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June

Einleitung

Ihr Entschluss steht fest. Heute ist der Tag gekommen an dem sie ihr Vorhaben umsetzen wird. Schon als sie noch im Bett lag wusste sie, dass es heute soweit sein würde. Sie ist bereit es zu tun. Nach der Schule geht June an ihren Lieblingsplatz. Sie steht dort oben auf der Klippe und lässt sich vom Wind die Haare verwehen. Wie fast jeden Tag in den letzten Wochen. Sie hat keine Angst mehr. Keine Unruhe. Sie ist bereit es zu tun, das spürt sie. Sie geht ein paar Schritte zurück. Legt ihren Rucksack neben ihren Lieblingsbaum und schließt ihre Augen.
Wer sollte sie auch schon vermissen? In der Schule würde es keinem auffallen, die wissen doch noch nicht einmal ihren Namen. Freunde hat sie auch keine und wissen ihre Eltern überhaupt noch, dass es sie gibt? Eine Frage, die sie sich in den letzten Wochen sehr oft gestellt hat.
Mit einem Lächeln auf den Lippen rennt sie los. Die Augen immer noch fest geschlossen. Sie rennt einfach über den Rand der Klippe hinweg. Fühlt sich wie in Zeitlupe. Ihr Lächeln wird zu einem Grinsen. Sie hat es geschafft. Sie hat sich getraut und sie merkt, wie sie fällt. Immer schneller und schneller. Sie spürt den Wind und genießt den Flug. Die Freiheit fühlt sich großartig an. Und sie weiß, dass sie es bald geschafft hat.
Ihr Flug wird langsamer. Der Wind pfeift nicht mehr so stark. Auch ihre Flugrichtung muss sich geändert haben. Und erneut hat sie das Gefühl als wäre alles in Zeitlupe. Verwundert öffnet sie die Augen. In der Erwartung, dass der Meeresspiegel näher kommen würde.
Schillernd und glänzend liegt das Meer unter ihr. Die Wellen sind riesig, doch sie kommen nicht näher. Parallel gleitet es unter ihr her. Irritiert schlägt sie mit ihren Armen um sich. Ihr Flug gerät aus der Ruhe. Sie wird schneller und was ist das. Der Meeresspiegel entfernt sich. Das kann doch gar nicht sein. Sie muss also entgegen der Erdanziehung nach oben fallen. Doch das kann doch gar nicht möglich sein.
Erst jetzt bemerkt sie, dass sich etwas geändert hat. Ihre Arme sind keine Arme mehr. Sie hat Flügel bekommen. Ihr Gesicht brennt kurz und sie merkt, dass auch ihr Gesicht sich verändert hat. Es ist nicht mehr glatt. Dort ist ein oranger Schnabel. Sie versucht ihr Spiegelbild im Meer zu erkennen, doch alles was sie erkennen kann ist ein rot-oranger Fleck. Das kann doch gar nicht sein. Wieder bewegt sie ihre Arme. Flügel denkt sie. Ich habe Flügel bekommen! Und ich kann fliegen. Ihre Bewegungen sind nun gleichmäßiger. Ihre Flugbahn verändert sich und sie gewinnt an Höhe. Sie verändert ihre Richtung. Und erst jetzt bemerkt sie, dass sie schon eine ganze Weile so dahin schweben muss. Ihre Klippe hat sich bereits weit entfernt. Aber was ist das? Trotz der großen Entfernung kann sie alles erkennen.
Jeden Ast ihres Baumes kann sie erkennen. Jedes einzelne Blatt. Sogar die Farben und Seitentaschen ihres Rucksackes kann sie ausmachen. Aber irgendetwas hat sich verändert auf ihrer Klippe. Etwas passt nicht. Es ist anders als sonst.
Erst jetzt bemerkt sie den Jungen, der dort steht und sie ansieht. Er blickt genau in ihre Richtung. Sie kennt ihn. Er ist in ihrer Klasse. Sie findet ihn toll, aber er hat sie noch nie auch nur eines Blickes gewürdigt. Das musste Zufall sein. Er kannte sie doch gar nicht. Wusste vermutlich nicht einmal, dass es sie gibt. Und was muss er jetzt von ihr denken? Sie selber kann es ja noch immer nicht fassen. Was ist mit ihr passiert?
June fliegt zurück zu ihrer Klippe. Auf Kayle zu. Aber wo ist die Bremse? Sie fliegt noch viel zu schnell um zu landen. Ehe sie sich noch zurecht finden kann ist sie auch schon wieder über der Klippe. Sie muss auf dem Boden aufsetzen, sonst fliegt sie noch in die Bäume. Sie setzt ihre Füße, Krallen korrigiert sie sich selber in Gedanken, auf und versucht zu bremsen. Doch sie ist noch zu schnell. Gerade noch rechtzeitig zieht sie den Kopf ein ehe sie sich zweimal überschlägt bevor sie liegen bleibt.
Bin ich jetzt tot, fragt sie sich und öffnet die Augen. Sie sieht Kayle mit einem Grinsen auf sich zukommen. Lässig schlendert er auf sie zu, die Hände in den Hosentaschen. "Die Landung musst du wohl noch ein bisschen üben.", sagt er mit ruhiger Stimme und immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen. Er sieht wirklich gut aus, denkt sie sich. Aber was ist mit ihr. Wie sieht sie aus. Wie kann Kayle noch so lässig dort stehen und sie angrinsen. Was denkt er bloß. Sie hat doch Flügel und einen Schnabel im Gesicht. Hat er sie nicht fliegen sehen oder ist sie jetzt völlig durchgedreht. War sie vielleicht gar nicht durch die Luft geflogen und hat sich nur den Kopf angeschlagen und sich das alles eingebildet?
"Ich weiß, was in dir vorgeht", sagt Kayle, "mir ging es beim ersten Mal nicht anders." Was meint er damit? Müsste er nicht genauso verwundert sein, wie sie? Das kann doch gar nicht sein. Ist sie jetzt doch total verrückt geworden?
Kayle ignoriert ihr verwirrtes Gesicht und redet weiter. "Ich habe dich schon eine ganze Weile beobachtet und nur darauf gewartet, bis du springen würdest. Ich wusste, dass mehr in dir steckt als die kleine June, die nie mit jemandem redet. Ich wusste nur nicht, was du bist. Aber ein Phoenix passt zu dir!"
Phoenix denkt June. Wovon um alles in der Welt redet Kayle eigentlich und kann es wirklich sein, dass er sie schon länger beobachtet und tatsächlich gerade ihren Namen gesagt hat? "Was meinst du mit Phoenix? Und was ist eigentlich gerade mit mir passiert?"
"Du bist auch ein Jerk." "Jerk? Ich verstehe nicht, was du meinst." "Komm mit, ich zeige es dir", sagt er und greift sie an einem ihrer neuen Flügel. Er zieht sie mit sich. Zwischen den Bäumen hindurch und über die Wiese. Er wird immer schneller und als er merkt, dass sie ihm folgt, lässt er ihren Flügel los. Sie legt beide Flügel an, damit sie schneller rennen kann. Er ist neben ihr. Er war neben ihr. jetzt ist er vor ihr. Rennt auf allen vieren. Springt vor ihr her und ändert die Gestalt. Vor ihr rennt ein Wolf. Sie ist so erstaunt, dass sie stehen bleibt. Ein schöner Wolf ist er.
"Weiter June, ich will dir etwas zeigen," drängt er sie. Sie rennt hinter ihm her. Hinter der Wiese ist ein kleiner See. Kayle wartet in seiner Wolfsgestalt bereits auf sie, als sie neben ihm zum stehen kommt. "Sieh in den See, dann weißt du, was für ein hübscher Phoenix du bist, June.", fordert er sie auf. June tut was er ihr gesagt hat.
Nun kann sie endlich ihr Spiegelbild sehen. Die Kombination aus rot, orange und gelb ist wunderschön. Und was für einen tollen, spitzen Schnabel sie hat, denkt sie. Bis sie die Flügel ausbreitet und auch diese bewundert. Und ihr prachtvolles Gefieder und der bunte Schweif. Bis ihr auffällt, dass Kayle sich bereits neben sie auf die Wiese gelegt hat und sich sonnt, während er jede ihrer Bewegungen beobachtet.

Sie dreht sich zu ihm und geht auf ihn zu. Hockt sich neben ihn in die Sonne und sagt: "Du schuldest mir eine Erklärung!" "Was möchtest du denn wissen?" "Alles.", antwortet sie. "Was ist mit mir passiert und wieso bist du plötzlich ein Wolf geworden und ich ein Phoenix. Wieso bin ich noch hier und nicht auf dem Meeresgrund aufgeschlagen? Woher wusstest du, dass mir nichts passieren würde und hast mich einfach so springen lassen?"
"Das ist eine lange Geschichte, June." "Dann erzähl sie mir doch.", antwortet sie neugierig. "Später!", erwidert Kayle nur. "Jetzt stelle ich dir erstmal die anderen vor." "Die anderen?", fragt June verwundert. "Heißt das es gibt noch mehr von … " " Jerks", fällt er ihr ins Wort. "Und ja, es gibt noch mehr von uns. Komm mit." Er greift ihre Hand und führt sie fort von dem See. Wieder völlig in Menschengestalt rennen sie über die große Wiese in den Wald hinein. Dann durch das Geäst durch den Wald.

Nach einer halben Stunde etwa erreichen sie ein größeres Lager. Sie werden gesehen und ein Ruf geht durch das Lager. "Sie sind da!" "Kayle ist zurück und er hat das Mädchen mitgebracht." Während sie durch das Lager gehen, noch immer Hand in Hand, werden sie von allen begrüßt. Alle sind in ihrem Alter. Jungs und Mädchen. 16 oder 17 Jahre alt und sie scheinen sie schon länger erwartet zu haben. Ihre Ankunft ist vorbereitet und es gibt ein Willkommensfest für June. Und alle kennen bereits ihren Namen.
Sie essen und trinken und tanzen um das Lagerfeuer herum. Bald fängt es an zu dämmern und als June dies mit entsetzten feststellt, sagt sie zu Kayle: "Ich muss nach hause, meine Mom wartet bestimmt schon auf mich." Bedrücktes Schweigen. Alle sind erstarrt und verstummt. June wird unsicher. Hat sie etwas Falsches gesagt? "Würdet ihr June und mich entschuldigen? Ich denke, dass es an der Zeit ist ihr nun einige Dinge zu erklären.", sagte er in die Runde und ohne eine Antwort abzuwarten nimmt er June erneut an der Hand und führt sie ein wenig abseits des Geschehens. Dann setzt er sich auf einen großen Baumstamm. Mit einer Handbewegung bedeutete er ihr sich ebenfalls zu setzen.

