Bis vor kurzem lag ich noch müde in meinem Bett und starrte erschöpft aus dem Fenster.
Im Hintergrund nahm ich die Töne des Fernsehers wahr, die mich nicht vollkommen der einsamen Stille auslieferten. Dicke graue Wolken hingen an diesen Tagen noch am Himmel, verdüsterten ihn.
Ich fühlte mich wie in einem kleinen Käfig der mich zu ersticken drohte, obwohl es draußen so viel zu sehen und zu erleben gab. Mehr, als diese einfache, graue Welt die ich in diesem Moment vor meinen Augen sah. Aber ich wollte nicht. Hatte einfach keine Lust. Lieber blieb ich unter den Decken.
Dann plötzlich prasselten dicke Regentropfen auf den Boden hinab und ließen die Luft unangenehm kühl und feucht werden.
Aber nur an diesen Tagen. Diese Tage im Winter. Diese Tage, an denen ich mich zu allem Zwingen musste, mich für nichts begeistern konnte und der Morgen mir bereits meine Motivation raubte.
Meine Haut ganz bleich und leblos, meine Kräfte nur mäßig vorhanden.
Doch nicht nur mir ging es so, nein – uns allen. Ich schlenderte durch die Straßen, meine Stimmung war so trüb wie das dunkle Lichtspiel über mir. Die Menschen, die mir entgegen liefen hatten alle die selbe, kalte Maske auf und ignorierten sich.
Aber nur an diesen Tagen.
Heute ist es anders.
Etwas helles, blendendes scheint mir durch die Augenlider. Das melodiöse Pfeifen und Zwitschern der Vögel dringt mir in die Ohren und lässt mich mit schönen Klängen langsam Wach werden. Blinzelnd stemme ich mich auf und halte sogleich den Atem an.
Eine Welle der Freude überschüttet mich in der nächsten Sekunde, als ich fassungslos in einen leuchtenden, blauen Himmel blicke. Der Wind steht still, die Sonne streichelt mit ihren sanften Strahlen mein Gesicht und ich muss wohlig auf seufzen. Eine ungewohnte Lust durchflutet meinen Körper, in meinem Kopf bilden sich tausende von Ideen, die ich an diesem schönen, freien Tag machen könnte. Meine Gefühle und Gedanken werden wie in einem Tornado aufgewirbelt und wieder sortiert. Neue Energie sammelt sich in mir, kribbelt mir bis in die Fingerspitzen und zwingt mich förmlich, aufzustehen.
Sorgen und Ängste werden wie von selbst gelöscht, räumen den Platz für Neues.
Ich reiße das Fenster weit auf und sogleich streift mich eine angenehme Brise, die mir die verschieden Düfte der Blumen in die Nase weht.
Es ist eine Verschwendung nur zu gucken.
Sofort ziehe ich mir lockere, sportliche Kleidung an, verstaue die dicken Pullover irgendwo dort, wo ich sie nicht mehr sehen kann und wage den ersten Schritt raus. Raus in die Freiheit. In meine Freiheit.
Gleich darauf empfängt mich die Sonne, die hoch empor steht und mir prickelnde, warme Küsse auf die Haut drückt. Ich recke mein Kinn noch weiter in die Höhe, genieße nach so langer Zeit dieses sinnliche Gefühl der Erleichterung. Der Geruch von frisch gemähtem Rasen umgibt mich mit einem Mal und zaubert mir ein noch breiteres Lächeln auf die Lippen. Selbst der wildwachsende Löwenzahn vor meiner Türe stört mich nicht, sondern lässt mich nur seine gelben Blüten bewundern.
Es ist wie ein Vorgeschmack auf den Sommer.
Nun fange ich an zu laufen. Nichts kann mich jetzt noch stoppen. Jeder Atemzug den ich nehme, bereichert mich mit noch mehr Kraft und Energie. Die Sonne über mir taucht meine Umgebung in satte Farben wie im Paradies und begleitet mich bei jedem Schritt, den ich mache.
Mein Herz pocht vor Freude immer schneller, das Adrenalin schießt mir durch die Adern.
An einer großen Wiese werde ich langsamer und luge zu den Tieren.
Die Kühe grasen in Ruhe auf der Weide, neugeborene Kälber und Schafe hängen an ihren Müttern. Auf einem großen Baum, dessen Krone bis in den Himmel ragt und wo sich die Blätter bereits wieder sichtbar machen, hocken bunte Vögel auf den Ästen und zwitschern um die Wette. Ein blauer Schmetterling gleitet an mir vorbei, verschmilzt mit dem bläulichen Himmel . Der erste, den ich seit langem wieder sehe.
Mein Blick richtet sich auf die andere Seite, an der ein riesiger Wald seinen Anfang nimmt.
Innerlich freue ich mich bereits wie ein kleines Kind darauf, das schimmernde Grün im Licht der Sonne zu beobachten, wie es glänzen und funkeln wird.
Ich setzte meinen Weg wieder in einem höheren Tempo fort. Meine Haut ist bereits Heiß und meine Lungen brennen wie Feuer. Doch ich will nichts verpassen. Ich will sofort mehr sehen und über mehr staunen können. Mein Körper ist geladen wie eine Batterie, die seine endlose Energie aus dem feurigen Stern über ihm entnimmt.
Auf einer belebten Straße begegnen mir unzählige Menschen. Ich schaue in eine Masse von Gesichtern und sie alle strahlen nur eines aus – Freude.
Summende Kinder die tanzen und rennen, Rentner die sich auf einer Bank niederlassen und die Wärme auf ihrer Haut genießen und Pärchen, die mit einem neuen Glücksgefühl, das heute Morgen begann, durch den Park laufen.
Außer Atem biege ich wieder in meine Straße ab und öffne die Tür. Ein letztes Mal blicke ich über die Schulter, präge mir dieses schöne Bild ein, als plötzlich ein warmer Tropfen auf meiner Nase landet. Überrascht blicke ich hoch, wo bereits ein dünner Wolkenschleier den Himmel überzieht. Wie aus dem nichts schüttet der Regen von oben hinab, der sich nass und dennoch warm über die Haut schleift.
Ich lächele ihm direkt entgegen. Bin nicht ein kleines Bisschen traurig deswegen, sondern lausche seinem Geräusch, wenn der auf den Asphalt trifft. Die Kinder tanzen unter dem Regenschleier, die anderen suchen sich einen Ort zum zurückziehen.
Das war der Frühling. Es gehört dazu.
Eine Beruhigende Ruhe kehrt in mich hinein, als ich meine Wohnung betrete und von weiter Ferne das laute Grollen eines Donners wahrnehme.
Es scheint mir, als wäre ein Frühlingszauber über die Stadt gesprochen worden, der die Menschen aus ihrem Winterschlaf geweckt hat.
Ein Winterschlaf der endete, als sie heute zum ersten Mal die Augen öffneten.
Texte: Die Texte stammen von mir, Alisa C.
Bildmaterialien: Coverbild Deviantart: http://browse.deviantart.com/art/fruehlingserwachen-204897510
Tag der Veröffentlichung: 11.04.2013
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