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Ein neues Leben in einer neuen Stadt?


Wir waren gerade erst nach Shirakawa-go gezogen. Mit knapp eintausendsiebenhundert Einwohnern war dies das Dorf mit berühmten Häusern, die keinen Menschen interessierten. Ich bereute es wirklich, mit meiner Mutter hier her gezogen zu sein. Es war zwar ein wirklich schönes Dorf, aber es war eben auch total langweilig. Wenn ich zur Schule gehen würde, dann müsste ich jeden Tag mit einem Bus in die nächstgelegene Stadt fahren! In Atlanta konnte ich immer mit Fahrrad zur Schule fahren, aber hier trennten uns zwanzig Kilometer bis zur Stadt. Ein absolutes Kaff. Aber ich konnte daran nichts ändern. Meine Mutter hatte einen neuen Arbeitsplatz auf der Hauptinsel Japans bekommen und deshalb musste wir kurzfristig weg ziehen. Vorher hatten wir in Atlanta gelebt, das war diese berühmte Stadt, wo erstens die ganzen Stars herkamen und die zweitens am weitesten von Shirakawa-go entfernt war. Amerika war so weit weg von hier. All meine Freunde...Ich musste sie da lassen. Sie fehlten mir so schrecklich. Kathy, meine beste Freundin und Heath, mein fester Freund...Die beiden fehlten mir am meisten. Ich musste sie einfach verlassen. Am Tag der Abreise sah ich sie zum letzten Mal. „Pass auf dich auf.“ hatte Kathy damals gesagt. In ihren roten Augen hatten dunkele Tränen gestanden. Sie hatte mir auch noch ein Geschenk gemacht. Kathy hatte ein Fotoalbum angefertigt. Nur mit Bildern von uns beiden. Ihr fiel der Abschied schwer, genauso wie mir. Warum musste Riley-Island nur so weit von Atlanta weg sein? Heath hatte mir ebenfalls ein Geschenk gemacht. Ihm viel es auch schwer. An diesem Tag hatte er mich mit seinen großen blauen Augen unendlich traurig angeschaut. Er hatte mir einen Strauß roter Rosen geschenkt, dann noch Pralinen und ein Schmuckset mit einem paar Ohrringen, einem Bettelarmband und einer Kette. In jedes Schmuckstück waren Amethyste eingearbeitet. In jedem Anhänger des Armbandes. Es waren echte Edelsteine und Amethyste waren meine Lieblingssteine. Das musste sehr teuer gewesen sein. „Ich will nicht, dass du gehst, Alyssa.“ hatte Heath gesagt. „Immerhin bist du meine Alyssa und dann sind wir so weit voneinander getrennt.“ Ich sah in traurig an. Sein blondes Haar war dunkel vom Regen geworden, der begonnen hatte, als wir uns voneinander verabschiedeten. „Unsere Liebe wird jede Entfernung überstehen.“ sagte ich und begann zu weinen. Meine Tränen kamen und ich ließ ihnen freien Lauf. Meine Mutter hatte mittlerweile das Auto angeworfen und rief: „Alyssa! Komm wir müssen los!“ Ich umarmte Kathy zum letzten Mal und küsste Heath eingehend. Dann stieg ich wider Willen in das wartende Auto. Seitdem waren nun schon zwei Tage vergangen. Das Haus, in das meine Mutter und ich einzogen waren, war groß und geräumig. Die ganze obere Etage war mein Reich. Ich hatte alles. Ein Badezimmer, ein Wohnzimmer und ein Schlafzimmer. Doch wirklich freuen konnte ich mich darüber nicht. Gerade stand ich in meinem Wohnzimmer und schaute durch das große Panoramafenster hinaus in den trüben Regen. Und wie mir meine Freunde fehlten. Im Wohnzimmer hatte ich einen Tisch stehen, wo die Geschenke von Heath, Kathy und meiner restlichen Klasse drauf lagen. DVDs, CDs, Fotoalben, Bücher und Kosmetikartikel. Alles war dabei. Dazu noch haufenweise Pralinen und Blumensträuße. Die meisten Blumen, die ich bekamen waren Alpenrose. Soweit ich wusste stellten diese Blumen eine Fragen. Wann sehen wir uns wieder? Dieser Tisch war nur dafür bestimmt. „Alyssa! Komm mal bitte hinunter.“ rief Mum von unten. Langsam wandte ich mich um und lief die Treppe hinunter. Mum stand in dem Bogen der Haustür und sah die Post durch. Ich ging zu ihr hin. „Was ist denn?“ fragte ich. Sie hielt mir den Stapel Post hin und sagte: „Du hast Post.“ Ich sah verblüfft auf den Stapel Briefe. Es mochten bestimmt zehn, wenn nicht sogar zwanzig Briefe sein. Ich nahm ihr den Stapel ab und ging hoch in mein Wohnzimmer. Dort ließ ich mich auf mein Sofa fallen und durchstöberte die Post. Tatsächlich stand überall Alyssa Kobayashi drauf. Ich machte den ersten Brief auf. Der war von Kathy! Dort stand in ihrer wunderschönen Handschrift geschrieben: Hey Alyssa-San, wie geht es dir? Mir geht es gut, aber in unserer Klasse ist nichts mehr wie früher, als du noch bei uns warst. Wir vermissen dich alle sehr. Heath ist ganz anders. Er benimmt sich total komisch, aber das liegt daran, dass du ihm total fehlst. Ich schreibe dir jetzt immer, okay? Weil zu telefonieren wird zu teuer. Ach, warum ist Japan nur so weit von Amerika entfernt? Ich wäre jetzt gerne bei dir und würde mich lieber persönlich mit dir unterhalten. Der Abschied hat mich total durcheinander gebracht. Selbst die Lehrer sagen, dass du ihnen fehlst. Jetzt ist es nämlich so ruhig, weil es niemanden mehr gibt, der immer mit mir redet. Hihi... Naja. Witzig ist es nicht, aber es ist wirklich still in unserer Klasse geworden. Ach ja! Einige Mädels und Jungen haben mich gefragt, ob ich deine Adresse habe. Sie wollten dir nämlich auch schreiben. Du bist mir jetzt aber nicht sauer, oder? Natürlich bist du mir nicht sauer. Wie dumm von mir, denn ich weiß ja, dass meine beste Freundin nicht bei solchen Kleinigkeiten sauer auf mich wird. Oder Alyssa-San? Nun gut. Ah! Fast vergessen! Ich habe auch eine E-Mailadresse. Du kannst mir ja da schreiben. Sie lautet: Kathy_liebt_alyssa_ihre_beste_freundin@bingbang.com. Bitte melde dich!!!! Ich werde immer per Brief antworten, damit du sie aufheben kannst. Also die Briefe. Naja. Ich wünsche dir bis dahin alles Gute. Mit geliebten Grüßen, deine beste Freundin Kathy.

Ach, Kathy, dachte ich. Natürlich würde ich die Briefe aufbewahren und natürlich war ich ihr nicht sauer, aber ich glaubte ein paar Mädels und Jungen war untertrieben. Ich stand auf und legte den Brief in die Schublade des Tisches, wo meine Geschenke drauf lagen. Dann setzte ich mich wieder auf das Sofa. Der nächste Brief war von Heath. Meine geliebte Alyssa, ich vermisse dich schrecklich. Immer muss ich an dich denken. Ich kann gar nicht mehr anders. Mir fehlen deine Lippen und dein Körper. Ich bin so einsam. Du sagtest, dass unsere Liebe jede Entfernung überstehen würde und ich hoffe, dass du Recht hast. Wenn ich dich Schule abgeschlossen habe, dann werde ich dir nach Shirakawa-go folgen. Ich werde einen Ring kaufen und dir einen Heiratsantrag machen. So, dass wir für immer zusammen leben können. Hoffentlich trägst du meinen Schmuck zu jeder Zeit und denkst auch öfters an mich. Ich würde dir jetzt eine Glockenblume schenken. Eine goldene Glockenblume. So golden, wie deine Augen. Deine wunderschönen Augen. Mhm...Am besten werde ich dir meine E-Mailadresse geben. Wo ist sie doch gleich...Ah! Ich hab sie gefunden. Also sie heißt: Heath-wird-Alyssa-heiraten@wing.com Hoffentlich bewahrst du meine Briefe alle auf. Und bitte vergiss eines nicht. Ich liebe dich und werde dich immer lieben, bis in alle Ewigkeit. Dein geliebter Freund Heath. Heath! Wie sehr vermisste ich ihn. Vielleicht genau so sehr wie er mich? Nein! Noch mehr.

Er würde mir eine goldene Glockenblume schenken. Die Glockenblume steht für: unsere Herzen schlagen im gleichen Takt. Sanft strich ich den Brief glatt und legte ihn zu dem Brief von Kathy mit in die Schublade. Briefe von unseren Lehren und von Jaky, Ashley, Daniel, Jasmin, Bruno, Jonas und von Frau Smith folgten. Das waren alles Bekannte von mir und Frau Smith war die Direktorin von unser Schule. Sie verabschiedeten sich so von mir und sagte, dass der Kontakt bestehen bleiben sollte. Ich sollte berichten, wie es mir ging, wie es hier so war und wenn es mir schlecht ging. Schließlich hielt ich den letzten Brief in der Hand. Ich öffnete ihn.
Sehr geehrte Frau Alyssa Kobayashi, wir möchten Ihnen mitteilen, dass wir Sie herzlich willkommen auf der ‘Akademie der stillsten Musik‘ heißen. Wir freuen uns, dass Sie sich entschieden haben an unserer Schule Schülerin zu werden. Sie sind nun Schülerin der Klasse 2-1. Kommen Sie doch bitte am 30.04.2011 um 08.30 Uhr zu uns ins Sekretariat. Mit freundlichen Grüßen, Die Direktorin der ‘Akademie der stillsten Musik‘, Frau Kanzaki.


Also war ich auch schon auf einer neuen Schule angemeldet. „Mum?!?“ rief ich. „Komm mal her!“ Meine Mutter öffnete die Tür und steckte ihren blonde Haarschopf hinein. Ich hielt meine Mutter den Brief vor die Nase und fragte: „Du hast mich schon auf einer Schule angemeldet?“ Mum nickte und sagte: „Ist das so schlimm?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, aber hättest du nicht noch bis nach den Ferien warten können?“ fragte ich vorwurfsvoll. „Ups. Daran habe ich echt ganz und gar nicht gedacht.“ antwortete meine Mutter. Ich atmete aus. „Naja, jetzt ist es auch egal.“ sagte ich und stand auf. „Okay.“ sagte Mum und verschwand wieder. Der 30.04.2011...Das war ja schon morgen! Na toll. Nun gut, aber was sollte man machen. Ich sollte jetzt die Briefe beantworten. Sofort nahm ich mir meinen Laptop und setzte mich wieder auf die Couch. Ich schaltete ihn an und antwortete zuerst Kathy und Heath. Liebe Kathy, ich habe deinen Brief erhalten und natürlich werde ich ihn aufheben. Ach so und ich glaube, dass du mit deinen Mädels und Jungen ein Wenig untertrieben hast. Ich habe mindestens zehn bis zwanzig Briefe erhalten und zwar nur heute. Naja, ich finde es aber schön, dass du mir geschrieben hast. Deshalb sage ich jetzt: DANKE. Das ist echt nett von dir. Aber war ja auch nicht anders von meiner besten Freundin zu erwarten. Und schön, dass du mich auf dem Laufendem halten willst. Wäre echt nett von dir. Naja. Heath hat mir auch schon geschrieben. Er vermisst mich. Ich vermisse ihn auch. Und dich auch. Es ist so dumm. Naja. Was will man dagegen machen? Auf jeden Fall schöne Grüße, deine Alyssa. Schnell schickte ich sie ab. Dann schrieb ich eine Mail an Heath. Hey mein Süßer, ich vermisse dich auch ganz schrecklich und ich würde dir auch eine Glockenblume schenken. Echt zu dumm, dass Shirakawa-go so weit von Atlanta entfernt ist. Verdammt! Ich will bei dir sein! Ich will dich küssen! Ich könnte heulen. Ich will dich! Ich liiiiiiiiiiiiiiiiiebe dich! Deine dich liebende Alyssa. Abgeschickt! Dann beantwortete ich noch die anderen Briefe und schließlich war ich fertig. Langsam ging ich hinunter in die Küche. Mum war auf Arbeit. Sie hatte Nachtschicht. Das bedeutete, sie würde über Nacht nicht zu Hause sein. Morgen früh würde sie also noch nicht da sein. Ich nahm mir ein paar Reisbällchen und ein paar Scheiben von dem Lachs. Dann setzte ich mich an den Tisch und aß beides zusammen auf. Als ich schließlich fertig war, stellte ich das Geschirr in den Spüler und machte mich fertig, um ins Bett zu gehen. Es war zwar noch nicht so spät, aber ich musste ja noch nicht schlafen gehen. Ich ging duschen und zog mir mein Nachthemd an. Mit einer Haarbürste in der Hand(die habe ich auch zum Abschied bekommen...), ging ich in mein Wohnzimmer, schmiss eine DVD ein, pflanzte mich auf die Couch und kämmte mir mein schwarzes, hüftlanges Haar. Der Film war nichts weiter als eine Diashow mit Musik. Bilder von Klassenfahrten, Veranstaltungen und Wandertage. Lachende Gesichter, die noch nichts von meinem Umzug gewusst hatten. Meine Klasse gehörte zu mir. Sie war ein Teil von mir, doch jetzt fehlte sie. Der Teil meiner Klasse hatte sich in Luft aufgelöst. Ich betrachtete den Tisch mit den Geschenken. Ein kleiner Teil war geblieben. Dieser Teil trug den Namen Erinnerung. Es blieb nur meine Erinnerung. Vage bekam ich mit das mir Tränen über das Gesicht strömten. Ich wollte wieder zurück! Ich wollte mein altes Leben zurück! Der Film endete mit unserem letzten Klassenfoto. Auf dem nächsten würde ich nicht mehr zu sehen sein. Ich schaltete den Fernseher aus und ging taumelnd in mein Schlafzimmer. Der Wasserfall meiner Tränen war nun vollends versiegt. Im Zimmer lies ich das Licht aus und ließ mich auf mein Bett fallen. Ich lag danach noch lange Zeit wach, da ich einfach nicht einschlafen konnte. Es war bestimmt schon nach 00.00 Uhr gewesen. Genau wusste ich es nicht, denn ich hatte keine Uhr in meinem Zimmer, nur einen Wecker, der keine leuchtende Anzeige hatte. Aber schließlich schlief ich doch noch ein.

Der erste Schultag-neue Bekanntschaften?