Jerks

"Also?", fragt June. "June, du bist von einer Klippe gesprungen. Du bist tot. Zumindest für die Menschenwelt. Es gibt kein Zurück mehr. Sie haben bestimmt schon deinen Rucksack und den Abschiedsbrief gefunden. Vielleicht auch schon deine Leiche geborgen. Du kannst nicht zurück." "Meine Leiche? Ich bin nicht tot, ich bin doch hier bei euch, da kann ich nicht tot sein!" Kayle holt tief Luft und fängt an ihr die Dinge genauer zu erklären. Erstmal, woher er wusste, dass sie auch ein Jerk ist. Das hat James ihm gesagt. Er ist mit Kayle der älteste Jerk und kann es spüren, wer ein Jerk ist und wer nicht. Zusammen haben sie all die anderen Jerks aufgesucht und in ihr "Rudel" aufgenommen. Das Rudel ist mit dir, June, jetzt vollzählig. Sieben Wölfe, sechs Adler, fünf Jaguare, vier Tiger, drei Einhörner, zwei riesige Schildkröten und dir, dem Phönix.
Ein Jerk, sagt Kayle, wird ein sehr emotionaler Mensch, zwischen 16 und 17 Jahren, der sich das Leben nimmt. Erst im Angesicht des Todes kommt es zur ersten Verwandlung. Und man muss genug Kraft und Mut haben um ein Jerk zu werden. Wir haben schließlich noch eine große Aufgabe zu erfüllen, aber das erkläre ich dir später. Ich war mit 17 vor einen Zug gelaufen. Und bin dann als Wolf vom Unfallort geflohen. Dann habe ich irgendwann James kennen gelernt. Ihm war es ähnlich ergangen wie mir, auch er ist ein Wolf geworden. Das ist jetzt schon 27 Jahre her. Wir altern nicht. Nach und nach haben wir dann weitere Jerks getroffen und uns mit ihnen zusammen geschlossen. Und im Laufe der Zeit haben wir auch einiges über unsere Existenz, nach dem biologischen Tod in der Menschenwelt, herausgefunden. Durch das Aufblühen der Vampire und Dämonen sind auch wir entstanden. Wir haben die Aufgabe die Menschenwelt vor den Vampiren und Dämonen zu beschützen. Wir alleine sind diejenigen, die sie aufhalten können. Jetzt da du ja auch zu uns gestoßen bist, sind wir auch komplett.
Das gab es vor einigen Jahrhunderten schon einmal. Wir müssen sieben, sechs, fünf, vier, drei zwei und eine Person von verschiedenen Tieren oder Fabelwesen bei uns haben.
Wie ich dir bereits gesagt habe, James kann spüren, wer ein Jerk ist und wer nicht. Er Hat dein wahres Ich sofort erkannt und seitdem haben wir nur noch darauf gewartet, dass du die Klippe hinunter springst und so zu uns kommen würdest. Da du die letzte warst und eine neue Tierart bildest, wussten wir allerdings nicht, was du werden würdest. Aber ich finde der Phönix passt sehr gut zu dir. Intelligent, stark und doch geschmeidig und wunderschön.
Die Wölfe sind im Rudel die Führertiere.
Die Adler halten Ausschau nach Gefahren oder Menschen, die uns entdecken könnten.
Die Die Jaguare und Tiger sind mit uns Wölfen die Angriffs und Verteidigungstiere. Wenn die Adler Menschen entdecken, die auf uns zukommen, ziehen ein paar von uns los um sie Von dem Weg in unser Lager abzuhalten und dafür zu sorgen, dass wir nicht entdeckt werden. Die Einhörner sind magische Tiere und heilen unsere Wunden oder beschützen uns im Kampf mit ihrer Magie.
Die Schildkröten haben in ihren Panzern Liegekulen, damit wir uns bei längeren Wegen ausruhen können und nicht so viele Pausen machen müssen. Und wenn wir einen See oder Fluss oder das Meer überqueren müssen, bringen sie uns zuverlässig ans andere Ufer. Sie brauchen kaum Schlaf und sind recht schnell und wendig für ihre Größe.
Und da bist noch du. Was deine Fähigkeiten und Stärken sind, das werden wir in der nächsten Zeit erfahren.
Wir sind wie eine große Familie. Jeder ist für jeden da und nimmt Rücksicht. Da wir alle uns im Menschenleben umgebracht haben, kennt jeder von uns Schmerz und schlechte Tage. Dann sind die anderen besonders für einen da und bisher haben wir es doch geschafft jeden aus seinem Loch heraus zu holen.
Unsere Aufgabe ist es die Welt zu retten vor der bösen Magie und Kraft der Vampire und Dämonen. Es ist schon komisch, dass wir dazu bestimmt sind die zu verteidigen und zu beschützen, die uns selber so viel Leid zugefügt haben, dass wir sterben wollten. Und wir können uns nicht noch einmal endgültig umbringen. Auch nicht vor uns selber oder den anderen fliehen. Erst wenn unsere Aufgaben erfüllt sind, können wir endgültig gehen. Bis dahin sind wir dazu verdammt weiter zu leben."

Kayle macht eine Pause in seinen Erzählungen, denen June aufmerksam lauscht.
"Du hast wunderschöne Augen." Sagt er plötzlich völlig überrumpelnd. "Danke.", erwidert June merklich irritiert.
"Es ist schon spät geworden und wir sollten allmählich mal schlafen. Morgen wird ein spannender Tag für alle. Wir werden dich lehren, wie ein Jerk seine Begabungen und Kräfte einsetzen und kontrollieren kann. Und du wirst von Jane, einem unserer Adler, ein paar Flugstunden bekommen, dass du keine weiteren Bruchlandungen mehr machen musst."

Sie gehen zurück ins Lager und wieder wird June von allen freundlich begrüßt. Kayle zeigt June ihren Schlafplatz in einer komfortablen Hängematte mit Überdachung.

Am nächsten morgen ist June irritiert in einer Hängematte zu liegen. Sie denkt, sie hatte einen seltsamen Traum von einem Phönix und Wölfen. Und vor allem kannte in ihrem Traum jeder ihren Namen. Sie wurde so akzeptiert, wie sie ist und alle waren freundlich und freuten sich, sie zu sehen.
Doch jetzt ist sie wach und in dem Lager aus ihrem Traum. Oder war es vielleicht doch gar kein Traum?
"Guten morgen, Schlafmütze.", hört sie eine Stimme hinter sich sagen. Sie dreht sich um und blickt in ein freundliches Gesicht. Es ist der Junge aus ihrem Traum, bzw. nicht Traum, korrigiert sie ihre Gedanken. "Guten morgen", sagt sie und fragt direkt: "Wo bin ich?"
"Du bist bei deinem Rudel.", antwortet der hübsche Junge und grinst: "War gestern wohl alles etwas viel für dich, du siehst so aus als wärst du völlig durcheinander. Hast du denn wenigstens gut geschlafen?" "Es geht so, ich habe ganz wirres Zeugs geträumt." Oder war es vielleicht doch kein Traum, fügt sie in Gedanken hinzu. Als hätte er ihre Gedanken gehört sagt der Junge: "Du wirst dich daran gewöhnen." Wieder grinst er sie an. Kayle, denkt June. Kayle ist sein Name. Und hübsch ist er mit seinen dunklen Locken und dem schmalen Gesicht.
"Bereit für deine ersten Flugstunden?", fragt Kayle: "Jane wartet bereits auf dich." "Klar!", antwortet June und steht auf.
Kayle führt June zu Jane. "June, Jane, Jane, June.", stellt Kayle sie vor. Jane ist ein hübsches junges Mädchen, denkt June. Sie hat lange blonde Haare, die ihr wie ein Schleier über den Rücken fallen. Große, braune Augen und ein freundliches Lächeln auf den Lippen. "Hallo June.", sagt sie. "Bereit für deinen großen Auftritt?" Ohne eine Antwort abzuwarten sagt sie zu Kayle: "Du kannst jetzt gehen, wir brauchen keine Zuschauer, sonst fühlt sich June vielleicht beobachtet." "OK", antwortet Kayle: "Ich komme dann nachher wieder und hole euch zum Mittagessen ab." Er dreht sich um und geht. June sieht ihm traurig hinterher. Sie mag ihn. Sehr sogar.
"Dann wollen wir mal anfangen.", sagt Jane. "Weißt du schon, wie du dich verwandeln kannst." "Nicht genau.", erwidert June. "Das ist ganz einfach. Du musst nur ganz intensiv an deine Gestalt denken und dir vorstellen, wie du dich als Phönix verhältst." Kaum hatte Jane den Satz zuende gesprochen, stand ein schöner Schwarzkopfseeadler vor June. "Jetzt du.", fordert Jane June auf.
Ganz fest an die Phönixgestalt denken, sagt sich June selber in Gedanken. Wie sehe ich als Phönix aus? Ihr fällt ihr Spiegelbild im See ein. Die denkt an den Schnabel und den Schweif und die schönen orange und rottöne ihres Gefieders. Sie merkt, dass sich ihr Gesicht verändert. Sieht den Schnabel und spürt die Federn, vor allem die langen Schwanzfedern in der leichten Brise wehen.
Und sie fällt zu Boden. Auf ihren Füßen kann sie den Körper des Phönix nicht tragen. Sie denkt an die Krallen. Und kann sich wieder aufrichten. Doch sie hat noch ihre menschlichen Arme. Wie verhalte ich mich als Phönix, fragt sie sich in Gedanken. Ich kann die Flügel anlegen, wenn sie mich nicht in der Luft halten müssen, denkt sie und schon hat sich auch ihre prächtigen Schwingen angelegt am Körper des Phönix.
"Sehr gut.", sagt Jane. "Aber bei dir geht es viel schneller und nur mit einer Verwandlung.", protestiert June. "Für dein erstes Mal war das gut. Ich habe beim ersten Mal fünf Anläufe gebraucht und um einiges länger gebraucht, als du gerade eben." "Wirklich?", fragt June verlegen. "Wirklich!", antwortet Jane.

Flugstunden

Jane erklärt June, wie sie ihre Flügel einsetzen kann um auf- oder abzusteigen, zu beschleunigen oder abzubremsen. "Wir werden heute das starten und landen üben, der Rest kommt mit der Erfahrung und wenn du erstmal in der Luft bist, merkst du eigentlich instinktiv, wie du am besten fliegen kannst und das wichtigste ist eigentlich beim gleiten die Flügel möglichst ruhig zu halten und ansonsten nicht hastig, sondern ruhig und gleichmäßig zu schlagen."
Ein paar Bruchlandungen später ist June ganz froh, dass Kayle sie nicht sehen kann. So dumm wie sie sich anstellt. Jane ermuntert sie immer wieder es nochmal und nochmal zu probieren. Erklärt ihr Dinge und gibt ihr kleinere Tipps. Immer wenn June genug hat, gelingt es Jane sie dazu zu überreden es noch einmal zu probieren. Nach etwa zwei Stunden gelingt June die erste saubere Landung. Jane strahlt übers ganze Gesicht und klatscht mit ihren Flügeln. June freute sich und durch Janes lockere und aufmunternde Art traut sie sich nun mehr. Macht Späße und gemeinsam können sie über ihre Patzer lachen. June merkt, dass sie Jane echt gerne mag und in den knapp drei Stunden schon eng in ihr Herz geschlossen hat. Nachdem die Landungen immer besser werden sagt Jane: "Wenn du Lust hast, können wir nun einen Rundflug über den Wald machen. Dann bekommst du noch ein feineres Gespür fürs Fliegen."
"Gerne!", antwortet June. Wie gesagt, so getan. June genießt das Gefühl von Freiheit. Das Gefühl die Wolken erreichen zu können und schwerelos durch die Luft zu gleiten. "Wenn du dich traust, kannst du für ein paar Minuten die Augen schließen und ich passe auf, dass dir nichts in den Weg kommt."; schlägt Jane vor. June will es ausprobieren, doch sie hat Angst die Kontrolle zu verlieren. Sie konnte noch nie einem Menschen wirklich vertrauen und hat sich damit immer schwer getan. Jane merkt dies und sagt aufmunternd: "Du musst nicht, wenn du nicht willst. Es war nur eine Idee, damit du das Gefühl der Luft verinnerlichen kannst. Ich verspreche dir, dass ich gut auf dich aufpassen werde." "Versprichst du mir, dass mir nichts passieren wird?", fragt June. "Versprochen!" Zum ersten Mal in ihrem Leben schließt June die Augen und vertraut darauf, dass jemand anderes auf sie aufpasst.

