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Tränen...

Eigentlich müsste ich froh sein, es laufen doch endlich mal zumindest ein paar Sachen ganz gut...Aber jetzt sitze ich hier und kann nicht mehr aufhören zu weinen.
Ich habe dieses Jahr nach fast sechs Jahren meine Familie wieder gefunden...Ich meine nicht im räumlichen Sinne, die Adresse kannte ich ja die ganze Zeit, schließlich bin auch ich hier aufgewachsen und habe fast 16 Jahre hier bei meinen Eltern gewohnt.
Ich habe das erste Mal das Gefühl, dass es meine Eltern überhaupt interessiert, was mit mir ist. Nach meinem Auszug kurz vor meinem 16ten Geburtstag gab es nach einigen Wochen fast keinen Kontakt mehr...
Nach viereinhalb Jahren habe ich jetzt von meinem Aussageverweigerungsrecht gebrauch gemacht und das Strafverfahren wegen sex. M. gegen meinen Vater einstellen lassen. Dieses Verfahren war für alle nur eine Last. Mein Vater konnte die letzten Jahre "normal" weiter leben, meine Eltern hatten sich immer geweigert bei der Kripo Aussagen zu machen. Nur ich hatte Aussagen, wurde geladen, habe mich mit dem blöden Papierkram rumgeärgert und beobachten können, wie ich immer weiter abgerutscht bin.
Wie mir zunehmend alles gleichgültiger geworden ist. Wie ich immer mehr Selbstzweifel entwickelt habe. Wie ich angefangen habe mir selbst zu schaden. Dann wie ich angefangen habe mich selber zu zerstören. Und letztendlich, wie es angefangen hat mir Freude zu bereiten mich zu zerstören. Dass es das einzige ist, was mir noch ein Gefühl von Zufriedenheit und ein Erfolgserlebnis geben kann. Von Klinikaufenthalten mit Selbstverletzungen über Suizidversuche. Weitere Klinikaufenthalte mit schweren Suizidversuchen. Über Erwerbsunfähigkeit richterliche Unterbringungsbeschlüsse zu meiner jetzigen gesetzlichen Betreuerin, damit sie nicht jedes Mal die Polizei rufen müssen und sie mich auch so einweisen kann...
Ich bin froh, dass das Verfahren vorbei ist, aber es kommen auch immer mehr Zweifel... Als ich gestern zu meinen Eltern gefahren bin, um vor allem mit ihnen ins Theater zu gehen, habe ich Stundenlang überlegt, was ich anziehe. Ich hatte Lust einen Rock anzuziehen, aber es kam mir falsch vor. Ich wollte meinem Vater nicht in einem Rock gegenüber treten. Es kam mir so falsch und verlogen vor. Nach dem jahrelangen Verfahren in einem Rock rumzulaufen und dann noch meinen Eltern so gegenüber zu treten...Trotz schwarzer, blickdichter Leggins darunter...Ich hatte Schuldgefühle, habe mich dann aber doch für den Rock entschieden. Nicht trotz der Gedanken, Zweifel und Gefühle, sondern gerade wegen ihnen. Ich habe mir gedacht, dass auch ich, trotz allem, was war das Recht habe einen Rock zu tragen. Dass das Verfahren vorbei ist und es egal ist, was die Leute sagen oder denken. Dass ich das machen sollte, worauf ICH Lust habe...
Ich verstehe mich eigentlich inzwischen ganz gut mit meinen Eltern, auch wenn der Kontakt gerade erst wieder am Anfang steht...Aber ich schaffe es nicht mehr das Gefühlschaos in mir zu ignorieren. Ich kann nicht einfach vergessen, was gewesen ist. Ich kann nicht einfach ein "normales" Leben führen und arbeiten gehen, wie andere Menschen, es ist doch schon wieder nur noch eine Frage der Zeit, bis es wieder so weit ist. Bis der nächste Suizidversuch kommt. In der Hoffnung, dass es der letzte sein wird. Dieses Wissen, dass es wieder passieren wird. Dieses Wissen, dass es blöd ist, dass es keine Lösung ist etc. ja, schön, aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich es nicht ändern kann. Dass ich es nicht verhindern kann...
Vor ein paar Wochen habe ich gedacht, dass es ganz einfach sei, dass ich mich nur endlich für und nicht gegen das Leben entscheiden muss, dass ich einfach damit aufhören kann. Dass ich keine Selbstverletzungen oder Suizidversuche mehr brauche.
Ich hatte daran geglaubt. Wirklich daran geglaubt und ich hätte es auch jedem schriftlich gegeben. Allerdings war dieser Glaube nach zwei Tagen wieder wie ausgelöscht. Die Gedanken kamen immer wieder, ich konnte sie nicht mehr aushalten. Ich hatte nur noch das Gefühl, dass es mich von innen auffrisst, dass meine Seele in meinem Körper zerfetzt wird und, dass es mein Herz zerreißt.

Gerade will ich nur noch nach hause. In meine Wohnung und alleine sein. Ich habe das Gefühl, ich kann nicht mehr. Ich habe das Gefühl, dass ich es nicht mehr aushalten kann. Dass ich es einfach nicht mehr schaffe. Dass ich nicht weiter leben kann...

Wird dieser unendliche Schmerz irgendwann vergehen und wenn ja, wie viele Jahre wird es noch dauern, wenn ich es nicht schaffe dem allen endlich ein Ende zu bereiten...?

Ich kann nicht mehr...


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Tag der Veröffentlichung: 29.09.2011

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