Ally Trust
YOU
ARE MY
DISASTER
Roman
Impressum
YOU ARE MY DISASTER
Ally Trust
Copyright: © 2018 Ally Trust
Printbook ISBN: ISBN-13: 9783748101611
EBook ISBN: ISBN-13: 9783748176589
Verlag: BoD – Books on Demand
Nachdruck oder Kopie (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet!
Die Handlung und die vorkommenden Personen in dieser fiktiven Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten zu Personen (tot oder lebend), wie Namen, Aussehen, Charaktereigenschaften, etc. sind zufällig und nicht beabsichtigt!
Kapitel 1
„Sehr geehrte Fluggäste, wir beginnen nun mit dem Landeanflug auf New York. Wir möchten Sie bitten die Sicherheitsgurte anzulegen. Bitte bringen Sie Ihren Sitz in eine aufrechte Sitzposition und klappen Sie den Tisch hoch“, erklang die freundliche Stimme der Stewardess aus den Lautsprechern im Flugzeug. Ich klappte mein Buch zu und packte es in meine Tasche, die im Fußraum stand. Ich setzte mich wieder aufrecht auf den Sitz und legte den Sicherheitsgurt an, so wie die Stewardess es gesagt hatte.
„Entschuldigen Sie Sir, Sie müssen Ihren Sicherheitsgurt anlegen“, hörte ich die Stewardess zu jemanden in der Sitzreihe hinter mir sagen.
„Oh natürlich. Entschuldigen Sie bitte. Das Buch war gerade sehr spannend“, antwortete ihr eine männliche samtene Stimme. Sie löste in mir einen wolligen Schauer aus. Nur zu gerne wollte ich wissen, wie dieser Mann aussah, dem diese Stimme gehörte. Doch da mein Sitznachbar, ein Mann im mittleren Alter, sich sehr breit machte und mit seiner Schulter mir die Sicht durch den Spalt der Sitze versperrte, blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten, bis die Maschine gelandet war und wir ausstiegen. Es nervte mich schon den ganzen Flug über, dass ich so wenig Platz hatte, aber ich wollte es doch genauso haben. Meine Eltern wollten mir ein Ticket für die Business-Class kaufen, aber ich wollte viel lieber normal in der Economy-Class fliegen, denn ich brauchte diesen Luxus nicht. Es waren nur ungefähr zweieinhalb Stunden, die ich von Orlando bis New York flog. Diese kurze Zeit konnte ich auch mit einer Standardausstattung im Flugzeug überstehen. Abgesehen davon hätte ich dann auch nicht diese wundervolle männliche Stimme gehört, von der ich mich fragte, wie wohl der Besitzer dieser Stimme aussah. Ich seufzte leise, sah aus dem Fenster und schaute dem Flugzeug beim Landen zu. New York war seit vier Jahren meine neue Heimat. Ich studierte an der Privatuniversität Design and Arts Mediendesign und war für dieses Studium nach New York gezogen. Zur Zeit waren Semesterferien. Gut sie waren heute zu Ende, denn morgen begann das neue Semester. Meine Ferien hatte ich in Orlando bei meinen Eltern verbracht. Naja eher in meinem Elternhaus, denn meine Eltern waren die meiste Zeit nicht Zuhause gewesen. Ich kannte es nicht anders. Meine Eltern waren beruflich sehr eingespannt und hatten schon immer wenig Zeit für mich. Mein Vater besaß eine Baufirma in der meine Mutter, die Rechtsanwältin von Beruf war, in der Rechtsabteilung arbeitete. Da die Firma landesweit Aufträge bekam, waren meine Eltern oft auf Geschäftsreisen, um Bauaufträge zu besprechen und Verträge abzuschließen. Bis zu meinem Highschoolabschluss war ich sehr oft bei meinen Großeltern, die ebenfalls in Orlando gelebt hatten. Sie hatten sich, in den Zeiten, in denen meine Eltern auf Geschäftsreisen gewesen waren, um mich gekümmert. Nun waren meine Großeltern im Himmel. Beide waren sie letztes Jahr gestorben. Meine Großmutter hatte Darmkrebs gehabt und mein Großvater war nur ein halbes Jahr später, nachdem meine Großmutter von uns gegangen war, an einem Herzinfarkt gestorben. Ich vermisste sie sehr. Sie waren die besten Großeltern gewesen, die sich ein Kind wünschen konnte. Sie taten alles, damit es mir gut ging und um mich glücklich zu machen, denn ich war oft sehr traurig gewesen, dass meine Eltern kaum Zeit für mich hatten. Dafür war ich meinen Großeltern sehr dankbar. Ich wusste, dass meine Eltern so viel arbeiteten, um sich und für mich ein schönes und sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Ich fände es allerdings schöner, wenn sie nicht so viel arbeiten würden und dafür mehr Zeit für mich hätten. Lieber hätte ich weniger Geld zur Verfügung, dafür aber mehr gemeinsame Zeit mit meinen Eltern.