Wunsch nach Freiheit

Wie ein Vogel will ich sein
Und fliegen durch die Lüfte
Mein Gesicht halt ich in den Wind hinein
Und fliege bis zur Meeresküste

Ich sehe die Ferne
Und spüre die Weite
Nachts leuchten tausend Sterne
Der Horizont erstreckt sich in die Breite

Frei wie ein Vogel will ich fliegen
Nichts hält mich auf
Oder wird mich je besiegen
Denn ich fliege hoch hinaus

Ich fliege wohin ich will
Ich suche die Freiheit ganz im Stillen
Fliege alleine um mich herum ist‘s still
Doch genau das entspricht meinem Willen

Sehe von oben die ganze Welt
Dunkle und helle Stellen
Fliege fort weil mich nichts mehr hält
Und treibe auf des Windes Wellen

June genießt das Gefühl von Freiheit. Das Treiben auf den Winden und das Fliegen. "Öffne wieder die Augen.", sagt Jane. June tut wie ihr geheißen und öffnet die Augen. Sie fliegt immer noch über den Wald. "Es wird Zeit wieder zurück zu fliegen."; meint Jane, "Kayle wird uns sonst vermissen."
Als sie wieder an ihrem Übungsplatz landen, steht Kayle bereits da und wartet. Er beobachtet sie. June als rot-oranger Phönix mit ihrem wunderschönen Schweif, der hinter ihr im Wind seine geschwungenen Muster vor dem Himmel zieht. Jane, als eleganter Adler. Die beste Fliegerin unter ihnen. Daher hat er auch sie gebeten June in der Flugkunst zu unterrichten und wenn er die beiden nun so auf sich zufliegen sieht, denkt er, dass es genau die richtige Entscheidung war. June fliegt so sicher, als hätte sie in ihrem ganzen Leben nichts anderes getan. Sehr elegant und ohne die anfänglichen Schwanker gleitet sie nun durch die Luft auf ihn zu.
June entdeckt Kayle zuerst. Sie lächelt. Wie er da steht und sie betrachtet. Sein Gesicht strahlt Freude aus und eine Spur von Stolz. Stolz auf sie? Konnte das wirklich sein? Dass ein Mensch stolz auf sie ist. Auf June?
Die Landung der beiden ist ebenfalls gekonnt. Keine Patzer mehr. Sicher landet June auf ihren Krallen und kommt nach ein paar Augenblicken zum Stehen. Sie denkt an ihren Menschlichen Körper. An ihre Haare, ihre Hände und Füße. So schnell hat sie die Verwandlung bisher noch nicht hinbekommen.
Grinsend und freudestrahlend kommt Kayle auf sie zu. "Du bist eine begabte Schülerin!", sagt er. "Da hat er Recht!", fügt Jane hinzu. June lacht auf. Sie kann es kaum glauben, dass sie begabter sein soll, als alle anderen. Nicht sie. Nicht June. Sie merkt, dass sie rot anläuft und gar nicht weiß, was sie erwidern soll. Kayle kommt ihr zu Hilfe und sagt: "Zeit für eine Pause und eine Stärkung. Das Essen ist bereits auf dem Feuer."
Auf dem Weg zurück zum Lager hat June viel zu erzählen. Von ihren Erfahrungen aus der Luft. Dem unglaublichen Gefühl, das sie beim Fliegen gespürt hat. Die Sicherheit, die sie empfunden hat.

Das Essen war echt köstlich. Das hätte June der jungen Gruppe gar nicht zugetraut. Doch so jung waren sie ja eigentlich gar nicht mehr. Sie sind ja zum Teil schon einige Jahre 16 oder 17 Jahre alt.
Nach dem Essen lädt Kayle sie auf einen Spaziergang ein. June freut sich und Kayle zeigt ihr den Wald um das Lager herum. Dabei erzählt er ihr mehr über ihre Aufgabe die Dämonen und Vampire zu besiegen. "Sie können uns nicht töten, denn wir sind unsterblich. Wir können sie nicht töten, denn auch sie sind unsterblich!", sagt er. "Wie sollen wir sie dann besiegen?", fragt June überrascht. "Indem wir sie brechen. Der Tod ist nicht die einzige Möglichkeit jemanden daran zu hindern die Welt zu zerstören. Sie plündern die Menschen aus. Entführen Menschen und machen sie zu ihren Sklaven. Entführen Kinder und machen sie zu Ihresgleichen. Sie töten und quälen die Menschen. Tyrannisieren sie und unsere Aufgabe ist es sie daran zu hindern. Ihre Macht zu brechen und ihrem Verbreiten von Angst, Schrecken, Schmerzen und anderen Qualen ein für allemal ein Ende zu bereiten. Die Vampire und Dämonen haben sich schon vor einigen Jahren zusammen getan. Da sie festgestellt haben, dass ihre Macht dann noch größer ist. Vorher waren sie befeindet und haben sich gegenseitig bekämpft und die Macht der jeweils anderen gebrochen oder zumindest in Schach gehalten. Nun haben sie sich vereinigt und was sie den Menschen antun ist grausam und hört nicht auf. Immer weiter und größer wird ihr Bereich. Sie lernen dazu. Vor 20 Jahren nahmen sie die ersten menschlichen Geiseln. Vorher haben sie jeden getötet, der ihnen in die Quere kam. Nun töten sie die Menschen auf andere Weise. Sie machen sie zu Sklaven. Foltern sie. Brechen ihren Glauben an das Gute auf der Welt und brechen ihren Willen und ihre Menschlichkeit. Sie setzen sie ein zu ihren Zwecken. Manipulieren sie und lassen sie zurück in die Dörfer und Städte, wo diese dann ihre Tyrannei fortsetzen. Sie säen Zweifel. Tyrannisieren ihre Mitmenschen und geben es weiter an ihre Kinder oder Angestellte. Lassen ihren Hass auf die Menschheit an ihnen aus. Verachten und Manipulieren ihre Kinder. Uns!", er macht eine Pause. "UNS?", wirft June ein. "Uns.", betätigt Kayle. "Jeder Jerk hat einen Elternteil, der bei ihnen in Gefangenschaft war. Die meisten kommen aus Norwegen, da sie dort ihr Unwesen treiben. Du warst am weitesten entfernt und am schwierigsten aufzufinden. Dein Vater war vor 19 Jahren in Norwegen. Hatte dort einen Job als Förster in einem Wald. Anderthalb Jahre galt er als verschollen. Dann tauchte er wieder auf. Floh aus Norwegen. Kündigte seinen Job dort und heiratete hier seine Jugendliebe, deine Mutter. Sie hatte ihn früher sehr geliebt. Kennt ihn noch, wie er früher war. Voller Wärme und Liebe und Zuneigung. Sie schiebt sein verändertes Dasein auf seinen Auslandsaufenthalt in Norwegen. Denkt, dass ihm dort eine Frau das Herz gebrochen hat und er deshalb nun so kalt und wirsch ist. Doch sie liebt ihn zu sehr als dass sie wahrhaben will, dass er nun so ist und sich nicht wieder einfach so ändern wird. Deine Mutter hatte zu viel Liebe und Wärme in sich als dass er seinen Auftrag aus der Unterwelt bei ihr umsetzen könnte. Sie hörte einfach nicht auf an das Gute im Leben zu glauben. Dann wurdest du geboren. Deine Mutter war überglücklich und hoffte, dass er nun endlich wieder so werden würde wie früher. Hoffte, dass du ihn wieder umkehren könntest. Doch es kam anders. Er gab den Versuch auf deine Mutter umzukrempeln, weil er nach ein paar Jahren merkte, dass es nichts bringen würde. Sie würde nie aufhören zu lieben. Sie würde nie aufgeben zu hoffen. Also versuchte er es bei dir. Als du fünf Jahre alt warst fing er damit an dir zu zeigen wie sehr er dich verachtet. Du seiest an allem Schuld. Dass er deine Mutter nicht mehr umkrempeln kann. Also versuchte er es nun bei dir. Dir die Welt schlecht zu reden. Jede Liebe und Hoffnung zu verweigern.
Dein Vater war der einzige, der es geschafft hat vor den Dämonen zu fliehen und ist daher nicht ganz so grausam, wie die anderen und er hat es geschafft, deine Mutter wieder zu lieben und an sie zu glauben. Teilweise tat er das auch bei dir, aber mit weniger Erfolg, dafür war seine böse Seite doch schon zu weit manipuliert und sein eigenes liebevolles Wesen in den Hintergrund gedrängt worden. Daher hast du seine extremen Schwankungen zwischen seiner Liebe und seinem Hass jahrelang ertragen müssen."
"Woher weißt du so viel über mich?", fragt June. "Das ist meine Gabe. Menschen zu beobachten und ihr Verhalten zu analysieren und zu hinterfragen und dann versuche ich so viele Informationen über jemanden zu bekommen, wie ich kann, was meistens eine ganze Menge ist. Ich kenne die Geschichte von jedem Jerk hier und mehr darüber hinaus. Nur meine eigene Geschichte kenne ich nicht.", erwidert er, letzteres mit einem traurigen Unterton. "Aber nun sollten wir zurück ins Lager gehen und uns ausruhen.