Am nächsten Morgen wurde ich vom Klingeln meines Weckers aus dem Bett geschmissen. Vielleicht nicht geschmissen, aber ich war auf jeden Fall aus dem Bett gefallen. Der Boden war hart und eiskalt. „Au...“ sagte ich und richtete mich auf. Verschlafen rieb ich mir die Augen. Mein Bett war total zerwühlt und die Bettdecke war um mich geschlungen. „Es war jemand hier...“ sagte ich, als ich aufstand. Ich wusste nicht, woher ich diese Gewissheit hatte, ob jemand hier gewesen war, aber ich wusste es einfach. Ich hatte so ein Bauchgefühl. Nachdem ich mein Bett gemacht hatte, ging ich in mein Badezimmer und machte mich fertig. Ich wusch mir das Gesicht, band mein Haar zu zwei geflochtenen Zöpfen, steckte mir einen weißen Haarreif in die Haare und ging zurück in mein Zimmer. Auf dem Schreibtisch lag Kleidung. Ich ging schnell hinüber und sah, dass auf der Kleidung ein Zettel lag. Liebe Alyssa‘chen, das ist die Uniform deiner Schule. Bitte zieh sie an. Essen steht unten im Kühlschrank und ruf mich bitte nicht an. Ich wünsche dir viel Spaß in der Schule. Ich habe dich lieb. Mum. Stand dort in der Schrift meiner Mutter. Ich legte den Zettel weg und betrachtete die Uniform. Sie bestand aus einem weißen, ärmellosen Polo-T-Shirt, um dessen Kragen eine rotkarierte Krawatte gebunden war. Da man ja nicht nur in einem Oberteil herum laufen konnte, beinhaltete die Uniform noch einen rotschwarzkarierten Minirock, der in drei Schichten gegliedert war. Die erste war rot, die Nächste schwarz und die Letzte wieder rot. Die Schuhe waren schwarze, bequeme Schlupfschuhe, auch anders bekannt als Ballerinas. Um die ganze Uniform noch zu vollenden, gehörten auch noch schwarze Oberschenkelstrümpfe. Ich zog alles an und musste schließlich erstaunt feststellen, dass mir diese Uniform stand. Nur an den Rock müsste ich mich vielleicht noch gewöhnen. So kurze Röcke hatte ich noch nie in meinem Leben getragen. Ich drehte mich vor dem Spiegel einmal um mich selbst und musste wirklich sagen, ich sah süß aus. Doch dann kehrte das Gefühl zurück, dass mich jemand beobachtete. Ich verspürte dieses Gefühl seitdem ich aufgewacht war. Es war, als ich die Uniform angezogen hatte, kurz verschwunden, doch jetzt war es wieder da. Schnell nahm ich meine Schultasche und lief die Treppe hinunter in die groß eingerichtete Küche. Ich lehnte meine Schultasche an eines der vier Tischbeine und ging hinüber zum Kühlschrank. Im Kühlschrank stand gebackene Kürbistomate. Noch von gestern. Seitdem wir in Shirakawa-go waren, kochte meine Mutter nur noch japanische Gerichte. Es war kaum auszuhalten. Es wäre fast so, als wollte sie vergessen, dass wir je in Atlanta gelebt hatten. ‘Wenn wir schon in Shirakawa-go wohnen, dann müssen wir auch ab und zu japanisch essen.‘ hatte Mum gemeint. Ab und zu wäre ja okay gewesen, aber doch nicht die ganze Zeit. Jeden Morgen gab es gebackene Kürbistomate. Langsam hatte ich echt keinen Bock mehr auf gebackene Kürbistomate. Ich nahm mir ein Stück gebackene Kürbistomate und schaufelte es in mich hinein. Es hätte vielleicht total lecker geschmeckt, wenn es dieses Rezept heute nicht schon wieder geben würde. Nachdem ich aufgegessen hatte, wusch ich das Geschirr ab, nahm meine Tasche und verschwand hinaus. Dieses Gefühl, dass ein Paar Augen auf mir ruhten, verfolgte mich auf Schritt und Tritt. Es wollte einfach nicht verschwinden. Als wäre ein Scheinwerfer auf mich gerichtet. Schnell lief ich zur Bushaltestelle und wartete auf den Bus. Nervös sah ich immer abwechselnd auf meine Armbanduhr und auf die Straße. Dieses Gefühl von beobachtenden Blicken nahm nicht ab, sondern wurde immer stärker. Jetzt sah ich mich auch noch um, als würde ich verfolgt. Aber weit und breit war niemand zu sehen, der mich hätte beobachten können. Ich war vollkommen allein. Dann sah ich wieder auf die Straße und war erleichtert, dass ich in der Ferne den Bus sah. Als der Bus vor mir stehen blieb, stieg ich schnell ein und bezahlte. Beobachten und zügig lief ich nach ganz hinten und setze mich hin. Mir fiel auf, dass es ganz viele im Bus gab, die, die gleiche Uniform trugen, wie ich. Aber sie waren nur fast gleich. Es gab Mädchen mit Uniformen in den verschiedensten Farben. In Blau, Grün, Orange und noch vieles mehr. Vor mir saß ein Mädchen mit lilafarbenem Haar. Sie trug auch eine Uniform. Als ich mich setzte, drehte sich das Mädchen zu mir um. „Du bist hier neu.“ sagte sie und musterte mich von oben bis unten. „Mein Name ist Sachiko Rosé. Und wie heißt du?“ fragte sie. „Ähm....Mein Name....ist Alyssa Wave.“ sagte ich. Das Mädchen mit dem Namen Sachiko hatte blaue Augen. „Alyssa?“ fragte sie. Ich nickte. „Das ist ein schöner Name. Du gehst auf meine Schule. Und der Farbe deiner Uniform nach zu urteilen, bist du auf der zweiten Klassenstufe, oder?“ fragte Sachiko. „In die 2-1.“ antwortete ich. Sie begann zu lächeln. „In die gehe ich auch. Wir sind also Mitschüler.“ sagte sie. „Ja.“ Sachiko drehte sich jetzt vollends zu mir um. „Wo kommst du denn her?“ löcherte sie. „Aus Atlanta.“ sagte ich. „Was?!? Soweit weg?“ fragte sie erstaunt. Ich nickte. Sachiko wurde mir sympathisch. Sie schien sehr nett zu sein. „So...Hier müssen wir aussteigen.“ sagte Sachiko und stand auf. Ich folgte ihr und zusammen stiegen wir aus. Das Grundstück der Akademie war richtig groß. Fast beängstigend. Da fiel mir auf, dass diese erdrückende Gefühl verschwunden war. Ich hatte es gar nicht gemerkt. „Alyssa? Kommst du?“ fragte Sachiko. „Was? Äh...Ja natürlich.“ sagte ich und rannte hinter ihr her, bis ich sie erreichte. „Bringst du mich bitte zum Sekretariat?“ fragte ich. „Aber klar doch.“ antwortete sie lächelnd. Wir liefen über den halben Campus. Schließlich kamen wir an einem kleinen Wärterhäuschen an und liefen hinein. „Hallo, Frau Sullivan.“ sagte Sachiko. „Hallo, Sachiko. Wer ist denn Ihre Freundin da?“ fragte die Frau. „Das ist Alyssa Wave. Sie ist neu hier. Ist Frau Kanzaki da?“ fragte Sachiko. „Ah, Sie sind also die Neue hier? Sachiko, Sie wissen wo Sie Frau Kanzaki finden können. Gehen Sie ruhig zu ihr.“ sagte die Frau nett. „Danke sehr.“ sagte Sachiko und gemeinsam gingen wir weiter, bis in das Büro der Direktorin. Vor der Tür klopfte Sachiko an. Von drinnen ertönte eine Stimme. „Die Tür ist offen.“ Sachiko sah mich an und ich nickte. Sie öffnete die Tür und trat ein. „Sachiko? Was machen Sie denn hier? Haben Sie keinen Unterricht?“ fragte die Frau. „Doch, doch Frau Kanzaki. Aber ich möchte Ihnen jemanden vorstellen.“ sagte sie. Sachiko trat zur Seite und gab den Blick auf mich frei. „Ah, Sie sind doch bestimmt Alyssa Kobayashi, oder?“ fragte sie nett. Ich nickte, trat vor und schüttelte der Direktorin die Hand. „Schön, dass Sie sich schon kennen.“ sagte Frau Kanzaki. „Sachiko, dann können Sie doch bestimmt Alyssa...Wenn ich Sie so nennen darf?“ fragte sie und sah mich an. „Sicher doch.“ sagte ich. „Dann können Sie doch bestimmt Alyssa ihren Raum zeigen und ihr den Rest erklären, oder?“ fragte die Direktorin. „Ja natürlich.“ sagte Sachiko. „Gut. Ach, nehmen Sie doch Platz.“ sagte Frau Kanzaki und deutete auf die Stühle. Sachiko und ich setzten uns hin. Frau Kanzaki schob mir ein Dokument zu und sagte: „Bitte unterschreiben Sie hier und dort. Dann gebe ich Ihnen noch den Stundenplan und dann dürfen sie in den Unterricht gehen.“ Mit der anderen Hand suchte Frau Kanzaki in einer Schublade wahrscheinlich meinen Stundenplan. Ich setzte meine Unterschrift auf das Dokument und legte den Kugelschreiber auf den Tisch. Frau Kanzaki reichte mir ein Stück Papier, worauf mein Stundenplan geschrieben stand. „Vielen Dank.“ sagte ich. „Aber, aber. Ich muss mich bei Ihnen bedanken. Ich wünsche Ihnen viel Spaß auf unserer Akademie.“ sagte sie und geleitete uns zur Tür. „Auf Wiedersehen, Frau Kanzaki.“ sagten Sachiko und ich im Chor. „Auf Wiedersehen, Alyssa und Sachiko.“ sagte sie und schloss hinter uns die Tür. „Das ging ja einfach.“ flüsterte ich Sachiko ins Ohr. Sie nickte. „Auf Wiedersehen.“ sagten wir wieder im Chor. Schnell gingen wir nach draußen. „Wir müssen uns beeilen, sonst kommen wir zu spät.“ sagte Sachiko und rannte los. Ich hatte echt Schwierigkeiten mit ihr mitzuhalten, da sie rannte als wäre sie der Wind selbst. Schließlich blieb sie vor einer geschlossenen Tür stehen. „Unsere Lehrerin heißt übrigens Frau Ayuzawa.“ sagte sie und öffnete die Tür. „Sachiko! Sie sind etwas spät dran, meinen Sie nicht?“ fragte eine Frau. „Frau Ayuzawa. Jetzt regen Sie sich ab.“ sagte Sachiko cool. „Haben Sie mal in Ihr Klassenbuch geschaut?“ fragte sie frech. Ich lugte hinter Sachiko hervor und sah, dass die Lehrerin im Klassenbuch schaute. „Nanu? Da steht ja ein neuer Name.“ sagte sie. „Na ach? Frau Ayuzawa, ich möchte Ihnen Alyssa Kobayashi vorstellen.“ sagte sie und trat zur Seite. Nun stand ich allein in der Tür und merkte, wie mich die Klasse anschaute, doch ich sah nur die Lehrerin an. „Jetzt seien Sie nicht so schüchtern, kommen Sie rein und stellen Sie sich vor.“ sagte Frau Ayuzawa. Zögernd trat ich in den Raum und Geflüster begann laut zu werden. „Ich bin...Alyssa Kobayashi, bin sechzehn Jahre alt und komme aus Amerika.“ sagte ich und sah die Lehrerin an. Sachiko huschte an mir vorbei und nahm Platz. „Sie dürfen sich auch setzten. Da hinten neben Sachiko ist noch ein Platz frei.“ sagte sie. Ich neigte den Kopf zum Dank und lief mit gesenktem Kopf in den hinteren Teil des Klassenzimmers. Trotzdem hatte ich das ungute Gefühl, dass mich alle anstarrten. Sachiko saß schon fein auf ihrem Platz und wartete auf mich. Ich setzte mich neben Sachiko und packte einen Block und meine Federtasche aus. Wir hatten gerade Mathematik. Das Thema hatte ich schon auf meiner anderen Schule gehabt, also fiel es mir recht leicht. Bei jeder Aufgabe meldete ich mich und meine neuen Mitschüler sahen mich bei jedem Mal verwundert an. Die Stunde verging recht schnell und als es klingelte, fragte ich: „Was? Ist die erste Stunde schon um?“ Sachiko nickte. Ich wollte gerade meinen Block weg packen, als ich sah, was in meiner Tasche lag. Es war eine Schnittblume. Eine weiße Lilie. Die Bedeutung dieser Blume war...der Tod. Ich nahm die Blume in die Hand und hob sie hoch. „Was hast du da?“ fragte Sachiko. „Das ist eine weiße Lilie. Ihre Bedeutung ist der Tod.“ sagte ich und starrte auf die Blume. „Das weißt du?“ fragte Sachiko erstaunt. „Auf meiner ehemaligen Schule hatten wir das Fach Blumenkunde.“ erklärte ich und drehte die Lilie zwischen meinen Fingern hin und her. Sachiko nickte anerkennend. „Da hat sich bestimmt nur jemand einen Scherz erlaubt.“ sagte Sachiko. Ich nickte und meinte: „Ich will es hoffen.“ Wenn es ein Scherz war, dann hatte ich Glück, aber wenn nicht...Diese Blume sagte definitiv den Tod voraus. Diese Blume sagte definitiv meinen eigenen Tod voraus. Ich legte die Blume zurück in meine Tasche, da ich nicht wusste, was ich sonst mit ihr machen sollte. Dann drehte ich mich wieder zu Sachiko. „Jede Blume hat eine Bedeutung. Die Akazie sagte keusche Liebe aus. Die Anemone hat die Bedeutung von Freude und Verlassenheit. Die Alpenrose stellt immer eine Frage. Wann sehen wir uns wieder? Oder der Lavendel. Er sagt Reinheit, Misstrauen und Erinnerungen aus.“ erklärte ich. Sachikos Augen waren geweitet. „Bist du schlau! Und dass weißt du alles aus dem Kopf?“ fragte sie. Ich nickte. Wir hatten wohl gewusst, dass die nächste Stunde angefangen hatte, aber anstatt aufzupassen, stellte Sachiko mir weiter Fragen über Blumen. Die Lehrer merkten es gar nicht. So ging das fast den ganzen restlichen Tag so. Auf jeden Fall bis zur Mittagspause. Die letzte Stunde vor der Mittagspause hatte gerade geendet. Abermals beugte ich mich hinunter zu meiner Tasche. Nun glaubte ich nicht mehr, dass das mit der weißen Lilie ein Scherz war, denn neben der weißen Lilie lag eine schneeweiße Calla. „Sachiko...?“ fragte ich und nahm meine Tasche vom Boden und stellte sie auf den Tisch. „Was ist denn?“ fragte sie. Ich zeigte ihr die Calla. „Das ist eine Calla. Die Calla ist eine Todesblume.“ sagte ich und sah sie an. „Ich glaube nicht mehr, dass es ein Scherz ist.“ sagte ich ängstlich. „Aber...Das muss doch nichts heißen. Vielleicht gibt es noch eine Bedeutung der Blume und du weißt sie bloß nicht.“ meinte sie. Ich schwieg. Dann nahm ich meine Tasche und folgte Sachiko in den Speisesaal. Sie steuerte zielstrebig auf einen Tisch mit zwei weiteren Personen zu. Ein Mädchen und ein Junge. „Hallo Sachiko!!!“ sang der Junge und sprang auf. Er rückte einen Stuhl vom Tisch weg. Sachiko nahm auf diesem Stuhl Platz und ich setzte mich neben Sachiko. „Ren, setzt dich bitte hin.“ sagte Sachiko und der Junge meinte: „Ich tu alles für meine Prinzessin.“ Sofort setzte sich der Junge hin und sah Sachiko an. Sie hielt ihm die Augen zu und sagte: „Das ist Alyssa Kobayashi. Sie ist neu hier.“ Der Junge hatte dunkelbraune Haare und rote Augen. Er sah irgendwie verrückt aus. „Hi. Ich bin Haruka Fujibashi.“ sagte das Mädchen und hielt mir die Hand hin. Ihr Haar war rot und ihre Augen grün. Sie war wirklich hübsch. Ich ergriff die Hand und schüttelte sie leicht. Der Junge stand von seinem Stuhl auf und kam zu mir herüber. Er machte einen Kniefall und zog meine Hand zu sich heran, um sie zu küssen. „Mein Name ist Ren Takamatsu, werte Schönheit.“ sagte er. „Ach komm. Ren hör auf! Sie ist nicht dein Fall.“ sagte das Mädchen, das sagte es hieß Haruka. „Da muss ich Haruka Recht geben.“ sagte Sachiko. Außerdem habe ich einen Freund, dachte ich. Der Junge stand auf und ging schmollend zurück zu seinem Platz. „Aber jetzt sag doch mal. Wo kommst du denn her?“ fragte Haruka, als sie sich zu mir herüber beugte. „Ich komme aus Amerika.“ sagte ich selbstbewusst. Harukas weiteten sich. „Amerika...Ist das nicht furchtbar weit von hier weg?“ fragte Haruka. „Ja...“ sagte ich. „Wie furchtbar...Du musstest dein ganzen Freunde zurück lassen?“ fragte Ren. „Ja...“ sagte ich kleinlaut. Ich versuchte die Tränen zurück zu halten, doch sie strömten mir schon über die Wangen. „Nicht weinen.“ sagte Sachiko und legte mir einen Arm um die Schultern. „Das war echt taktvoll von dir, Ren-Kun.“ sagte Haruka vorwurfsvoll. „Verzeihung, Haruka-Chan. Ich wusste nicht, dass sie gleich anfängt zu weinen.“ sagte Ren. „Es wird alles gut.“ flüsterte Sachiko und umarmte mich freundschaftlich. Haruka kramte in ihrer Schultasche. Sie holte ein Taschentuch heraus und reichte es mir. „Danke.“ sagte ich und wischte meine Tränen weg. „Geht es wieder?“ fragte Haruka. Ich nickte. „Wenn ihr mögt, könnt ihr mich auch Alyssa-San oder Alyssa-Chan nennen.“ sagte ich und setzte mich wieder ordentlich hin. „Natürlich, Alyssa-Chan. Du darfst uns auch so anreden.“ sagte Sachiko und warf Ren einen vielsagenden Blick zu. Es klingelte. Und schon war auch wieder die Mittagspause um. „Ren-Kun, Hakura-San? Treffen wir uns nachher an der Bushaltestelle?“ fragte Sachiko im Gehen. Beide nickten. Sachiko und ich gingen zusammen zurück in den Klassenraum. Schnell ging ich auf meinen Platz. Da lag ein Zettel mit meinem Namen. Ich setzte mich hin und nahm den Zettel. Als ich ihn öffnete, glitt mir der Zettel aus der Hand. Auf dem Stück Papier war eine wunderschöne, weiße Lilie gezeichnet. „Was ist denn los?“ fragte Sachiko und hob den Zettel vom Boden auf. „Eine weiße Lilie.“ sagte sie und zerknüllte den Zettel. „Mach dich jetzt nicht selbst verrückt.“ sagte Sachiko und setzte sich hin. Der Lehrer kam zur Tür herein und sagte: „Klasse, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass diese und die ganze nächste Woche die sechste Stunde ausfallen wird. Also wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag.“ sagte er und alle sprangen auf. Sachiko sagte: „Freu dich! Wir haben verkürzten Unterricht.“ Ich stand langsam auf und folgte Sachiko. Heute war echt nicht mein Tag. Draußen an der Bushaltestelle standen schon Ren und Haruka und warteten auf uns. „Sachiko-San, Alyssa-Chan! Wo bleibt ihr denn?“ fragte Haruka, als wir in ihr Blickfeld kamen. „Wir wurden gerade erst entlassen, Haruka-Chan.“ sagte ich. „Nun gut. Ah, Sachiko-Sama, weißt du was mir gerade einfällt?“ fragte Ren. Sachiko-Sama? Sachiko schüttelte den Kopf. „Wir wollten doch noch den Kinobesuch nachholen, weißt du noch? Der ist doch letztens ins Wasser gefallen, weil du Krank warst.“ sagte Ren. „Ach ja. Stimmt. Wie wär’s mit diesem Samstag?“ fragte Sachiko. „Okay. Also ich kann.“ sagte Haruka. „Ich auch.“ meinte Ren. Jetzt sahen alle mich an. „Und du?“ fragte Sachiko. „Ich? Wollt ihr denn, dass ich mitkomme?“ fragte ich. „Natürlich. Du bist jetzt auch ein Teil dieser Clique.“ sagte Ren. „Wirklich?“ fragte ich nach. „Wirklich. Und? Kannst du?“ meinte Haruka. „J-Ja klar. Ich kann.“ sagte ich. „Super! Dann treffen wir uns um 12.00 Uhr hier an der Schule.“ sagte Haruka freudig. „Ich mit meinem und Ren mit seinem Auto.“ sagte Sachiko. „Aber wir können doch alle in einem Auto fahren.“ protestierte Ren. „Für uns Mädels ist ein Auto zu wenig Platz.“ sagte Haruka und warf Ren einen scharfen Blick zu. „Gut. Ich fahre dann mit Alyssa-Chan.“ rief Ren. „Vergiss es. Sie sollte sich aussuchen, mit wem sie fahren möchte.“ sagte Sachiko sofort und ich seufzte erleichtert auf. „Also? Mit wem möchtest du fahren?“ fragte Haruka. „Ren-Kun...“ sagte ich und wurde unterbrochen weiter zureden, da er rief: „Ja! Sie fährt bei mir mit!“ Haruka bemerkte, dass ich noch nicht fertig mit reden war. Ren tanzte im Kreis und rief: „Hahaha!“ Haruka schlug ihn auf den Hinterkopf und er sackte in sich zusammen. „Au! Wofür war das denn? Bist du etwa eifersüchtig?“ fragte er. „Halt bloß die Klappe. Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, Alyssa-Chan ist noch nicht fertig mit reden.“ sagte Haruka wütend, aber trotzdem ruhig. „Ren-Kun, sei mir nicht sauer, aber ich fahre mit Sachiko.“ sagte ich, als er endlich die Klappe hielt. „Was?!?“ schrie er. „Ich fahre mit Sachiko.“ wiederholte ich nochmal laut und deutlich. „Ja, ich habe es verstanden, aber warum? Ich habe mich schon so darauf gefreut. Und jetzt versetzt du mir einen Tritt in die Magengrube? Das ist unter der Gürtellinie.“ sagte er bockig. Ich konnte sehen, dass Haruka der Geduldsfaden riss, denn sie verlor die Fassung und schrie Ren an: „Nur zur Info! Den Tritt hast du dir selbst zugefügt, da Alyssa-San noch nicht fertig gewesen ist. Und unterste Gürtellinie ist nicht Alyssa-San, sondern du! Das was du hier abziehst! Alles ist, was du machst unterste Gürtellinie!“ Ich griff schnell ein. „Haruka-Chan, bitte beruhige dich. Ren-Kun kann ja nichts dafür, dass er so dusselig ist. Es ist ja eigentlich meine Schuld, da ich zu langsam geredet habe. Er ist es nicht wert sich so aufzuregen.“ sagte ich. Haruka sah mich an. „Du hast Recht. Es bringt gar nichts sich jetzt aufzuregen.“ sagte sie. Dann fiel mein Blick auf Ren. Er lag bauchlinks auf dem Boden und ab und zu zuckten seine Füße. Ich bückte mich und sah ihm in sein verheultes Gesicht. „Ich bin es nicht wert. Ich bin sie nicht wert.“ faselte Ren immer und immer wieder. Ich verdrehte die Augen und stand wieder auf. „Alyssa-San! Unser Bus kommt!“ rief Sachiko von der Straße her. Ich verabschiedete mich von Haruka und sprang über Ren, der immer noch am Boden lag. Der Bus hielt direkt vor Sachiko und gemeinsam stiegen wir ein. Sachiko wollte gleich vorne sitzen bleiben, aber ich bestand darauf, dass wir ganz nach hinten gingen. Schließlich hatte ich es geschafft. Nun saßen wir hinten im Bus und ich hatte den Überblick über alle Menschen im Bus. „Ich mag Ren nicht.“ sagte ich schließlich. „Wer mag ihn den schon. Ne, aber mal ehrlich. Er verspielt es sich bei jedem Mädchen das ihm über den Weg läuft. Aber bei Haruka hat er es nicht mal versucht. Ich glaube, dass ist einer der Gründe, warum sie so schlecht auf ihn zu sprechen ist.“ meinte Sachiko. „Vielleicht ist sie in ihn verknallt.“ sagte ich. „Das kann gut möglich sein.“ Haruka...“Aber Haruka ist nett. Wenn sie wirklich in ihn verliebt ist, dürfte sie mich doch eigentlich nicht besonders mögen. Sie versteckt es.“ schloss ich. „Das muss es sein. Eigentlich kann sie mich gar nicht leiden, aber sie versteckt es, um nicht preis zu geben, dass sie in Ren verliebt ist.“ meinte ich. „Nein. So ist Haruka nicht. So war sie noch nie und ich bin wirklich ihre beste Freundin. Ich kenne sie seit dem Kindergarten. Ren ist erst auf dieser Schule dazu gekommen.“ erklärte Sachiko. „Du hast Recht. Sie ist in Ren verliebt. Und sie ist furchtbar eifersüchtig auf die Mädchen, die er an gräbt, aber so bald Haruka merkt, dass das Mädchen nicht auf Ren scharf ist, ist ihre Eifersucht verschwunden und macht einer wunderbaren neuen Freundschaft Platz.“sagte Sachiko. „Also ich bin auf keinen Fall auf Ren scharf, denn ich habe einen festen Freund.“ rutschte es mir raus. „Echt?!? Wie ist er denn so? Sieht er gut aus? Wie heißt er?“ sprudelte es aus Sachiko heraus. „Er heißt Heath. Heath ist einfach wundervoll und süß und charmant. Zum Abschied hat er mir ein echtes Schmuckset geschenkt. Mit einer Kette, einem Bettelarmband und einen paar Ohrringen. In jedes Schmuckstück sind echte Amethyste eingelassen. Ich liebe ihn so sehr.“ sagte ich, doch je mehr ich über ihn sprach, wurde mir klar, wie sehr ich ihn vermisste. „Es tut mir Leid. Ich kann nicht.“ sagte ich und wandte mich ab. Tränen strömten mir über mein Gesicht. „Das muss dir nicht leidtun. Aber ich kann mir vorstellen, was das für Qualen sein müssen, von ihm getrennt zu sein.“ sagte Sachiko und rieb mir mit der Hand tröstend über den Rücken. Ich strich mir die letzten Tränen weg, dann drehte ich mich wieder Sachiko zu. „Ist es wieder gut?“ fragte sie. Ich nickte. Dann sah ich aus dem Fenster. „Ah, hier muss ich aussteigen.“ sagte ich und ging schnell zur Tür. „Auf Wiedersehen!“ rief ich, bevor ich ausstieg. Sachiko winkte mir zum Abschied und dann stieg ich aus. Draußen wartete ich bis der Bus weggefahren war, erst dann drehte ich mich um. Ich war auf etwas getreten. Schnell zog ich den Fuß zurück. Auf dem Boden lag eine weiße Chrysantheme. Eine Todesblume