Das Flugzeug war gelandet und die Leute begannen eilig ihre Sachen aus den Gepäckablagen zu nehmen. Anschließend drängten sie aus dem Flugzeug. Ich blieb noch etwas sitzen, denn ich hatte keine Lust mich mit ins Gedränge zu stürzen. Ich schaute zu, wie die Leute aus dem Flugzeug eilten, als ob sie Angst hätten nicht herauszukommen. Dabei wurde gedrängt, geschubst und gemeckert, wenn es den Leuten nicht schnell genug ging. Nebenbei schaltete ich mein Handy wieder ein, welches ich während des Fluges ausgeschaltet hatte. Langsam leerte sich das Flugzeug. Ich löste den Sicherheitsgurt, nahm meine Tasche und stand auf. Zum Glück war der Mann, der neben mir gesessen hatte, bereits gegangen und so konnte ich die Sitzreihe verlassen. Ich öffnete die Klappe, der Gepäckablage und versuchte meinen Trolli dort herauszuholen.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte mich die samtene Männerstimme, die ich kurz vor der Landung bereits gehört hatte. Wieder löste diese Stimme in mir einen wolligen Schauer aus. Ich drehte mich neugierig zur Seite, denn ich wollte immer noch wissen, wem diese Stimme gehörte und es verschlug mir glatt die Sprache. Vor mir stand ein atemberaubend gutaussehender Mann und lächelte mich an. Er war ein Meter neunzig groß, hatte einen sportlichen Körper, dunkelbraune kurze Haare und grüne Augen. Sein Drei-Tage-Bart ließ ihn etwas verwegen wirken, was ihn aber nur um so anziehender machte. Ich schätzte ihn vom Alter her auf Mitte oder Ende zwanzig.
„Warten Sie. Ich hole Ihnen den Koffer aus dem Gepäckfach“, sagte er, nachdem ich nichts erwidert hatte. Mit einer Leichtigkeit holte er meinen Trolli aus dem Fach und stellte ihn neben mir auf den Boden.
„Danke“, brachte ich gerade so heraus.
„Das habe ich gerne gemacht“, erwiderte er und lächelte.
„Könnten Sie mal gehen? Hier wollen noch Leute aus dem Flugzeug aussteigen“, blaffte eine Frau hinter ihm.
„Oh natürlich. Entschuldigen Sie bitte“, entschuldigte er sich höflich. Ich fasste den Griff meines Trollis und machte mich auf den Weg Richtung Flugzeugtür. Währenddessen drehte ich mich kurz um und sah, dass dieser gutaussehende Mann mir lächelnd folgte. Ich lächelte zurück, drehte mich wieder nach vorne und erreichte die Flugzeugtür. Ich verließ das Flugzeug und ging durch das Gate hindurch in die Flughafenhalle.
„Wo müssen wir denn jetzt hin?“, fragte mich der gutaussehende Mann und tauchte an meiner linken Seite auf.
„Zu den Gepäckbändern geht es da vorne entlang“, erwiderte ich und deutete auf den Weg vor uns, der zu den Gepäckbändern führte. „Wenn Sie allerdings kein Gepäck haben, dann können Sie auch dort vorne zum Ausgang gehen.“ Mittlerweile kannte ich mich am Flughafen aus. In den letzten vier Jahren war ich oft nach Orlando geflogen, um meine Eltern zu besuchen oder um einfach nur meine Semesterferien Zuhause zu verbringen.
„Nein, nein, ich habe Gepäck dabei. Wohnen Sie hier in New York?“, fragte er.
„Ja das tue ich. Wohnen Sie auch hier in New York oder sind Sie nur zu Besuch in der Stadt?“
„Ich wohne in New Jersey. Eher gesagt bin ich erst vor zwei Wochen in die Stadt gezogen. Ich beginne morgen meinen neuen Job. Ich musste nur noch etwas in Florida erledigen. Wissen Sie, ich musste noch die Schlüssel meiner alten Wohnung beim Vermieter abgeben und noch einige bürokratische Dinge klären“, erzählte er.
„Oh, Sie haben in Florida gelebt? In welcher Stadt denn?“, fragte ich neugierig.
„In Orlando. Stammen Sie aus Florida?“, wollte er wissen. Mittlerweile waren wir an dem Gepäckband von unserem Flugzeug angekommen.
„Ja, meine Eltern wohnen in Orlando. Dort bin ich aufgewachsen. Ich wohne erst seit vier Jahren in New York.“
„Arbeiten Sie hier in der Stadt?“, fragte er und hielt, wie ich, Ausschau nach seinem Gepäck.
„Nein, ich studiere hier. Oh, da ist mein Koffer“, sagte ich und ging zum Gepäckband.
„Warten Sie. Ich mache das schon.“ Er schnappte sich meinen Koffer, nahm ihn vom Band und stellte ihn neben mir auf den Boden.
„Vielen Dank“, bedankte ich mich bei ihm.
„Das habe ich gerne gemacht. Na und da ist mein Koffer“, sagte er und nahm ihn ebenfalls vom Gepäckband. „Hätten Sie Lust mit mir noch einen Kaffee trinken zu gehen?“ Hatte er das jetzt wirklich gefragt? Er wollte mit mir einen Kaffee trinken gehen? Er war ein Adonis und ich wirkte neben ihm nur durchschnittlich. Meine beiden besten Freundinnen sagten zwar immer, ich könnte mit meinem Aussehen als Model arbeiten, doch ich teilte Ihre Ansicht nicht. Ich fand mich mit meiner schlanken Figur, den ein Meter fünfundsechzig, den blauen Augen und den hellbraunen kinnlangen Haaren ganz annehmbar, doch ich war der Meinung, dass meine Freundinnen noch hübscher waren und eher als Models arbeiten konnten, als ich.
„Ja, sehr gerne“, erwiderte ich lächelnd. Er lächelte mich ebenfalls an und seine grünen Augen leuchteten strahlend. Sie zogen mich regelrecht in einem Bann. Ein Klingeln riss mich wieder in die Realität zurück.
