Prolog
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Mein Beitrag zu „Dear Diary“ ist eine für mich schreckliche Zeit, die ich vor vier Jahren, in der sechsten Klasse erleben musste. Ich wurde gemobbt, ohne Grund, und ich frage mich immer noch, wieso ausgerechnet ich. Was ich hätte verhindern können und was nicht mehr zu verhindern war. Ich habe noch nie mit jemanden, außer einer Person, darüber gesprochen. Dennoch finde ich es an der Zeit, das mal zu tun. Euch klar zu machen, dass Mobbing nichts ist, was mit Ärgern in der ersten Klasse zu tun hat. Das was man da erlebt, hinterließ bei mir keine körperlichen Wunden. Diese Wunden wären verheilt. Doch die tiefen Wunden in meinem Herzen verheilen nicht so schnell.
Ich werde hier auf wenigen Seiten versuchen meine Gedanken niederzuschreiben, die ich damals hatte und einige Erlebnisse. Ihr sollt keinen Gefallen daran finden, aber ihr sollt verstehen wie ich mich gefühlt habe, wie viele Andere sich gefühlt hätten, und wieso ich das jetzt schreibe, denn es ist mir ernst. Ich verlange kein Mitleid oder Dergleichen, aber es wäre schön, wenn ihr mich versteht. Denn ich will diese Zeit endgültig hinter mir lassen können, ganz neu beginnen.
Es vergingen wiedermal zehn schlaflose Stunden. Zehn Stunden dachte ich nach. Zehn Stunden fürchtete ich mich. Zehn Stunden weinte ich. Zehn Stunden bereitete ich mich auf den nächsten schlimmen Schultag vor.
Ich ahnte bereits was mich mich erwarten würde. Ein Tag voller Verachtung, Demütigung und Tränen. Ein Tag von vielen schlimmen Tagen in diesem Jahr. Ich ging den Kopf gesenkt durch den Schulflur und steuerte unauffällig auf meine Freunde zu. Ja ich hatte tolle Freunde, doch was das Mobbing anging gaben sie sich stets ahnungslos, sie hätten es angeblich nie bemerkt, wüssten nichts davon. Sie wollten sich nicht einmischen, aus Angst, selbst gemobbt zu werden, ich wusste nicht, ob ich Verständnis hätte zeigen sollen oder sie als schlechte Freunden abstempeln. Ich blieb letzten Endes beim Ersten,denn ich wollte nicht noch allein sein. Auch wenn ich immer dachte: „Wie egoistisch und ängstlich müsst ihr eigentlich sein, euch nicht für mich einzusetzen?!“ Ich habe auch nie wirklich mit Jemandem darüber gesprochen, es hätte eh nichts gebracht.
Ich war eine sehr zurückhaltende Person, ich war nicht mal hässlich oder hatte sonst irgendwelche negativen Auffälligkeiten. Es war eine kleine Clique aus Mädchen in meiner Klasse, die mich grundlos mobbten. Sie nutzen meine Schüchternheit aus. Sagten ich sei dumm. Sagten ich sei hässlich. Sagten mir ich wäre nutzlos. Und nach und nach fing ich auch an, genau das zu glauben. Fing ich mich zu hassen. Ich fühlte mich hässlich und nutzlos, und zu dumm etwas dagegen zu tun.
Es war ein ewiger Kreislauf und ich konnte nichts dagegen tun. Ich war ein Kind und schüchtern dazu.
Wir hatten Kunst, mein Lieblingsfach und ich konnte einfach mal abschalten. Doch dieses Gefühl hielt nicht lange an. Beim Rausgehen war ein Mädchen dieser Clique (Ich habe sie immer SDK genannt, hat einen Grund) hinter mir, nahm meinen neuen MP3- Player, ein Geburtstagsgeschenk meiner Eltern, auf das ich solange gewartet hatte, und schmiss ihn auf den Boden. „Hey, dein MP3 ist aus deinem Rucksack gefallen.“,hörte ich ihre hinterhältige Stimme von hinten sagen, doch sie wusste ganz genau, dass ich es gesehen hatte. In mir tobte es. Ich war so voller Wut und Hass, ich schrie: „Hure!“ und rannte davon, mit den verwirrten Blicken meiner Mitschüler im Rücken, die alles mitbekommen hatten. Ich weiß „Hure“ ist jetzt nicht so einfallsreich und hatte auch so gar nicht gepasst, doch ich war so außer mir und sie hatte auch noch genau das erreicht, was sie wollte.
Es läutete zur nächsten Stunde. Mathe. Meine verheulten Augen sahen zum Glück wieder normal aus,doch ich stellte fest, dass mein neuer MP3-Player kaputt war, aber ich hatte mich nicht beklagt. Ich setzte mich vorsichtig auf meinen Platz, während die SKD und ein paar andere Mitläufer mich böswillig anstarrten.
Mathe war nicht gerade mein Lieblingsfach und zudem war ich an diesem Tag noch unaufmerksam. Meine Mathlehrerin forderte mich auf meine Hausaufgaben an der Tafel vorzustellen und ich nickte unsicher. Als ich dann auf dem Weg zur Tafel war, schrie ein Mädchen der SDK: „Du Schlampe!“. Vereinzeltes Kichern in der Klasse, doch die Mehrheit schwieg und sagte nichts. Dazu gehörte auch unsere Mathelehrerin. Von wegen Lehrer greifen ein und helfen Schülern, wenn so etwas passiert. Einen Scheißdreck tun sie! Nichts hatte sie getan! Sie schwieg nur kurz und setzte ihren Unterricht munter fort, als wäre rein gar nichts passiert. Lehrern ist es zu anstrengend zu helfen, es sei denn ihr Vorgesetzter befiehlt es ihnen. Keiner meiner Lehrer hatte damals etwas gesagt oder getan, obwohl sie das Mobbing mitbekommen haben. Niemand hatte mir geholfen.
Und so ging es ein ganzes Jahr weiter, bis die Klassen gemischt wurden und ich die Möglichkeit hatte mich von ihnen fernzuhalten. Die Meisten Leute würden sagen, ich solle es nicht übertreiben, schließlich war keine körperliche Gewalt im Spiel. Dabei finde ich, dass psychisches Mobbing unterschätzt wird, denn das ist es, was mich so zerbrochen hat. Mein Selbstbewusstsein war im Keller und ich konnte nicht mehr ich selbst sein. Damals hatte meine Familie mir Halt gegeben, vor allem meine Mutter. Für sie war es genauso schlimm ihre Tochter jeden Tag weinend nach Hause kommen zu sehen, und sie war für mich da. Schöner wäre es, wenn einem zuverlässige Freunde in so einer Situation zur Seite stehen, doch diese sind sehr schwer zu finden. Und glaubt mir, Lehrer helfen rein gar nicht oder verschlimmern es nur noch. Es hilft nur sich selber zu helfen und den Mund aufzubekommen. Das war mein Schwachpunkt.
Doch es wird immer besser, ich bin wieder selbstbewusst und kriege den Mund endlich auf.
Es kann jeden treffen, also müsst ihr helfen, wenn ihr Mobbing bemerkt, ihr müsst, müsst, müsst!
Texte: Das Bild ist von mir.
Tag der Veröffentlichung: 09.01.2011
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