Die Todesblumen


Ich hob die Blume auf und steckte sie in meine Tasche. Mit schnellem Schritt machte ich mich auf den Weg zu meinem Haus. Ich hatte ungefähr die Hälfte des Weges hinter mir, als mein Telefon klingelte. Schnell kramte ich in meiner Schultasche nach meinem Handy und zog es heraus. Aber leider fielen auch die Blumen aus meiner Tasche. Schnell nahm ich ab und sammelte die Blumen vom Boden auf. „Hallo?“ fragte ich. „Bist du Alyssa Kobayashi?“ fragte eine männliche Stimme. Sie könnte zu einem Jungen gehören, der ungefähr in meinem Alter war, vielleicht ein oder zwei Jahre älter als ich. „Ja.“ antwortete ich ihm. „Und wer sind Sie?“ fragte ich kurz danach. „Das spielt nichts zur Sache. Wichtig ist, dass ich dich warnen kann. Du musst so schnell wie möglich nach Hause. Lauf, und hör bloß nicht auf zu rennen. Du bist in Gefahr. In großer Gefahr. Sobald du zu Hause bist, rennst du in dein Wohnzimmer und schaltest die Nachrichten an. Hast du mich verstanden?“ fragte die Stimme. Ich nickte, doch da viel mir ein, dass die Stimme meine Bewegung gar nicht sehen kann, also sagte ich schnell: „Ja.“ „Gut und jetzt, lauf!“ rief die Stimme und der Kontakt brach ab. Ich ließ die Blumen fallen und rannte so schnell ich konnte. Meine Angst bewegte meine Beine nur noch umso schneller. Als ich zu Hause ankam, riss ich die Tür auf, schloss sie hinter mir und raste die Treppe hinauf. Zum Glück war meine Mutter gerade einkaufen, sonst würde sie sich jetzt wundern, was mit mir los war. Sofort als ich oben ankam, schaltete ich den Fernseher ein und schaute die Nachrichten. „Achtung! Das ist eine wichtige Durchsage! Heute ist aus dem Fukuoka Zoo ein Bär ausgebrochen! Kurz bevor der Bär ausgebrochen war, hatte man feststellen können, dass der Bär an Tollwut erkrankt war! Wo der Bär sich jetzt genau aufhält, ist unklar, aber Augenzeugen meinten, dass er in Richtung Waldsiedlung gelaufen ist. Wer den Bär entdeckt, der soll bitte sofort die Polizei verständigen. Das war die Durchsage zu dem tollwütigen Bär. Und jetzt weiter mit dem Wetter...“ sagte die Frau. Waldsiedlung. Wir wohnten in der Waldsiedlung. Hatte der Junge mir das Leben gerettet? Aber woher konnte er wissen, dass ich mich gerade dort befand und dass der Bär da entlang kommen würde? Ich lief die Treppe herunter und sah aus dem großen Panoramafenster im Esszimmer. Draußen war es grau. Der Himmel war mit dunklen Wolken behangen. Von hier aus konnte man alles genau überblicken. Ich konnte sogar die Stelle sehen, wo ich die Blumen fallen gelassen hatte. Angestrengt beobachtete ich die Stelle und schon nach wenigen Minuten tauchte der Bär auf, wo ich noch vor zehn Minuten gestanden hatte. Schnell griff ich zum Telefon und rief die Polizei. Ich erklärte ihr, wo ich wohnte und wie ich hieße und in wenigen Minuten waren auch schon drei Streifenwagen da. Sie kamen mit Gewähren bewaffnet aus ihren Autos und schossen auf den Bär, bis er schließlich leblos auf dem Boden lag. Ich drehte mich vom Fenster weg, da ich nicht sehen wollte, wie sie den toten Bären abtransportierten. Langsam und mit wild klopfendem Herzen ging ich die Treppe hoch. Dieser seltsame Anruf hatte mir das Leben gerettet. Wer weiß, was passiert wäre, wenn dieser Junge mich nicht angerufen hätte. Wäre ich dann jetzt tot? Wenn der Junge nicht gewesen wäre, hätte ich auch nicht die Polizei rufen können. Dann hätte der Bär wahrscheinlich jeden Menschen in der Waldsiedlung getötet. Und die Siedlung war nicht gerade klein. Ein Leben für hunderte war besser als anders herum. Das eine Leben war das Leben des Bären gewesen. Ich ging zurück in mein Wohnzimmer und ließ mich auf das Sofa fallen, doch sprang sofort wieder auf, als mein Handy klingelte. Abermals stand auf dem Display, dass die Nummer unbekannt war. Ich hob ab. „Das hast du gut gemacht. Ich bin stolz auf dich.“ sagte der Junge. Ich schwieg. „Alyssa?“ fragte die mir unbekannte Stimme. Ich schwieg abermals. „Ich weiß, dass du noch dran bist.“ sagte er. „Ich sehe dich.“ sagte er mit bedrohlicher Stimme(so empfand ich es auf jeden Fall). Sofort sah ich mich panisch um und musste zwei Dinge feststellen. Zum ersten war das Gefühl von heute Morgen wieder da und zum zweiten war ich allein. Ich konnte keinen andern Menschen ausmachen. Panik schlich durch meinen Körper. „Wo sind Sie?“ flüsterte ich leise. „Das ist egal.“ wurde mir geantwortet. Schnell legte ich auf und rannte in den Keller. Ich wusste nicht warum, aber dort fühlte ich mich sicher, denn überall anders waren diese Panoramafenster. Da fühlte ich mich fast immer beobachtet. Als ich im Keller angekommen war, versteckte ich mich hinter der Waschmaschine und wartete. Worauf ich wartete und warum konnte ich nicht sagen. Ich zitterte am ganzen Körper. Mein Handy klingelte abermals. Ich dachte nicht daran ran zu gehen und feuerte es in die andere Ecke des stockdunklem Kellers. Ich hörte wie es aufprallte und zerbrach. Langsam zog ich meine Knie an die Brust und stützte meinen Kopf darauf. Zitternd verbrachte ich die Zeit im Keller. Eine verzerrte Stimme drang zu mir nach unten. Ich konnte nicht ausmachen, wie lange ich schon hier unten saß und ich wusste auch nicht, wem die Stimme gehört, deshalb presste ich mich weiter an die Wand. Auf einmal ertönte ein lautes Gepolter, als würde etwas runterfallen und zerbersten. Mir schlotterten immer noch die Knie und zwar von Angst und Kälte. Schließlich war es in keinem Keller gerade warm. Plötzlich wurde die Tür am Treppenansatz des Kellers aufgerissen. Ein feiner Lichtstrahl schien von oben nach unten. Ich presste mich noch mehr an die Wand und hielt die Luft an. Mein Herz klopfte so laut, dass ich Angst hatte, die Person, die gerade die Stufen hinunter gelaufen kam, mich aufgrund meines lauten Herz-schlages entdecken könnte. Auf einmal war der vorher so dunkle Raum in gleißend helles Licht getaucht. Aus dem Reflex heraus kniff ich meine Augen zusammen und öffnete sie nicht mehr. „Alyssa-Chan? Bist du hier unten?“ fragte Mum. Schnell riss ich meine Augen auf und sprang auf. „Mum!“ rief ich und rannte ihr entgegen. Ihre Augen weiteten sich und füllten sich mit Tränen. Ich schlang meine Arme um meine Mutter und sie ebenfalls um mich. „Was machst du denn hier unten? Ich habe mir so große Sorgen gemacht!“ sagte sie vorwurfsvoll. „Es tut mir Leid! Es tut mir Leid! Es tut mir Leid!“ sagte ich immer und immer wieder. „Ich habe dich versucht anzurufen, aber du bist nicht ran gegangen. Ich dachte, dir ist sonst etwas zugestoßen!“ meinte Mum. „Komm lass uns erstmal wieder hoch gehen und zur Ruhe kommen.“ sagte Mum und ließ mich los. Ich ging schon vor. Mum wollte gerade das Licht ausschalten, als sie mich vorwurfsvoll fragte: „Alyssa-Chan? Ist das dein Telefon?“ Ich drehte mich um und sah in Mums verärgertes Gesicht. „Ähm...Nein?“ fragte ich. Mum lächelte und schüttelte den Kopf. Dann schaltete sie das Licht aus und gemeinsam gingen wir hoch. Ich ging in die Küche und setzte heißes Wasser für zwei Tassen grünen Tee auf. „Die Uniform steht dir.“ sagte Mum. „Aber zu Schade, dass sie schon dreckig ist.“ Ich drehte mich zu ihr um. „Der Keller ist ja nun auch nicht der sauberste Raum der Welt.“ antwortete ich. „Was hast du eigentlich im Keller gemacht?“ fragte sie. „Ich hab mich darin versteckt, weil sie in den Nachrichten von einem tollwütigen Bären berichtet haben. Und ich hatte Angst, dass, wenn ich oben bliebe, er würde durch die Tür brechen und mich töten könnte.“ sagte ich. Die Hälfte war gelogen. Ich war wirklich in den Keller gegangen, weil ich Angst hatte, getötet zu werden, aber nicht vor dem Bären sondern von dem unbekannten Jungen. Mum nickte verständnisvoll. „Aber jetzt sag doch mal. Wie war dein erster Tag?“ wollte sie wissen. „Gut.(Lüge!!!!) Die Schule ist toll(Wahrheit). Ich habe sogar schon Freunde gefunden. Zwei Mädchen(Wahrheit) und einen Jungen(Lüge!!!!). Ja, es war ein schöner Tag(LÜGE!!!!!). Mir wurden sogar Blumen geschenkt(Ja, schon. Aber das waren alles Todesblumen!!!! Also Lüge!!!).“ sagte ich lächelnd. „Das ist schön. Das fällt mir ein, dass ich vorhin wunderschöne Blumen auf dem Boden habe liegen sehen. Sie waren weiß-rot gefleckt. Moment...Ich habe sie doch...“ sagte Mum und ging zu ihrer Handtasche. „Ah! Das sind sie ja!“ rief Mum und kam mit drei Schnittblumen in der Hand zurück. Es waren eine Lilie, eine Calla und eine Chrysantheme. Alle waren weiß-rot gefleckt. Das waren die Blumen, die ich fallen gelassen hatte. Sie waren weiß gewesen, nun jedoch an manchen Stellen rot gefleckt von dem frischen Blut des toten Bären. Geschockt sah ich auf die Blumen. „Dein Gesichtsausdruck verrät mir, dass du sie auch wunderschön findest. Ich bestehe darauf, dass du dir eine aussuchst und dir in dein Wohnzimmer stellst.“ sagte Mum. „Nein...lieber nicht.“ sagte ich. „Ich bestehe darauf!“ sagte Mum wieder. Auch wenn nur sehr ungern, suchte ich mir eine der Blumen aus. Ich nahm die Chrysantheme, da sie am Wenigsten mit Blut besudelt war. „Stell sie in eine Vase und stelle sie dir in deinem Wohnzimmer auf den Sofatisch.“ sagte Mum. „Mach ich.“ antwortete ich und stellte die Blume in eine Vase. Dann nahm ich das heiße Wasser und kippte uns den Tee auf. „Du, Mum? Ich bin müde, deshalb gehe ich jetzt mit dem Tee und der Blume in mein Zimmer und lege mich schlafen.“ sagte ich. Mum sah auf ihre Uhr und fragte verwundert: „Was jetzt schon?!“ Ich simulierte ein Gähnen und wandte mich zum gehen. „Gute Nacht, mein Schatz.“ sagte sie und winkte mir zum Abschied. Schnell ging ich in mein Wohnzimmer, stellte Tee und Blume auf den Tisch und ließ mich aufs Sofa fallen. Ich nahm schnell den Tee von der Blume weg und nahm einen kräftigen Schluck. „Ah! Heiß!!“ rief ich, als ich mir die Zunge verbrannte. Dann stellte ich den Tee wieder ab und rannte in mein Badezimmer, um meine Zunge mit kaltem Wasser ab-zuspülen. Schnell ging ich zurück in mein Wohnzimmer. Ich blieb in der Tür stehen und schaute misstrauisch zu dem großen Panoramafenster. Schnell ging ich hinüber und zog den Vorhang zu. Dann ging ich in mein Schlafzimmer und zog dort ebenfalls den Vorhang vor. Dann zog ich mich um. Ich zog mir gemütlichere Sachen an und erlöste mein Haar von den geflochtenen Zöpfen. Ich nahm mir meine Bürste und ging zurück in mein Wohnzimmer. Dort sah ich einen Jungen, der sich in meinem Wohnzimmer umsah, doch bevor ich ihn genauer betrachten konnte, hatte er mich schon erblickt und löste sich in Luft auf. Ich rieb mir über die Augen und sagte: „Oh man! Alyssa, du musst echt müde sein! Jetzt siehst du auch schon Gespenster!“ Dann setzte ich mich wieder auf die Couch und trank meinen Tee, der längst schon kalt war. Mein Blick fiel auf die Blume und heftete sich daran fest. Sie war echt, daran gab es keinen Zweifel. Und sie war auch erst vor kurzem geschnitten worden. Irgendwie war die Blume ja schon hübsch. Auf irgendeine Art und Weise schon. Als ich den Tee ausgetrunken hatte, kämmte ich mir mein Haar und schließlich ging ich zurück in mein Schlafzimmer. Ich zog mir mein Nacht-hemd an und legte mich schlafen. Müde schlief ich sofort ein.
Am nächsten Morgen lag ich schon, bevor der Wecker zu klingeln begann, einige Stunden wach. Irgendwann mitten in der Nacht war ich wegen Irgendwas aufgewacht und seitdem hatte ich kein Auge mehr zugetan. Das gab mir Zeit zum Nachdenken. Eine Menge Zeit. Ich dachte wirklich viel nach.

Der geheimnisvolle Anrufer


Doch nun begann mein Wecker zu klingeln und ich musste aufstehen. Ich schlug den Wecker aus und setzte mich aufrecht hin. Dann sah ich, was wir heute für einen Tag hatten. Heute war schon Freitag. Morgen würde ich mit Sachiko, Haruka und Ren ins Kino gehen. Ich werde auf jeden Fall nicht neben Ren sitzen, ging es mir durch den Kopf und ich musste unwillkürlich schmunzeln. Es war dunkel im Kino und ich wusste ja nicht, was Ren alles versuchen würde, um mich zu erobern. Aber da konnte er lange versuchen mich zu erobern. Schließlich hatte ich einen festen Freund, der mich liebte und den ich liebte. Mit einem Lächeln auf den Lippen, stand ich auf und zog mir eine neue Uniform an. Ich ging schnell in mein Badezimmer und band mir mein Haar zu einem langen Zopf zusammen. Dann wusch ich mir noch mein Gesicht, nahm meine Schultasche und hüpfte die Treppe hinunter. Auf dem Küchentisch lag ein Handy und ein Zettel. Liebe Alyssa-Chan, da ich ja gestern ein zertrümmertes Handy im Keller gefunden habe und ich vermute, dass es dir gehört und du aber alles abstreitest, habe ich dir ein Geschenk gemacht. Das Handy das auf dem Brief lag, ist nun deines. Hab Spaß damit und pass bloß auf, dass es nicht so endet, wie das im Keller. Essen steht wie immer im Kühlschrank. Deine Mum.