„Oh, das ist mein Handy“, sagte der gutaussehende Mann und holte sein Handy aus seiner Tasche heraus. „Entschuldigen Sie, da muss ich kurz herangehen.“
„Es ist schon in Ordnung“, versicherte ich ihm, als er mich entschuldigend ansah. Es war bestimmt seine Freundin, die ihn anrief. So ein gutaussehender Mann konnte kein Single sein. Er hatte sicherlich eine Freundin. Vielleicht war er sogar schon verheiratet und hatte Kinder.
„Hey Linus, was ist los“, fragte er, als er das Gespräch annahm. Linus? Das war ein Männername. Also war es nicht seine Freundin oder gar Ehefrau, die anrief. Oder war er etwa homosexuell und dieser Linus war sein Freund? Ich hatte nichts gegen Homosexuelle. Im Gegenteil. Jeder Mensch sollte selbst entscheiden, ob er beziehungsweise sie einen Mann oder eine Frau liebte und das sollte auch von der Menschheit respektiert werden. Es gab nicht normal oder anormal. Wo die Liebe halt hinfiel. Aber dieser Mann hier wäre echt der Frauenwelt verloren gegangen, wenn er homosexuell wäre. „Ich stehe am Gepäckband. Aber ihr hättet doch nicht extra herkommen müssen. Ich hätte mir auch ein Taxi nehmen können. Wo wartet ihr denn?“, fragte er und sah nicht gerade begeistert aus, dass er anscheinend abgeholt wurde. Das war es wohl mit Kaffeetrinken gehen. Höchstwahrscheinlich sah ich ihn nun nie wieder. „Ja ist gut. Ich komme dahin. Bis gleich“, sagt er und legte auf. „Das war mein Bruder“, wandte er sich wieder mir zu. Sein Bruder! Erleichterung durchströmte mich, dass es nicht sein Freund und auch nicht seine Freundin, wenn sie einen Männernamen hatte, am Handy gewesen war. Das hieß allerdings nicht, dass er Single war. Aber warum sollte er dann mit mir Kaffeetrinken gehen wollen, wenn er in einer festen Beziehung wäre?
„Er und seine Freundin sind extra zum Flughafen gekommen, um mich abzuholen. Eigentlich wollte ich mit dem Taxi nach Hause fahren. So wie es aussieht müssen wir das mit dem Kaffeetrinken verschieben“, sagte er und wirkte darüber nicht glücklich.
„Das macht doch nichts. Aber es ist wirklich sehr schade. Ich wäre gerne mit Ihnen einen Kaffee trinken gegangen“, tat ich es ab, war aber doch sehr enttäuscht darüber nicht noch etwas mehr Zeit mit diesem atemberaubenden Mann verbringen zu können.
„Wir holen das auf jeden Fall nach.“ Er holte einen Zettel und einen Stift aus der Tasche und schrieb etwas auf. „Hier ist meine Nummer. Rufen Sie mich an, wenn Sie Zeit haben, um mit mir einen Kaffee trinken oder etwas essen zu gehen. Ich würde mich sehr freuen Sie wiederzusehen“, sagte er und reichte mir den Zettel.
„Danke, das werde ich. Ich würde mich auch sehr freuen Sie wiederzusehen“, erwiderte ich und nahm den Zettel.
„Es tut mir wirklich sehr leid. Ich hätte gerne noch mehr Zeit mit Ihnen verbracht. Können wir Sie vielleicht mitnehmen?“
„Nein, das brauchen Sie nicht. Ich fahre mit dem Taxi heim“, sagte ich, denn ich wollte nicht, dass sie meinetwegen einen Umweg fuhren. Vor allem wusste ich nicht, ob sein Bruder mich überhaupt mitnehmen würde.
„Sind Sie sicher?“, fragte er.
„Ja. Sie brauchen sich meinetwegen keine Umstände zu machen und einen Umweg fahren. Ich nehme mir ein Taxi“, versicherte ich ihm.
„Das wäre kein Umstand“, erwiderte er. Sein Handy klingelte wieder und er schaute genervt aus, als er dranging.
„Ich komme doch schon“, sagte er und verdrehte die Augen. Er legte auf und steckte sein Handy in die Tasche. „Ich muss leider los. Mein Bruder drängelt, weil er nachher das Footballspiel im Fernsehen schauen möchte“, erklärte er mir.
„Das ist schon in Ordnung. Dann sollten Sie Ihren Bruder nicht warten lassen, wenn er noch etwas vorhat.“
„Begleiten Sie mich noch bis zum Ausgang?“, fragte er.
„Das würde ich sehr gerne. Allerdings muss ich noch schnell zur Toilette. Sie können ruhig schon gehen. Ihr Bruder wartet schließlich auf Sie.“ In diesem Moment verfluchte ich meine Blase, dass sie ausgerechnet jetzt drücken musste und mich dadurch von diesem Mann trennte.
„Ungern. Aber Sie haben recht. Ich muss jetzt mal los. Ich hoffe, Sie melden sich und wir sehen uns wieder“, kam es von ihm und er sah mich erwartungsvoll an.
„Das werde ich“, versicherte ich ihm.
„Das würde mich wirklich freuen. Da fällt mir ein, ich weiß gar nicht Ihren Namen.“ Das stimmte. Wir hatten uns noch gar nicht vorgestellt.
„Ich heiße Lexi“, sagte ich.
„Lexi! Ein sehr schöner Name. Ich nehme an, dass es ein Spitzname ist“, mutmaßte er und hatte recht damit.
„Ja. Eigentlich heiße ich Alexa, aber meine Familie und meine Freunde nennen mich Lexi“, erklärte ich ihm.