Ausflug

Endlich ist es so weit. Morgen wollen die Jerks aufbrechen um die Vampire und Dämonen zu besiegen. Es würde ein Kampf ohne Waffen geben, da beide Parteien unbesiegbar sind. Sie müssen einzelne in Gefangenschaft nehmen und sie mit ihren Waffen - Zusammenhalt, Mut, Toleranz, Hoffnung, Wärme und Liebe - wieder zurück manipulieren.
Keiner von ihnen weiß, wie genau sie den Gegner zum Zerbrechen bringen können, aber sie müssen es versuchen.
Mittlerweile hat sich June auch schon ganz gut bei den Jerks eingelebt. Sie fühlt sich zum ersten Mal seit langem oder zum ersten Mal überhaupt geliebt, geborgen und so akzeptiert, wie sie ist. Jeder von den Jerks hatte in der Menschenwelt Hass und Schmerz ertragen müssen und sich letztendlich mit 16- oder 17 Jahren umgebracht und ist seither bei den Jerks in einer neuen Familie. Sie hat zum ersten Mal in ihrem Leben das Gefühl verstanden zu werden. Akzeptiert zu werden. Wertvoll zu sein. Am Abend vor dem Aufbruch hat June noch eine letzte Flugstunde bei Jane.
Jane fragt June plötzlich, was denn war, dass sie dazu bewogen hat von der Klippe zu springen.
June überlegt eine Weile und entscheidet sich dafür sich Jane anzuvertrauen und ihr ihre ganze Geschichte zu erzählen.
"Mein Vater ist sehr dominant, erst hat er seine Wut an meiner Mutter abgelassen, später war er dann sehr liebevoll zu ihr. Dafür hat er mir das Leben zur Hölle gemacht. Auf der einen Seite gab er mir viele Freiheiten. Auf der anderen Seite viele Grenzen, viel Wut, viel Verachtung und Entwertung. Strafen wenn ich etwas falsch gemacht habe, Verbote zu Freunden oder Nachbarn Kontakt zu haben. Alles musste perfekt sein für ihn. Für jede Kleinigkeit hat er mich angeschrien. Bei größeren Sachen dann mal ein Schlag ins Gesicht. Einmal bin ich nach einem Streit von zuhause weggelaufen. Das gab nur noch mehr Ärger und ich habe mich nie wieder getraut abzuhauen. Irgendwann fing ich an mich zu zerschneiden oder mich nachts in der Kälte aufhalten, damit ich mich anschließend in meinem Zimmer wieder wohl fühlen konnte.
Ich fing an wegen Essen zu lügen, sagte ich hätte mir nach der Schule schon etwas geholt oder ich hätte keinen Hunger…
Seitdem denke ich ständig an Suizid. Aber irgendwas oder irgendjemand hat etwas dagegen, dass ich sterbe, zumindest haben sie mich immer wieder ins Leben zurück geholt.
"Sie haben nicht das Recht sich umzubringen! Sie müssen noch die Welt verbessern!", sagte mir einmal eine Psychologin.
Ich hatte immer gehofft, dass nach dem Tod alles vorbei ist! Ob die Psychologin die Jerks mit Welt verbessern meinte? Dass ich gegen Vampire und Dämonen kämpfen würde, hatte ich nicht gedacht. Und dass man nach seinem Tod in einem Spiegelbild des menschlichen Körpers weiter leben wird und die Gestalt eines Fabelwesens oder eines Tieres einnehmen würde, daran hätte ich im Traum nicht gedacht.
Zu den Schwierigkeiten mit meinem Vater kam noch Stress in der Schule. Ich war in der Schule immer allein. Alle gingen mir aus dem Weg oder machten mich blöde an. Schmetterten mir im Sportunterricht Bälle an den Kopf, lästerten oder lachten mich aus, wenn ich auf eine Frage der Lehrer keine oder falsche Antworten gab. Den Lehrern war es egal, sie amüsierten sich mit den anderen Schülern über mich. Nur ein paar der Lehrer versuchten mich zu unterstützen.
An dem Tag an dem ich gesprungen bin, hatte ich mal wieder einen lieben Brief von Mitschülern auf dem Platz liegen. Dass mich dort niemand haben will, alle lachen mich hinter meinem Rücken aus und ich soll wieder dahin gehen, wo ich herkomme!
Das war wohl der Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hat und ich bin zu meiner Lieblingsklippe gegangen, wo ich schon sehr oft springen wollte, es aber nie konnte. Nachdem ich ewig geheult habe, wurde ich ruhiger. Sehr viel ruhiger und ausgeglichener. Ich hatte mich entschieden zu springen…"
June hat ihre grobe Erzählung beendet und nun schweigen beide.
Nach einer Weile fragt June: "Und du? Warum hast du dich umgebracht?"
"Das ist eine sehr lange und komplizierte Geschichte, June. Ich werde sie dir wann anderes erklären, es fängt schon an zu dämmern und wir sollten ins Lager zurück kehren und unsere Kräfte für unsere Reise aufsparen!"
Den ganzen Rückflug schweigen sie. June ist in Gedanken. Sie fühlt sich wieder einsam und verraten. Verraten von Jane. Sie hat ihr ihre Geschichte erzählt, Jane hat ihr aber nichts über sich selber erzählt. Sie schwört sich nie wieder jemandem so viel Vertrauen zu schenken und sie bereut es Jane ihre Geschichte erzählt zu haben.
Am späten Abend geht June in den Wald. Nicht zu weit nur so, dass die anderen sie nicht sofort entdecken können. Sie sucht zwei Steine, die sie gegeneinander schlägt. Immer und immer wieder. Bis der eine bricht und eine scharfe Kante bildet.
Sie zieht ihre Ärmel hoch und fängt an ihre Haut mit dem Stein zu zerschneiden. Wie immer ist es gut den Schmerz zu spüren und es ist beruhigend das Blut zu sehen und zu fühlen.
Nach einigen Schnitten hält sie inne. Jemand steht hinter ihr und legt ihr eine Hand auf die Schulter.
"Das reicht, gib mir den Stein.", sagt eine freundliche Stimme hinter ihr. Eines der anderen Mädchen, June kennt noch nicht alle. Sie tut wie ihr geheißen und gibt ihr den Stein. Das Mädchen wirft ihn weit fort in den dunklen Wald. Dann setzt sich das Mädchen neben June. "Ich bin Roya.", sagt sie. Sie ist hübsch und wirkt sehr sympathisch. "Ich bin eines der Einhörner, darf ich deinen Arm wieder schließen?", fragt sie. "OK.", antwortet June, während sie gegen ihre Tränen ankämpft.
Einen Augenblick später steht vor ihr ein wunderschönes, weißes, mit blauen Schatten gespicktes Einhorn. Roya sagt June sie solle ihr den verletzten Arm hinhalten. June tut es. Sie ist fasziniert als Roya ihr Horn auf die Wunden legt verheilen sie im Bruchteil einer Minute. Sowohl das strahlend weiße Horn, als auch die Verletzungen schimmern sofort, dann leuchten beide auf und Roya hebt wieder den Kopf.
Während sich Roya wieder neben June setzt, in Menschengestalt, ist June noch immer ziemlich fasziniert von dem, was sie eben gesehen hat. Behutsam streicht sie noch einmal über ihren Arm und zieht langsam den Ärmel wieder darüber.
"Möchtest du darüber reden?", fragt Roya mit freundlicher und ruhiger Stimme. Nachdem June nicht antwortet, ergänzt sie: "Es ist auch OK, wenn du nicht reden möchtest oder nicht mit mir. Wir können auch noch eine Weile einfach hier sitzen bleiben oder ich kann dich auch wieder in Ruhe lassen, wenn du lieber alleine sein möchtest?"
"Nein, es ist schon OK!", sagt June, "Ich habe heute nur schon zu viel erzählt, zu viel von mir preisgegeben…"
"Ja, es ist manchmal schwierig die eigenen Grenzen wahrzunehmen und wenn man in einen Erzählrausch kommt, bereut man nachher, dass man so viel gesagt hat…"
Schweigen.
June blickt starr vor sich auf den Boden und kämpft gegen die Tränen an. Roya spürt ihren Kampf und sagt beruhigend: "Du kannst sie ruhig laufen lassen, manchmal kann das sehr befreiend sein."
Nun rollen June lautlos die Tränen übers Gesicht. Wie ein Bach, der ununterbrochen fließt.
"Darf ich dich in den Arm nehmen?", fragt Roya. June nickt nur und Roya tut es. June ist froh jemanden zu haben, der sie einfach nur festhält ohne, dass sie sich erklären muss und sie ist froh gerade nicht alleine zu sein. Und erleichtert, dass sie sich selber an jemandem festhalten kann.

Die Reise

Dann kommt der Aufbruch. Das ganze Rudel ist am packen. Endlich haben sie alles beisammen und auf Kimi und Joe, den beiden Schildkröten verstaut. Alle verwandeln sich, da dadurch der Weg schneller zu bewältigen ist. June fliegt mit den Adlern über den anderen. Jane fliegt stets an ihrer Seite.
Es werden lange Tage und kurze Nächte. Wenn June nicht mehr kann und mit den Kräften am Ende ist, sie ist stets die erste, der es so ergeht, sie hat noch nie eine so lange Reise auf diese Art bewältigen müssen, darf sie in Menschengestalt auf Kimis Rücken reiten und sich ausruhen. Dann geht Kayle immer an ihrer Seite. Kimi und Kayle sind momentan für June eine angenehmere Gesellschaft, als Jane. Obwohl Jane selber ja eigentlich nichts dafür kann. Sie weiß ja nicht, was in June vor sich geht und wie sie sich nach ihrem gemeinsamen Ausflug fühlt. Kimi und Kayle wissen inzwischen, wie sie June zum lachen bringen können oder wann sie ihre Ruhe braucht. Das wusste bisher niemand, geschweige denn, dass sie es akzeptiert haben.
Die Tage vergehen, aus dem Wald wird eine Wiese, dann Felder. Nun müssen sie in Menschengestalt weiter reisen. zumindest die Jaguare, Tiger, Einhörner, Schildkröten und June. Die Adler und Wölfe können ihre Gestalt weiter behalten und vorlaufen oder fliegen. Das würde den Menschen nicht auffallen. Aber alle anderen würden zu viel Aufmerksamkeit erregen. So reisten sie in zwei Gruppen weiter. Die Adler und Wölfe vor den anderen. Sie warten immer an vereinbarten Plätzen. haben das Essen bereits fertig, wenn der Rest ankommt. Sie speisen gemeinsam und manchmal wechselt Kayle dann die Gruppe um an Junes Seite weiter zu gehen. Das Gepäck ist nun wieder auf alle verteilt. Als Menschen können Kimi und Joe nicht mehr das gesamte Gepäck tragen.
Die Tage sind lang, anstrengend und eintönig. Nach einigen Tagen hat sich Junes Körper an die Strapazen gewöhnt. Ihre Stimmung bessert sich und die anderen müssen nicht mehr so oft auf sie warten.
Jeden morgen packen sie alle Sachen zusammen und jeden Abend suchen sie einen ruhigen Platz um ihr Lager aufzuschlagen. Die Tage sind gleich und June hat bereits aufgehört sie zu zählen.