Oh. Ein neues Handy. Ich nahm es in die Hand und ließ es durch meine Finger gleiten. Dann legte ich es in die unterste Ecke meiner Tasche. Langsam ging ich hinüber zum Kühlschrank. Ich öffnete ihn sehr langsam und leise. Oh. Mum hatte Mochi gemacht. Das war japanischer Reiskuchen. Da verging mir echt der Appetit. Ich machte den Kühlschrank langsam wieder zu und drehte mich schnell zur Tür. Mein Herz schlug wild. Ich könnte schwören, dass ich eben Schritte gehört und die Anwesenheit einer zweiten Person gespürt hatte. Meine rechte Hand fuhr in eine Schublade und umfasste den Griff einer Bratpfanne. Mit vorgehaltener Bratpfanne ging ich in den Flur. „W-wer ist da?“ stotterte ich mit zitternder Stimme. Die Antwort folgte in einem leichten Windzug, der meine Wange streifte. Wie ein flüchtiger Kuss, ging es mir durch den Kopf. Ein flüchtiger Kuss des Windes? Was für ein Quatsch! „Also echt. Alyssa Kobayashi! Kriegst du schon Halluzinationen?“ fragte ich mich selbst. Einbildung war schließlich ja auch eine Bildung. Da bekam ich echt schon Halluzinationen. Dann berührte ich sachte meine Wange, wo mich der Wind geküsst hatte. Sofort schüttelte ich mich. Es war bestimmt nur irgendwo im Haus ein paar Fenster auf gewesen und ich stand direkt im Zug. Ich ging wieder zurück in die Küche, legte die Bratpfanne zurück in den Schrank und verließ das Haus mit meiner Schultasche. Geistesabwesend ging ich zum Bus und als ich ankam, musste ich merken, dass ich viel zu früh war. Erst in einer halben Stunde kam der Bus. Zurück laufen wäre auch dumm gewesen und so weit war es zur Schule ja nun auch nicht. Ich sprang leichtfüßig vom Bussteig und lief am Straßenrand entlang. Nebenbei summte ich ein Lied, das ich letzten irgendwo aufgeschnappt hatte und das jetzt ein Ohrwurm war. Immer und immer summte ich es vor mich hin. Der Weg neben der Straße war nicht der beste Weg, doch man konnte ihn entlang gehen. Unkraut und Butterblumen wuchsen und sprossen am Rand, wie es Sand am Meer gab. Brenneseln, Disteln und grüne Grasbüschel waren dort verstreut und verteilt. Ein Auto fuhr an mir vorbei und wirbelte den Kies auf, der auf der Straße gelegen hatte. Die kleinen Steine trafen mit voller Wucht auf meine Beine und hinterließen kleine Schrammen, die unglaublich weh taten. „Au! Verdammt!“ fluchte ich und untersuchte die vielen Wunden. Als ich sie nur leicht berührte, sie nur sachte strich, musste ich schon die Augen zusammen kneifen und verhindern, einen Schmerzens-laut auszustoßen. Es war zwar nur mehrere kleine Wunden, aber dafür taten sie extrem weh. Mein Handy klingelte. Ich kramte schnell in meiner Tasche nach dem Handy und ging ran. Fast schon hatte ich gedacht, dieser Junge würde mich anrufen und sagen: ‘Kannst du nicht besser auf dich aufpassen? Da habe ich dir schon das Leben gerettet und der Dank dafür ist, dass du dich von Steinen verletzten lässt? ‘ Doch auf dem Display stand die Nummer von Sachiko. Ja, wir hatten gestern im Unterricht Nummern getauscht. Ja, wir sind böse. Schnell hob ich ab. „Alyssa-San? Wo bist du?“ fragte sie nervös. „Ich laufe.“ antwortete ich ihr. „Du läufst?“ wiederholte Sachiko verwirrt. „Ich war eine halbe Stunde zu früh am Bus.“ sagte ich. „Warum warst du eine halbe Stunde zu früh an der Bushaltestelle?“ fragte Sachiko. „Die Uhren in unserem Haus gehen alle eine halbe Stunde vor.“ log ich. Unsere Uhren gingen alle richtig. „Und?“ fragte sie nach. „Ich wollte keine halbe Stunde auf den Bus warten.“ sagte ich und ging humpelnd weiter. „Also treffen wir uns an der Schule?“ fragte sie. „Mhm...“ murmelte ich zustimmend. „Okay. Bis dann.“ sagte sie und ich legte auf. So fest ich konnte, biss ich die Zähne zusammen. „Verdammt. Das tut so weh!“ schimpfte ich böse. Die Schule kam langsam in Sicht und mit jedem Schritt, den ich ihr näher kam, wuchs der Schmerz bis zum Unerträglichstem an. Endlich betrat ich den Campus der Akademie. Haruka und Sachiko warteten schon auf mich und kamen mir entgegen gelaufen und als ihr Blick auf meine Beine fiel, begannen sie zu rennen. Als ich auf den gepflasterten Boden getreten war, sackte ich zu Boden und atmete schwer. Ich verstand es aber nicht. Ich verstand nicht, warum mir diese Wunden so viel Kraft entnahmen. Meine Luft... Ich bekam keine Luft. „Alyssa!“ rief Sachiko. „Was ist los?“ schrie Haruka. Ich begann zu husten und stand auf. „Es geht mir schon wieder gut.“ sagte ich und klopfte den Dreck von meinen Sachen und auch sachte von meinen Beinen. „Wie sehen denn deine Beine aus?“ fragte Sachiko, als sie vor mir zum Stehen kam. „Ich bin am Wegesrand gelaufen und dann kam ein Auto sehr schnell an mir vorbeigerast. Es wirbelte Kies und Steine auf und schleuderte es mir gegen die Beine. Aber mit so einem Tempo, dass die Steinchen richtige Schrammen in meine Beine schnitten.“ erklärte ich mit Nachdruck. „Ey, dass sieht ja furchtbar aus.“ sagte Haruka. „Es tut aber gar nicht mehr weh.“ sagte ich. Es war auch nicht gelogen. Der unerträgliche Schmerz war bis auf ein leichtes Pochen gesunken. „Aber trotzdem solltest du dich untersuchen lassen.“ sagte Sachiko besorgt. „Ach was. Gehst du denn bei jedem Kratzer zum Onkel Doktor?“ fragte ich. Als sie einsah, dass es nichts brachte, sich mit mir zu streiten und ich eh nicht zum Arzt gehen würde, seufzte sie und meinte: „Okay. Du musst ja selber wissen, was gut für dich ist. Schließlich bist du ja schon alt genug und ich habe dir ja sowieso nichts zusagen.“ Ich nickte, stellte mich aufrecht hin und lächelte. „Alles klar! Aber laufen kannst du, oder?“ fragte Haruka. Ich nickte abermals. „Okay. Jetzt habt ihr euch aber genug Sorgen um mich gemacht. Wo ist Ren-Kun?“ wich ich aus. „Der ist zu Hause. Er ist krank. Ren hat die gebrochene-Herzen-Krankheit, wie er es zu sagen pflegt.“ sagte Sachiko sarkastisch. „Ich mag ihn nicht.“ sagte ich vielsagend. Sachiko wusste sofort, worauf ich hinaus wollte. Sie warf mir einen vorsichtigen Blick zu. Haruka sah mich an. Dann klingelte es zum Unterricht. „Kommt. Lasst uns gehen.“ sagte ich und rannte zu unserem Klassenraum. Alle anderen waren schon längst da und hatten schon ausgepackt. Sachiko kam in den Raum und stürmte mir hinterher. „Bist du noch ganz okay?!? Du kannst doch nicht vor Haruka sagen, dass du Ren nicht magst. Jetzt denkst sie doch erst Recht, dass du ihn liebst!“ meinte sie total aufgebracht. „Lass das doch bitte einfach mal meine Sorge sein!“ antwortete ich ihr seelenruhig. Die Lehrerin, Frau Ayuzawa kam herein und begann den Unterricht. Ich passte nicht auf und spielte mit meinem Bleistift herum. Langsam ließ ich ihn durch meine Finger rollen und kreisen. Die Stunden strichen dahin, als wollten sie mich ärgern. Es kam mir vor, dass die einzelnen Minuten Stunden brauchten um zur nächsten überzugehen. Ein Gähnen entfuhr mir. Endlich klingelte es zur Mittagspause. Ich stand auf. „Man, kommt dir es auch so vor, als wären seitdem Stundenbeginn heute Morgen fünf Jahrzehnte vergangen?“ fragte ich Sachiko und danach ließ ich ein langes Gähnen frei. „Nein. Ich fand die Stunden vergingen recht schnell.“ antwortete sie. „Heute ist Freitag, oder?“ fragte ich. Sachiko nickte. „Gehen wir dann morgen nun ins Kino?“ fragte ich. Sachiko sah mich an. „Willst du nicht?“ fragte sie. „Doch. Aber ich muss doch wissen, ob wir uns morgen nun treffen.“ sagte ich. „Na siehst du. Damit ist deine Frage beantwortet.“ sagte sie. Ich blieb stehen. „Sachiko. Ich habe keinen Hunger. Ich gehe jetzt nach Hause.“ sagte ich und wandte mich um. Langsam, aber doch schnell genug, ging ich aus dem Gebäude heraus. Ich hatte keinen Hunger und die sechste Stunde würde sowieso ausfallen, also ging ich gleich nach Hause. Als ich an der Bushaltestelle ankam, hatte ich großes Glück, da gerade ein Bus vorfuhr. Schnell lief ich zu dem Bus hin und stieg ein. Der Bus war vollkommen leer, bis auf den Busfahrer und mich. Ich setzte mich hin und der Bus fuhr los. Ich sah aus dem Fenster und beobachtete die Landschaft, die an mir vorbei sauste. Schneller, als ich dachte, war ich schon zu Hause. Ich stieg aus dem Bus aus und lief nach Hause. Es war schönes Wetter draußen. Die Sonne schien, die Vögel sangen ihre Lieder und Wärme erfüllte die Luft. Ein gute-Laune-Wetter. Mein Haus kam in Sicht und ich lief schneller. Seit gestern ging ich jetzt immer eine Abkürzung, mit der ich schneller zu Hause war. Ich ging einfach durch den Wald. Gerade war ich erst aus dem Bus gestiegen und jetzt war ich auch schon zu Hause. Ich öffnete die Tür des großen, viktorianischen Hauses und trat ein. Mum war wie immer noch nicht zu Hause. Heute hatte sie Spätschicht. Das hieß sie würde erst heut Abend nach Hause kommen. Ich ging in mein Wohnzimmer und ließ meine Tasche auf den Boden fallen. Langsam und kaputt ging ich hinüber zur Couch und ließ mich in den weichen Stoff sinken. Dann zog ich langsam meine Beine zu mir heran und strich leicht über die Schürfwunden. Sie brannten noch leicht. Ich fluchte, als mein Handy klingelte, ich mich erschrak und mit dem Finger voll eine der Wunden auf riss. Sofort rannte ich zu meiner Tasche und wühlte nach meinem Handy. Gleich als ich es fand, ging ich ran. „Hallo?“ fragte ich. „Alyssa! Herr Gott was hast du nur gemacht? Deine Beine sehen ja furchtbar aus!“ sagte der Junge. „Was geht Sie das an?“ fragte ich forsch. „Es geht mich eine Menge an! Aber zurück zu dem Thema, warum ich anrufe! Du darfst morgen nicht mit deinen Freunden ins Kino gehen!“ meinte er. „Denken Sie etwa, dass ich als Einzige zu Hause bleibe? Wenn ja, dann haben Sie sich da furchtbar geschnitten!“ schrie ich. „Bleib ruhig. Bleib morgen einfach zu Hause. Ich will dir nichts Böses. Ganz im Gegenteil...“ sagte die Stimme. „Jetzt hören Sie mir mal zu! Sie haben mir gar nichts zu sagen! Und egal was Sie wollen, ich gehe mit meinen Freunden ins Kino! Und ich will nicht, dass Sie mich länger belästigen, deshalb wünsche ich Ihnen noch ein schönes Leben.“ sagte ich. „Ich dir auch, aber wenn du gehst, wird du nicht mehr lange lebendig sein.“ sagte die Stimme traurig. „Das lassen Sie mal mein Problem sein! Bye!“ sagte ich und legte auf. Dieser Typ machte mich so rasend. Er schien zu wissen, wer ich war, doch ich wusste nicht, wer er war. Und diese Tatsache machte mir Angst. Ich legte mein Handy mit zitternder Hand weg und setzte mich auf die Couch. Was hatte der Typ damit gemeint, wenn ich gehen würde, würde mein Leben nicht mehr lange dauern? Meinte er, wenn ich gehe, werde ich sterben? Zweifel kamen in mir auf. Hatte er Recht? So wie mit dem Bären? Sollte ich wirklich nicht gehen? Ach was! Das letzte Mal war ich allein und morgen würde ich nicht allein sein. Morgen würden Ren, Haruka und Sachiko bei mir sein. Also bräuchte ich keine Angst zu haben.
Trotzdem machte ich mir noch den restlichen Abend über den Anruf Gedanken. Und wenn nun Sachiko, Ren und Haruka auch drauf gingen? Daran dachte ich auch. Ich hatte noch einige Stunden auf dem Sofa gesessen und mir Gedanken gemacht, bis ich mich schließlich, ohne Abendessen, dafür entschied, schlafen zu gehen. Die Nacht war ruhig, doch in mir selber tobte ein Sturm. Ich war schon eingeschlafen, aber Alpträume quälten mich. Es waren dunkle Träume und deshalb konnte ich nicht ausmachen, wovon sie handelten. Aber eines konnte ich sehen. Schwarze Federn, oder waren das schwarze Schwingen. Genau konnte ich es nicht sagen, da sie immer verschwanden, wenn ich sie näher ansehen wollte.

Ein Kinobesucht mit Folgen


Mit einem Schrei in der Kehle wachte ich auf. Es war morgens. Die Sonne schien in blassen Lichtstrahlen durch mein Fenster herein und funkelte. Voller Panik sah ich mich um. Nirgendswo war eine schwarze Feder zu entdecken. Langsam ließ ich mich zurück in mein Bett sinken, bevor ich auf den Wecker sah und aufsprang. „Ich bin spät dran!!!!“ schrie ich. Mein Wecker zeigte die Uhrzeit 10.15 Uhr. Und schon um 12.00 Uhr wollten wir uns an der Schule treffen. Schnell rannte ich ins Badezimmer und sprang unter die Dusche. Ich wusch mir mein Haar und sofort, als ich fertig war sprang ich aus der Dusche und rannte nur mit einem Handtuch bekleidet zurück in mein Zimmer, wo ich meinen Kleiderschrank auf den Kopf stellte. Es muss doch etwas passendes da sein, dachte ich. Schließlich wählte ich ein weißes Top ohne Träger. Auf dem Top war ein großer Smiley abgebildet. Zu dem Top wählte ich mir dann noch eine dunkelblaue Röhrenjeans und zog sie an. Nun war es schon 11.15 Uhr. Jetzt musste ich mich aber beeilen. Schnell nahm ich meine Tasche und rannte los. Bevor ich das Haus verließ, hielt ich noch einmal inne. Wenn du gehst, wirst du nicht mehr lange leben...