„Alexa ist auch ein sehr schöner Name. Es ist mir eine Ehre Sie bei Ihrem Spitznamen nennen zu dürfen“, grinste er.
„Und wie ist Ihr Name“, wollte ich neugierig wissen. Mit ihm war es irgendwie so einfach sich zu unterhalten. Er hatte etwas Beruhigendes, sicher fühlendes an sich. Es war schwer zu beschreiben, aber ich fand es gut.
„Oh, ja natürlich. Ich bin Ian“, stellt er sich vor.
„Es freut mich, Sie kennenzulernen, Ian“, grinste ich und reichte ihm die Hand.
„Mich freut es auch Sie kennenzulernen“, grinste er ebenfalls, nahm meine Hand und schüttelte sie kurz. Allerdings ließ er sie anschließend nicht wieder los. Stattdessen schaute er mir tief in die Augen. Ich versank schon wieder in seinen wundervollen Augen und vergaß glatt, dass wir mit unseren Koffern am Gepäckband standen. Ich hörte immer mal wieder Leute um uns herum, die sich beschwerten, dass wir ihnen im Weg standen, aber das war mir vollkommen egal. Erst ein Klingeln eines Handys und Ians leises Fluchen holte mich wieder in die Realität zurück. Er ließ widerwillig meine Hand los und holte sein Handy aus der Tasche.
„Ich bin schon unterwegs“, sprach er ins Handy, nachdem er drangegangen war und legte kurz darauf wieder auf. „Ich muss jetzt wirklich los. Ich freue mich schon darauf Sie wiederzusehen“, sagte er lächelnd zu mir.
„Ich mich auch.“
„Kommen Sie gut heim. Bis bald.“ Ian nahm seinen Koffer und machte sich auf den Weg zum Ausgang. Dabei drehte er sich immer wieder zu mir um und lächelte mich an. Ich lächelte jedes Mal zurück. Als er durch den Ausgang gegangen war, nahm ich ebenfalls meinen Koffer und ging zu den Toiletten. Jetzt wurde es auch wirklich Zeit. Meine Blase drückte wie verrückt. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Dieser atemberaubende Mann wollte mich wirklich wiedersehen.
„Alexa Edison, warum meldest du dich nicht, ob du gut angekommen bist?“, polterte meine Mutter los, nachdem ich den Anruf am Handy entgegengenommen hatte. Ich war gerade erst in meine Wohnung hineingegangen, als sie anrief.
„Ich wollte dich gleich anrufen. Ich bin jetzt gerade erst nach Hause gekommen.“
„Du solltest doch sofort anrufen, wenn du aus dem Flugzeug ausgestiegen bist. Warum hast du dich nicht gemeldet? Dein Vater und ich haben uns Sorgen gemacht“, wollte sie wissen.
„Ich habe es vergessen. Es tut mir leid“, entschuldigte ich mich bei ihr und meinte es auch ernst. Ich wusste, dass meine Eltern sich um mich Sorgen machten. Gerade weil ich in einer anderen Stadt, in einem anderen Bundesstaat lebte. Sie waren erst dagegen, dass ich so weit von Zuhause entfernt leben würde. Andererseits wollten sie für mich die beste Ausbildung und die wurde mir laut meinem Vater an der Privatuniversität Design and Arts geboten. Er hatte diese Universität von einem Geschäftspartner empfohlen bekommen, dessen Tochter dort studiert hatte. Als ich hörte, dass diese Uni sich in New York befand, stand für mich fest, dass ich dort studieren wollte. Ich wollte schon immer in New York leben. Diese Stadt hatte es mir einfach angetan, seitdem ich mit meinen Eltern einmal in den Schulferien dort gewesen war. Sie hatten einen Geschäftstermin gehabt, den sie mit einem Kurztrip in die Stadt verbunden hatten. Meine Mutter stimmte dem Umzug nur zu, wenn ich in eine sichere Wohngegend in der Stadt zog, die sie natürlich aussuchte. Meine Großeltern kamen meinen Eltern mit dem Wohnungskauf zuvor. Sie ließen es sich nicht nehmen, die erste Wohnung ihrer Enkelin zu bezahlen und so kauften Sie mir eine schöne Drei-Zimmer-Wohnung an der Westside am Hudson River, in der Gegend., die meine Mutter ausgesucht hatte. Mein Großvater kannte den Immobilienmakler, der die Wohnungen in diesem Haus verkaufte und handelte noch einen satten Rabatt auf den Kaufpreis heraus. Meine Mutter war mit dem Haus zufrieden. Das Grundstück, auf dem sich das Haus befand, war eingezäunt und hatte ein Eingangstor, welches nur durch einen Zahlencode, den jeder Bewohner hatte, geöffnet werden konnte. Die Türklingeln der Bewohner befanden sich ebenfalls am Eingangstor, das zudem mit einer Kamera überwacht wurde. In die Tiefgarage, die sich im Untergeschoss des Hauses befand, kam man ebenfalls nur mit dem Zahlencode, den man am Zufahrtstor des Grundstückes eingeben musste. Dieses Haus war also vollkommen vor Eindringlingen und Einbrechern sicher und meine Mutter brauchte sich keine Sorgen darüber machen, dass mir etwas passieren könnte.
„Wie war der Flug?“, wollte meine Mutter wissen.
