Stationen der Weltreise an die Leinwand. Eine Deckoffizierin und ein bescheuertes Käfer-Maskottchen erscheinen, labern Müll und künden schließlich den Höhepunkt des Abends an: Kapitän Sven L., der – animiert vom Mascot - unter tosendem Applaus erscheint, ein paar Witzchen reißt und uns verrät, dass er eigentlich aus dem Westerwald stammt. Wahnsinn! Dann setzen er und die Deckoffzierin sich in zwei Cocktailsessel und führen ein gescriptetes Interview, das jede Minute einen Lacher vorsieht. Der euphorisierte Theatersaal spurt.

 

Ich verpisse mich unauffällig und nehme den Aufzug zum Sonnendeck in der wagen Hoffnung heute wenigstens einen echten Star in der Biskaya zu sehen, doch der Himmel ist bewölkt. Passt.

 

Im Gegensatz zu einigen Premiumsingles an Bord weiß ich sehr genau, warum ich allein reise, lächle und genieße die Stille.

 

 

 

Durchsage des Captains: „An Backbord sehen Sie eines der größten fünf Schiffe der Welt“ – den irrelevanten Namen hat mein selektives Hirn natürlich sofort vergessen, nicht jedoch die Daten: 430 Meter Länge, 68 Meter Breite, Zuladung: 19.000 Container. 

WTF!

 

Tag 5 – Das Ziel ist der Weg

 

In diesem Falle der Jakobsweg und ich kann voller Pathos behaupten, dass ich ihn gegangen bin. Ok, nur die letzten 100 Meter, aber für einen Pastafarian ist das eine beachtliche Leistung. Der Wille zählt, oder?

O heiliges Santiago des Komposthaufens, du machst viel Brimborium um das Wunder der Begehbarkeit unseres Planeten und lebst sehr gut von den religiös verzückten Entrückten in Wanderstiefeln. Nun will ich nicht bestreiten, dass das Prinzip funktioniert – im Gegenteil! – ich kann das sogar ausdrücklich bestätigen, nur klappt das genauso gut im Bayerischen Wald oder der Lüneburger Heide. Einfach mal zwei, drei Wochen der Reizüberflutung entfliehen, kein Fernsehen schauen, jeden Tag Stunden lang in der Natur wandern, abends in einer primitiven Hütte einkehren, was meint ihr, wie göttlich das simple Käsebrot dann schmeckt und wie himmlisch man pennt, wenn man ermattet in den seit langem mal wieder physisch wohlverdienten Schlaf sinkt!

Und wenn du das Ganze auch noch ohne das verkackte Handy durchziehst, dann pustet es dir ordentlich die Birne durch und es lüftet sich manch ein das wahre Leben vernebelnder Schleider. Eine lange nicht gekannte Klarheit bemächtigt sich deiner, so dass du plötzlich erkennst, was wirklich wichtig ist und was Aufmerksamkeit heischendes Geschiss. Ein echtes Erweckungserlebnis ohne dogmatischen Überbau.

Und das Geilste dabei: Es funzt auch für Atheisten!

Egal, ich fand La Coruna sowieso viel cooler. Weniger Bekloppte und spektakulär gelegen. Ok, die Altstadt ist von jeder Menge Neubauten umgeben, denn man hat hier in den 50ern dem Meer neues Land abgetrotzt, aber die wilden Steilküsten, die durch die gut 150 Regentage im Jahr saftig grün überwucherten Hügel und das Stadion von Deportivo (leider abgestiegen) 100 Meter von einer traumhaften Bucht mit Sandstrand gelegen, das hat schon was. Highlight des Tagesauflugs war für mich der Torre de Hercules, seines Zeichens ältester aktiver Leuchtturm der Welt. Die Römer bauten ihn im 2. Jahrhundert n. Chr. hier „am Ende der Welt“. Das 41 Meter hohe Original ist noch erhalten und befindet sich matroschkamäßig im 1788 drum herum errichteten Neubau. Er steht auf einem der Peninsula vorgelagerten Feldhügel (siehe Foto), auf dem Herkules der Legende nach drei Tage und Nächte mit dem Riesen Gerion kämpfte, bevor er ihn bezwang.

