1.Kapitel
Als ich, oder nein, spulen wir weiter zurück.
Alles fing an als ich, Amanda-Viola-Sophie Stenger, geboren wurde. Nein, das ist zu weit zurück gespult. Starten wir an meinem 5. Geburtstag.
Er war an einem Dienstag und das freute mich, denn dienstags war im Kindergarten Wandertag. Ich liebte diese Wandertage. Denn wenn alle anderen Kinder maulten, weil ihnen die Füße weh taten, freute ich mich über die Artenvielfalt der Natur.
Doch an diesem Dienstag ging ich nicht zum Wandern in den Kindergarten, denn meine Eltern eröffneten mir, dass sie sich scheiden ließen. Da an meinem 5. Geburtstag brauch für mich eine Welt zusammen. Nein, nicht irgendeine Welt brach für mich zusammen, Es brach meine Welt zusammen.
Papa zog wenig später fort, niemand wusste genau wohin.
Ich zog mich von allem und jedem zurück, selbst von meiner heißgeliebten Natur. Ich zog mich in mein Zimmer zurück und malte Bilder von den vielen Wandertagen die ich einst erlebt hatte.
Denn ich gab mir die Schuld dafür, dass sich meine Eltern getrennt hatten. Ich glaubte sie hätten sich getrennt weil ich nicht normal war, weil ich lieber im Wald herumrannte als mit Puppen zu spielen.
Damals wusste ich ja noch nicht, dass Papa eine Andere hatte. Dies erfuhr ich erst sehr viel später.
2. Kapitel
An meinem 12 . Geburtstag -einem Dienstag- bekam ich ein Wiesel geschenkt. Ich nannte es Thalia.
Als ich also Thalie geschenkt bekommen hatte kam alles wieder hoch. Ich ließ mir nichts anmerken, aber noch in dieser Nacht rannte ich mit meinem Wiesel weg, auf nimmer Wiedersehen. Ich lief in den Wald, meinen über allem geliebten Wald. Ich rannte und rannte, bis ich vor Erschöpfung umfiel. Da, auf der Lichtung auf der ich gelandet war, blieb ich dann auch einfach liegen, Thalia an mich gekuschelt und schlief ein.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war Thalia verschwunden. Doch als ich mich umdrehte erschrak ich.
Vielleicht drei Meter von mir entfernt, loderte ein kleines Feuerchen und davor saß ein kleines Weiblein. Wie ein rosiger, schrumpeliger Apfel sah sie aus.
Und ihre Kleidung sah erst recht seltsam aus, sie trug ein Kleid auf Blättern, Blättern die selbst ich nicht kannte, wo ich doch schon als kleines Kind etliche Lexika mit Tieren und Pflanzen auswendig gelernt hatte. Diese Blätter schimmerten in allen erdenklichen Farben: Perlmutt, blau, rot, lila, weis, alle Farben waren vorhanden. Ihr kurzes gelocktes Haar strahlte in einem ungewöhnlich grellen Braun-Rot.„Wer bist du?“, fragte ich, erschrocken über meine Stimme, weil ich sie seit über sieben Jahren nur für "ja", "nein" und "lass das" verwendet hatte. „Das weißt du nicht?!?“, antwortete die Alte erstaunt, „Mein Name ist Thalia Wiesel, Königin der Ululla und du bist Thalia-Amanda-Viola-Sophie Blaumeise, Prinzessin der Ululla!
3.Kapitel
„Thalia Wiesel? Ululla? Thalia-Amanda-Viola-Sophie Blaumeise? Königin , Prinzessin? Ich?!?“ „Halt, halt meine Kleine! Eins nach dem anderem. Wir die Ululla sind das blühende Volk und unsere Namen, oder besser unsere Nachnamen, kommen von dem einen Tier in das wir uns zwitschen -oder in deiner Sprache- zaubern können.
Der Name Thalia kommt vor dem eigentlichen Namen und heißt bei uns so viel wie “Von einem sehr hohem Rang“. Nur die Königinnen legen ihren Namen ab und heißen nur noch Thalia, denn sie sehen über allen…“ Ich fuhr ihr ungeduldig dazwischen: „Nein, nein ich träume sicher nur! Ja genau, das ist die Erschöpfung, das kann doch alles gar nicht sein!“ Unruhig lief ich auf der Lichtung hin und her und kaute nervös an meinen Fingernägel -nicht das davon noch viel übrig war, denn ich kaute regelmäßig ohne das ich es merkte- Die Königin verfolgte jeden meiner Schritte genau.