Jane

Gerade sitzt June neben Kayle am Lagerfeuer. "Da kommt Jane!", sagt Kayle. "Hey!", sagt Jane und June dreht sich zu ihr um. "Hi Jane.", sagt sie. "Kann ich mit dir reden?", fragt Jane June. "Klar.", erwidert June, allerdings mit wenig Begeisterung in der Stimme. Sie gehen gemeinsam einige Minuten vom Lager fort.
Schließlich bricht Jane das Schweigen: "Es tut mir Leid!" "Was tut dir Leid?", fragt June irritiert. Schließlich weiß Jane doch gar nicht, was sie denkt und wie es ihr damit geht, oder etwa doch? Hat Roya sie etwa hintergangen und Jane von dem Abend erzählt? 'Nein' sagt eine Stimme in ihr. 'Nein', das hätte Roya nicht getan. 'Nein!' Das will ich nicht glauben! Aber woher weiß es Jane sonst?
Als ob Jane ihre Gedanken gehört hätte, sagt sie nur: "Kayle hat mich gefragt was auf unserem gemeinsamen Ausflug passiert ist, du seiest seitdem verändert…"
"Wie verändert? Ich bin doch wie immer."
"Zurückgezogener, vorsichtiger mit dem was du von dir preisgibst, nachdenklicher."
Schweigen.
Nach einer Weile fährt Jane fort: "Es war nicht meine Absicht dich zu verletzen, June! Das musst du mir glauben." Verzweiflung schwingt in ihrer Stimme mit und das schlechte Gewissen steht Jane auf die Stirn geschrieben. "Es tut mir so Leid!", sagt sie noch einmal und June entdeckt die ersten Tränen in Janes Augen. June fühlt sich hilflos und weiß nicht, was sie machen oder sagen soll. "Ist schon OK!", sagt sie und legt Jane einen Arm um die Schultern. Nachdem Jane die ersten Tränen fortgewischt hat, sagt sie: "Es ist nur so, dass ich außer mit Kayle noch nie mit jemandem über meine Vergangenheit geredet habe und ihn kannte ich schon bevor wir Jerks wurden. Wir waren zwei Jahre in der gleichen Pflegefamilie. Wir haben beide unter unserer tyrannischen Pflegemutter gelitten. Sie hasste Kinder und Jugendliche, hatte aber fünf Pflege- und zwei eigene Kinder. Sie machte uns das Leben zur Hölle. Wir waren die ältesten und mussten uns um die anderen kümmern. Wir mussten so leise wie möglich sein, damit sie so wenig wie möglich von uns mitbekommen. Am Anfang war unser Pflegevater noch nett zu uns, aber die Grausamkeit und Kälte unserer Pflegemutter färbte wohl auf ihn ab. Er fing an uns zu schlagen.
Kayle und ich waren sowas wie Geschwister. Halfen uns gegenseitig. Gaben uns Halt. Wir wollten irgendwann gemeinsam abhauen. Irgendwann fand unser Pflegevater meine Tagebücher und las sie. Er las auch über unsere Pläne fortzugehen. Von dem Tag an sperrten sie uns ein. In einen Raum im Keller. Nur Kayle und mich. Mit den anderen durften wir nicht mehr reden. Dann kam der Tag, der alles kaputt gemacht hat. Der Kayle und mich zerstörte.
Unser Pflegevater kam rein. Wir hörten, wie er sich draußen noch mit unserer Pflegemutter stritt. Konnten aber nicht verstehen worum es ging. Er war wütend. Das erkannten wir schon, wie er zur Tür stampfte. Wie er aufgebracht den Schlüssel in der Tür umdrehte. Es war anders als sonst. Schon oft hatte er seine Wut an uns ausgelassen. Vor allem an Kayle. Er kam zur Tür rein. Zog den Schlüssel von außen ab und schloss die Tür von innen ab. Den Schlüssel steckte er wie immer in seine Tasche. Mit großen Schritten ging er schnell auf Kayle zu. Schlug ihn einmal. Dann noch einmal. Kayle sackte zusammen. Ich schrie ihn an er solle aufhören, er würde ihn umbringen. Kayle hockte nun in der Ecke. Unser Pflegevater trat ihm noch einmal heftig in den Bauch und sagte mit wütender Stimme: "Solltest du auf dumme Ideen kommen, bringe ich sie um!", dabei zeigte er auf mich. Dann drehte er sich zu mir um und sagte nur mit einem Grinsen: "Und nun zu dir!" Ich wusste, dass etwas anders war als sonst. Hatte nur noch Angst. Er kam auf mich zu. Schlug mir mit der Faust fest ins Gesicht, dass ich auf den harten Boden fiel. Und dann…" Janes Stimme bricht ab. Ihre bisher ziemlich emotionslose Schilderungen werden von heftigen Schluchzern unterbrochen. Sie zittert und bebt am ganzen Körper.
June nimmt sie in den Arm und streichelt ihr über den Rücken. Sie ist sprachlos und wüsste auch gar nicht, was sie sagen sollte. Alles was sie hätte sagen können, kommt ihr falsch vor. Einige Minuten sitzen sie so da. June weiß nicht genau, ob sie sich gerade an Jane festhält oder diese sich an ihr.
Dann löst sich Jane aus Junes Umarmung und fährt wieder mit monotoner Stimme und starrem Blick fort: "An diesem Tag vergewaltigte er mich. Kayle musste zusehen und konnte nichts tun. Ich bin bereits an jenem Tag gestorben. Innerlich war ich anschließend nur noch leer. Weinte mich am Abend in den Schlaf. Die nächsten zwei Tage ließen sie uns in Ruhe. Keiner kam um uns zu schlagen. Wir waren alleine, geschwächt, weil wir auch nichts zu essen bekamen. Am dritten Tag kam er wieder. Er wies Kayle an keinen Ton zu sagen. Ansonsten sagte er nichts. Tat es wieder und ging.
Tränen hatte ich keine mehr. Weinen konnte ich nicht mehr. Saß nur in der Ecke und starrte die kahle Wand an. Am nächsten Tag schob uns eine der jüngeren Pflegeschwestern einen Zettel unter der Tür ins Zimmer. Auf dem stand, dass wir fliehen müssen. Es würde sich nichts mehr ändern, wir würden nicht mehr aus unserem kleinen Zimmer raus dürfen und ER würde nicht aufhören. Sie würde morgen nicht zur Schule gehen. Ihr Fenster offen lassen, dass sie reinkommt, wenn unsere Pflegeeltern fort seien und uns die Zimmertür öffnen.
Kayle und ich beschlossen das zu tun, wozu sie uns geraten hat. Fort zu gehen. Wir machten uns Sorgen, was aus ihr werden würde, wenn unsere Pflegeeltern dahinter kommen, dass sie uns zur Flucht geholfen hat. Am nächsten Vormittag öffnete sie uns die Tür. Wir stiegen alle durch ihr Fenster aus, da die Haustür wie immer verschlossen war. Wir fragten sie, was sie tun wird. Dass ihre Strafe schrecklich werden wird. Sie versicherte uns, dass wir uns um sie keine Sorgen machen sollen. Dass sie das schon schaffen wird und dass unsere Geschwister alle von dem Plan wissen und sie zusammenhalten werden. Sie haben auch vor gemeinsam zum Jugendamt und zur Polizei zu gehen. Alle wollen sich weigern zu unseren Pflegeeltern zurück zu kehren. Aber wir sollen uns jetzt um uns kümmern. Zusehen, dass es uns gut geht und wir weg kommen. Sie gab uns noch einen Umschlag mit ein wenig Geld. Das hätten alle für uns gesammelt, dass wir mit dem Zug die Stadt verlassen können. Wir verabschiedeten uns und gingen zum Bahnhof. Fuhren mit einem Zug in die nächste Großstadt und lebten dort einige Tage auf der Straße mit anderen Jugendlichen. Kayle hatte vergessen, wie man lacht. Er war nur noch ernst und empfand keine Freude mehr. Ich war innerlich wie Tod. Konnte nichts mehr empfinden. Keine Freude und Mut mehr fürs Leben gewinnen. So kam es, dass wir schließlich abends in einen U-Bahntunnel liefen. Hand in Hand gingen wir auf den Schienen in die Finsternis. Bald hörten wir hinter uns eine Bahn. Der Lichtpegel hellte die Dunkelheit um uns herum auf. Ich spürte Kayles Hand. Hatte keine Angst. Nur den Gedanken, dass es endlich bald vorbei sein würde. Dass Alles vorbei sein würde. Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen und ich schloss die Augen.
Dann kam der Aufprall.
Es gab einen Knall. Wir dachten wir seien Tod. Standen aber plötzlich neben unseren eigenen leblosen Körpern und waren Jerks. Wir gingen weiter durch den Tunnel und kamen bei der nächsten Haltestelle an und gingen wieder ans Tageslicht. Kayle hatte alles vergessen, was gewesen war. Wusste nichts mehr von den Geschehnissen, konnte sich nicht an seine Vergangenheit erinnern oder an unsere Pflegeeltern. Er wusste zwar noch alles über mich, aber nichts mehr über sich selber.
Kaum waren wir wieder über der Erde, kam James. Er meinte er weiß, was mit uns passiert war und wir sollen mit ihm kommen. Wir hatten ja nichts mehr zu verlieren und folgten ihm. Er führte uns in sein Lager. Hatte bereits alles für Kayles und meine Ankunft vorbereitet und erklärte uns, was seiner Meinung nach passiert sei. Dass er genauso ist, wie wir und was er in den drei Jahren nach seinem menschlichen Tod herausgefunden hatte.
Weil alles so verwirrend und unglaublich war und wir zu doof zum Sterben, tauften wir uns auf den Namen "Jerks". Wir fanden, dass dieser Name unseren Erlebnissen und uns gerecht sei.", damit schloss Jane ihren Bericht. Während sie sprach hatte sie nur auf den Boden gesehen. Jetzt hebt sie den Kopf und blickt in Junes irritiertes und fasziniertes Gesicht. Wieder nehmen sich die zwei in die Arme und nach einer Weile sagt June: "Ich bin so froh, dass ich dich kennen gelernt habe. Du bist ein wundervoller Mensch, Jane!"

Das Lager

Die nächsten Tage sind so eintönig, wie die zuvor. Dann erreichen die Jerks das Meer. Hier am Strand sind sie ungestört. Sie schlagen ihr Nachtlager erneut auf.
Am nächsten Morgen werden die Rucksäcke wieder sicher auf Kimi und Joe verstaut. So, dass noch für alle Platz ist auf den riesigen Panzern. Die Adler und June fliegen über dem Rest. Lassen sich durch die Luft gleiten und warnen die anderen von Schiffen. Jane und June fliegen wieder Seite an Seite und es fühlt sich für beide gut an. Wieder Vertrauen zu der anderen zu haben und zu wissen, dass die andere nun mehr von einem weiß und sie sich trotzdem noch respektieren und achten.
Kimi und Joe schwimmen einige Tage durch. June und die Adler haben Schichten vereinbart, dass sie sich zwischendurch auch ausruhen können. Kimi und Joe sind vertaut und können so auch im Wechsel schlafen, ohne die Richtung zu verlieren.
Nach einigen Tagen ist endlich Land in Sicht. zwei Adler fliegen vor um zu gucken, ob das Ufer menschenleer ist. Sie geben die Anweisung weiter westlich an Land zu gehen, der Strand direkt vor ihnen sei zu belebt. Östlicher gibt es einen kleinen Strand umgeben von Klippen, der Menschenleer ist und außer Sichtweite aller Bewohner.
Ein paar Tage bleiben sie in dem Lager, während vier der Adler auf einen Erkundungsflug gehen. Am sechsten Tag kehren sie zurück und berichten, was sie gesehen haben. Das Lager der Vampire und Dämonen ist im Norden. In einem dunklen Wald. Sie haben eine Lichtung für ihr Hauptlager ausgewählt und ein paar kleinere Quartiere außenherum errichtet.
Das ganze ist ungefähr vier Tagesreisen von uns entfernt.
Am Abend vor ihrem Aufbruch halten James und Kayle eine Ansprache vor dem versammelten Rudel:
"Wie ihr alle wisst, sind Mut und Hoffnung unsere größte Stärke. Auch als Rudel sind wir stärker als alleine. Sollten wir getrennt werden oder die Dämonen schaffen es einen oder mehrere von uns gefangen zu nehmen, vergesst nicht. Wir sind ein Rudel, eine Familie. Zusammen sind wir am stärksten und wir werden um jeden einzelnen von uns kämpfen. Vergesst das nie, wenn die Dämonen ihre Manipulationen an euch vornehmen wollen. Wir lassen niemanden im Stich. Erst, wenn keiner mehr von uns übrig ist, können wir nicht mehr von Außen angreifen. Dann müssen wir es von innen aus ihren eigenen Reihen versuchen, aber wir hoffen, dass es erst gar nicht so weit kommen wird. Sollte einer in Gefangenschaft geraten, vergesst nie, dass wir alle zusammenhalten. Wir geben niemals auch nur einen von uns auf, egal, was passieren mag. Niemand wird alleine zurück gelassen. Wir werden alles, was in unserer Macht steht tun, um Gefangene zu befreien oder entmutigte wieder zu ermutigen. Auch wenn ihr ein paar Stunden oder Tage niemanden von uns hören oder sehen könnt. Wir sind da. Wir geben niemanden von uns auf! Glaubt daran. Vertraut darauf, dass der Rest von uns euch helfen wird. Hört auf keinen Fall auf zu hoffen und denkt an unser Rudel. Unsere Waffen sind Zusammenhalt, Wärme, Liebe, Mut, Hoffnung, Vertrauen und der Glaube an etwas Besseres.
Es wird nicht einfach werden. Unser Plan sieht so aus, dass wir selber einige von den Dämonen fangen und umkehren müssen. Diese so davon zu überzeugen, dass sie uns gegen ihre eigenen Gefährten unterstützen. Wir versprechen uns gegenseitig jeden einzelnen des Rudels in schwierigen Situationen zu unterstützen und nie im Stich zu lassen! Angriffspläne machen wir erst, wenn wir das Lager erkundet haben.
Somit sagen wir uns jetzt: "Einer für alle, alle für einen.", alle sprechen es laut im Chor und blicken sich dabei in die Augen.
Anschließend gibt es noch ein großes Festessen am Lagerfeuer und am nächsten Morgen ist ein weiterer Aufbruch im Gange. Die Stimmung im Rudel ist etwas angespannter, als in den letzten Wochen, merkt June.
Ein paar Tage später schlagen sie ihr Lager so nah wie möglich an dem Lager der Vampire und Dämonen auf, ohne, dass diese sie sehen könnten.
Ihr Ziel ist es einzelne Dämonen einzufangen. Würden sie sich erst an die Befreiung der menschlichen Gefangenen machen, brächten sie nur noch mehr Menschen in Gefahr, da die Dämonen neue Gefangene nehmen würden.