„Gut soweit. Wir sind pünktlich abgeflogen und ohne Verspätung gelandet. Es gab auch keine Komplikationen“, berichtete ich ihr, ließ allerdings aus, dass ich Ian im Flugzeug kennengelernt hatte und dass ich wegen unserer Unterhaltung am Gepäckband ganz vergessen hatte sie anzurufen. Sie hätte mich nur über ihn ausgefragt, wie Mütter halt sein konnten und das wollte ich nicht. Abgesehen davon hatten wir uns doch auch nur unterhalten. Mehr war doch gar nicht gewesen. Wir waren schließlich kein Paar, also brauchte sie von ihm auch nichts zu wissen.
„Da bin ich aber beruhigt. Ach mein Schatz, es tut mir so leid, dass dein Vater und ich nicht so viel Zeit für dich hatten, als du hier Zuhause warst. Schließlich hast du deine Semesterferien Zuhause verbracht, aber wir waren nicht oft da.“
„Das war doch nicht so schlimm, Mum. Ich wusste doch, dass ihr arbeiten musstet. Abgesehen davon habe ich die Zeit mit euch genossen, auch wenn sie begrenzt war.“
„Bei deinem nächsten Besuch werden wir uns nur für dich Zeit nehmen“, versprach sie mir. Ich kannte diese Versprechen bereits. Meine Eltern versprachen mir immer, sie würden sich Zeit für mich nehmen und dann kam ihnen doch wieder die Arbeit dazwischen. Mir war es egal. Ich wusste schon, wie ich mir die Zeit Zuhause vertrieb. Sei es einfach nur auszuspannen oder etwas zu unternehmen.
„So mein Schatz, ich muss jetzt auflegen. Dein Vater und ich sind doch heute bei den Jeffersons zum Essen eingeladen und ich muss mich noch fertig machen.“
„Stimmt, davon hattest du etwas erzählt“, fiel mir ein. Die Jeffersons waren die Nachbarn meiner Eltern und eine nette Familie. Ihr Sohn Tim war zwei Jahre älter als ich und studierte Medizin. Er wollte in die Fußstapfen seines Vaters treten, der Professor der Chirurgie in Orlando im Krankenhaus war. Seine Mutter war Heilpraktikerin und besaß eine eigene Praxis.
„Wir telefonieren diese Woche noch einmal. Ich wünsche dir morgen einen schönen Semesterbeginn. Lerne fleißig“, sagte meine Mutter in einem liebevollen aber doch mahnenden Tonfall. Ich wusste, sie meinte es nur gut und sie wollte, dass ich eine gute Ausbildung bekam. Sie war keine dieser Mütter, der es egal war, was aus ihrem Kind wurde. Sie wollte, dass ich einen guten Studienabschluss machte und einen erfolgversprechenden Job ausübte, so wie sie es tat. Rachel Edison hatte damals als Klassenbeste ihres Studienjahrgangs ihr Studium abgeschlossen. Nach dem Studium hatte sie in einer der bekanntesten Rechtsanwaltskanzleien in Orlando angefangen zu arbeiten und gleich bei Ihrem ersten Rechtsfall meinen Vater Carl kennengelernt. Mein Vater besaß damals schon seine Baufirma, die er von meinem Großvater übernommen hatte und hatte Ärger mit einem Kunden, der nicht bezahlen wollte. Während des Verfahrens, welches meine Eltern gegen den Kunden gewannen, verliebten sie sich ineinander. Vor ein paar Jahren entschied sich meine Mutter bei meinem Vater in der Rechtsabteilung der Firma zu arbeiten. Sie wollte eigentlich etwas kürzertreten. Sie war nun vierundfünfzig Jahre alt, aber von kürzer treten war bei ihr nichts zu merken, denn neben ihrer Arbeit in der Firma nahm sie noch Aufträge anderer Mandanten an. Ich hatte ihr schon oft gesagt, dass sie nicht so viel arbeiten sollte, denn ihr Arbeitstag hatte mindestens zwölf Stunden. Meistens waren es sogar mehr. Aber sie wollte nicht auf mich hören. Genauso wie mein Vater. Er war nun sechzig Jahre alt und hatte vor drei Jahren bereits einen Herzinfarkt. Bei ihm redete man auch, wie mit einer Wand, nur mit einem Unterschied. Die Wand blieb wenigstens stehen, wenn man mit ihr redete. Mein Vater ließ mich oft bei den Diskussionen stehen und ging weg. Ich hatte Angst um meine Eltern und um ihre Gesundheit, denn ich wollte, dass sie noch lange lebten und nicht durch den ganzen Arbeitsstress so früh starben.
„Das werde ich. Euch beiden wünsche ich einen schönen Abend. Und Mum, achtet bitte auf eure Gesundheit und hört endlich auf so viel zu arbeiten“, erwiderte ich und versuchte sie damit dazu zu bringen endlich etwas kürzer zu treten.
