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Es regnet. Der Regen färbt die Welt grau. Eine Katze huscht über die Straße. Ellana´s Haare tropfen, als sie in die schwarze Limousine steigt. In der Dunkelheit ist der Fahrer nur ein schwarzer Fleck. „Das Ende steht bevor“, murmelt er undeutlich. Ellana schließt die Augen, nickt fast unmerklich. Sie weiß es. Sie weiß, dass es sich heute entscheiden wird. Zum Guten oder zum Schlechten. Und von ihr hängt es ab. Die Limousine rollt langsam über den nassen Boden. Der Wind wirft Blätter in die Luft.


1. Kapitel

„Wann hört dieser Regen endlich auf?“, fragt Alisa, meine beste Freundin. Ich hab keine Ahnung. Wir drängen uns gerade unter das kleine Dach vor dem Kiosk unserer Schule. Es ist März, und seit Monaten regnet es, jeden Tag, von morgens bis abends. Ich vermisse die Sonne. Man kann kaum einen Schritt gehen, ohne in eine der vielen Pfützen zu treten.
Eine grau-weiß gescheckte Katze rennt über den Schulhof. Eine zweite folgt, dann kommt eine ganze Gruppe. Zwei Wochen, nachdem der Regen anfing, lief eine Katze über den Schulhof. Nach ein paar Tagen lief eine zweite mit ihr. Es werden immer mehr. „Wo kommen die bloß her?“, murmele ich. Sie verschwinden jeden Tag in der gleichen engen Spalte. Katzen faszinieren mich irgendwie. Meine Mutter hasst Katzen. Aber sie liebt Hunde. Hunde bellen mich an, sie knurren, zeigen ihre Zähne. Ich weiß nicht, warum.
Alisa zieht mich in die Schule herein. Es hat längst geklingelt, auf den Gängen ist es ruhig. Der Regen prasselt an die Fenster. Ich seufze. Alisa beobachtet mich, verzieht das Gesicht. Sie weiß immer, woran ich gerade denke. „Weißt du, Ell, “, sie nennt mich nie Ellana, sie hasst diesen Namen, „deine Familie ist etwas Besonderes. Sei stolz auf eure Geheimnisse. Deine Mutter wird sie dir erklären, wenn sie die Zeit für richtig hält.“ Mein Vater hasste Regen. Das war einer der Gründe, warum meine Mutter und er sich scheiden ließen. Meine Mutter liebt Regen. „Wir waren zu verschieden“, sagt sie immer. Sie redet nicht über ihn, wenn ich frage, weicht sie mir aus.
Ich habe kaum Erinnerungen an ihn. Nur verschwommene, blasse Erinnerungen. An seine leuchtend roten Haare erinnere ich mich am Besten. Sie sind das Einzige, was ich von ihm geerbt habe, meine sind nur wenig heller, leicht blond.

2. Kapitel

Ich schließe die Tür unserer kleinen Wohnung auf. Meine Mutter sitzt auf dem Balkon. Der Regen tropft aus ihren hellblonden Haaren. Es stört sie nicht. Wie jeden Mittag schläft sie. Sie liebt Regen. Vorsichtig rüttele ich sie wach. „Was? Schon so spät?“ Sie springt auf, schüttelt die Haare. Jetzt bin ich auch nass. Wie ich es hasse!

Es klingelt. Alisa! Was macht sie denn hier? Normalerweise isst sie um diese Zeit. Ihre Pflegeeltern sind da sehr inkonsequent. Alisa erinnert sich nicht an ihre Eltern. Dabei war sie schon sechs Jahre alt, als sie zur Adoption freigegeben wurde. Nichts, null. Ihre ersten Lebensjahre gibt es für sie nicht.

„Was ist denn mit dir passiert?“, frage ich leicht entsetzt. Das blonde Haar hängt ihr im Gesicht, nass und zerzaust. Ein langer Kratzer, noch ganz frisch, geht ihr quer durchs Gesicht. Sie sieht schrecklich aus. Aber ihre wasserblauen Augen leuchten. Ein richtiges Strahlen. So habe ich sie erst ein paar mal erlebt- als wir unserer Grundschullehrerin einen Streich gespielt haben, oder als wir eine Flaschenpost mit einem Zettel, auf dem „Hilfe! Ich wurde entführt“ stand, in den Rhein geworfen haben.

Immer wenn sie eine schlechte, vielleicht sogar gefährlich, aber auf jeden Fall langeweilevertreibende Idee hat, glitzern ihre Augen- wie jetzt.
„Die Katzen haben mich verfolgt. Ich bin durch den Roten Wald gerannt. Auf einmal waren sie nicht mehr hinter mir“, erklärt Alisa.
Der Rote Wald ist ein kleiner Wald, ganz in der Nähe der Schule. Warum er so heißt, weiß niemand.

„Welche Katzen?“
„Die, die seit letzter Zeit immer auf dem Schulhof sind. Ich wollte nachsehen, wohin sie gehen.“
„Alisa! Wie konntest du das nur tun, ohne es mir vorher zu sagen?“
„Ich…“
„Ich wäre so gern mitgekommen!“

Wir lachen, Alisa´s Lachen ist viel höher als sonst. Sie ist immer noch total geschockt.

„ Was hast du für eine Idee?“
„ Wir müssen herausfinden woher sie kommen, wohin sie gehen und was sie machen!“
„ Alisa, bist du dir sicher, dass da irgendwas ist? Bestimmt ist nur gerade Paarungszeit… oder so.
„ Ja und? Ell, es sind bald Sommerferien! Uns wird so langweilig werden, wenn wir nichts Besonderes zu machen haben.

Ja, jede Sommerferien haben wir etwas herausgefunden, beobachtet, erklärt. Und mit Katzen, ist gar keine schlechte Idee…

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Tag der Veröffentlichung: 13.07.2010

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