Warum die beiden Spacken sich prügelten, ist klar, oder?

Es ging um Rindersteaks. Da verstehe auch ich keinen Spaß.

 

 

 

Der Herkulesturm und seine Lage in La Coruna

Tag 6 – Stormchaser

Die Sturmfront, die Teile von Mallorca verwüstete, hat einen Hurricane produziert, der genau auf unserer Route herumeiert. In der Folge haben wir ziemlich schwere See und überall liegen Kotztüten aus.

Der Kahn rollt nicht wie ein normales Boot, die Seitwärtsbewegungen sind aufgrund der Stabilisatoren minimal, es ist nur ein stetes Auf und Ab und gelegentliches Ruckeln, wenn uns ein Brecher trifft, ähnlich der U6, wenn sie vom Platz der Luftbrücke Richtung Mehringdamm über die vielen Weichen rumpelt. Dennoch ist es unterhaltsam, den Leuten beim Laufen zuzusehen: erst drei Meter bergauf, dann drei Meter steil bergab und dabei ein lustiges Gesicht machen.

Eigentlich sollten wir heute in Porto anlegen und Proviant aufnehmen, doch der heftige Seegang ließ das nicht zu. Neuer Plan war Lissabon, dessen Hafen wohl seegeschützter gelegen ist. Stündlich gab der Captain Updates über den Stand der Verhandlungen mit dem Hafenmeister durch, doch es ließ sich so spontan kein Liegeplatz dieser Größe frei machen. Also werden wir auch Lissabon backbord liegen lassen und weiter nach Südsüdwest Richtung Madeira, wo der Hurricane (Lesley oder so) stündlich erwartet wird. Dort trifft er auf kälteres Atlantikwasser, von dem man hofft, dass es ihn abschwächt.

Hoffen alle hier. Wenn man den Gesprächen folgt, sorgt man sich an Bord scheinbar nur um die Proviantcontainer, die wir in Porto nicht aufnehmen konnten. Scheiß auf die Menschen in Madeira! Man stelle sich vor, uns ginge irgendwann der Kaviar aus!

Währenddessen haben wir leider einen medizinischen Notfall auf der Aura, den wir aus genannten Gründen nicht an Land bringen können. Man arbeitet jetzt an einer Lösung, die heißt: Seenotrettungskreuzer oder Helikopter, denn die Nähe des Festlands verlassen wir heute.

All meiner Gerontenwitze zum Trotz tut mir dieser Mensch in der Seele Leid. Zwar handelt es sich mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit um jemanden, wo schwere Krankheit oder Tod aufgrund des Alters keine große Überraschung darstellen, aber dennoch: Völlig egal, ob es „nur“ ein Oberschenkelhalsbruch oder doch etwas Letales ist, der Beginn einer Weltreise ist wohl der beschissenstmögliche Zeitpunkt, um in irgendeiner Form die Grätsche zu machen.

 

Mit 55 bin auch ich in einem Alter, da mir die eigene Endlichkeit immer bewusster wird. Schon deshalb versetze ich mich in die Lage dieses bedauernswerten Passagiers, weiß genau, was ich an seiner Stelle denken würde:

„Wir alle müssen irgendwann gehen, völlig ok, längst akzeptiert. Aber in einem Vierteljahr, am Ende dieser Reise wäre doch immer noch Zeit genug gewesen, um den Arsch zuzukneifen, oder? Was ‘ne Kacke!“

 

Ich drücke diesem Unglückswurm und den Menschen auf Madeira alle Daumen.

 

 

 

 

 

 

 

Tag 7 – Abgründe

 

Entwarnung für uns: wir haben den Hurricane in der Nacht um- beziehungsweise durchfahren. Stunden lang Windstärke 12! Ich wachte mehrmals auf, weil ich meinte, wilden Sex zu haben, doch das Bett bockte ganz von allein wie ein junges Pferd, dem man zum ersten Mal den Sattel auflegt. Madeira blieb ebenfalls unangetastet, doch den ernsten Worten des Captains zufolge sollte man auf dem portugiesischen Festland, auf das Lesley heute früh treffen müsste, schon mal in Deckung gehen.