„Du weißt, dass wir viel zu tun haben. Aber wir werden es versuchen etwas weniger zu arbeiten. Mach es gut mein Schatz und pass auf dich auf. Tschüss Lexi.“
„Ihr auch. Tschüss Mum“, sagte ich und legte auf. Seufzend legte ich mein Handy auf die Kommode im Flur und begann meine Koffer auszupacken. Ich war sechs Wochen weg gewesen und da hatte sich, trotzdem ich bei meinen Eltern die Waschmaschine benutzt hatte, einiges an Wäsche angesammelt. Ich lud die Waschmaschine voll und machte mich daran die Wohnung sauber zu machen. Mir gefiel meine Wohnung richtig gut. Wenn man in sie hineinging, kam man in einen Flur, von dem alle Räume abgingen. Auf der linken Seite kam man in ein großes Wohnzimmer, welches in eine offene Küche überging. Gegenüber der Wohnungstür befand sich das Schlafzimmer. Auf der rechten Seite neben der Wohnungstür gab es ein Zimmer, welches ein Haushaltsraum war. In ihm hatte ich meine Waschmaschine und den Trockner stehen, sowie meine Putzutensilien, Getränkekisten und Werkzeug gelagert. Genau daneben befand sich mein Büro gefolgt vom Badezimmer mit einer Dusche und einer Eckbadewanne. Zu der Wohnung gab es noch einen großen Balkon, der vom Wohnzimmer aus über Eck zum Schlafzimmer ging. Das Beste allerdings war die Aussicht vom Balkon. Ich hatte das Glück gehabt, dass ich die Wohnung im obersten Stockwerk dieses Hauses bekommen hatte. Von hier oben aus hatte ich eine atemberaubende Aussicht über den Hudson River und auf New Jersey. Oft saß ich auf dem Balkon und genoss einfach nur die Aussicht.
„Hallo Lexi. Na wie waren deine Ferien bei deinen Eltern?“, fragte Carla, als ich am frühen Abend vom Einkaufen nach Hause kam. Zum Glück hatte das Haus einen Aufzug, denn ich hätte die Tüten keine acht Stockwerke nach oben getragen. Carla Mitchell war meine Nachbarin und wohnte mit ihrem Freund Linus in der Wohnung nebenan. Sie war siebenundzwanzig Jahre alt, ein Meter siebzig groß, hatte rötliche lange Haare und hatte eine sportliche Figur. Sie arbeitete hier in New York in einem großen Unternehmen in der Marketingabteilung. Die beiden wohnten erst seit einem halben Jahr in diesem Haus. So wie mir Carla erzählte, hatte sie von Ihrer Großmutter eine große Geldsumme geerbt gehabt, womit sie sich die Wohnung gekauft hatte.
„Es war gut. Ich habe ausgespannt, mit meinen Eltern etwas Zeit verbracht und so einiges mit meinen beiden Freundinnen unternommen“, erzählte ich.
„Das hört sich doch nach richtig guten Ferien an.“
„Ja naja. Ich hätte mir halt gewünscht, dass meine Eltern etwas mehr Zeit für mich gehabt hätten. Aber sie mussten arbeiten“, sagte ich und wurde ein klein wenig traurig, als ich daran dachte, wie wenig Zeit ich in den sechs Wochen, wo ich bei ihnen war, mit ihnen verbracht hatte. Wirklich viel war es nicht gewesen. Ich wollte Carla nicht mit meinen Problemen belästigen und wechselte schnell das Thema. „Wie war es hier so? Was gibt es Neues hier in New York?“
„Ach eigentlich nicht viel. Ich habe übrigens deine Blumen gegossen, die du auf dem Balkon stehen hast.“
„Oh danke. Das hättest du aber nicht tun müssen. Ich habe meine Zimmerpflanzen extra mit rausgestellt damit sie Wasser abbekommen, wenn es regnet.“ Unsere Balkons lagen direkt nebeneinander und waren nur durch eine ein Meter hohe Mauer getrennt.
„Ach das hat mir nichts ausgemacht. Ich musste sowieso meine Blumen auf dem Balkon gießen und dann habe ich deine gleich mitgegossen. So oft hat es in den letzten Wochen übrigens nicht geregnet.“
„Trotzdem danke“, bedankte ich mich bei ihr.
„Wie war denn eigentlich dein Flug?“
„Soweit gut. Wir hatten keine Verspätung.“
„Du bist doch von Orlando aus geflogen, oder?“, fragte sie nun.
„Ja, wieso?“
„Linus Bruder ist heute auch von Orlando aus hierher geflogen. Vielleicht hast du ihn ja gesehen.“
„Das könnte sein. Allerdings war das Flugzeug voll besetzt und es fliegen ja öfter am Tag Flugzeuge diese Strecke.“ Ich hörte ein Handy klingeln.
„Oh das ist wahrscheinlich Linus. Da muss ich rangehen“, sagte sie und schaute mich entschuldigend an.
„Das ist in Ordnung. Ich muss jetzt auch mal langsam die Einkäufe in die Wohnung bringen.“
„Wir sehen uns. Ach und für morgen wünsche ich dir einen guten Start ins neue Semester.“
„Danke schön. Bis dann“, verabschiedete ich mich, holte meinen Wohnungstürschlüssel aus der Tasche und schloss die Wohnungstür auf. Hinter mir hörte ich eine Tür und als ich mich kurz umdrehte, sah ich, dass Carla bereits in ihre Wohnung gegangen war. Ich verstand mich mit ihr sehr gut und wir hatten schon oft, seitdem sie hier wohnte Kaffee zusammen getrunken oder Hausflurtalk geführt. Als sie mich fragte, ob ich Linus Bruder im Flugzeug gesehen hätte, musste ich an Ian denken. Es wäre schon ein Zufall, wenn ausgerechnet er der Bruder von Linus wäre. Ich fragte mich allerdings, ob ich ihn überhaupt wiedersehen würde. Klar, er hatte mir seine Handynummer gegeben, aber was, wenn er es sich anders überlegen und mich nicht wiedersehen wollen würde? Ich wusste auch nicht, ob ich mich überhaupt trauen würde ihn anzurufen. Was sollte ich auch am Telefon sagen? „Hallo, kennen Sie mich noch? Ich bin die Frau aus dem Flugzeug, die Sie so angeschmachtet hat?“ Oder „Sie wollen doch mit mir Kaffeetrinken gehen. Wie sieht es denn aus? Wann haben Sie Zeit?“ Nein so etwas konnte ich nicht sagen. Was würde er dann auch von mir denken? Wahrscheinlich würde er es sich anders überlegen und mich nicht mehr wiedersehen wollen. Ich seufzte leise, nahm die Tüten und ging in meine Wohnung.