Diese meinte geduldig: „Du träumst nicht kleine Amanda –darf ich dich eigentlich Mandy nennen?-
Hast du schon mal etwas von Wechselbälgern gehört?“ „Ja, aber das ist doch nur ein altes Ammenmärchen,“, und fügte dann leise hinzu, „oder?“
„Nun, manche mögen es als Ammenmärchen bezeichnen…,
aber so ähnlich läuft das wirklich ab. Zwar tauschen wir unsere Bälger nicht erst in den Wiegen, sondern schon in den Leibern der Mütter.
Keine Sorge es tut ihnen nicht weh, sie bemerken es noch nicht einmal, diese dummen Menschen! Unsere Zwitzschen, also unsere ulullnischen Zaubermeister haben schon vor Jahrhunderten einen Zauber entwickelt mit dem man einen kleinen dummen Menschen in einen süßen kleinen Ulull zwitschern kann.“ Sie lächelte selig, als wäre sie in Gedanken ganz wo anders. „ Du hast doch sicher schon gemerkt, dass du nicht so bist wie die meisten anderen Kinder, nicht wahr?“ Sie setzte sich in eine bequemere Position und klopfte mit der flachen Hand auf das weiche Moos neben ihr. „Komm, Mandy, setz dich mal neben mich.“
Als ich mich zögernd setzte fuhr sie fort: „ Du bist von zu Hause weg gelaufen, darf ich erfahren warum?“ „ Als meine Mutter mir mein Wiesel Tha… Moment mal…! Wiesel, Thalia, Thalia Wiesel! Du, du bist mein Wiesel!?!“
„Nein, ein richtiges Wiesel bin ich nicht und ich gehöre auch nicht dir sondern mir! Ich bin eine Ulull und wie gesagt, unser Nachname kommt von dem einen Tier in das wir uns zwitschen können. In meinem Fall eben in ein Wiesel!“
So langsam ging mir ein Licht auf. „ Du hast gesagt mein Nachname sei Blaumeise also könnte ich –rein theoretisch- mich in eine Blaumeise –wie sagtest du doch gleich?- zwitschen?“
„Ja, das könntest du, mit der richtigen Ausbildung.“
„Aber, eins verstehe ich nicht“, murmelte ich, „ warum bist du hier bei mir?“
4. Kapitel
„Ich bin hier um dich zu holen, Mandy.“ „ Mich zu holen“, fragte ich erschrocken, „ aber, warum denn? Was habe ich denn gemacht?!“ „ Du hast nichts gemacht, aber du gehörst einfach nicht in die Welt der Menschen, das hast du doch sicher schon gemerkt.“
„ Wenn ihr sagt, die Welt der Menschen, gibt es dann auch andere Welten?“ „ Sehr scharfsinnig“, meinte die Ulull schmunzelnd, „ es gibt noch die der Ululla, der Wichtel, der Zwerge, die Elfen und Feen teilen sich-so weit ich weiß eine- und die des Weihnachtsmannes.“
„Des Weihnachtsmannes?“, fragte ich stutzig. „ Natürlich“, meinte Thalia stirnrunzelnd, „ sonst hätten die Forscher am Nordpol seine Residenz doch schon längst entdeckt!“ „ Und wie kommt man in die Welt der Ul... Ululla?“ Als wäre es das selbstverständlichste der Welt meinte die Königin: „ Ganz einfach… Gleis 17087.“
„Gleis 17087, was ist das?“, fragte ich. „ Komm mit, du wirst ihn selber sehn´.“, erwiderte Thalia gelangweilt und zwitschte sich in mein oder besser in das Wiesel zurück und verschwand im Wald. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihr hinterher zu laufen. „ Euer Hoheit, wartet, Königin Thalia…!“ Kurz nur ließ sie sich blicken, so dass ich ihr gerade so nach rennen konnte.
Ab und zu musste ich auf ihre Fiebser hören, was – wenn ich das mal so erwähnen darf- gar nicht so leicht war!
Und dann, nach einer scheinbaren Ewigkeit, sah ich den Gleis 17087.
Er war nicht aus Eisenschienen, sondern war aus bemoosten Zweigen, die so morsch aussahen, als könnten sie noch nicht einmal einem Lufthauch standhalten. Und der sollte -so wie ich vermutete- einem Zug standhalten?!?
Plötzlich stand die Ulull wieder in voller Lebensgröße neben mir. „Na? Ist er nicht gut getarnt? Hat lange gedauert, bis wir ihn so gut hingezwitscht hatten! Sicht aus als wäre er auf natürlichem Wege entstanden! Aber, “, sie legte zwei ihrer kleinen Finger zwischen ihre schrumpeligen Mandelbraunen Lippen und… ein gellend lauter Habichtsschrei drang aus ihrem Mund!, „ es hat sich gelohnt.“
Als sie dies gesagt hatte prescht lautlos –zu viel zum Thema Zug- eine blendend goldene Dampflock auf den Schienen heran und hielt direkt vor meinen, vor Staunen geweiteten, Augen!