Der Kampf

Die Jerks beginnen Dämonen gefangen zu nehmen, die einzeln oder in kleinen Gruppen im Wald auf Jagt sind. Roya, Lizz und Ellen, die drei Einhörner haben die Aufgabe die Gefangenen zu bewachen und mit der Arbeit anzufangen. Den Dämonen eine positivere Sicht auf die Welt zu verschaffen. Den Vampiren und Dämonen fällt natürlich bald auf, dass bisher fünf von ihnen nicht zurück gekehrt sind. Drei von den Jaguaren kundschaften das Lager als Jerks aus. Und es sind stets zwei Adler in der Luft um das Rudel vor kommenden Gefahren zu warnen.
Im Kampf passiert viel und bald ziehen sich die Jerks ersteinmal wieder zurück, sie müssen sich einen neuen Plan überlegen. Auf dem Rückweg ins Lager fällt ihnen auf, dass June fehlt. Jane fliegt noch einmal zurück und sieht, wie vier Dämonen June mit sich nehmen. Sofort meldet sie den anderen von Junes Gefangennahme. Sie beschließen einen Plan zu machen, wie sie June befreien könnten.

Junes Gefangenschaft

Bei dem Angriff hält sich June zurück. Sie will nicht kämpfen. Nein, sie hat keine Angst. Sie ist eher neugierig und interessiert. Beobachtet das Geschehen. Studiert die Techniken der Vampire und Dämonen. Sie scheinen Freude dabei zu finden, wenn sie einem Jerk Schmerzen zufügen können. Lachen über ihre schrecklichen Verletzungen. Gehen immer weiter und steigern sich in den Kampf hinein.
Plötzlich hält ihr jemand von hinten den Mund zu. Packt sie und zerrt sie mit sich. An der Blauen Hand erkennt sie, dass es kein Vampir ist, sondern ein Dämon, der sie mit sich nimmt. Da sind noch mehr Dämonen hinter ihr. Mindestens drei, wie sie an den Stimmen erkennt. Widerstand ist also zwecklos. Um Hilfe kann sie nicht schreien, da die Hand des Dämons immer noch auf ihrem Mund liegt. Die anderen Jerks sind ein ganzes Stück vor ihr in die Kämpfe verwickelt. Daher lässt sie sich einfach wegschleifen. Angst hat sie immer noch keine. Auch nicht, als sie in das Lager geschleppt wird und die restlichen Vampire und Dämonen hämisch lachen.
June wird in einen kleinen Käfig gesperrt. Dieser wurde durch Stacheldraht unbequem. Am liebsten würde sie sich in eine Ecke des Käfigs setzen, die Beine anziehen und die Dämonen und Vampire genau beobachten. Aber durch den Stacheldraht kann sie sich nicht an die Gitterstäbe lehnen. Dennoch setzt sie sich auf den Boden, zieht die Beine an und umschlingt sie mit ihren Armen. Sie macht es sich so bequem, wie möglich.
Alle Einschüchterungsversuche der Dämonen, die für ihre Bewachung da sind, sind zwecklos. June bekommt keine Angst. Nein, auf ihren Lippen zeichnet sich ein kleines Lächeln. June weiß, dass ihr Clan, ihre neuen Freunde sie nicht aufgeben werden und Kayle schon gar nicht. Sie hat weder Angst vor den Dämonen, noch ist sie von ihnen angewidert. Sie findet sie und ihre Verhaltensweisen sehr interessant. Studiert ihre Mimiken und lauscht ihren Gesprächen. Sie fragt sich, was diese Dämonen in ihrem Leben durchmachen mussten, dass sie nun so sind. Woher kommt ihre Gefühlskälte. Was mussten sie in ihrem Menschlichen Leben erlebt haben, dass sie zu solchen Monstern wurden.
Durch die Gespräche ihrer Wächter bringt sie einiges in Erfahrung. Zumindest über die Dämonen, da sich die Vampire zu erhaben fühlen um die Gefangene zu bewachen.
Dämonen hassen Menschen. Sie töten sie lieber als sich mit ihnen abzugeben. June ist vermutlich auch nur noch am Leben, weil die Monster und Menschenhasser ihr nicht viel anhaben können. Wäre sie ein einfacher Mensch, wäre sie nun nicht in Gefangenschaft, sondern tot.
Die Dämonen hassen Menschen. Sie verachten diese für ihre Naivität und Dummheit. Sie lachen June aus, dass sie trotz ihrer Verwandlung und Unsterblichkeit nun in einem ihrer Käfige hockt. Doch sie schaffen es nicht Junes Willen, Neugier und Vertrauen zu brechen. Die Foltermaßnahmen findet June lächerlich. Ihr Körper spürt zwar den Schmerz der Folter, aber June hat schon mehr Schmerzen ertragen müssen. Sie blendet ihr Schmerzempfinden einfach aus. Zieht sich zurück in ihre Phantasiewelt und glaubt daran, dass Kayle sie hier raus holt. Immer wieder erscheint er in ihren Gedanken. Sie sieht ihn als Wolf vor ihrem inneren Auge. Immer wieder sagt er ihr, dass er sie liebt. Dass sie keine Angst haben muss, dass er sie dort rausholen wird. Und June glaubt fest daran. Schließlich lieben sie sich und sie hatte noch nie vorher einem Menschen so sehr vertraut wie ihm.
Wenn die Vampire sie zu den Foltermethoden holen, geht sie freiwillig mit. Stets ist Kayle in ihr als Wolf anwesend und sie geht mit einem lächeln auf den Lippen mit. Es macht ihr kaum etwas aus, wenn die Vampire ihr in den Arm beißen und ihr Blut aus den Adern saugen. Auch die Schläge der Vampire erträgt sie ohne mit der Wimper zu zucken.
Zurück im Käfig lächelt sie ihre Wachen an. Diese sind völlig irritiert, dass June so einen starken Willen hat und noch lächeln kann.
Dann fragt June ihre Bewacher, was in ihrem Leben passiert ist, dass sie nun so leben wollen. Die Dämonen sind perplex. Noch nie hat sich einer für sie interessiert oder wollte wissen, was geschehen ist. Die Wachen tuscheln miteinander. June kann sie nicht verstehen. Doch eine Antwort auf ihre Frage bekommt sie nicht. Am Abend sieht June vier Adler am Himmel. Sie erkennt Jane, die ihr aufmunternd zunickt. Junes Glauben an das Rudel steigt. Sie haben sie nicht vergessen. Kayle ist vermutlich schon am Pläne schmieden, wie er sie befreien kann. Dann legt sie sich schlafen. Nachts sind nur noch zwei Dämonen dazu abgerufen sie zu bewachen. June schließt die Augen und macht es sich auf dem bloßen Boden so gemütlich, wie es geht. Vor ihrem inneren Auge sieht sie wieder Kayles Wolfsgesicht vor sich, der ihr abermals sagt, dass er sie liebt und nie aufgeben wird. Friedlich mit einem Lächeln auf den Lippen schläft sie ein.
"Pssssst." June öffnet verschlafen die Augen. Direkt vor dem Gitter ihres Käfigst steht eine der Wachen. "Ich habe dich beobachtet.", sagt er. "Wie heißt du?" June ist irritiert. "June.", antwortet sie. "Das ist ein schöner Name. Ich bin Zeck."
"Wie schaffst du es das alles mit einem Lächeln zu beobachten?", will Zeck wissen. "Durch meinen Glauben an meine Freunde und meiner Liebe zu einem Jungen.", sagt sie nach einer kleinen Pause.
"Wie kannst du in dieser Welt noch deinen Glauben behalten?"
"Ich habe schon schlimmeres erlebt. Mein Freund ist immer für mich da. Wir lieben uns und das lasse ich mir nicht von euch nehmen!", antwortet June mit fester Überzeugung. "Was findet ihr an den Foltern und dem Töten von Menschen so toll. Wie seid ihr zu dem geworden, was ihr jetzt seid?", fragt sie neugierig.
Zeck ist einen Augenblick überrascht von ihrer Offenheit und Neugier. Er denkt über ihre Fragen nach. Ja, was findet er am töten eigentlich so toll. Dieses Gefühl Rache nehmen zu können. Der Anblick von Blut gefällt ihm. Er liebt den Geruch von frischem Blut. Aber warum eigentlich. June stellt vielleicht Fragen, denkt er. Dann kontert er mit ebenfalls mit Fragen: "Wie kannst du in dieser grausamen Welt deinen Glauben behalten. Wie schaffst du es Liebe zu empfinden. Dieses Gefühl hatte ich schon ewig nicht mehr. Was bringt dich dazu den ganzen Tag zu Lächeln, wie hältst du die Folter aus?"
"Wahre Schmerzen kommen von der Seele, nicht vom Körper.", antwortet sie. "Vertrauen können ist das schönste im Leben. Jemanden zu finden, der einen so annimmt, wie man ist. Jemand, dem man vertrauen kann, der immer für einen da ist, ist das, was im Leben wirklich zählt."
Zeck denkt erneut nach. "Was ist dir in deinem Leben widerfahren, das dich so Kalt hat werden lassen, wie du heute bist?", will June wissen.
"Das ist eine lange Geschichte und wird dich nicht interessieren. Es interessiert niemanden! Es kann niemanden interessieren in dieser schrecklichen Welt!", erwidert er. June erkennt in seinem Gesicht Schmerzen. "Doch, Zeck, mich interessiert es und ich habe hier viel Zeit!"
Nach einer Weile des Schweigens, fängt Zeck an June etwas über sein menschliches Leben zu erzählen. Seine Eltern waren Alkoholiker, haben ihre Wut an ihm ausgelassen. Mitschüler haben in ausgelacht und missachtet. Seine große Liebe ist mit einem anderen durchgebrannt. Er hatte sich in Arbeit gestürzt, hatte Erfolg. Hatte immer nur kurze Beziehungen, die in einer Katastrophe endeten. Immer wieder haben Freunde sein Vertrauen missbraucht. Kollegen haben ihn gemieden. Freundschaften gingen zu Bruch. Bis er beschloss nie wieder einem Menschen zu vertrauen.
June sitzt schweigend da und hört Zeck aufmerksam zu. Nach dem Ende von seinen Erzählungen denkt sie nach. "Was hast du denn Gutes erlebt?", fragt sie schließlich. Zeck antwortet, das er dies nicht mehr wisse. Nichts vermutlich. Diese Antwort ist June nicht ausreichend und sie fragt genauer nach. Plötzlich spielt sich auch ein Lächeln auf Zecks Gesicht ab und er erinnert sich an die Geburt seines Sohnes. An das Fussballspielen mit dem kleinen Jungen. An die Liebe zu seiner Frau.
Dann erstickt sein Lächeln und Tränen sammeln sich in seinen Augen. Ärgerlich wischt er sie aus den Augen. June lächelt ihn an und sagt, dass weinen eine Stärke und keine Schwäche ist. Zack erzählt, dass sein sieben Jahre alter Sohn und seine Frau bei einem schweren Unfall zu tode kamen und es mit ihm seitdem nur noch bergab ging. Er verlor seine Arbeit und damit sein Leben. Zog sich immer weiter zurück. Freunde wendeten sich ab und er fing an zu trinken. Bis er in den Wald ging um sich umzubringen. Er lief quer durch das Gestrüpp. Fand einen geeigneten Baum. Knotete sein Seil an einen Ast. Legte sich eine Schlinge um den Hals und sprang von dem Ast, auf dem er stand. Er verlor das Bewusstsein und als er die Augen wieder öffnete und zu sich kam, war er hier in diesem Lager. Und ein paar Tage später sah er so aus, wie die anderen Dämonen.
Während seiner Erzählungen kann June eine Veränderung an ihm feststellen. Die Hörner sind fort. Seine Haut verliert blaue Farbe und June zählt eins und eins zusammen. Die Dämonen muss man mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontieren und ihnen wieder einen Glauben an das Gute auf der Welt vermitteln.
Jetzt merkt auch Zeck die Veränderung. Er hat wieder Hände statt Pranken. Haare statt Hörnern und seine Hautfarbe kehrt zurück. Zeck bekommt Panik. Die anderen Dämonen würden ihn für seine Schwäche verachten. Was soll er jetzt bloß tun? Er muss aus dem Lager verschwinden.
Er holt einen Schlüssel aus seiner Tasche und öffnet Junes Käfig. "Ich lasse dich frei, aber nur unter einer Bedingung.", sagt er. "Was für eine Bedingung?" "Du musst mich mitnehmen!" June schenkt ihm ein breites Lächeln. "Das dürften wir hinbekommen.", sagt sie und kriecht aus dem Käfig. Nimmt ihn bei der Hand und führt ihn in den Wald.