Genau das hatte der Junge gesagt. Ich schüttelte den Kopf und verließ das Haus. Schnell lief ich zum Bus. Ich rannte mal wieder durch den Wald. Gerade noch rechtzeitig erreichte ich den Bussteig, um nicht den Bus zu verpassen. Schnell sprang ich hinein und setzte mich hin. Die Landschaft flog dahin und ich hätte fast meine Station verpasst. Ich stieg aus und vor dem Tor der Schule standen bereits zwei Wagen. Ein karibikblauer und ein knallgelber. Haruka, Sachiko und Ren warteten. „Da ist sie ja endlich.“ sagte Haruka sehr laut. „Alyssa! Komm beeil dich jetzt!“ rief Sachiko. Ich begann zu rennen. Ren und Haruka stiegen schon in das knallgelbe Auto ein. Schneller rannte ich. Als ich das Auto erreicht hatte, stieg ich schnell ein. „Hey.“ sagte Sachiko und fuhr los. „Hi.“ antwortete ich ihr. „Ich bin zu spät.“ sagte ich. „Na, du kannst aber nichts dafür, dass der Bus jetzt erst gekommen ist.“ sagte Sachiko. Mein Handy klingelte. Schnell kramte ich in meiner Tasche und hob ab. „Hallo?“ fragte ich. „Wo willst du hin?“ fragte die Stimme. „Sie schon wieder! Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen mich nicht mehr anrufen!“ sagte ich. „Und ich habe gesagt, du sollst zu Hause bleiben!“ antwortete der Junge. „Wissen Sie was? Sie nerven mich. Deshalb sage ich jetzt bye.“ sagte ich wütend, legte auf und lehnte meinen Kopf an die Nackenstütze. „Ärger?“ fragte Sachiko. „Wie man es nimmt.“ sagte ich. „Seit Tagen ruft mich irgendein verrückter Spinner an und will mir weis machen, dass ich, wenn ich mit euch ins Kino gehe, sterben werde.“ sagte ich abschätzig. „Echt? Und woher hat der deine Nummer?“ fragte sie. „Tja, was weiß ich. Das hat er mir noch nicht versucht weis zu machen. Ich weiß eigentlich gar nichts über ihn.“ sagte ich. „Hm...komisch. Doch du weißt, dass er verrückt ist. Das ist doch schon mal was.“ meinte Sachiko. „Er nervt mich so was von. Schließlich bin ich ja nicht allein.“ sagte ich. „Genau.“ sagte Sachiko. „Wie weit ist es eigentlich bis zum Kino?“ fragte ich. „Eine viertel Stunde Fahrt.“ sagte sie und schaute starr auf die Straße. Ich sah aus dem Fenster und versank in Gedanken. Erst als Sachiko mich antippte, war ich wieder voll bei der Sache. „Wir sind da.“ sagte sie und nickte in Richtung Kino. Es war groß und anspruchsvoll. Langsam stieg ich aus. Mein Blick war auf das Kino geheftet. Haruka und Ren standen schon längst vor der Tür. Sachiko und ich liefen schnell zu ihnen herüber. „Was gucken wir den für einen Film?“ fragte ich. „Liebe mich oder hass mich.“ sagte Ren. Hieß so der Film? Ah! Natürlich! Das war der Film mit dem Mädchen und den zwei Typen. Den kannte ich schon. „Den Film kenne ich schon.“ sagte ich. „Aber das ist ja nicht so schlimm. Dann warte ich einfach draußen.“ warf ich schnell ein, als ich Harukas stechenden Blick sah. „Bist du dir sicher?“ fragte Sachiko. „Passt schon und wenn nicht, dann wird’s passend gemacht.“ sagte ich lächelnd. „Ich habe genug Geld bei, dass ich shoppen gehen kann.“ sagte ich. Sachiko nickte verunsichert. „Ruf mich an, wenn der Film vorbei ist.“ sagte ich und wandte mich zum Gehen. „Ja, aber...Okay.“ sagte Haruka. „Alyssa-San! Bleib aber in der Nähe von Menschen!“ rief Sachiko mir hinterher. Bleib aber in der Nähe von Menschen! Du weißt, was der Spinner gesagt hat. Sachiko hatte diese Worte nie ausgesprochen, doch sie waberten zwischen uns in der Luft. „Ja! Geht schon klar!“ antwortete ich ihr. Sie rieb sich noch ängstlich die Arme und sah mir nach, bevor ich Sachiko und die Anderen aus dem Blickfeld verlor.
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Sachiko sah Alyssa noch etwas länger nach. Auch als Alyssa längst nicht mehr zu sehen war. „Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.“ sagte Sachiko und wandte sich an Ren und Haruka. „Sie wird das Boot schon schaukeln.“ sagte Haruka, aber auch sie hatte ein schlechtes Gefühl. Haruka tat es sehr leid, dass sie vorher so abweisend zu Alyssa gewesen war. „Alyssa wohnt doch noch nicht so lange in Japan. Was ist wenn sie sich verläuft?“ fragte Ren besorgt. „So wie ich Alyssa kenne, wird sie nicht so dumm sein und sich verlaufen.“ antwortete Sachiko, selbstbewusster als sie sich fühlte. „Hoffen wir‘s.“ sagte Haruka. Schließlich gingen Ren, Haruka und Sachiko mit schlechtem Gefühl hinein ins Kino und machten es sich im Kino bequem.
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Ich ging langsam die Einkaufsstraße entlang. Hielt mal hier und mal dort an. Es gab so viel Neues zu entdecken. Japan war wirklich ein erstaunliches Land. Es hatte eine ganz andere Kultur als Amerika. Ich war gerade an einem Stand mit Kimonos angekommen und sah mich um. „Hallo, schöne Frau. Wie wär es mit einem wunderschönen Kimono, nur für Ihre schöne Figur?“ fragte der Verkäufer. „Ich sehe mich noch um.“ antwortete ich. „Nicht so bescheiden. Hier und zwar nur hier, gibt es die schönsten Kimonos der Welt. Für Sie wird da bestimmt auch etwas dabei sein.“ sagte er und suchte in ein paar Kartons herum. Es lagen wirklich schöne Stücke zum Ansehen auf dem Tisch ausgebreitet. „Wie wär es denn mit diesem Exemplar hier?“ fragte er und hielt einen pinken Kimono hoch. Ich hasste pink. Schnell schüttelte ich den Kopf. Der Verkäufer suchte weiter. dann hielt er einen orangen Kimono hoch. Der Kimono sah einfach lächerlich aus, also schüttelte ich abermals den Kopf. Den nächsten Kimono, den der Verkäufer hoch hielt, war perfekt. Er war schwarz und mit goldenen Blumen verziert. Ich verliebte mich sofort in ihn. „Den nehme ich.“ sagte ich, nachdem ich ihn anprobiert hatte. Der Verkäufer lächelte mich mit breitem Grinsen an und packte ihn mir ein. Dann ging ich weiter. Die Einkaufsstraße war bunt und gut besucht. Rote, Blaue, Gelbe und Grüne Stoffe. Alles was das Herz begehrte. Langsam gewöhnte ich mich an Japan. Eigentlich war es ganz schön hier. Mein Handy klingelte. Ich hatte eine SMS bekommen. Die SMS war von Sachiko. Wir treffen uns um 14:45 Uhr am Restaurant ’Zum feuerspeienden Drachen‘. Sei vorsichtig. Und halte dich immer in der Nähe von Menschen auf. Du weißt schon. Wegen dem Spinner. Ein Restaurant? ‘Zum feuerspeienden Drachen‘? Das war ein komischer Name für ein Restaurant. Ich glaubte, ich war noch nicht an diesem Restaurant vorbei gegangen. Hoffentlich hatte ich auch Recht, denn ich war schon ziemlich weit gelaufen. Das Ende der Straße konnte ich gar nicht mehr sehen. Es war schon zu weit weg. Kein Wunder. Na ja. Ich ging weiter und weiter. Dann sah ich auf die Uhr. Es war 13:00 Uhr. Ich hatte noch ein wenig Zeit. Langsam schlenderte ich wieder von Stand zu Stand. Irgendwann ging ich an einem Stand mit Büchern vorbei. Ich ging zurück und schaute mir die Bücher an. Das Buch ‘Schwarze Rosen‘ schien interessant zu sein und deshalb nahm ich es mit. Es ging darin darum, dass ein Mädchen in eine neue Klasse kam und ein neuer in ihre Klasse kam. Sofort verliebte sich das Mädchen in den Jungen und er auch in sie, doch dann kam er wegen ihr in Gefahr und weil sie ihn so liebte, verließ sie ihn. Der Junge jedoch konnte sie nicht verstehen und folgte ihr bis an das Ende der Welt. Ich fand dieses Buch so toll, dass ich sofort begann zu lesen. Irgendwann war ich so vertieft in das Buch, dass ich gar nichts mehr wahr nahm. Ich merkte nicht wie es dunkel wurde, wie ich irgendwo hin lief und es kälter wurde, bis ich einen Wolf heulen hörte. Sofort sah ich auf und blickte mich um. Ich war ganz allein und wusste nicht, wo ich war. Schnell legte ich das Buch in meine Tasche und sah mich um. Um mich herum standen einige verlassene Häuser und verfallene Gebäude. Von jedem Gebäude war fast die ganze Farbe abgeblättert und alle Scheiben eingeschlagen. Ich hörte abermals einen Wolf heulen und dann packte mich die Angst. Panik stieg in mir auf. Sofort kramte ich mein Handy heraus und versuchte Sachiko anzurufen. Ich konnte sie nicht erreichen. Mein Akku war leer! Was sollte ich jetzt nur machen? Ich wusste nicht, was ich machen sollte, also rannte ich einfach los. Ich rannte immer schneller durch die verlassenen Gassen und meine Angst trieb mich noch schneller voran. Egal wohin ich auch rannte, es schien, als würde ich immer wieder zurück zu dem Punkt kommen, wo ich los gerannt war. Verdammt. Was war das? Ein Alptraum? Wie sollte ich denn jetzt je wieder zurück finden? Vor lauter Verzweiflung sackte ich zu Boden und begann zu weinen. Und was nun? Ich weinte still und leise. Plötzlich ertönten Schritte hinter mir. Sofort riss ich meine Augen auf und hörte auf zu weinen. Mein Herz pochte schnell. Es schien, als wolle es mir aus der Brust springen. Mein Atem ging schnell und stoßweise. Ich hatte Angst. Ich hatte große Angst. Die Schritte kamen auf mich zu und blieben hinter mir stehen. Dann zog mich eine Hand an den Haaren hoch. Ich schrie unter Schmerzen auf. Es tat so weh und ich hatte so schreckliche Angst. Ein Mann hielt mich fest und drehte mich so, dass ich ihn ansehen musste. „Du bist hübsch.“ sagte der Mann und pustete seinen Atem direkt in mein Gesicht. Der Atem stank nach Zigaretten und Alkohol. Ich hielt die Luft an und versuchte mich von der Hand zu befreien. Zwei weitere Männer erschienen und lachten höhnisch. Mit der anderen Hand fuhr der Mann über meinen ganzen Körper, bis seine Hand schließlich unter mein Oberteil fuhr. Er betastete meinen Körper ruhig und gelassen. Dann begann er zu lächeln. Die Hand, die zuvor meinen Körper betastet hatte, glitt jetzt hinter den Rücken des Mannes und zog etwas sehr scharf aussehendes hervor. Es war ein Messer! Mit dem Messer schnitt er meine Hose auf, ohne mich dabei zu verletzen. Immer noch lächelnd zog er meine Hose runter und ich hatte nur noch einen Slip und mein Oberteil an. Schnell schnitt der Mann auch noch mein Oberteil auf. Wieder wurde ich nicht verletzt. Doch jetzt stand ich halbnackt vor drei perversen Männern. Nur noch in BH und Slip. Die anderen zwei Männer traten neben den Mann, der mir meine Kleider vom Leib geschnitten hatte und drückten mich gegen eine der eiskalten Hauswände. Der Mann, der nun zurück blieb, fummelte an seiner Hose rum und zog sie runter. Und dann wurde mir schlagartig klar, dass ich sterben würde. Ich wollte schreien, doch ich konnte es nicht. Kein einziger Laut wollte sich über meine Lippen wagen. Ich presste die Augen zusammen. „Lasst das Mädchen in Ruhe!“ ertönte eine Stimme.

Ailis Protector


Ich öffnete meine Augen einen kleinen Spalt und erblickte einen Jungen, der ungefähr in meinem Alter war. „Was willst du Witzfigur denn von uns?“ fragte der Mann, der nur noch in Hemd und Unterhose dastand. „Lasst sie zu Frieden!“ sagte der Junge noch einmal langsam, drohend und gefährlich. „Und was ist, wenn wir das nicht tun?“ fragte einer der zwei anderen Männer, die mich festhielten. „Dann werde ich euch erledigen.“ sagte der Junge. Die Männer die mich festgehalten hatten, ließen von mir ab und begannen zu lachen. Beide Männer stellten sich auf einmal dem Jungen entgegen. Zwei gegen einen. Das war unfair. Während die beiden Männer sich mit dem Jungen beschäftigten, wandte sich der Mann mir zu. Mit einer seiner verschwitzten Hand zog er sich die Unterhose runter und presste seinen Körper an meinen. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, konnte nichts mehr machen. „Und jetzt lass uns ein bisschen Spaß haben.“ sagte der Mann und öffnete meinen BH. „Du bist so schön weich.“ sagte er und fuhr mit seiner Lippe meinen Körper herunter. Mit der jetzt wieder freien Hand fuhr er in meinen Slip und führte seine Finger in meine Scheide. Schnell und ruckartig riss er meinen Slip herunter und lachte auf. „Nein.“ flüsterte ich, als ich splitternackt vor ihm stand. Sein Glied pulsierte an meinem Oberschenkel und er lachte. Mit der einen Hand spielte er zwischen meinen Beinen herum und mit der anderen knetete er meine Brust. Ich versuchte mich ihm entgegen zu wölben, aber sein Gewicht drückte mich gegen die Wand. Mit dem Bein schlang er sich um meine und warf mich zu Boden. Nun stand er über mir, das Gesicht zu einer Fratze verzogen. Er legte sich auf mich herauf, erdrückte mich fast mit seinem Gewicht. Seine Zunge spielte auf meinem Gesicht und ich zauderte. „Zier dich doch nicht so.“ sagte er und er wollte gerade in mich eindringen. „Verdammt! Nein!“ schrie ich und es war extrem laut. Das nächste, was passierte, ging zu schnell. Ich konnte es nicht registrieren. Der Mann, der sich über mich gestützt hatte und mich vergewaltigen wollte, wurde von mir herunter gezogen und an die Wand geworfen. Erleichterung stieg in mir auf, aber mein Herz raste wie noch nie zuvor. Der Junge, der mich versucht hatte zu beschützen, stand jetzt vor mir. Sein Oberkörper frei und ich konnte seine Bauchmuskeln sehen. Weiße Schwingen schmückten seinen Rücken. Er stellte sich über mich und hielt mir die Hand hin. Erst jetzt konnte ich seine Haarfarbe und Augenfarbe erkennen. Seine Augen waren grün und er hatte braunes Haar. Der Junge musste ein Engel sein. So wie er aussah. Wie gelähmt ergriff ich seine Hand. Der Junge zog mich auf die Füße und schloss mich in die Arme. „Du kannst mir doch nicht solche Angst machen.“ sagte der Junge sanft und vergrub sein Gesicht in meinem Haar. Schlagartig wurde mir eines bewusst. „Du bist...“ sagte ich. Mir war egal, dass ich gerade nackt war. Seine weichen Flügel hüllten ihn und mich ein. Ich verspürte keine Angst. Ich spürte Geborgenheit. Sanft lies ich meinen Kopf gegen die Schulter des Engels sinken. „Wenn ich das nächste Mal sage, du sollst zu Hause bleiben, dann hörst du auf mich, oder?“ fragte er. „Ja.“ antwortete ich leise. Dann schlang er seine Arme um meine Taille und hielt mich fest. Seine weißen Schwingen breiteten sich aus und auf einmal spürte ich einen Luftzug. Der Junge hatte sich vom Boden abgestoßen und jetzt flog er durch die Luft. Es war einfach unglaublich. Ich hatte keine Angst. Es war einfach nur wunderschön. Ich sah hoch. Der Junge war über mir und blickte nach vorn. Wir flogen über die Stadt. Der Junge brachte mich zu dem Restaurant, wo ich mit Sachiko und den anderen verabredet war. Wir landeten. Der Junge sah mich an. Seine grünen Augen schienen mich zu hypnotisieren. „Alyssa! Alyssa!!“ rief ein Stimme weit entfernt. „Ich bin Ailis Protector. Dein Schutzengel.“ sagte der Junge und umarmte mich noch einmal. Bevor er verschwand, küsste er mich auf die Stirn und strich mir das Haar aus dem Gesicht. Ailis Protector...Er schwang mit den Flügeln und flog hinauf in den Nacht schwarzen Himmel. Seine Wärme verließ mich und ich sackte zusammen. „Alyssa?“ fragte eine Stimme direkt hinter mir. Ich drehte mich nicht um. Meine Augen waren weit aufgerissen, das wusste ich. Die Person, die meinen Namen gesagt hatte, stellte sich vor mich. Es war Sachiko. Ich sah ihr in die Augen. Sie war besorgt. „Was ist passiert?“ fragte sie. Ich konnte nicht antworten. „Komm her, Liebes.“ sagte Sachiko und schloss mich in die Arme. „Hey Leute! Ich habe sie gefunden!“ schrie Sachiko und Ren und Haruka kamen sofort angerannt. Mir fiel auf, dass ich etwas anderes an hatte. Ich saß nicht mehr nackt da. Jetzt trug ich den Kimono, den ich mir vorher gekauft hatte. „Oh mein Gott! Was ist passiert?“ verlangte Haruka zu wissen. „Sie redet nicht mit mir.“ sagte Sachiko und wiegte mich sanft hin und her. „Kommt. Wir fahren nach Hause.“ sagte Ren und Haruka und Sachiko halfen mir hoch. Sie stützten mich und trugen mich zum Auto. Das Auto war nicht mehr weit entfernt. Wieder fuhr ich mit Sachiko. Worüber Ren und Haruka denn so redeten? Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und zog die Beine an. Meine Knie schlotterten und zitterten. Sachiko holte aus dem Kofferraum ihres Wagens eine Decke und legte sie mir über die Schultern. Dann ließ sie sanft die Tür zu gleiten. Als Sachiko im Auto saß, startete sie das Auto und fuhr los. Das Radio blieb stumm und gab keinen Laut von sich. „Was ist denn passiert?“ versuchte Sachiko zu ergründen. Ich blickte starr nach vorn und wickelte die Decke mehr um mich herum. Die dunklen Straßen sausten an uns vorbei. Dunkle Wälder, die irgendwie traurig, ängstlich und missverstanden aussahen. Sie waren keines Wegs gruselig. Erst als Sachiko mich mit dem Elenbogen an stupste, merkte ich das mein Handy klingelte. Ich sah auf die Tasche, die vor mir lag, machte aber keine Anstalten nach meinem Handy zu suchen und ran zu gehen. Sachiko hielt am Straßenrand an und suchte in meiner Tasche nach meinem Handy. Ich sah sie an. Sie suchte und suchte und das Handy klingelte immer weiter. Als Sachiko mein Handy fand, nahm sie ab und stellte den Lautsprecher ein. „Hallo Sachiko Yasuko.“ meldete sich eine Stimme. „Ailis Protector...“ flüsterte ich. Sachiko starrte mit weiten Augen auf das Telefon. „H...Hallo.“ antwortete sie schließlich. Ich taute auf und sah sie an. Sie schien ganz verwirrt zu sein. Woher kennt der Typ meinen Namen?, formte mit den Lippen lautlos. Ich zuckte mit den Schultern. Ist das der Spinner, von dem du mir erzählt hast? Ich nickte, schüttelte dann aber den Kopf. Er war kein Spinner, er hatte mir das Leben gerettet. „Ist Alyssa in Sicherheit?“ fragte er. Sachiko schwieg. „Ich weiß, dass sie in Sicherheit ist. Immerhin ist sie bei dir, Sachiko.“ sagte er. Sachiko wurde wieder normal. Nein. Sie wurde wütend. In ihren Augen glomm etwas rotes auf. „Jetzt hör mir mal zu! Ich weiß nicht wer oder was du bist! Und ich weiß auch nicht, woher du meinen Namen kennst! Aber lass Alyssa in Ruhe! Sie hat Angst! Große Angst! Und daran bist allein du schuld! Also, lass sie gefälligst in Ruhe! Und wenn du sie nicht in Ruhe lässt, dann werde ich, nein...Dann werden wir, ihre Freunde dich bei unserem Leben zerstören! Wir werden dich tyrannisieren! Hast du mich verstanden?!?“ schrie Sachiko ins Handy. Die Leitung blieb still. „Haben wir uns verstanden?!?“ wiederholte Sachiko noch wütender als zuvor. „Sachiko, das Handy kann nichts dafür.“ sagte ich sanft. „Du antwortest mir nicht, also denke ich, dass wir uns verstanden haben. Guten Tag!“ schrie sie ins Telefon und legte auf. Sie hielt mir mein Telefon hin und lächelte.
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Ren sah auf die Straße. Haruka saß auf dem Beifahrersitz und blickte ihm ins Gesicht. „Wir hätten in einen anderen Film gehen sollen.“ sagte Ren in die Stille hinein. Im spärlichen Licht des Armaturenbrettes sah Ren aus, als würde er sich für alles die Schuld geben. „Ich weiß. Wir hätten Alyssa nicht alleine losziehen lassen dürfen.“ sagte Haruka. Er macht sich Vorwürfe. Ren denkt, dass es seine Schuld ist, ging es Haruka durch den Kopf. „Was ist, wenn Alyssa verletzt wurde? Oder wenn sie ausgeraubt wurde? Was, wenn-“ „Hör auf! Ständig redest du von Alyssa Kobayashi! Ich hab einfach die Nase gestrichen voll! Vielleicht hast du es ja noch nicht gemerkt, aber ich liebe dich! Und deshalb tut es mir weh, wenn du vor mir über andere Mädchen redest!“ schrie Haruka. Sofort hielt Ren den Wagen an. Er drehte sich so, dass er Haruka eindringlich betrachten konnte. „Ist das wahr?“ fragte Ren. „Natürlich! Oder denkst du, ich erzähle dir Märchen?!“ meinte Haruka eingeschnappt und wandte sich von Ren ab. „Weißt du, ich habe das alles nur gemacht, um herauszufinden, wie sehr du mich magst.“ sagte Ren und bedachte Haruka mit einem niedlichen Blick. Sie wandte sich ihm wieder zu. „Wirklich?“ fragte sie mit Tränen in den Augen. „Wirklich.“ sagte Ren und besiegelte dies mit einem leidenschaftlichen Kuss auf ihre Lippen. Beide mussten feststellen, dass sie ein tolles Paar abgaben.
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„Danke.“ sagte ich und nahm ihr das Handy aus der Hand. „Dafür sind Freunde doch da.“ sagte Sachiko und tätschelte mir sanft die Schulter. „Du weißt, dass du mir alles erzählen kannst, oder? Möchtest du mir nicht auch erzählen, was heute Abend passiert ist?“ fragte Sachiko mich sanft. Ich überlegte, wie ich es ihr am besten erzählen könnte. Aber dann sprudelte einfach alles aus mir heraus. Sachiko hörte mir aufmerksam zu. Sie glaubte mir die Geschichte. Sachiko glaubte sie mir vollkommen. Sie hielt es nicht für Blödsinn. Nicht einmal das mit dem Engel. Sie glaubte mir alles. Dafür war ich ihr dankbar. Ich sah Sachiko in die Augen. Sie lächelte und umarmte mich.
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Ailis Protector dachte nach. Wie könnte er Alyssa weiter beschützen? Ihm war es von einem Menschenmädchen verboten worden, Alyssa weiter zu beschützen und wenn er dennoch weiter machen würde, würde dieses Menschenmädchen ihr Leben dafür einsetzten, Alyssa von Ailis Protector zu befreien. Er konnte aber auch nicht das Leben von dem Menschen aufs Spiel setzten, immerhin hatte dieser Mensch auch einen Schutzengel. Aber Alyssa wäre ohne ihn aufgeschmissen. Sie würde sterben, wenn er sie nicht beschützte! Wie konnte er sie weiterhin beschützen, ohne dass das Menschenmädchen davon etwas mitbekam? Da hatte Ailis Protector die Blitzidee! Was wäre, wenn er als Mensch eine Art Bindung zu Alyssa aufnahm? Das wäre perfekt, bestände da nicht dieses kleine Risiko. Wenn der Schützling heraus fand, wie der Schutzengel als Mensch aussah, verlor der Schutzengel seine Flügel+Beschützerbefugnis(Das heißt, er wäre dann ein normaler Mensch!!!) und der Mensch wäre vollkommen schutzlos. Kurz gesagt, wenn Alyssa heraus fand, wie Ailis Protector als Mensch aussah, dann würden beide sterben. Ailis Protector wusste was er für ein Risiko einging, doch um Alyssa weiter zu beschützen, würde er auch sein Leben aufs Spiel setzten. Es war schließlich die Aufgabe eines Schutzengels. Aber gleichzeitig drohte es auch aufzufliegen und dann würde Alyssa mit ihm sterben.
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Sachiko fuhr weiter. Sie war sogar so nett, mich nach Hause zu fahren. „Nochmals danke.“ sagte ich, als ich aus ihrem Wagen stieg. „Kein Problem.“ sagte sie lächelnd. „Und du gehst jetzt erst einmal schön duschen und erholst dich schön von heute Abend. Okay?“ fragte Sachiko. Ich nickte. „Gute Nacht, Sachiko.“ sagte ich und warf die Tür zu. Sie ließ das Fenster runter. „Schlaf gut. Bis Montag!“ meinte sie und winkte mir noch mal zum Abschied. Ich drehte mich um und Sachiko fuhr los. Ich sah ihr nach. Die Haustür schwang auf und meine Mutter kam auf mich zu gerannt. Ihre kurzen, braunen Locken hüpften auf und ab. Sie schloss mich in die Arme und erdrückte mich fast. „Wo bist du so lange gewesen? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht!“ schluchzte Mum. „Mum...ich...krieg...keine...Luft...“ sagte ich. Sofort wurde der Griff schwächer und ich schnappte nach Luft. „Aber, was hast du denn da an?“ fragte sie und bedachte mich mit einem Blick. „Ein Kimono. Hübsch, oder? Den habe ich mir heute gekauft.“ sagte ich und drehte mich im Kreis. „Ja. Der steht dir total.“ sagte Mum und umarmte mich noch einmal. Ich ging vor ihr die Treppe hoch. „Ach so. Du hast Post.“ sagte Mum, als sie die Tür hinter mir schloss. „Ja?“ antwortete ich sofort hellhörig. „Ja, sie liegt oben.“ sagte Mum und sofort rannte ich die Treppe hoch. Ich schmiss meine Tasche in eine Ecke meines Zimmers, schnappte mir meinen Laptop und rannte in mein Wohnzimmer. Es war ein Brief. Nur einer? Wo war der andere? Entweder hat Kathy oder Heath mir keinen Brief geschrieben. Ich war gespannt und riss sofort den ersten Brief auf. Er war von Kathy.