Königin Thalia machte eine Geste die mit bedeutete ich solle einsteigen und meinte: „Ladys first!“ Worauf ich lächelnd erwiderte: „Nun, dann solltet ihr zuerst einsteigen.“
Lachend stieg Thalia also vor mir ein und ich hörte sie murmeln: „Gute Manieren scheint das Kind also zu haben…“
Glücklich stieg auch ich in die Lock und in mein neues Leben, froh alles hinter mir lassen zu können, mich würde niemand vermissen.
5.Kapitel
Die Fahrt verlief still, denn Thalia-Verzeihung- Königin Thalia schlief-und wie sie schlief!
Sie schnarchte, so wie man es sich nur bei alten Tattergreisen vorstellt. Aber, wer weiß? Ich hatte sie ja noch nicht nach ihrem Alter gefragt. Da ich nichts anderes zu tun hatte, fing ich an die Sterne zu zählen, denn es war bereits Nacht und es war zu dunkel um irgendetwas zu erkennen, außer den Sternen. Naja, und wenn Tag gewesen WÄRE, hätte ich trotzdem nicht erkennen können, denn wir fuhren so schnell das ich nichts hätte erkennen können.
Wir fuhren schon über sechs Stunden durch, naja, durch die Welten.
Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn ich schlug die Augen auf und wusste, dass ich träume. Ich hatte diesen Traum schon oft geträumt, so oft, dass ich genau wusste was als nächstes passiert. Er verlief immer nach demselben Schema ab, nämlich so:
Ich schlug die Augen auf und blickte in das schönste Gesicht, das s ich je gesehen hatte. Es war das Gesicht eines kleinen Mädchens von vielleicht zwei ein halb Jahren. Goldene lange Löckchen umrahmten die runden Wangen und die strahlend blauen Augen.
An dieser Stelle wachte ich für gewöhnlich auf, doch dieses Mal war dies nicht der Fall, dieses Mal sprach-oder besser lockte- das Mädchens mit der wunderbaren Stimme einer erwachsenen Frau: „ Amanda, Amanda, komm, komm zu mir! Ich warte auf dich, komm!“
An dieser Stelle wachte ich auf, denn jemand rüttelte mich wach. Es war die Königin der Ululla. „ Kind, Kind, was tust du?!?“, fragte sie erschrocken und ich stellte fest, dass ich gerade fast vom letzten Wagon der Lock gesprungen wäre und die Königin mich im letzten Moment vor dem sicheren Tod bewahrt hatte. „Ich,….Ich muss geschlafwandelt sein.“, stammelte ich, mein Herz schlug mir bis zum Hals. „In der Tat.“, antwortete Königin Thalia trocken.
„Von was hast du denn geträumt?“ „ Von einem wunderschönem Kind, nein, einer Frau, nein, einer wunderbaren Frau in einem wunderschönen Kind!“, meinte ich nachdenklich.
„Oh, nein!“, stöhnte die Königin erschrocken und fiel auf der Stelle in Ohnmacht.
6.Kapitel
Nachdem ich Königin Thalia in unser Abteil geschliffen und gezerrt hatte, spuckte ich ihr ins Gesicht, denn ich wusste nicht, wo ich hier hätte Wasser her bekommen können. Als sie aus ihrer Ohnmacht erwachte, starrte sie mich aus wirren Augen an. „Was ist los?“, fragte sie vollkommen verwirrt. „Ihr seid in Ohnmacht gefallen, als ich euch von meinem Traum erzählte und ich habe euch grade geweckt.“ „ Ach so.“, meinte sie verblüfft.
Angewidert wischte sie sich meinen Speichel aus dem Gesicht. „Schlaf jetzt, Manda. Wir werden in ca. fünf Stunden ankommen.“ „ Was?!? So lange noch?“, rief ich erstaunt. „Na was hast du denn geglaubt, dass wir schwupp die wupp in Ulayeye- meinem, beziehungsweise unserem Land- sind?? Zwitschen braucht seine Zeit.“ „ Du meinst, wir zwitschen gerade?“ „Nein,“, antwortete die Königin, „ unser Lockführer Xavier zwitscht.“ „ Aber, ich dachte, dass können nur eure Zwitschen?“
Tag der Veröffentlichung: 16.12.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme das Buch allen meinen Freunden und allen Scheidungskindern dieser Welt