Aber ich möchte in meiner Retrospektive des Vortages über etwas völlig anderes sprechen.

Um es vorweg zu schicken: sicher befinden sich wundervolle Menschen an Bord, doch wird man da wahrscheinlich eher bei der Crew fündig als bei den Passagieren, mit denen ich bisher ausschließlich negative Erfahrungen gemacht habe.

Nun liegt es mir fern, hier ein pauschales Kreuzfahrtpublikumsbashing zu veranstalten, doch Realität ist, was man wahrnimmt, und nur das kann und will ich hier beschreiben. Alle sind freundlich, wünschen guten Morgen, guten Abend, vor allem guten Appetit und ich versuche, meine mitmenschlichen Begegnungen darauf zu beschränken, doch trifft man sich situationsbedingt bei Tisch, wo es unmöglich ist, der Konversation zu entrinnen. Selbst wenn man nur schweigsam nickt oder zustimmend grunzt: man hört, was die „Elite der Gesellschaft“ so erzählt. Meist ist es nur schrecklich banaler Bullshit, oft jedoch tun sich wahre Abgründe auf.

 

Nachdem uns beim Frühstück eine Bulgari-behangene von Seekrankheit geplagte Planschkuh ungefragt über all ihre Körperfunktionen ins Bild gesetzt hatte (Yum Yum!) konstatierte sie: "Ich habe ja schon viele Kreuzfahrten mitgemacht, aber DAMIT hätte ich nicht gerechnet!"

Olle Icke völlig empathielos: "Womit hätten Sie nicht gerechnet? Dass es bei einer Weltreise mit dem Schiff zu Seegang kommen kann?!" Nachdem sich die Empörung gelegt hatte, erfuhr ich, dass all ihre Kreuzfahrten (3) auf dem Mittelmeer und der Ostsee stattgefunden hatten. Überflüssig zu erwähnen, dass der Seegang bis dahin vergleichsweise lächerlich war, oder ihr den Unterschied zwischen popeligen Binnenmeeren und dem Atlantik zu erklären. Zwecklos. Ich hatte den Zorn der Anwesenden bereits auf mich gezogen.

 

Tröstlich ist allein der Umstand, dass ihre Kabine nach DIESER Nacht aussehen dürfte wie ein Jackson Pollock-Gemälde.

Was mich am meisten anwidert, ist die Art, mit der die Passagiere die Crew behandeln. Nicht die Offiziere oder Edutainer – allesamt Deutsche, oder zumindest Westeuropäer – sondern die vielen Phillipinos.

Es ist diese herablassend infantilisierende Freundlichkeit, jener Tonfall, den alte Damen benutzen, wenn sie mit ihrer Fußhupe sprechen. Tenor: Ja, fein macht er das!

Es fehlt nur noch die anerkennende Kopftätschelei und das Zuwerfen von Leckerlis. Zugegeben, die Phillipinos geben sich extrem servil, was mir auch auf den Sack geht. Man kann keinen Flur entlang gehen, ohne dass sie Haltung annehmen, einem „Gutän Mohgän, Sir“ wünschen und sich dabei noch leicht verbeugen. Das mögen die Senioren besonders, diesen Respekt, da werden sie sofort jovial. Mich erinnert das an liberale Sklavenhalter in den Südstaaten, die ihre Hausneger nur auspeitschen ließen, wenn die es wirklich verdient hatten. Ich versuche, das zu konterkarieren, indem ich stets überhöflich mit „Thank you very much, Sir“ reagiere, wenn einer meinen Teller abräumt, worauf ich meist irritierte Blicke von meinen Tischnachbarn ernte.

 

Ein besonders abstoßendes Beispiel des Herrenmenschen erlebte ich beim Dinner.

Ein abgebrochener Mittsiebziger betonte, wie schön er es fände, dass man auf dieser Reise „unter sich“ sei. Auf meine Frage, wie er das meine, erwiderte er: „Na, wir sind hier nur Deutsche“

„Gestatten, O’Droma. Ich bin Ire“, log ich.