June verwandelt sich in ihren Phönix. Steig auf meinen Rücken, fordert sie Zeck auf. Er zögert. "Bald werden sie nach uns suchen, mach schon!", sagt sie eindringlich. Er klettert auf ihren Rücken. "Halt dich gut fest!", sagt sie noch und erhebt sich in die Lust. Sie fliegt in großem Bogen um das Lager der Vampire und Dämonen. Sie entdeckt einen Adler am Himmel und fliegt auf ihn zu.
Jane hat sie bereits angekündigt, als sie ins Lager kommen. Alle sind auf den Beinen und freuen sich über Junes Rückkehr ins Rudel. Kayle schlingt seine Arme um June, küsst sie und sagt: "Ich lasse dich nie wieder los."
Auch Zeck wird von den Jerks freundlich empfangen. Er kann es kaum fassen. So eine Herzlichkeit kennt er nicht mehr. Er bereut seine Entscheidung keinesfalls und lebt sich in den nächsten Tagen gut im Rudel ein und öffnet sich immer mehr.

Nach Junes Rückkehr und der wunderbaren Verwandlung von Zeck haben die Jerks wieder Kraft geschöpft und planen einen weiteren Angriff auf das Lager.

Dämonen in Gefangenschaft

Die Manipulation der Dämonen zu einer besseren und positiveren Weltanschauung geht schneller, als sie gedacht haben. Schon nach wenigen Tagen verschwindet ihre Magie und für Roya, Lizz und Ellen wird das Bewachen weniger anstrengend, da sie sich nun nur noch um die Dämonen an sich kümmern müssen und nicht mehr zusätzlich deren schwarze Magie im Schach halten müssen. Nach neun Tagen bricht der erste Dämon, Jack, innerlich zusammen. Er kehrt in sich und redet nur noch das Nötigste. Er hält sich von den anderen Dämonen fern und bittet darum nicht mehr mit diesen "Tyrannen", wie er sie nun bezeichnet in einem Käfig sein zu müssen. Die Jerks beschließen ihn aus dem Käfig frei zu lassen, behalten ihn aber permanent im Blick, dass er nicht abhauen kann. Er verspricht nicht fortzulaufen. Ihm gefällt es in dem Lager ganz gut und da er nun die Welt mit anderen Augen sehen kann, würde er ihnen gerne im Kampf gegen die Dämonen, helfen. Er ist sehr nachdenklich und niedergeschlagen, da er nun begreift, was er den menschlichen Gefangenen angetan hat. Er schämt sich dafür auch ein Dämon zu sein.
Damit haben die Jerks ihr erstes Ziel erreicht. Sie haben es geschafft aus einem Dämon wieder einen Menschen zu machen.
Bald darauf bricht ein zweiter der Dämonen, Tom. Durch ihre Willensstärke haben sie auch ihm wieder menschliches Denken und ein Gewissen gegeben. Sie lassen ihn ebenfalls, genau, wie Jack frei im Lager umher laufen und bombadieren ihn mit Wärme, Glauben und Hoffnung. Durch das Vertrauen, das sie ihm schenken, könnte er gar nicht mehr fliehen, da er ja nun wieder menschliche Gefühle hat und da auch Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen zum Vorschein kommen. Jack und Tom sind froh über die Ereignisse. Fühlen sich nicht mehr wie Gefangene, sondern wie gleichberechtigte Menschen. Auch ihr Äußerliches hat sich geändert. Die großen Prankenhände sind kleiner geworden, Ihre Hautfarbe verliert immer mehr von dem blau. Ihre Spitzen auf dem Kopf zerfallen bald darauf zu Haaren und die Hörner verschwinden. Sie sehen schon äußerlich sehr viel freundlicher aus, als zuvor.
Der dritte Dämon, Nick, bricht innerlich zusammen. Bedankt sich für die Wandlung und spricht von Schuldgefühlen. Sie lassen ihn ebenfalls im Lager frei herum laufen. Nur June hat ein merkwürdiges Gefühl, was ihn angeht. Von den anderen ist niemand misstrauisch. Sie sagen June immer wieder, dass sie ihm unrecht tut. Dass er wieder zum Mensch wird, wie die anderen. Bald gibt June es auf den anderen von ihren Gefühlen, ihm gegenüber, zu zeigen, da diese ja nichts davon wissen wollen. Sie traut schon ihren eigenen Gefühlen nicht mehr. Bis Nick verschwindet.
Zwei Tage später geben die Adler Alarm. Die Vampire und Dämonen sind auf dem Weg ihr Lager zu stürmen. Es sind zu viele als dass sie sich hätten verteidigen können und sie wollen nicht das Risiko eingehen, dass sie die Chance haben einen Jerk gefangen zu nehmen. Also bereiten sie alles für ihre Abreise vor. Jack und Tom schicken sie in die Freiheit. Sie würden ihre Flucht nur erschweren. Die beiden anderen Gefangenen lassen sie frei, sie sollen selber entscheiden ob sie fliehen oder zurück gehen wollen.
Der eine flieht, der andere kehrt zu den Dämonen zurück. Er wird nachdem, er die Informationen über die Jerks weiter gegeben hat von den Vampiren getötet und sein Blut getrunken.
Nach zwei Tagen Verfolgungsjagt geben die Vampire und Dämonen auf. Die Jerks sind einfach schneller und die Adler und der Phönix bereits aus ihrer Sichtweite verschwunden. Sie kehren in ihr Lager zurück und sperren alle menschliche Gefangene ein, dass die Jerks niemanden mehr abpassen können. Auch die Dämonen haben von den Vampiren das Verbot bekommen das Lager zu verlassen. Die Vampire selber haben Wachposten aufgestellt und Patrouillen in die Umgebung geschickt.

Auskundschaften

Die Jerks haben einen neuen Plan. Zunächst sollen die Adler das Lager der Vampire und Dämonen auskundschaften, da diese so hoch fliegen können, dass keine Gefahr besteht.
Am nächsten Tag machen sich vier der Adler auf den Weg ins feindliche Lager. Genauer gesagt über dem feindlichen Lager. Sie verteilen sich und fliegen aus vier verschiedenen Richtungen über das Lager. Dort kreisen sie einige Runden und fliegen auf getrennten Wegen wieder zurück, damit die Feinde nicht wissen in welcher Richtung nun das Lager der Jerks ist. Am Abend berichten die vier. Machen eine Skizze vom feindlichen Lager und zeichnen die Pferche der Gefangenen ein. Sie berichten wo die Wachposten platziert sind und wie groß oder in welchem Abstand die Vampire patrouillieren.
"Sie haben vier Patrouillen losgeschickt, die jeweils in einer der Himmelsrichtungen auf und ab gehen. Jede Patrouille besteht aus sechs Vampiren. Dazu die Wachposten jeweils zwei von ihnen, die ebenfalls an den vier Himmelsrichtungen vorm Lager postiert sind.", sagt Till.
"Sie sind also wesentlich mehr als wir, wie sollen wir das dann schaffen?", fragt June in die Runde.
Kayle sagt: "Für uns sind die Wachtposten und die Patrouillen das ziel. Wenn wir es schaffen eine oder zwei der Patrouillen gefangen zu nehmen, bevor die restlichen Vampire und Dämonen auftauchen, haben wir eine gute Chance.