Am Abend saß ich auf meinem Bett im Schneidersitz vor meinem Laptop. Ich wartete auf meine beiden besten Freundinnen, um mit ihnen über Videotelefonie zu sprechen. Ich kannte die beiden schon seit dem Kindergarten und seitdem waren wir befreundet.
„Hallo Lexi“, grüßte mich meine Freundin Yumi, die als erste in die Videotelefonie kam. Yumi Lee war wie ich zweiundzwanzig Jahre alt. Sie war ein Meter achtundfünfzig groß, hatte schwarze hüftlange Haare und braune Augen. Ihre Eltern waren vor Yumis Geburt von Tokio nach Orlando gezogen, wo ihr Vater in der IT-Branche tätig war. Ihre Mutter arbeitete in einem Unternehmen als Dolmetscherin. Yumi studierte in Kalifornien an einer Universität Biologie.
„Hallo Yumi. Wie geht es dir?“, fragte ich und freute mich sie zu sehen.
„Mir geht es gut. Und dir? Alles klar bei dir?“
„Ja, soweit schon“, erwiderte ich.
„Hallo ihr beiden“, rief meine zweite beste Freundin Tiana, als sie ebenfalls in die Videotelefonie kam. Tiana Hanson war ebenfalls zweiundzwanzig Jahre alt. Sie war mit ihren ein Meter siebenundsechzig nur zwei Zentimeter größer als ich und war afroamerikanischer Abstammung. Sie hatte schwarze schulterlange gelockte Haare und braune Augen. Tiana studierte Architektur in Texas.
„Hey Tiana, bist du auch endlich da?“, fragte ich sie lachend, denn sie war die Unpünktlichkeit in Person.
„Musste das Flugzeug auf dich warten oder warst du pünktlich am Flughafen?“, fragte Yumi und lachte.
„Ha ha, sehr witzig. Ich war sogar überpünktlich am Flughafen, dafür haben meine Eltern gesorgt. Ich habe gerade noch mit Jonathan telefoniert, deswegen bin ich spät dran“, erklärte sie. Jonathan war Tianas Sommerliebe. Sie hatten sich in einem Club kennengelernt, in dem wir zusammen in Orlando an einem Abend gewesen waren und hatten sich während der Ferien des Öfteren getroffen.
„Und wie geht es jetzt mit euch beiden weiter“, wollte ich wissen, denn Jonathan lebte und arbeitete in Orlando.
„Wir wollen jetzt erst einmal eine Fernbeziehung führen. Er will mich am Wochenende besuchen kommen. Ach er ist ja so süß“, schwärmte Tiana.
„Da habe ich es leichter. Pedro studiert mit mir hier an derselben Uni. Ich habe mich so gefreut, als er mich letzte Woche bei meinen Eltern besucht hat“, kam es von Yumi. Pedro war Yumis fester Freund und die beiden waren bereits seit einem halben Jahr zusammen. Sie hatten sich an der Uni kennengelernt und ineinander verliebt.
„Jetzt müssen wir nur noch jemanden für Lexi finden“, sagte Tiana grinsend.
„Was ist denn mit diesem Florian aus dem Club, der dich angegraben hat? Wäre der nicht etwas für dich?“, fragte mich Yumi.
„Nein auf keinen Fall. Der hat mir die ganze Zeit die Ohren voll gejammert, da seine Ex-Freundin ihn verlassen hat. Außerdem war er absolut nicht mein Typ“, erwiderte ich und überlegte, ob ich ihnen von Ian erzählen sollte. Vielleicht könnten sie mir sagen, ob ich mich bei ihm melden sollte, denn ich wusste immer noch nicht, was ich tun sollte.
„Gibt es denn niemanden in New York, der dir gefällt? Dort laufen doch sicherlich auch gutaussehende Typen herum“, fragte Yumi.
„Naja, also ich habe heute jemanden im Flugzeug kennengelernt“, gestand ich ihnen.
„Was und das sagst du erst jetzt? Los erzähl schon. Wie sieht er aus? Wie heißt er? Wann seht ihr euch wieder?“, schossen die Fragen nur so aus Tianas Mund heraus.
„Also er saß im Flugzeug eine Sitzreihe hinter mir und hat mir geholfen meinen Koffer aus dem Gepäckfach zu holen. Er heißt Ian, ist etwa einen Kopf größer als ich, hat dunkelbraune kurze Haare und grüne Augen. Er hat einen durchtrainierten Körper und trägt einen Drei-Tage-Bart. Ach und er hat eine unglaublich samtene Stimme, die ihn so anziehend macht“, schwärmte ich.
„Also ein echter Traumtyp. Man Lexi, jetzt sag bitte, dass ihr euch wiedersehen werdet. So einen Typen darfst du nicht einfach ziehen lassen“, sagte Tiana.
„Ich weiß es nicht. Wir haben uns am Gepäckband noch etwas unterhalten und er wollte mit mir einen Kaffee trinken gehen. Allerdings wurde er von seinem Bruder abgeholt. Er hat mir aber seine Handynummer gegeben. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich ihn wirklich anrufen soll. Vielleicht hat er es sich ja anders überlegt und will gar nicht mehr mit mir ausgehen“, überlegte ich.