„Äh, ich meine, Sie wissen schon…“

„Sie meinen: nur Weiße“

“Genau“

“Sie sind also ein Rassist“

„Nein, äh, natürlich nicht, ich finde es nur angenehmer, wenn man unter seinesgleichen…“

Ich erhob meine Stimme lauter als nötig, so dass man mich auch an den Nebentischen hören konnte: „Verstehe. Sie sind also einer dieser Rassisten, die nicht „Rassist“ genannt werden wollen“

 

Wir hatten Aufmerksamkeit erregt. Zum Glück hatte ich fast aufgegessen, spülte den letzten Bissen mit dem Rest meines Bieres runter und stand ostentativ angewidert auf: „Ich wünsche noch einen schönen Abend“

Während ich das Restaurant verließ, konnte ich die vielen missbilligenden Blicke sehen.

Sie galten nicht dem kleinen Arschloch. Sie galten mir.

 

Als einfaches Arbeiterkind weiß ich mich in derart feiner Gesellschaft einfach nicht angemessen zu benehmen.

 

 

 

 

 

 

Tag 8 - Madeira vs. Hockenheim

Wir legten bei Sonnenaufgang an, gerade als sich Klärchen durch die dichte Wolkendecke kämpfte, die Madeira verspielt bedeckte wie die Sahnehaube den Kosakenzipfel. Unser Pier lag an einer Felswand, auf der in großen Lettern „CASINO“ stand. Darüber thronte in bester Lage mit fantastischem Meerblick ein unglaublich hässlicher Betonklotz: das Hotel von Christiano Ronaldo. Unten am Pier stand ein lokaler Tourguide mit einem großen Schild, auf dem „Willkommen!“ stand. Die ganze Zeit, noch eine Viertelstunde bevor die Gangway heruntergelassen würde, blökte er laut „WIEH GO MÄHN! WIEH GO MÄHN!“ zu uns hoch, wahrscheinlich für den Fall dass irgendjemand seine Brille vergessen hatte. Das war mir zu viel spontane Emotion, also ging ich erst mal unter Deck, um mein flüssiges Frühstück zu mir zu nehmen. Drei Tassen Kaffee später wagte ich mich erneut hinaus, bereit für einen Landgang, doch unten am Pier sammelten sich die Passagiere für die Tagestouren und wurden von einer Volkstanztruppe umgarnt, die zum Mitmachen animierte.

Ein Dutzend wackeldackeliger Körperkläuse ließ sich nicht lange bitten und so verschwand ich schnell wieder in meine Kabine, um dem epileptischen Elend zu entfliehen.

Meinen Landgang vertagte ich bis nach der DTM. Eigentlich war die Saison schon gelaufen gewesen, doch René Rast hatte mit fünf Siegen in Folge einen neuen Rekord aufgestellt und somit vor dem letzten Rennen in Hockenheim noch eine theoretische Chance auf die Titelverteidigung gegen Gary Paffet und Paul di Resta. Dazu hatte er im Qualifying Startplatz 2 erfahren. Es lief wie gemalt für Renè, nach dem Start quetschte er sich in der ersten Kurve an Wittmann vorbei und ging in Führung. Die sollte er nicht mehr abgeben und mit 6 Siegen in Folge einen DTM-Rekord für die Ewigkeit aufstellen, doch Paffet hielt Platz 3, rettete 4 magere Pünktchen Vorsprung ins Saisonende und holte die Meisterschaft. Sei ihm gegönnt, schließlich war Gary viermal Vizemeister, hatte es wirklich verdient und so war ich nur minimal angefressen.

Nach Hockenheim also Madeira, das sich als echte Klettertour erweist, wenn man nicht bequem mit dem Bus die vielen Serpentinen hochgekarrt wird. Unten an der Küste reiht sich Hotel an Hotel, doch ich stapfte weiter bergauf, um hinter einer Art Seefahrerfestung malerische Gassen voller hübscher kleiner Häuser zu finden. Der Blick von hier oben war traumhaft, und so weinte ich ein wenig der Katamarantour nach, die ich eigentlich hatte buchen wollen. Delfine gucken. Ich liebe die sexgeilen Biester und seit ich das Video sah, wie ein Delphin einem Fisch den Kopf abgebissen hatte, um seinen Körper als Truckermuschi zu missbrauchen, ist mein Respekt für diese klugen Tiere noch gestiegen.