Der nächste Schock kommt bestimmt


Liebe Alyssa,
wie geht es dir? Es ist echt doof ohne dich. Wärst du doch bloß nie weggezogen. Ich vermiss dich total. Ich hoffe dir ergeht es dort, wo du jetzt lebst besser. Ach... Heath ist auch nicht mehr der Selbe. Vielleicht sollte ich es dir nicht sagen, aber ich finde, du hast es verdient, die Wahrheit zu wissen. Letztens bin ich meinen Schulweg entlang gegangen und du weißt nicht, wenn ich da getroffen habe. Es war Heath. Du weißt, mein Weg führt am Wald vorbei. Und auf jeden Fall laufe ich da so lang und dann höre ich etwas aus dem Wald. Ich dachte erst es wäre ein Tier. Also ging ich weiter. Doch dieses Geräusch wurde mit jedem Schritt lauter. Ich war neugierig und deshalb schob ich das Laub bei Seite, um hindurch zu schielen. Und dann sehe ich da Heath(es tut mir Leid. Am liebsten liest du ab hier nicht weiter. Alyssa, es tut mir so leid.)wie er die neue Referendarin sprichwörtlich ab leckte. Tja, nun ist es wohl raus. Aber bitte sag ihm nicht, dass ich es dir erzählt habe. Er wird mich sonst umbringen. Also, bitte, bitte, bitte sag es ihm nicht, ja? Ich kann dir da doch vertrauen, oder? Na ja, aber ich wollte jetzt auch nicht eure Beziehung zerstören, dass wollte ich nur nochmal klar stellen. Na okay, dass war’s dann auch erst einmal wieder von mir. Aber denk daran, dass du dicht hältst. Na gut. Für immer und ewig best Friends: Alyssa+Kathy! Deine beste Freundin Kathy.

Kathy musste lügen. Das konnte einfach nicht wahr sein. Niemals würde Heath mich so hintergehen! Oder vielleicht doch? Nein! So etwas würde Heath nie tun! Aber warum war dann kein Brief von ihm dabei? Warum verdammt nochmal hatte er mir nicht geschrieben? Liebte er mich nicht mehr? Diese Überlegung jagte mir brennende Tränen in die Augen. Heiß liefen sie über meine Wange. Was war die Referendarin wohl für eine Frau? War sie hübscher, als ich? Und hatte Heath nicht gesagt, dass er mich später heiraten wollte? Er wollte mich heiraten und dann kommt irgend so eine blöde Referendarin-Schnepfe und macht sich an meinen Heath ran! Wut flammte in mir auf und erwärmte meinen ganzen Körper. Ich sprang auf und schleuderte die weiß-roten Blumen, die auf meinem Tisch gestanden hatten, mit einer raschen Bewegung gegen die Wand. Da Wasser lief in kleinen Rinnsalen von der Wand hinunter. Es sah aus, als würde die Wand weinen. Nicht nur die Wand weinte. Mein Herz weinte Blut. Es tat so weh. Ich dachte, Heath liebt mich wirklich. Und jetzt betrog er mich einfach hinter meinem Rücken. Ich holte mein Handy aus der Tasche und rief Sachiko an. Sie ging ran. „Hallo?“ fragte sie. „Sachiko, ich bin’s. Bist du schon zuhause?“ fragte ich aufgelöst. „Nein, aber was ist denn los?“ fragte sie. „Kannst du her kommen? Ich möchte heut Nacht nicht alleine sein.“ sagte ich. „Okay. Ich bin in zehn Minuten da.“ sagte sie und legte auf. Ich ging auf den Flur und rief: „Heute übernachtet eine Freundin bei mir.“ Mum antwortete: „Ist okay, Süße.“ Ich ging schnell wieder in mein Zimmer und sammelte die Überreste der Blumen von der Wand und vom Boden. Nun konnte man nicht mehr sagen, dass sie hübsch waren. Na ja, ich behauptete auch nicht, dass ich sie früher hübsch gefunden hätte. Wo sollte Sachiko denn schlafen? Also, auf jeden Fall nicht im Wohnzimmer. Das war mir zu weit weg. Da fiel mir ein, dass wir ja noch ein Gästebett hatten. Das würde ich einfach mit in mein Zimmer stellen. Hoffentlich passte es rein. Ich schaltete das Licht aus und verließ Wohnzimmer, nachdem ich das Bettelarmband von Heath zurück in seine Verpackung gelegt hatte. Ich nahm den Brief von Kathy mit in mein Schlafzimmer und legte ihn in den Nachttisch. Dann holte ich das Gästebett und stellte es in mein Zimmer. Es passte hinein. Dann räumte ich noch ein Wenig auf und dachte nach. Unten schwang die Tür auf und ich hörte Stimmen. „Hallo Frau Kobayashi. Ich bin Sachiko Yasuko. Eine Freundin von Alyssa und ich möchte heut gerne bei ihr übernachten.“ sagte Sachiko total nett. „Ah, ja. Ist okay. Alyssa ist oben. Du musst nur die Treppe hoch gehen und dann durch die erste Tür gehen.“ sagte Mum. „Ah danke.“ meinte Sachiko und lief die Treppe hoch. Gleich an der ersten Tür, die sie sah, klopfte sie. Das war die zum Wohnzimmer. „Es ist dunkel.“ sagte sie und schloss die Tür hinter dich. Dann sah sie dahin, woher das Licht kam. „Da bist du ja.“ sagte Sachiko und kam in mein Schlafzimmer. „Alles okay?“ fragte sie, als sie hinter mir stand. Ich hatte Sachiko das Bett schon fertig gemacht. Sie könnte jetzt sofort schlafen gehen. Sachiko legte ihre Tasche auf das Bett und sah mich an. Ich saß auf meinem Bett und holte jetzt aus dem Nachttisch den Brief von Kathy. Sachiko sah mich an, aber nahm den Brief schließlich doch und las ihn sich durch. Als sie ungefähr bei der Stelle war, wo Kathy mir die Wahrheit sagte, begann ich zu weinen. Sachiko setzte sich zu mir aufs Bett und nahm mich in den Arm. Sie wiegte mich sanft hin und her, ungefähr so, wie zuvor in der Stadt. „Erst das vorhin und jetzt auch noch das.“ sagte Sachiko.

°^°^°^°^°^°^°Währenddessen in Amerika°^°^°^°^°^°^° „Liebst du Alyssa noch?“ fragte Kathy Heath. „Warum nicht?“ fragte er. „Ich habe dich letztens gesehen. Im Wald. Wie du die neue Referendarin geküsst hast! Und sag mir jetzt nicht, das warst du nicht!“ schrie Kathy. Heath sah Kathy in die Augen. „Gut, okay. Ich hab’s getan. Ich bin der Übeltäter. Und jetzt? Willst du mich jetzt zur Polizei bringen?“ sagte er, ohne etwas davon abzustreiten. „Was bist du nur für ein Mistkerl!“ schrie Kathy. „Na und? Ich bin sicher, Alyssa hat auch schon einen neuen. Und die Referendarin hatte ich doch nur zum Spaß. Ich musste doch ihre Qualitäten checken.“ sagte Heath. „Also lief da noch etwas nach dem Kuss?“ fragte Kathy. „Was denkst du denn? Was würdest du denn sonst mit einer Frau alleine im Wald machen?“ fragte Heath. „Ich würde nicht einmal mit einer Frau in den Wald gehen. Geschweige denn, das tun was ihr getan habt, wenn ich einen Freund hätte.“ sagte Alyssa. „Hast du einen Freund?“ fragte Heath. Kathy schüttelte den Kopf. „Soll ich dein Freund sein?“ fragte Heath und küsste Kathy. Kathy öffnete ihren Mund und ließ Heaths Zunge rein. Ihre Hände wühlten in seinem Haar und drückten ihn an Kathy ran.
^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^° Sachiko hatte mir ein paar ihrer Taschentücher gegeben und ich putzte mir die Nase. Schließlich konnte ich auch wieder ein Wenig lächeln, da Sachiko mir einige Geschichte von sich selbst erzählte. Einige davon waren eklig, andere peinlich und dann gab es noch die, worüber man sich einfach kaputt lachen musste. Schließlich legten wir uns irgendwann schlafen und Sachiko schlief sofort ein. Im Gegensatz zu ihr lag ich noch lange wach. Ich konnte einfach nicht einschlafen, egal, wie sehr ich auch die Augen zu kniff. Mein Geist wollte sich einfach nicht ausruhen. Mir gingen noch den ganzen Rest der Nacht Dinge durch den Kopf. Doch schließlich segelte auch ich in einen unruhigen Schlaf...

Mum hat männlichen Besuch


Am nächsten Morgen wurde ich unsanft geweckt. Etwas wurde auf mich geworfen. Ich schreckte auf und fiel(mal wieder.) aus meinem Bett und landete auf dem harten und kalten Boden. „Au...“ beschwerte ich mich. „Komm! Steh auf! Deine Mutter hat männlichen Besuch!“ sagte Sachiko und sofort war ich hell wach. „Was? Moment...Was?“ fragte ich total verdattert. Sachiko kam zu mir herüber und half mir hoch. „Deine Mutter männlichen Besuch haben tut. Alyssa haben mich verstanden?“ fragte sie sarkastisch. „Ja, ich hab es verstanden.“ sagte ich und klopfte mir den Staub von den Beinen. Ich war neugierig und entschied mich, den Typen ein Wenig näher zu betrachten. Ohne mich fertig zu machen, ging ich leise die Treppe hinunter. Sachiko folgte mir leichtfüßig, ohne den geringsten Ton von sich zu geben. Auf den Zehenspitzen tapste ich die Treppe hinunter und blieb auf der vorletzten Stufe stehen. Sachiko blieb eine Stufe höher. Ich hörte Stimmen und wurde hellhörig. Schnell duckte ich mich und schaute durch das Geländer der Treppe hin durch. „Ich bin mir sicher, dass Alyssa Sie liebend gern kennen lernen möchte.“ sagte Mum und trank genüsslich einen kleinen Schluck ihres Kaffees. „Das hoffe ich, Frau Kobayashi.“ sagte ein sanfte Stimme. Mum stand auf und ging hinüber zum Bücherregal. Und da sah ich, wer Mums männlicher Besuch war. Er war Ailis Protector wie aus dem Gesicht geschnitten. Und das machte mir Angst. Bis auf die Haar- und Augenfarbe sah der Junge genauso aus wie Ailis Protector. Der Junge hatte schwarze Haare, Ailis Protector braune. Ailis Protector hatte grüne Augen, der Junge blaue. Ich war wie versteinert. Sachiko stupste mich an und ich wäre beinahe aus meiner Deckung geflogen, da ich schon schwankte. Nur dank Sachiko, die mich fest hielt, flog ich nicht die Treppe runter. Ich flüsterte ihr einen leisen Dank zu und sofort ruckte der Kopf des Jungen in unsere Richtung. Sachiko und ich waren wie erstarrt und bewegten uns nicht. Der Junge blickte direkt in unsere Richtung. Nein. Er sah direkt in meine Augen. Ich schlich langsam zurück, da ich mir nicht sicher war, ob er mich gesehen hatte(und ich auch kein Risiko eingehen wollte!), stand ich langsam auf und tippte Sachiko an. Sie sah mich an und ich bedeutete ihr mit Handzeichen, dass sie die Treppe leise wieder hoch gehen sollte. Sachiko nickte und ging leise die Treppe wieder hoch. Ich folgte ihr schnell. Der Junge blickte uns nach. Er hatte mich vielleicht doch entdeckt. Heimlich jedoch wünschte ich mir, es wäre nicht so. Als wir in meinem Zimmer ankamen, schloss ich langsam die Tür hinter uns. Sachiko drehte sich zu mir um. „Kennst du den Typen?“ fragte sie mich. Ich schüttelte den Kopf und verschwieg ihr, dass mir dieser Typ bekannt vorkam. Sachiko und ich zogen uns an und banden unsere Haare so, dass wir, wenn wir neben einander standen symmetrisch waren. Sie hatte eine Zopf auf der rechten Seite und ich auf der linken. Beide zogen wir ein schwarzes T-Shirt und eine grüne Jeanshose an. Praktisch Partnerlook. Es war reiner Zufall gewesen, dass Sachiko die gleichen Sachen wie ich dabei hatte. Als wir angezogen waren, schminkten wir uns und schließlich gingen wir hinunter. Wir hatten geplant, dass wir einen coolen Auftritt darboten. Sachiko fand diesen Typen süß, und deshalb wollten wir beide ihm imponieren. Langsam und leise schlichen wir abermals die Treppe herunter. Sachiko war vor mir und hielt sich geduckt. Als sie auf der letzten Stufe war, rutschte sie irgendwie aus, drehte sich komisch und griff nach meinem Handgelenk. Sie fiel - und zog mich mit. Laut polternd klatschten wir auf den Holzboden und jeder von uns zog sich einen Splitter ein. „Au!“ sagten wir im Chor und begannen gleichzeitig rot zu werden, denn wir wussten, wir hatten unseren supercoolen Auftritt mächtig vergeigt. Meine Mum und der Junge kamen gemeinsam in den Flur. Mum unterdrückte es zu lachen, doch man sah es ihr total an, dass sie uns im Augenblick ziemlich amüsant fand. Der Junge sah auf uns herab und blickte insbesondere mir in die Augen. Mum half Sachiko hoch, während der Junge mich aus kalten Augen ansah und mir ohne das leiseste Lächeln die Hand hinhielt. Ich konnte nicht anders, als ihn anzustarren. Dieses Gefühl hatte ich schon einmal gehabt. Es war ein Désaveu. Eine Wiederholung. Etwas, das ich schon mal erlebt hatte. Und das war an jenem Abend gewesen. Das war gestern gewesen. Gestern Abend. Dieses Aussehen...Aber der Typ konnte nichts mit dem von gestern gemein haben. Schließlich ergriff ich langsam die Hand des Jungen und er zog mich auf die Füße. Aber anstatt mich zu umarmen, sah er mich nur an und ließ meine Hand nicht los. Er sah mich einfach nur an. Und ich blickte zurück. Der Junge konnte unmöglich der von gestern sein. Auch wenn das Aussehen beinahe identisch war. Erst als Sachiko sich räusperte, nahm ich die Umwelt wieder war.
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Ailis Protector hielt Alyssas Hand und hatte sie herauf gezogen. Ob sie an gestern dachte? Verband Alyssa gerade Ailis Protector mit dem Jungen der vor ihr stand? Er hoffte, es blieb das Gegenteil. Wenn Alyssa es herausfand...Dann war sie tot! Schnell zog Ailis Protector die Hand zurück. Alyssas Kopf ruckte sich zu ihm um. In ihren Augen spiegelte sich etwas wie Angst, etwas falsch gemacht zu haben oder Furcht vor seiner Reaktion. Sofort tat es Ailis Protector Leid. Alyssa konnte ja im Grunde gar nichts dafür, dass die Regeln so bescheuert waren, aber Ailis Protector wollte einfach nicht, dass Alyssa starb! Deshalb war er auch das Risiko eingegangen. Alyssa taumelte rückwärts und stieß gegen das andere Mädchen.
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Ich taumelte zurück und stieß gegen Sachiko. Hatte ich etwas falsch gemacht? Warum hatte er so schnell seine Hand weg gezogen? Sachiko legte mir die Hand auf die Schulter. Ich stieß sie weg und rannte die Treppe hinauf. Sie blickte mir nach, dass spürte ich. Aber sie folgte mir nicht. Mein Herz schlug wie wild, als ich die Tür hinter mir zuschlug. Ich war außer Atem. Tränen drohten in mir aufzusteigen. Tränen die ich nicht unterdrücken konnte. „Die Uhr schlägt zum zwölften Mal heut Nacht, und leider hab ich nicht daran gedacht. Ich renne in die Nacht hinaus, und muss feststellen, nun ist es aus. Du hast mich nur betrogen, die ganze Zeit nur belogen. Ich habe es gelernt zu leiden und unterdrücke meine Tränen. Auch wenn ich dabei untergeh...“ sang ich und wischte mir mit der Hand die Tränen weg. Ich nahm mir meinen Laptop und setzte mich auf mein Bett. Immer noch schluchzend startete ich ihn. Ich öffnete meinen Mail-Eingang. Ich klickte auf Nachricht schreiben. Dann begann ich zu schreiben. Liebe Kathy, ich habe deinen Brief erhalten. Ich kann nicht glauben, dass Heath so etwas tun würde. Immerhin hatte er mir diesen teuren Schmuck geschenkt. Das hat er doch nicht gemacht, weil er mich los werden wollte. der vielleicht doch...? Ich bin grade sehr verunsichert und ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Ich muss dir schreiben, was gestern geschehen ist. Gestern war ich mit ein paar Leuten aus meiner Klasse in der Stadt. Sie wollten ins Kino, aber ich kannte den Film schon. Deshalb bin ich einfach weiter gegangen und habe mich in der Stadt ein Wenig umgeschaut. Ich habe mir einen Kimono und ein Buch gekauft. Dieses Buch heißt ‘Schwarze Rosen‘ und auf jeden Fall habe ich gleich begonnen, zu lesen. Ich habe gar nichts mehr wahrgenommen. Es wurde dann halt dunkel und ich habe mich verlaufen. Na ja. Und dann kamen da Männer. Drei Männer. Der eine von ihnen hat mich bis auf die Unterwäsche ausgezogen!! Er wollte mich vergewaltigen! Ich kann froh sein, dass ich noch lebe! Mich hat ein richtig süßer Junge gerettet! Und dann kommt von dir gestern auch noch die Nachricht, dass Heath mich betrügt haben soll! Ich dachte, ich kann nicht mehr! Ich war schon so durcheinander von meinem Erlebnis! Dann habe ich eine Freundin angerufen und gefragt, ob sie zu mir kommen kann. Dass ist sie dann auch und hat bei mir geschlafen. Und heute Morgen weckt sie mich dann und sagt, dass Mum männlichen Besuch hat. Noch in Schlafanzug gingen wir dann die Treppe runter um zu lauschen. Der Junge sah fast genauso aus, wie der Junge der mich gerettet hat. Nur Augen- und Haarfarbe sind anders. Sachiko(die Freundin) und ich gingen dann die Treppe wieder hoch und zogen uns an. Wir wollten einen super Auftritt hinlegen. Tja... Dann war Sachiko auf der letzten Stufe und ist irgendwie ausgerutscht. Sie drehte sich erst einmal so und dann zieht sie mich mit sich. So sind wir beide gemeinsam die Treppe runter gefallen. Der Junge und Mum sind dann zu uns gekommen und Mum hat Sachiko wieder auf die Beine geholfen. Der Junge hat mir geholfen. Er hat meine Hand gar nicht mehr los gelassen, bis er sie plötzlich fallen ließ und sich von mir abgewunden hat. Ich war so gekränkt, dass ich mit Tränen in den Augen die Treppe wieder hoch lief. Und jetzt sitze ich hier und schreibe diese Mail an dich. Ich bin immer noch gekränkt und schäme mich. Ich weiß gar nicht, was ich jetzt machen soll! Ich kann ja jetzt nicht einfach wieder runter gehen und so tun, als wäre nichts gewesen. Na ja. Ich will dich ja jetzt auch nicht mit meinen Problemen voll labern. Freue mich schon auf deinen nächsten Brief. Deine Alyssa-Chan!

