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Ich laufe, laufe. Sand, knirschend unter Pfoten, stark, kraftvoll, meine Pfoten. Steine, zerbrechend, unter Pfoten, stärker, kraftvoller, eisenhart, seine Pfoten. Rennen, immer, immer, er neben mir. Braunes Fell, kaum sichtbar vor Grün, Grau, Braun, Bäume. Waldboden, lautlose Schritte, unsere. Knirschende Schritte, keine Pfoten, nein, kann nicht sein. Nicht Ich , nicht Er. Feind. Zerbrechende Äste, dennoch schwerelos. Hufe. Weiße Flecken auf braunem Fell. Es muss sein. Augen, gelb, glänzend, vertraut. Auch Er hatte das Reh gesehen. Lautlose Schritte. Augen, meine Augen, nie gesehen, dennoch vertraut. Lange Wimpern, Schutz vor Sand. Stark genug, weite Sicht. Warmes Sonnenlicht, treffend mein Fell. Warmer Gelbton, jetzt, mit Sonne. Sonst weiß, weiß, weißer, als alles andere. Ein Blick zu ihm. Wir verstehen uns ohne Worte. Wir müssen uns ohne Worte verstehen. So vertrauter Blick. Er von links, ich von rechts, Reh. Kopfheben. Braune Augen, Rehaugen, treffen auf meine. Eiskalte Härte gewinnt. Äste, Lehm, Steine, Sand, unter meinen Pfoten. Anspannen, Fliegen. Keine Chance, kein Entkommen. Zähne in weiches, braunes Fell, warmes Fleisch. Hunger. Zuckende Ohren. Blick aus braunen Augen. Sterbend. Warumfragend. Ich tue das nicht für mich, Reh. Ich tue es für Ihn. Es tut mir Leid. Augen, endgültig schließend. Hunger.

Schmerz. Schwarz. Jaulen.

Ich blinzele. Lautes Knallen. Schonmal gehört. Morgens, vor langer Zeit. Ich, hilflos, hungernd. Freundliche Augen, liebend, in weißem Gesicht. Blut, tropfend von schwarzen Lippen. Ich, hungernd. Meine Familie. Knallen. Zu laut für ungeschützte Ohren. Erlöschender grüner Blick. Erlöschend, was mir geblieben war. Fleisch, für mich, fallend aus geliebtem Maul. Blut, Blut, Blut, Wunde, stark. Meine feine Nase roch zum ersten Mal den Tod. Tod. So viele weitere folgten. Sie kippte um, die einzige, die mir geblieben war. Lauf, sagten ihre Augen. Keuchender Atemzug. Stille. Leiser Atem, meiner. Stille. Stille. Knirschende Schritte. Zu groß, zu laut. Niemals gehört. Und ich sah zum ersten Mal einen Menschen. Grünes Fell, unbehaarte Stellen, Braunes Fell. Eine Art Stock in den unbehaarten Klauen. Lauter Atem. Stille. Nein. Wind, rauschend in Blättern, vertraut. Atmen. Lautlos, meiner. Laut keuchend, der des Monsters, das meine Mutter getötet hatte. Noch einer, näher, unbekannt. Leise, angespannt. Direkt hinter mir. Grade laut genug für meine guten Ohren. Ich drehte mich um. Nichts. Blätter, Bäume, vertraut. Meine Augen sahen nichts. Ich drehte mich wieder um. Blickte direkt in die schwarzen Augen des Jägers. Dann spürte ich Zähne in meinem Fell. Sanft, fast wie die von Ihr. Aber nein. Feind. Nein. Unbekannt. Aber, alles was unbekannt ist, Feind. So oft gesehen in Ihren Augen. Unsere Sprache. Augen, so viel sagend.

Er rettete mich vor den schwarzen Augen des Jägers. Seitdem, wir, braun, fast schwarz, und weiß, schneeweiß. Zusammen, immer. Vertraut.

Wo ist Er? Knallen… Tötet, was ich liebe. Wo ist er? Schmerzen, überall. Ich sehe. Einen Jäger, das Gewehr erhoben, zielend auf vertrautes, braunes Gesicht. Rennend. Ich will auch, ihm folgen, wie ich es immer getan habe. Aber es geht nicht. Ein Blick. Bitte, dreh dich um. Nein. Er rennt. Erwartet er, dass ich ihm folge? Schwarz. Nichts. Ich hänge im nichts.

Boden. Unbekannt. Kein Knirschen, Klacken. Kein lautloses Anschleichen. Hart, wie Steine. Unendlich viele. Stille. Weit entfernt, Schritte. Okay. Alles Okay. Aber nein: es fehlt. Der Geruch, nach Heimat. Fleisch, Bäume, Wind. Und Er. Nirgendwo brauner Schimmer. Aufstehen, langsam, vorsichtig. Was ist mit mir? Es dreht sich, alles. Ein kleiner Raum, ähnlich einer Höhle. Ich war zuvor noch nie in einem Raum gewesen. Es ist still. Zu still. Ich jaule. Er muss kommen. Er wird in meiner Nähe, wie immer. Ich brauche ihn, so sehr wie Luft. Er wird kommen. Lauter, lauter. Tief Luftholen. Jaulen, Heulen, wie er es mir gezeigt hat. Plötzlich…Raum…öffnet sich. Eine Frau, zart und klein, versperrt den Ausgang in die Freiheit. Versperrrt den Weg zu Ihm. Ich will springen. Auf sie drauf. Kaum größer als ein Reh ist sie. Fast. Aber… will ich das? Ich mordete nie, weil ich wollte. Braune Rehaugen gegen kaltes Feuer… Ich musste, fressen, für ihn sorgen. Nein, er sorgte für mich. Aber er braucht meine Hilfe. Er schafft es nicht. Oder? Ich weiß nicht. Aber wenn er in der Nähe gewesen wäre, wäre ich schon draußen. Er hätte sie getötet, weil sie im Weg stand. Langsam weiche ich zurück. Stiche, tief in mein Herz. Er ist nicht hier. Oder doch? Ich sehe seine Augen vor mir, durchdringend. Bist du bei mir?

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 10.08.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Jolly, Marlin, Curo und alle anderen wilden Kämpfer

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