Andererseits habe ich die schon so oft gesehen, in den zwei Wochen zwischen Lombok und Borneo zum Beispiel schwammen sie laufend neben unserem Segelboot her und sollte ich tatsächlich mal wieder Sehnsucht nach Delphinen verspüren, kaufe ich mir einfach eine Dose Thunfisch.

 

 

Madeira

Tag 9 – Wasser

 Übermorgen erreichen wir unseren einzigen afrikanischen Hafen, Mindelo auf den Kap Verden. Von diesem kurzen Aufenthalt abgesehen, liegen sieben Seetage vor uns, das heißt, es wird vielleicht keine täglichen Updates mehr geben, es sei denn urkomische Beobachtungen drängen sich mir auf oder eine philosophische Erkenntnis erhebt den dringenden Anspruch, mit der Welt geteilt zu werden.

 

An meine Stand-Up-Freunde, die ja immer wieder mal auf solchen Pötten auftreten (ad hoc fallen mir Patricia Moreesco, Andrea Volk, Dittmar Bachmann, Nico Formanek und Michael Eller ein) und wissen wollten, welcher Kollege aus unserer Blase denn womöglich an Bord sei: sorry, Fehlanzeige. Habe an der Rezeption gefragt und wurde unterrichtet, zumindest bis Chile, wo ich dieses Totenschiff verlasse, sei kein Comedian geplant.

Das Entertainment ist altergemäß auf das Weltreisepublikum zugeschnitten. Wer also gern einen Abend mit Carmen Nebel verbringt und im Morgenmagazin gespannt verfolgt, welche Gestecke diesen Herbst im Trend sind, der wird hier blendend unterhalten.

Vielleicht schreibe ich noch über die tollen Edutainmentangebote an Bord, doch im Moment verspüre ich keine Lust, mich mit derlei Banalitäten zu befassen. Immerhin die Bordband „Me and the Jokers“, deren Leadsängerin optisch und auch von der Röhre her an eine wohlgenährte Pink erinnert, spielt durchaus akzeptable Mucke. Wegen des dritten 25-Stunden-Tages in einer Woche hatte ich beschlossen, den Abend in der Bar künstlich zu verlängern. Jener Bar, der ich immer aus dem Wege gegangen war, weil da (Igitt!) Leute saßen, doch ich war – eben wegen der Band – angenehm überrascht, und das obwohl einmal „Atemlos“ gespielt wurde. Ich überwand den kurzen Anfall von Übelkeit tapfer. Man darf nicht immer so zimperlich sein. Das Publikum kennt ihr ja schon aus diversen Beschreibungen, auch die wackeldackeligen Körperkläuse waren wieder zugegen und tanzten zu Songs von Michael Jackson oder Genesis stilsicher, jeden Takt oder Rhythmus ignorierend, ihren Discofox. Irgendwie fand ich das sogar rührend, wie die Omas und Opas da schwoften („tanzen“ deucht mir ein übertriebener Euphemismus).

Längst habe ich meinen Frieden mit ihnen gemacht und – Sensation! – mittlerweile sogar vier nette Menschen kennengelernt, mit denen ein Gespräch keine Überwindung kostet.

Doch am liebsten sitze ich immer noch allein irgendwo an Deck. Wir haben Europa seit letzter Nacht endgültig hinter uns gelassen, schippern durch afrikanische Gewässer und die Sonne wärmt die Glatze plötzlich wieder mehr als der Fahrtwind sie abkühlt. So verbringe ich Stunden damit, aufs Wasser zu glotzen, meinen Blick über den Horizont gleiten zu lassen und mich an der Weite zu erfreuen.

 

Tag 10 – Wir werden alle sterben

Eigentlich ging ich ja davon aus, dies würde ein langweiliger Seetag ohne berichtenswerte Vorfälle, aber denkste, Puppe. Noch vor dem Morgenkaffee ertönte ein ekelhaft schriller Ton, gefolgt von der Durchsage „Crew Alert! Crew Alert“. Wer alt genug ist, weiß noch, was ein Sendeschluss ist und kennt diesen fiesen Pilotton, der einen mit 15.000 Hertz gemahnte, die Kiste auszumachen und ins Bett zu gehen. So ein Pfeifen war das, nur lauter und es sollte eine ganze Viertelstunde anhalten, denn der Alarm selbst hatte eine Fehlfunktion und ließ sich nicht abschalten. Schnell bastelte ich mir aus Flüssigseife und Toilettenpapier zwei Ohrstöpsel und setzte meine Bose-Kopfhörer auf, deren Kauf mir Mirko empfohlen hatte (danke, Alter) und die einen akustisch ziemlich gut abschirmen.