Senden. So...Und nun? Ich wusste echt nicht, was ich noch machen sollte. Ich brauchte Ruhe. Ich musste allein sein! Schnell stellte ich den Laptop wieder auf den Schreibtisch, nahm mir meine Jacke und verließ das Zimmer.

Eine erdrückende Traurigkeit


Draußen war es kühl, deshalb nahm ich mir eine Jacke mit. Ich hatte mir mein Handy in die Hosentasche gesteckt und ging jetzt schnell die Treppe hinunter. Ohne ins Wohnzimmer zu schauen, ging ich geradewegs von der Treppe zur Tür. Ich zog mir meine Schuhe an und öffnete die Tür. „Ich bin draußen!“ rief ich, ging hinaus und schloss die Tür hinter mir. Schnell zog ich mir die Jacke an und zog die Kapuze tief, bis sie meine Augen bedeckte. Leichtfüßig sprang ich von der Veranda und lief so schnell ich konnte von dem großen, viktorianischen Haus weg. Ich wusste sehr wohl, dass einer der Personen im Haus am Fenster stand und mir nach sah, doch wer es genau war, konnte ich nicht ausmachen und ich wollte mich auch nicht noch einmal umdrehen. So schnell ich konnte, rannte ich in den Wald. Als ich tief genug drinnen war, setzte ich mich auf den klitsch nassen Boden. Es regnete und der Wald roch schön nach feuchtem Laub. Ich setzte mich also in das nasse Laub, zog die Beine an den Oberkörper und schlang meine Arme darum. So saß ich da und verlor das Zeitgefühl. Irgendwann hörte ich Äste knacken, später Stimmen. „Sie muss doch hier irgendwo sein...Ach verdammt! Wie ich den Wald hasse! Oh nein! Jetzt ist meine Hose versaut.“ Die Stimmen kamen immer näher. „Da hinten ist sie.“ sagte eine mir unbekannte Stimme. „Alyssaaaaaaaaaaaaaaaa!!!!“ schrie eine Stimme und die Äste knackten laut. Die Person kam auf mich zu gerannt. „Alyssa?“ fragte Sachiko und stupste mich an. Ich kippte um, weil ich im Moment gar nichts merkte. Wegen der nassen Blätter, die jetzt in meinem Gesicht klebten, wurde ich wach und sprang auf. „Igitt! Was soll das, Sachiko?“ schrie ich sie an und wischte mir das Gesicht mit dem Jackenärmel ab.

Ein bisschen Spaß muss sein!


Sie zuckte lächelnd die Schultern. Das werde ich ihr jetzt heimzahlen!, dachte ich und stürmte auf sie zu. Ich packte sie an der Taille und gemeinsam flogen wir zu Boden. Wir rollten uns herum. Einmal lag sie unten im nassen Laub, im nächsten Moment ich. So ging das einige Zeit. Irgendwann bewarfen wir uns gegenseitig mit dem nassen Laub. Ich nahm eine Hand voll und schmierte es Sachiko ins Gesicht. Dann stand ich auf. Sachiko lud sich gerade die Hand mit Laub voll, als ich weg rannte. Der Zeit beobachtete uns eine weitere Person. Ich hatte immer noch nicht ausgemacht, wer es war, aber das war mir egal. Sachiko stand auf und knüllte die Blätter zu einem feuchten Klumpen zusammen. „Oh oh.“ sagte ich und versteckte mich hinter dem nächstgelegenem Baum. Sie folgte mir und lachte böse. Ich rannte weiter. Sachiko warf diesen Klumpen nach mir und dieses Ding flog volle Kanne an meine Wirbelsäule. Ich drehte mich um und rannte ihr wieder entgegen. Abermals warf ich Sachiko zu Boden. Sie hatte ja nur ein T-Shirt an und deshalb nutzte ich die Chance und stopfte Sachiko ganz viel nasses Laub in den Ausschnitt. Sofort warf sie mich von sich runter und stand auf. Vorwurfsvoll sah sie mich an und sagte: „Alyssa! Dieses T-Shirt war neu!“ Ich zuckte mit den Schultern. Dann stand ich auf und klopfte mir das Laub von den Klamotten. Sachiko hob die Hände, als wolle sie sich ergeben. Ich tat es ihr gleich und so sah es aus, als wäre Sachiko mein Spiegelbild. Für Außenstehende sah es vielleicht aus, als würden Sachiko und ich einen perfekt einstudierten Tanz tanzen. Zuerst gingen wir im Kreis. Perfekt parallel. Schließlich erhoben wir die Hände zum Himmel und gingen uns langsam entgegen. Als wir direkt vor einander standen, verkniff ich mir ein Lächeln und strecke ihr meine rechte Hand entgegen. Sie tat es ebenfalls mit mir gleichzeitig. Ich ergriff ihr Hand und sie meine. Wir verschränkten sie und streckten sie hinauf zum Himmel. Dann drehten wir uns gemeinsam im Kreis. Jetzt glitten wir aus einander und wir hielten nur noch vom anderen die Hand. Sachiko zog mich und ich sie heran und wir stellten uns gegenseitig ein Bein. So flogen wir durch die Luft, und wandelten unseren Fall beide in einen vollendeten Ratschlag um. So kamen wir beide wieder parallel zum Stehen. Als wären wir Zwillinge, ging es mir durch den Kopf. Wir drehten uns wieder im Kreis, bis ich vor der anderen Person stand(aber ich merkte es nicht.) und dann ließen wir uns beide nach hinten fallen. Während Sachiko auf dem Boden landete, wurde ich von einem Paar Arme aufgefangen. Ich sah auf. Es war der Junge. Seine blauen Augen sahen auf mich herab. Sofort rappelte ich mich auf. Als wäre er gar nicht da gewesen, dachte ich. Sachiko hatte das geplant. Das wusste ich, denn in diesem Moment saß sie auf dem Boden und lächelte triumphierend. Ich ging zu Sachiko hinüber und half ihr hoch. „Das wird ein Nachspiel haben!“ sagte ich furchtbar leise und drohend an ihrem Ohr. „Aber es hat doch Spaß gemacht, oder nicht?“ fragte sie. Ich nickte und sagte: „Lass uns wieder zurück gehen.“ Sie sah mir böse in die Augen. „Bedanke dich doch wenigstens bei ihm.“ sagte Sachiko. Ich überhörte es einfach und ging den Weg zurück, den ich gekommen war. Ich beachtete den Jungen gar nicht. Eigentlich wusste ich gar nicht, warum ich so gemein zu dem Typen war. Ach ja. Ich war sauer auf ihn gewesen. Sachiko folgte mir. Ich spürte, wie sie den Jungen ansah. Ihr Blick sagte: Ich hab’s versucht. Sachiko rannte mir hinter her und kam neben mir zum Stehen. Sie lief neben mir her und versuchte mich mit Gesten doch noch dazu zu bringen, mich bei dem Jungen zu entschuldigen. Doch ich ließ mich davon nicht beirren. Sie konnte mich ja schließlich zu nichts zwingen. Wir gingen weiter und der Junge blieb hinter uns. Er folgte uns wieder zurück ins Haus. Die Sonne ging unter. War ich etwa so lange weg gewesen? Einen ganzen Tag. Unser Haus kam in Sicht und wieder einmal betäubten mich die viktorianische Verzierungen. Unser Haus war toll. Schnell hüpfte ich die Veranda hoch. Ohne mich nochmal um zusehen, öffnete ich die Tür und trat ein. Mum wartete schon im Flur mit drei heiße Schokoladen. Ich lächelte und nahm ihr eine Tasse ab. Es war meine Tasse gewesen, denn da stand mein Name. Wir werden dich vermissen, Alyssa<3!!!

Das war definitiv meine Tasse! Ich hatte sie von einer Freundin bekommen. Niemand anderes durfte aus dieser Tasse trinken. Nur ich. Ich ganz allein. Sachiko und der Typ kamen ebenfalls ins Haus und nahmen sich jeweils eine Tasse. Dann gingen wir gemeinsam ins Wohnzimmer. Ich setzte mich auf den Sessel und legte die Beine hoch. Ich pustete und wartete, bis die heiße Flüssigkeit so kalt war, dass ich es trinken konnte. Sachiko, Mum und der Typ setzten sich auf das Sofa und sahen mich alle an. Das Feuer im Kamin knisterte und warf leuchtende Schatten in den Raum. „Schön, dass du wieder da bist.“ sagte Mum und brach die erdrückende Stille. Ich lächelte. Dann fiel mein Blick ins Feuer und verharrte darauf. Sachiko räusperte sich, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Ich sah sie an und stellte die Tasse auf den Tisch. „Also...Alyssa das ist Tsubasa Yamamoto.“ sagte Sachiko. Ich wandte meinen Kopf ab und verdrehte die Augen. Dann sah ich wieder Sachiko an. „Tsubasa kurz Tsu-Chan ist erst neu hier hergezogen und da du auch neu bist, dachte sich die Direktorin, dass es gut wäre, wenn ihr euch kennenlernt und die neue Umgebung zusammen erkundet.“ meinte sie. Ich schwieg und betrachtete den Typen namens Tsubasa. Er musterte mich und unsere Blicke trafen auf einander. Stirb!, ertönte eine Stimme in meinen Kopf und ein unerträglicher Schmerz zuckte durch meinen Kopf. Ich schrie unter Schmerzen auf und fiel zu Boden. Dieser Schmerz...Er war so...Er tat so weh... „Alyssa!“ hörte ich nur noch. Ich wusste nicht, wer es gerufen hatte. Ich umklammerte meinen Kopf und versuchte den Schmerz aus meinem Kopf heraus zu bekommen.

Der Todesengel lässt grüßen


Alyssa sackte zu Boden. Sie hielt ihren Kopf umklammert und Ailis Protector wusste, dass das das Werk von Alyssas Todesengel war. Alyssa so leiden zu sehen...Es war für Ailis Protector die reinste Folter. Aber er durfte sich jetzt nicht offenbaren. Noch nicht. Alyssa musste das alleine durch stehen. Und bei so etwas hätte Ailis Protector Alyssa eh nur in die Arme nehmen können und sie halten können, bis die Schmerzen vorbei gegangen waren. Sachiko sprang auf und rief: „Alyssa!“ Ailis Protector stand auf und ging zu Alyssa hinüber. Er beugte sich zu ihr hinunter und strich ihr leicht und sanft über den Rücken. „Sie braucht Ruhe und einen Kühl-Akku. Solche Anfälle hatte ich auch schon und sie sind nicht gefährlich.“ sagte er. Ailis Protector wusste, dass er Recht hatte. Alyssas Todesengel konnte sie nicht mit so etwas töten. Das war nur seelischer Schmerz. Alyssa musste körperlicher Schmerz zu gefügt, um sie im höchsten Fall um zu bringen. Alyssas Mum sah nur mit geweiteten Augen auf ihre Tochter herab. Ailis Protector hob Alyssa in seine Arme und brachte sie hinauf in ihr Zimmer. Irgendwann auf dem Weg wurde sie ohnmächtig. Ihr Kopf fiel schlaff nach hinten. Ailis Protector brachte Alyssa in ihr Zimmer. Er legte Alyssa auf ihr Beet und zog die Bettdecke hoch, bis zu ihrem Hals. Alyssas Augenbrauen waren vor Schmerz zusammen gezogen, ihre Augen zu gekniffen. Ailis Protectors Herz klopfte wild. Er konnte Alyssa nicht helfen. Er konnte ihren Schmerz nur ein Wenig lindern. Ailis Protector war trotz seiner Aufgabe ein einfache Junge, der auch etwas empfinden wollte. Sein Herz schlug. Voller Mut stützte er die Hände neben Alyssas Kopf und versuchte nicht auf ihre nachtschwarzen Haare zu treffen. Ailis Protector schluckte und näherte sich langsam der bewusstlosen Alyssa. Sie atmete und Ailis Protector spürte ihren Atem auf seinem Gesicht. Doch dann überwand er sich und legte seine Lippen auf Alyssas. Er öffnete ihren Mund mit seiner Zunge und blies seinen Atem hinein. Dann schloss er ihren Mund wieder und löste seine Lippen von ihren. Alyssas Gesicht entspannte sich sogleich und wurde ruhiger. Ailis Protector lächelte, stand auf und verließ das Zimmer.
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Mein Kopf tat weh. Langsam schlug ich die Augen auf. Erst nach einigen Male blinzeln wurde mir klar, dass ich in meinem Zimmer war. Ich lag in meinem Bett. Langsam richtete ich mich auf und berührte unbewusst meine Lippen. Sie schmeckten süß. Als hätte mir jemand Zucker auf die Lippen geschmiert. Ich schob die Decke weg und stand auf. Der Schmerz war abgeklungen. Ich sah aus dem Fenster. Die Sonne schien. Ich erinnerte mich, dass es geregnet hatte. Das Nächste, woran ich mich erinnern konnte, war, dass ich unendliche Schmerzen verspürt hatte. Irgendwo in der Nähe hörte ich Stimmen. Ich ging in mein Wohnzimmer. Dort saß Sachiko auf der Couch. „Du bist wach?“ fragte Sachiko und stand auf. „Sieht so aus.“ sagte ich mit heiserer Stimme. „Klär mich mal bitte auf. Was habe ich verpasst?“ meinte ich. „Später. Jetzt mach die erst einmal frisch.“ sagte Sachiko und schob mich zurück in mein Zimmer. Ich ging etwas unfreiwillig ins Badezimmer, kämmte mir die Haare, ging duschen und zog mir frische Sachen an. Dann sprang ich wieder zu Sachiko. „Also, ich habe dir von Tsu-Chan erzählt. Tsubasa Yamamoto. Erinnerst du dich?“ fragte sie. Ich nickte. „Und dann bist du zu Boden gefallen. Tsu-Chan meinte, er hätte auch schon solche Anfälle gehabt. Die seihen nicht gefährlich, meinte er und brachte dich in dein Zimmer.“ sagte sie und beendete ihre Geschichte. „Das war’s?“ fragte ich sarkastisch. Was interessierte es mich, ob Tsubasa solche Anfälle kannte. Es war mir auch vollkommen egal, ob er mich gerettet hatte, oder nicht! „Pff... Ja, das war’s. Was hast du denn gedacht? Dass die Welt untergeht?“ sagte sie. Ich zuckte die Schultern. Schließlich konnte ich ja wohl schlecht dagegen sprechen und behaupten, dass etwas anderes passiert war. Immerhin war ich bewusstlos gewesen. Dann fiel mir wieder ein, dass meine Lippen süß geschmeckt hatten. Aber das ließ ich bei Seite. Sachiko sah mich an und legte mir den Arm auf die Schultern. Gemeinsam gingen wir die Treppe hinunter. Mum war in der Küche. Sie kochte gerade mein Lieblingsessen. Spaghetti mit Tomatensoße. Der leckere Geruch stieg mir in die Nase und ließ mir das Wasser im Mund zusammen laufen. Dieser köstliche Geruch... Sachiko musste mich erst ein Wenig schubsen, damit ich wieder klar im Kopf wurde. Mum summte leise ein Lied vor sich hin. Ich stellte mich hinter sie und fragte: „Ist das Essen schon fertig?“ Sie drehte sich um. „Noch nicht, Süße. Gedulde dich noch ein Wenig.“ sagte Mum. Ich lächelte und sie kochte weiter. Sachiko und ich gingen wieder hinauf in meine kleine Wohnung und setzten uns ins Wohnzimmer. „Und wo ist Tsubasa jetzt?“ fragte ich Sachiko desinteressiert, um erst mal ein kleines Gespräch aufzubauen. Sie sah mich an. „Deine Mutter meinte, er könne, wenn er wolle, noch einige Tage bei euch im Gästezimmer wohnen. Er entschied sich dafür. Das heißt, er ist gerade bei euch im Gästezimmer.“ sagte sie. Ich seufzte und meinte: „Das kann doch nicht wahr sein.“ Ich lehnte mich zurück und legte meine Füße auf das Sofa. „Du sag mal, was hat es eigentlich mit den Blumen auf sich, die bei dir im Mülleimer liegen?“ Ich sah langsam zu ihr. „Woher…?“ fragte ich und ließ den Satz unausgesprochen. „Ich bin vorhin zufällig an deinem Mülleimer vorbei gegangen und da ist mir gleich etwas rotes ins Auge gestoßen. Dann bin ich näher heran gegangen und hab dann die Blumen gesehen. Also, was hat es damit zu tun?“ Ich sah in Richtung Mülleimer. „Ich habe plötzlich in ungleichen Abständen Blumen geschenkt bekommen. In meiner vorherigen Schule hatten wir Blumenkunde und somit weiß ich auch, was jede Blume für eine Bedeutung hat. Zuerst habe ich eine weiße Lilie bekommen, danach eine weiße Calla und zum Schluss eine weiße Chrysantheme, die ich gefunden habe, als ich aus dem Bus ausgestiegen bin. Auf dem Weg nach Hause dann, hat mich eine unbekannte Nummer angerufen, und mich vor einem Bärenangriff gewarnt. Später, kam dann meine Mutter mit rot-weißen Blumen an. Die Blumen, die ich bei dem Anruf fallen gelassen habe. Rot, von dem Blut des Bären.“ sagte ich und sah auf den dunklen Fleck an der Wand, an die ich die Blumen geworfen hatte. Sachiko antwortete zuerst nicht, schließlich aber doch. „Ehrlich gesagt, klingt das für mich nur wie ein dummer Streich. Aber anders gesehen, auch irgendwie total beängstigend.“ meinte sie. „Du hast wahrscheinlich Recht, bestimmt nur ein Streich.“
antwortete ich ihr und versuchte meine Gedanken zu ordnen. „Los, Themawechsel.“ sagte ich und meine Mutter rief: „Hey Mädels! Es gibt Essen! Kommt herunter!“ Ich sah Sachiko an und gemeinsam gingen wir dann hinunter zu meiner Mutter. Sie hatte fröhlich einen Mittagstisch für vier Personen gedeckt. Da wandte ich ein: „Eh…Mum, wir wollen lieber oben essen.“ Sie hielt in der Bewegung inne, als sie gerade das Besteck auf den Tisch legen wollte. „Wie, ihr wollt oben essen?“ fragte sie und richtete sich auf. „Wir…ähm…ja, wir…“ stotterte ich etwas unbeholfen, aber zum Glück war Sachiko ja auch noch da gewesen. „Wir müssen Frauengespräche führen.“ sagte sie und zwinkerte mir zu. „Ach, da wäre ich aber gerne dabei.“ sagte Mum und blickte uns hoffnungsvoll an. „Aber es gehört sich nicht, einen Gast alleine essen zu lassen.“ meinte Sachiko und blickte in Richtung unseres Gästezimmers. Sie hatte Recht. Mum konnte nicht mit uns essen, da es ja auch noch Tsubasa gab. Ich konnte gar nicht verstehen, wie Sachiko so einen Scharmbolzen, der zudem eiskalt erschien, schon mit dem Spitznamen ansprechen konnte. Tsu-Chan…Tse. Lächerlich. „Naja. Meinetwegen, dann verschwindet. Bevor unser Gast es bemerkt.“ sagte sie und drückte uns die Teller in die Hand. Abermals war ich Sachiko tausendfach dankbar, dass sie meine Situation rettete. „Danke.“
flüsterte ich ihr noch zu, als sie schon wieder die Treppe herauf sprintete. Mum sah uns kopfschüttelnd hinter her und ich hörte noch, wie sie sagte: „Diese Jugend von heute…“ Ich musste schmunzeln. Als ich dann wieder in meiner kleinen Wohnung war, schloss Sachiko die Tür hinter mir.