„Das glaube ich nicht. Er hätte dir sonst nicht seine Handynummer gegeben. Los ruf ihn an und verabrede dich mit ihm“, forderte Yumi mich auf.
„Jetzt?“, fragte ich ungläubig.
„Ja natürlich. Sonst wirst du es nie tun. Also los jetzt“, kam es von Tiana. Sie hatte recht. Höchstwahrscheinlich würde ich mich aus Angst vor einer Abfuhr doch nicht trauen ihn anzurufen. Ich wusste, dass die beiden nicht eher Ruhe geben würden, bis ich ihn anrief. Ich streckte mich zu meinem Nachttisch und holte mein Handy und den Zettel mit Ians Handynummer.
„Seid ihr euch wirklich sicher, dass ich ihn anrufen soll“, hakte ich noch einmal nach.
„Ja natürlich. Los nun mach schon“, sagte Tiana und Yumi nickte zustimmend. Ich atmete einmal tief durch und wählte Ians Nummer. Es klingelte einmal, zweimal, dreimal, … . Ich ließ es zehnmal klingeln und legte dann auf.
„Er geht nicht dran“, sagte ich und war irgendwie enttäuscht nicht mit ihm reden zu können.
„Dann schreib ihm eine SMS“, forderte Tiana mich auf.
„Was soll ich denn schreiben?“, fragte ich die beiden.
„Schreib ihm das, was du ihm auch am Telefon gesagt hättest, wenn er drangegangen wäre“, antwortete Yumi. Das war ganz und gar nicht hilfreich, denn genau wusste ich gar nicht, was ich sagen wollte. Ich öffnete mein Nachrichtenprogramm auf dem Handy und begann die Nachricht zu schreiben.
-Hallo Ian, hier ist Lexi. Ich habe Sie telefonisch nicht erreicht, weswegen ich Ihnen schreibe. Ich würde Sie sehr gerne wiedersehen und würde mich freuen, wenn Sie sich bei mir zurückmelden.- Ich drückte auf Senden und nun lag es nicht mehr an mir, ob wir uns wiedersehen würden.
„So ich habe ihm nun eine SMS geschrieben. Und was ist, wenn er sich nicht meldet“, wollte ich von den beiden wissen.
„Dann weißt du, dass er es nicht wert ist und du brauchst dann keinen Gedanken mehr an ihn zu verschwenden. Aber er wird sich schon melden, da bin ich mir sicher“, sagte Tiana.
„Und wieso bist du dir da so sicher?“, fragte ich skeptisch.
„Ich weiß, dass du eine verschrobene Selbsteinschätzung hast. Warum sollte er dich nicht wiedersehen wollen? Du siehst gut aus, bist intelligent, hast ein gutes Herz. Was will der Typ denn mehr?“, zählte Tiana auf. Es stimmte, ich sah mich selbst ganz anders, als andere Leute. Ich fand mich jetzt zwar nicht hässlich, aber auch nicht so schön, wie Tiana mich darstellte. Ich fand mich normal, war mit meiner Größe und meinem Gewicht von achtundfünfzig Kilo vollkommen zufrieden.
„Ich weiß es nicht. Wir werden sehen, ob er sich wirklich melden wird“, kam es von mir.
„Leute, seid mir nicht böse, aber ich muss ins Bett. Morgen heißt es für mich wieder früh aufstehen“, sagte Yumi und gähnte. Ich schaute auf die Uhr und erschrak, als ich sah, dass wir schon zweiundzwanzig Uhr hatten. Wie schnell doch die Zeit verging. Auch ich musste am nächsten Tag früh aufstehen und ich wollte für den ersten Tag im neuen Semester ausgeschlafen sein.
„Ich müsste auch so langsam mal ins Bett gehen“, stimmte ich ihr zu.
„Na gut, aber wir reden morgen Abend wieder, denn ich will wissen, was dein Flughafenflirt gesagt hat“, sagte Tiana.
„Ich auch“, rief Yumi und gähnte wieder.
„Wenn er sich meldet“, wandte ich ein.
„Er wird sich schon melden“, kam es zuversichtlich von Tiana.
„Morgen Abend dann um einundzwanzig Uhr?“, fragte Yumi.
„Ja, das ist gut“, antwortete Tiana und ich stimmte nickend zu.
„Okay, dann bis morgen“, verabschiedeten sich die beiden.
„Bis morgen“, erwiderte ich und beendete die Videotelefonie. Ich schaltete den Laptop aus und brachte ihn ins Büro. Anschließend machte ich mich für das Bett fertig und legte mich hin. Ich konnte noch nicht sofort einschlafen. Meine Gedanken schweiften ab zu Ian. Bis jetzt hatte er sich noch nicht gemeldet. Vielleicht hatte er keine Zeit oder hatte er etwa doch eine Freundin? Aber warum hatte er mir dann seine Handynummer gegeben? War es überhaupt seine richtige Handynummer? Wieso sollte er mir denn eine falsche Nummer geben? Er hätte mir doch gar keine geben brauchen. Aber warum meldete er sich denn nicht?
The Hell - Du entkommst mir nicht! sowie weitere Bücher von mir sind als Printbook und EBook in vielen Onlineshops erhältlich.
Mehr Informationen zu meinen Büchern gibt es auf
https://allytrust.jimdo.com/
Texte: Ally Trust
Bildmaterialien: Ally Trust
Cover: Ally Trust
Tag der Veröffentlichung: 10.02.2019
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