2. Angriff

Ein paar Tage später greifen die Jerks erneut an. Roya, Ellen und Lizz, die drei Einhörner haben jede Menge damit zu tun die Magie der Vampire im Zaum zu halten, während sich die Wölfe, Jaguare und Tiger mit der ersten Patrouille einen erbitterten Kampf bieten. Doch ohne ihre Magie haben die Vampire keine Chance. Die Bisse und Wunden, die sie den Jerks zufügen werden ebenfalls von den Einhörnern direkt verheilt und machen den Jerks nicht allzu viel aus. Die Adler kreisen über dem Geschehen. Zwei von ihnen halten Ausschau ob weitere Feinde hinzu kommen. Die anderen fliegen immer wieder mit ihren spitzen Schnäbeln auf die Vampire zu und fügen ihnen weitere Verletzungen zu. Sie halten sie davon ab fliehen zu können und warnen die anderen, wenn einer versucht ihnen zu entkommen. Die Jerks sind besser vorbereitet als beim letzten Angriff. Bald haben sie zwei der Vampire gefesselt und auf Kimi verfrachtet. Drei haben sich letztendlich freiwillig ergeben, da sie gesehen haben, dass sie keine Chance haben. Der letzte Vampir jedoch ist widerspenstiger. Kämpft, bis er keine Kraft mehr hat und etliche Verletzungen, die schmerzen. Bald ist auch er überwältigt und liegt auf Kimis Panzer.
Kaum haben sie die Patrouille besiegt, geben die Adler eine Warnung raus. Das Fehlen der Patrouille ist aufgefallen, weil sie nicht an ihrem regelmäßigen Treffpunkt erschienen sind. Die zwei nächsten Patrouillen sind auf dem Weg zu ihnen.
Die Jerks beeilen sich fort zu kommen. Kehren in ihr Lager zurück, wo sie die Vampire in zwei Käfige sperren. Die drei, die sich ergeben haben in dem einen und die drei, die sie überwältigen mussten, in dem anderen.
Ellen und Lizz bewachen die einen und Roya die anderen. June leistet Roya Gesellschaft und merkt, dass sie die Magie, die Roya abwehrt, spüren kann. Vielleicht ist das ja ihre Gabe, dass sie die böse Magie spüren kann.
Sie spricht mit Kayle darüber und auch er denkt, dass das ihre spezielle Eigenschaft sein muss. Genauso wie das Gespür für Lügen hat, da sie die einzige war, die bei dem einen Dämon Zweifel hatte, der ja letzten Endes auch begründet war. Sie soll bei den Gefangenen bleiben und Roya helfen die Magie im Schach zu halten oder sie zumindest warnen soll, wenn die Vampire wieder versuchen, ihre Magie einzusetzen. Da Roya und June nun die drei Vampire bewachen, die sich freiwillig ergeben haben, kann June ihre Fähigkeit nicht viel ausprobieren und an dem Feingefühl dafür arbeiten.
An nächsten Morgen wechseln die Vier Wachtposten die Gefangenen. Nun kann June ihre Fähigkeit verfeinern. Immer wieder kommt einer der drei Vampire auf die Idee es mit schwarzer Magie und Beeinflussung der Wächter, ihr Gefängnis zu sprengen. Roya und Jane haben eine Menge zu tun um dies zu verhindern. Jetzt wissen sie auch, warum Ellen und Lizz so KO waren und eine Runde schlafen mussten, während einige Wölfe und Jaguare die Wache übernommen haben.

Kayle leistet den beiden Gesellschaft und June fragt ihn: "Was machen wir nun mit den Vampiren, wir können sie ja nicht töten und sie uns auch nicht, aber was sollen wir jetzt mit ihnen machen?" Kayle erwidert: "Wir müssen sie überzeugen mit den Menschen einen Packt zu schließen. Dass sie nur noch Tiere jagen und keine Menschen mehr. Und auch nur noch tierisches Blut, statt menschlichem, trinken. Wir müssen ihnen irgendwie klar machen, was sie tun, wenn sie so weiter machen, dass sie sämtlichen Menschen schaden. Wir müssen ihren Glauben an das Gute wieder hervor holen. Sie so weit zu entzweien, dass sie sich nicht mehr in so großen Gruppen Aufhalten. Dass sie vereinzelt über die Erde verteilt ein viel schöneres Leben haben können. Und so lange müssen wir sie leider gefangen halten, da sie ansonsten direkt zu ihrem Clan zurück gehen würden."
"Und wie sollen wir das anstellen?", fragt June.
"Indem wir ihnen zeigen, wie glücklich man sein kann. Was Liebe ist und was Leben bedeutet.", sagt Kayle. Dann beugt er sich zu June hinunter und gibt ihr einen Kuss auf die Lippen. June ist irritiert. Er sieht ihr in die Augen und küsst sie erneut. June erwidert nun den Kuss. Eine Weile, die für June nie enden soll, stehen sie da und küssen sich, während sie eng umschlungen da standen.
Sie lösen sich wieder voneinander und beide lächeln sich an. Roya steht ebenfalls da und grinst bis über beide Ohren. "Ich habe schon länger auf diesen Moment gewartet. Alle Jerks haben darauf gewartet, dass ihr beide endlich zusammen kommt. Ihr passt gut zusammen.", meint sie.
June und Kayle tauschen einen vielsagenden Blick und beide müssen Lachen.

Liebe und Lachen ist die beste Medizin gegen die Vampire. Alle drei sind ruhig geworden. Schon seit einer halben Stunde hat keiner der Drei wieder seine schwarze Magie angewendet. Mit leuchtenden Augen, als hätten sie noch nie zwei Menschen gesehen, die sich küssen, starren sie die drei an. "Weiter.", sagen zwei von ihnen gleichzeitig. "Seit ich ein Vampir bin, und das ist schon ein paar Jahrzehnte her, habe ich niemanden mehr küssen können ohne sie zu töten. Ich wünschte ich wäre auch wieder ein Mensch, könnte ohne zu töten etwas essen. Ihr habt Recht. Die Welt kann ohne morden oder jagen so schön sein. Ich liebe diese Welt mit ihren Menschen. Ich liebe es frei zu sein und alleine zu sein. Oft brauche ich das einfach, ich habe auch im Lager öfters mal eine ruhige Ecke gesucht, wo ich ungestört nachdenken konnte.", hängt einer von ihnen noch nach. Die einzige Vampirin unter den Gefangenen, stimmt ihm zu.
Und auch die beiden blicken sich in die Augen. Beide neigen sich nach vorne und auch ihre Lippen treffen sich. Roya, June und Kayle tauschen viel sagende Blicke. Dann müssen sie lachen. Auch die beiden Vampire merken, dass es doch eine etwas seltsame Situation ist. Sie lösen ihre Lippen voneinander, tauschen einen Blick und lachen ebenfalls. Für beide ist das etwas Faszinierendes. Sie haben als Vampire nur die Erfahrung mit menschlichen Küssen, die bei den Menschen jedoch immer zum Tode führt. Und auch gelacht haben sie zu viele Jahre nicht mehr.
Am Abend werden sie wieder von einem Trupp von Wölfen und Jaguaren abgelöst, die nun die Wache übernehmen. Die Vampirin und der Vampir sitzen in einer Ecke des Käfigs. Tuschelten miteinander und kicherten. Sie scheinen glücklich zu sein endlich nicht mehr alleine in einer Gruppe zu sein. Jetzt sind sie ja zu zweit und eine Gruppe brauchen sie auch nicht mehr. Sie haben vor zu zweit auf Reisen zu gehen. Unter normalen Menschen zu leben. Freunde zu finden und vor allem ihre Freunde nicht in Gefahr zu bringen und nur noch Tierblut zur Stärkung zu trinken. Die ganze Nacht kuscheln die neuen Pärchen. Die einen in ihrem Gefängnis, June und Kayle liegen in einer Hängematten, wärmen sich gegenseitig und gucken in die Sterne während sie sich unterhalten. "Heute hatten wir einen großen Erfolg mit den Vampiren. Gleich zwei auf einmal haben wir besiegt. Morgen werden wir sie wieder gehen lassen, damit sie ihre neuen Lebenspläne verwirklichen können.", sagt Kayle. Zufrieden und voller Zuversicht schlafen June und Kayle Seite an Seite in der Hängematte ein.

Die restlichen Vampire

Die Jerks wissen nun, dass Zuneigung, Liebe und Lachen die stärksten Waffen gegen die Vampire sind. Am nächsten morgen lassen die Jerks die frisch verliebten Vampire in die Freiheit ziehen. Roya, Kayle und June bewachen heute wieder die drei, die sich freiwillig ergeben haben. Sie unterhalten sich mit den Vampiren über Gott und die Welt. Machen Späße oder erzählen Witze, dass sie gemeinsam lachen müssen. Die Vampire ändern allmählich ihre Meinung bezüglich der Weltanschauung . Sie wollen wie die anderen beiden nicht mehr zurück zu ihrem Clan von Vampiren und Dämonen.
Am Abend lassen sie den Vampir, der nun doch alleine in seinem Käfig ist, zu den anderen dreien. Sie sollen nun den Jerks helfen ihren Clan umzustimmen. Eine gute Waffe gegen den restlichen Clan, denken sie. Die Vampire sollen im Auftrag der Jerks wieder zurück in ihr Lager kehren. Die restlichen Artgenossen und Dämonen davon überzeugen nur noch tierisches Blut zu trinken und die Welt nicht mehr so schwarz zu sehen.

Sie können jedoch bei weitem nicht alle Mitglieder des Clans umstimmen und auch die Vampire und Dämonen stimmen einige wieder erneut um.
Die Vampire, Dämonen und Jerks schließen einen Vertrag ab. Niemand darf gefangen genommen werden. Der Clan und der Rudel sollen nebeneinander leben und niemandem wird gedroht. Man darf versuchen jemanden mit Worten zu überzeugen. Und vor allem dürfen keine Menschen mehr getötet oder gefangen genommen werden. Auch die Manipulation von ihnen sind streng untersagt und wird mit einem Rausschmiss aus dem Clan und einem Verstoß aus der Gemeinschaft geahndet.
Nach einer Weile vermischen sich die Ansichten zunehmend. Einige Jerks fangen an ihre Weltanschauung zu hinterfragen und einige Vampire fangen an, an das Gute in der Welt zu glauben.
Nun gibt es nur noch wenige überzeugte Vampire. Ein paar überzeugte Dämonen. Und einige überzeugte Jerks. Die restlichen Personen schwanken hin und her. Jeden Tag haben sie eine andere Meinung. Schwanken zwischen beiden Ansichten hin und her. Laufen mit. Je nachdem, mit wem sie reden oder wie ihre eigene Grundstimmung ist, fällt auch ihre Überzeugung der Weltanschauung aus.
Es gibt nur ganz wenige, die es schaffen beide Ansichten unter einen Hut zu bekommen. Die meisten sind hin und her gerissen. Es gibt für sie nur ein entweder oder. Nicht beides zugleicht.
Nach einigen Wochen hat jeder seinen Platz in der Gruppe gefunden. Die Extreme klaffen nicht mehr so weit auseinander und beide Seiten denken über die Anschauung der anderen nach. Hinterfragen ihr eigenen Überzeugungen und kommen zu dem Schluss, dass auch an den anderen Meinungen etwas dran ist und es doch ein paar Überlegungen Wert ist. Es gibt nun einmal nicht nur Gut oder nur Böse. Beide Seiten brauchen ihren Platz und ihren Freiraum. Und beide Seiten müssen akzeptiert und angenommen werden. Von jedem, egal ob nun Jerk, Vampir oder Dämon.

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Tag der Veröffentlichung: 23.11.2011

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