Kaum hatte ich mich angezogen, ging das Licht aus und ich trat auf den Korridor hinaus, der durch eine Notbeleuchtung hinlänglich erhellt war. Ein Phillipino in Rettungsweste rannte hektisch herum und rief total aufgeregt „Keep calm! Keep calm!“, ein Rat, den er mal besser selbst befolgt hätte. Crew Alert bedeutet keine unmittelbare Gefahr, denn sonst hätte man allgemeinen Alarm ausgerufen und uns mit Weste auf Deck 6 zu unseren Sammelstationen beordert. Also begab ich mich auf Deck 4 ins Treppenhaus, wo mir ein Dutzend Feuerwehrleute in voller Montur mit Gasmasken entgegen kam und nach unten stürmte, von wo der Geruch von verbranntem Öl nach oben strömte. Na toll, Feuer an Bord! Egal, erst mal Kaffee besorgen. Den gab es auf Deck 8 und die Lifte waren ausgefallen, ergo war Frühsport angesagt. Auf Deck 6 sammelte sich bereits ein Großteil der Crew und man ließ die Rettungsboote aus ihrer Verankerung in Position sinken. Alle Boote und nicht nur zwei wie bei der Übung! Die ängstlichen Passagiere hatten sich auch schon eingefunden. Unaufgefordert. Ich sah hysterisch schluchzende Weiber, die zu oft Titanic gesehen hatten und fest davon überzeugt waren, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen. Hektisch wurde an den Westen rumgefummelt und sich in den Gurten verstrickt, es war eine groteske Freakshow.

Auf Deck 8 angekommen, sah ich, dass die Schotten zum Marktrestaurant verschlossen waren, ebenso auf Deck 9 die Schotten zum Calypso. Jetzt stellte sich auch bei mir eine gewisse Panik ein: der Weg zum Kaffee war versperrt!

Zurück auf Deck 8, wo ich Passagiere im exklusiven Bezahlrestaurant gesehen hatte. Mir egal, was es kostete, wir würden sowieso alle sterben, ich brauchte jetzt Kaffee! Doch da sich zwischen dem Extrachargebums und der Küche ebenfalls ein Sicherheitsschott befand, gab es nur Sekt und Champagner. FUCK!

Irgendwann hörte die akustische Folter auf, ich entfernte Headset und Ohrenstöpsel und bereute es sofort, denn eine von den Dramaqueens wand sich in einem Weinkrampf. Weniger aus Mitleid als aus gesundem Selbsterhaltungstrieb (ich habe empfindliche Ohren) sprach ich beruhigend auf sie ein. „Was soll denn passieren? Wenn es richtig scheiße läuft, haben wir einen gebrauchten Tag im Rettungsboot, bis man uns aufgabelt. Die Teile sind zweimotorig und der Senegal ist keine 100 Seemeilen entfernt. Außerdem ist das nur ein Crew Alert, wir wurden noch nicht mal aufgefordert unsere Westen anzu…“

Knacken in der Lautsprecheranlage: „Hier spricht der Kapitän“

Die Heulboje, deren furchtbarer Jaulanfall während meines kurzen Monologes innegehalten und einem beinahe lautlosem Schluchzen nebst konvulsivem Schulterzucken gewichen war, wie man es von Kleinkindern kennt, die sich müde geheult haben, legte sofort wieder los, von der Gewissheit erfüllt, dass der Kapitän nun unser Todesurteil verkündete. Stattdessen teilte er uns mit, dass bei einem unserer vier Generatoren eine schwere Rauchentwicklung aufgetreten sei, die den Alarm ausgelöst hatte. Der Grund war ein Leck in einer der Treibstoffleitungen. Schweröl war ausgetreten und auf die heißen Motorenteile gespritzt, was mächtig qualmte. Es würde noch Stunden dauern, den Schaden zu beheben, und zu weiteren Beeinträchtigungen in der Stromversorgung führen (Klimaanlage, Küche, Wäscherei, etc.pp.), man würde jedoch mit den restlichen Generatoren die Fahrt bald wieder aufnehmen können, wenn auch nur mit verringerter Geschwindigkeit.

Eine Stunde später öffneten die Restaurants. Den ganzen Tag blieb die Küche kalt und man versorgte uns mit Schnittchen und improvisiertem Nudelsalat auf Papptellern. Dieselben Dramaqueens, die kurz zuvor noch tränenreich ihren sicheren Tod betrauert hatten, waren nun die ersten, die am Plastikbesteck herummäkelten und sich über den mittlerweile lauwarmen Kaffee beschwerten.

 

 

 

 

 

Tag 11 – Kap Verden

 

Mit 6 Stunden Verspätung liefen wir in den versunkenen Vulkankrater ein, der heute die kreisrunde Bucht von Sao Vincente bildet. Die seewärtige Kraterkante war abgebrochen, nur der Lavapfropf, der den letzten Ausbruch verschlossen hatte, liegt noch immer als zipfelmütziges Eiland mitten im Hafenbecken. Viele Touren waren wegen des verschobenen Timetables abgesagt und ein Reparaturteam eingeflogen worden, doch die dreistündige Inselrundfahrt, die ich gebucht hatte, fand statt.

Unser Guide war eine etwa 1.85 Meter große Kreolin, der man in jedem Satz die Liebe zu ihrer Insel anmerkte. Meine Frage, ob es eine Basketballnationalmannschaft gäbe, verneinte sie mit einem bezaubernden Lächeln: „I am too lazy. We have Football Team but lost World Cup qualification against Tansania“

Auch wenn es wenig Spektakuläres zu sehen gab („Tis is he fish market, tis is my highschool…“ and so on) berührte mich, wie stolz sie auf jede einzelne Errungenschaft ihres Inselstaates war, sei es die sehr soziale Krankenversicherung, demokratische Wahlen oder die Tatsache, dass der Schulbesuch bis zur 6. Klasse kostenfrei sei.

Wir fuhren hinauf auf den Mount Whatever und erblickten von dort aus nicht nur die Schönheit der schroffen Vulkaninsel, an deren Stränden sich schwarzes Lavagestein mit senfgelben von der Sahara angewehten Wanderdünen mischte, sondern auch unser Schiff spielzeuggleich im Hafen (siehe vernebeltes Foto – es hatte in diesem von Trockenheit geplagten Land zum ersten Mal seit 2015 (!) geregnet).

Nach der Tour wurden wir zum größten Hotel der Insel gekarrt, wo man für uns (läppische 1200 Passagiere) ein Buffet bereitete, Hauen und Stechen inklusive. An Bord blieben die Küchen kalt und auch sonst lief alles auf Notstrom, während man die im Maschinenraum entstandenen Schäden eruierte und über Nacht zu reparieren bemüht ist.

Eigentlich sollten wir um 18:30 bereits wieder auslaufen, doch unsere Liegezeit verlängert sich um mindestens einen Tag. Die von mir interviewte Crew, versicherte glaubhaft, nichts über den genauen Stand der Reparaturen zu wissen.

 

Es scheint jedoch ernster, als man zugeben will. Ob und wann die Reise weitergeht, erfahren wir morgen.

 

 

 

 

Diesiger Blick vom höchsten Berg der Kap Verden

Tag 12 – Gestrandet

 

Die Techniker arbeiteten die ganze Nacht durch, doch viele Systeme sind immer noch nicht wieder hergestellt, wie zum Beispiel die Backstube, Teile der Bordküchen und (welch besondere Tragik!) die Zapfanlagen nebst Fasskühlung. Heute früh traf das Flugzeug mit den Ersatzteilen ein, denn den Generator hat

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 27.10.2020
ISBN: 978-3-7487-6240-9

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Sämtliche Verkaufserlöse gehen an Ärzte ohne Grenzen

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