Frauengespräche


„Also…jetzt noch einmal zu eurem Gast…Findest du nicht auch, dass er super schnuckelig ist?“ fragte sie und setzte sich mit ihrem Teller auf das Sofa. Ich folgte ihr und beobachtete, wie die Blätter der Bäume an meinem Fenster vorbei wehten. „Ja, irgendwie schon.“ sagte ich und ein Bild von Ailis Protector blitzte auf. Ich blinzelte, um das Bild und das Gefühl der Geborgenheit von mir abzuschütteln. „Und seine Haare sind doch wirklich ein Traum! Schwarz wie die Nacht.“ schwärmte sie und ich steckte mir die Gabel voller Nudeln in den Mund, während ich sie beobachtet. „Stimmt.“ heuchelte ich lächelnd. Ich wollte wenigstens ein Bisschen mitspielen, auch wenn ein mulmiges Gefühl in mir aufstieg. „Hast du seine Augen gesehen? Die sind so wunderschön!“ sagte ich und schmunzelte gefälscht. Ich fand nicht das Geringste war daran zu Schmunzeln, dass die Tatsache bestand, das Tsubasa genauso aussah wie Ailis Protector. Diese Tatsache ließ mir jeden Grund zum Lachen vergehen. Ich schüttelte kaum merklich den Kopf, um zu vergessen, dass Tsubasa wie Ailis Protector aussah. „Lass uns jetzt essen.“ sagte ich und stopfte mir eine weitere Gabel in den Mund. „Ja. Aber weißt du was ich mich frage?“ meinte sie und drehte ihr Gabel. „Was denn?“ fragte ich mit vollem Mund und begann zu lachen. Sachiko begann ebenfalls zu lachen. Kurz danach verstummte sie und wurde wieder todernst. „Ich frage mich, wie es kommt, dass dieser Typ bei dir zu Hause ist.“ meinte sie. Ich sah sie scharf an. „Und ich frage mich, wie du auf die Idee gekommen bist, erst mit mir zu tanzen und mich dann so auszutricksen.“ antwortete ich ihr gespielt wütend. „Oh ja. Aber ich meine mal, ich brauche keinen Typen. Ich kann ohne leben, aber ich merke, wie du langsam vor Einsamkeit dahin schmorrst. Also wollte ich dir ein Wenig helfen.“ lachte Sachiko und die Tomatensoße war ihr bis zur Nase gespritzt. „Wirklich? Aber ich möchte nicht mal einen Freund. Ich habe gerade erst erfahren, dass mein jetziger Freund in Atlanta mich mit einer Referendarin betrogen hat. Und das werde ich nicht so schnell vergessen. Trotzdem danke.“ sagte ich und mein Lächeln verschwand. Mein Herz schmerzte und zog sich zusammen. Ich verkniff es mir aufzuächzen. Da klopfte es an der Tür und ich sah erschrocken auf, wischte mir eine winzige Träne aus dem Gesicht. Sachikos Blick zuckte zuerst zur Tür und dann zu mir zurück. Ihr Blick war besorgt. „Herein.“ sagte ich automatisch mit dem Rücken zur Tür und schielte aus dem Augenwinkel zur Tür. Sie öffnete sich einen Spalt und der Junge trat ein. „Was willst du?“ fragte ich mit kalter Stimme. Sachiko sah mich bedrückt an. „Deine Mutter hat mich hoch geschickt.“ sagte Tsubasa genauso kalt wie ich zuvor. Ich bemerkte, dass Sachiko die Situation ziemlich unangenehm war. Ich glaubte, sie wollte sich raus schleichen, oder wollte sich in Luft auflösen. „Ja und warum hat sie dich hochgeschickt?“ fragte ich langsam genervt von der Situation. „Sie hat gemeint, dass ich mich mal ein Bisschen mit euch unterhalten soll.“ sagte er und ich verdrehte nur die Augen. „Hey. Meinetwegen kann er sich gerne zu uns gesellen.“ mischte Sachiko sich ein, bevor die Situation eskalierte. Ich sah sie überrascht an, überlegte kurz und lehnte mich an die Couch. Ich gab kleinlaut und überließ Sachiko die Führung. „Setz dich doch zu uns.“ sagte sie lächelnd und ich aß nebenbei weiter. Um ehrlich zu sein, hielt ich von der Sache ja nicht viel. Still lächeln und nicken, sagte ich mir. „Also, vielleicht sollten wir damit anfangen, uns vorzustellen.“ sagte Sachiko und ich verkniff es mir, laut los zu lachen. „Ich bin Tsubasa Yamamoto und bin siebzehn Jahre alt. Meine Hobbys sind zu lesen und mich mit neuen Leuten anzufreunden.“ meinte er und ich verdrehte unbemerkt meine Augen. „Ich bin Sachiko Rosé und ich bin sechszehn Jahre alt. Meine Hobbys sind es shoppen zu gehen, Freunde zu treffen und Probleme von Freunden zu lösen.“ meinte sie und sah mich an. Ich setzte mich auf, nachdem ich den leeren Teller weggestellt hatte. Ich seufzte und dachte: Ach, wie kindisch! „Alyssa Kobayashi. Sechzehn Jahre. Ich gehe es ruhig an, treffe mich gerne mit Freunden, schreibe gerne E-Mails mit meinen Freunde. Komme aus Atlanta.“ sagte ich kurz und knackig und wartete auf Tsubasas überraschten Blick, der jedoch ausblieb. Seine Augen blieben kalt und ich sah aus dem Fenster. „Und nicht, dass du jetzt auf falsche Ideen kommen solltest…“ sagte ich und begann zu schniefen. „Ich hatte bis vor kurzem…Entschuldigt mich!“ rief ich und sprang auf. Ich rannte in mein Zimmer und warf die Tür hinter mir zu. Ich hörte noch, wie Sachiko aufsprang und mir hinter her rief. Das war zu viel für mich. Warum zum Teufel sollte ich einem Fremden erzählen, dass ich bis vor kurzem einen Freund hatte und mein ehemaliger Freund mich mit einer Referendarin auf meiner letzten Schule betrogen hatte. Das wussten nur Kathy, Sachiko und natürlich Heath. Und das sollte erst einmal auch so bleiben. Ich weinte nicht. Es gab für mich keinen Grund mehr zu weinen. Immerhin passierte so etwas nun einmal. Und ich konnte Heath auch schlecht verübeln, dass er mir fremdging. Wir hatten kaum noch Kontakt und er meldete sich auch nicht mehr. Ich setzte mich auf mein Bett und öffnete meinen Laptop. Es dauerte nicht lange, bis ich ihn hoch gefahren hatte und überprüfte meinen E-Maileingang. Ich hatte zwei neue E-Mails. Eine von Kathy, die andere von Heath. Na klasse, das hatte mir wirklich noch gefehlt. Warum hatten sie mir keinen Brief geschrieben? Da stimmte etwas nicht. Ich öffnete mir klopfendem Herzen die erste E-Mail. Es war die von Heath.

Verrat der besten Freundin-Zusammenbruch


Alyssa, ich habe dir etwas zu sagen. Es tut mir Leid, es mag jetzt noch so hart klingen. Ich mache Schluss mit dir. Ich habe jetzt eine neue Freundin, die mich mehr liebt, als du. Sei nicht traurig, ich wette mit dir, dass du auch schon wieder einen Neuen hast, oder? Ach, bevor ich es vergesse, schick mir doch bitte das Schmuckset wieder zurück. Naja, vielleicht sieht man sich irgendwann noch einmal.
Bis dann,
Heath
P.S. ich bin jetzt mit Kathy zusammen.
Was? Er war mit Kathy zusammen? Er hatte mich mit Kathy betrogen? Das konnte nicht wahr sein. Mit zitternden Händen öffnete ich die nächste E-Mail. Die von Kathy.
Hallo Alyssa,
was du jetzt lesen wirst, wird dir wahrscheinlich nicht gefallen, aber so ist es nun einmal. Ich habe dir von Anfang an nur etwas vorgespielt. Ich habe bei deinem Abschied zwar äußerlich geweint, aber innerlich hätte ich vor Freude eine Bank aus rauben können. Du weißt ja gar nicht, wie sehr ich in Heath verliebt gewesen bin und du, blöde Kuh hast ihn mir weg geschnappt! Obwohl er mir gehört hat! Ich habe dir erzählt, dass ich ihn gut finde und auf ihn stehe, aber irgendwie hast du es doch geschafft ihn mir weg zu nehmen! DU BLÖDE KUH HAST ALLES ZERSTÖRT! WARUM MUSS ES DICH NUR GEBEN! OHNE DICH WÄRE ICH DIE BESTE UND HÜBSCHESTE DER GESAMTEN SCHULE GEWESEN! ICH HASSE DICH!! ICH HASSE, HASSE, HASSE, HASSE DICH!! VERRECKE DOCH DORT, WO DU JETZT BIST!!
P.S. ganz liebe Grüße von Kathy und ihrem neuen Schatz Heath.

Was las ich da? Kathy hasste mich. Der Laptop rutschte von meinem Schoß und ich begann verzweifelt zu schreien.

Sachiko sah Tsubasa entschuldigend an, als plötzlich ein Stille zerreißender Schrei ertönte. Tsubasa und Sachiko reagierten beide fast gleich. Jedoch reagierte Tsubasa früher als Sachiko, bremste dann aber ab. Er hatte keine Berechtigung einfach ohne Erlaubnis Alyssas Zimmer zu betreten. Deshalb ließ er Sachiko voran stürmen und folgte ihr einfach. Sie stieß dir Tür mit einem Ruck auf und gab ihnen den Blick auf Alyssa frei. Alyssa lag zusammen gekauert auf ihrem Bett mit weiß-pink gestreifter Bettwäsche. Sie schluchzte und zitterte krampfhaft. „Alyssa-Chan! Oh mein Gott, was ist passiert?!“ rief Sachiko und ihre Kleider flatterten, als sie zu Alyssas Bett rannte. Sachiko ließ sich sanft, aber schnell neben Alyssa auf das Bett nieder und nahm Alyssa beruhigend in den Arm. „Hey Süße. Es ist alles okay, ich bin da. Beruhige dich.“ Schluchzend klammerte sich Alyssa an Sachiko und hörte zunächst nicht auf zu weinen. „Er….er ist…jetzt mit ihr…“ stotterte Alyssa und brach in lautes Geheule aus. Sie tat Tsubasa leid. „Psst. Nicht sprechen.“ meinte Sachiko und wiegte Alyssa sanft wie ein kleines Kind hin und her. „Hole mir mal bitte eine warme Tasse mit Milch und Honig.“ sagte Sachiko und schickte Tsubasa weg. Er wusste sofort, was gemeint war und machte, was von ihm verlangt wurde. Sachiko musste nicht lange warten, da kam er auch schon mit einer dampfenden Tasse Milch wieder. „Danke.“ sagte Sachiko und Tsubasa überreichte ihr die Tasse. Schniefend setzte Alyssa sich auf und Sachiko gab ihr die Tasse. Sachiko ließ die Tasse zuerst nicht los. Wahrscheinlich wollte sie nicht, dass Alyssa sich die heiße Milch übergoss, denn dafür zitterte sie zu sehr. „Es ist alles okay, Alyssa. Ich bin da.“ sagte Sachiko und führte die Tasse an Alyssas Lippen. Sie trank die Milch brav und schien sich allmählich zu beruhigen. Es brauchte zwar eine Weile, bis sich das Schluchzen von ihr vollkommen auflöste, aber Ailis Protector war froh, in diesem Moment bei Alyssa zu sein.

Die warme, süße Flüssigkeit ran meine Kehle hinunter und erfüllte mich mit einem Gefühl von Geborgen- und Sicherheit. Und mit einer anderen Sicherheit fühlte ich die Anwesenheit von Ailis Protector. Wo war er? Ich sah mich in dem Raum um. Neben mir saß Sachiko und sprach mir beruhigende Wörter zu. „Ailis Protector…“ flüsterte ich und bemerkte einen überraschten Blick. Nicht nur einen. Zwei. Sachiko sah mich überrascht an, immerhin wusste sie nichts von einem Ailis Protector. Aber vielleicht konnte sie sich an die Nacht erinnern, wo ich seinen Namen schon einmal geflüstert hatte. Und warum Tsubasa mich so komisch ansah, konnte ich nicht verstehen. „Hey Alyssa-Chan. Hast du dich langsam beruhigt?“ fragte Sachiko und strich mir sanft über den Arm. Ich nickte und nahm die Tasse mit beiden Händen. Sachiko ließ los, als sie bemerkt hatte, dass ich nicht mehr zitterte. „Dankeschön.“ sagte ich und trank den letzten Schluck der Tasse aus. Sachiko und Tsubasa sahen mich besorgt an. „Steh da doch nicht so herum und komm endlich richtig rein.“ sagte ich zu Tsubasa. Er hatte mich jetzt schon am Rande der Verzweiflung gesehen, da musste er nicht mehr einen auf Außenseiter machen. „Hast du heute schon etwas vor?“ fragte ich und sah Sachiko an. Sie sah mich fragend an, schüttelte aber den Kopf. „Ich brauche jetzt eine totale Ablenkung. Können wir uns vielleicht mir Haruka und Ren treffen?“ fragte ich sie. Ihre blauen Augen sahen mich eindringlich an, dann fuhr sie sich durch ihr lilafarbenes Haar. „Meinst du? Also, ich meine…Klar können wir uns mit Haruka und Ren treffen, aber was möchtest du denn unternehmen?“ sagte sie. „Ich habe mir gedacht, dass wir vielleicht ins Schwimmbad fahren könnten.“ meinte ich und sah erst Sachiko und dann Tsubasa an. „Ja, okay. Das wäre eine gute Idee. Ich gehe dann mal eben Ren und Haruka anrufen, okay?“ meinte Sachiko und stand von meinem Bett auf. Ich nickte und sie war verschwunden. Seufzend stand ich auf und fuhr schweren Herzens meinen Laptop herunter. Tsubasa stand etwas unbehaglich in meinem Zimmer und ich sagte schließlich: „Setzt dich doch bitte hin, du machst mich nervös.“ Ich stellte die Laptop-Tasche von meinem Schreibtischstuhl und machte somit für Tsubasa einen Platz frei. „So…Tasche…Tasche…Wo ist die Tasche…“ sagte ich und suchte in meinem Schrank nach einer Umhängetasche für die Badesachen. Ich suchte und suchte, fand aber nichts. Sachiko kam wieder zu mir. „Also, Ren und Haruka finden beide, dass das eine gute Idee ist. Wir treffen uns dann alle gemeinsam am Schwimmbad. Kommt Tsubasa mit?“ fragte sie und sah unseren männlichen Besuch an. „Ähm…“ sagte ich und sah ihn ebenfalls an. Tsubasa zuckte nur mit den Schultern. „Also, ich meine ja, da die Direktorin ihn hier her geschickt hat, sollten wir ihn mit nehmen. Immerhin ist er neu und vielleicht tut es ihm auch ein Bisschen gut, wenn wir ihn einfach mal überall mit hin nehmen.“ sagte Sachiko und ich nickte. „Du hast Recht. Und außerdem lernt Tsubasa dann auch Haruka und Ren kennen. So wie ich Ren kenne, wird Tsu-Chan sein neuer bester Freund.“
sagte ich und Sachiko sah mich überrascht an. „Ich darf doch Tsu-Chan sagen, oder?“ fragte ich ihn und er nickte beruhigend. „Also, du kommst mit. Geh schnell Badehose und Handtuch einpacken.“ sagte Sachiko und Tsubasa nickte und verschwand. „Da fällt mir ein, ich habe gar keine Badesachen bei. Wir haben doch ungefähr die gleichen Maße, oder?“ Ich nickte. „Könntest du mir einen Bikini leihen?“ „Natürlich.“ sagte ich und kramte aus meinem Schrank zwei Bikinis. Der eine war ein Neckholder-Bikini und der andere trägerlos. Der trägerlose Bikini war im trendigen Edel-Look mit blauen Blockstreifen und Ziernieten. Den Bikini gab ich Sachiko. „Wow, der ist aber schön.“ sagte sie und nahm mir den Bikini ab. Der Neckholder-Bikini war schwarzgoldkariert und das Oberteil war in der Mitte mit einer schwarzen Zierschleife geschmückt. Der Slip war wie bei dem anderen Bikini. Er war schwarz und an der linken Seite war ein goldener Streifen Stoff mit einer Schleife gebunden, der wie ein Gürtel an der Taille herunter fiel. Das war mein Lieblingsbikini, deshalb bekam ich den. „Wow, der sieht ja wirklich hübsch aus.“ sagte Sachiko, zeigte mit der rechten Hand auf meinen Bikini. „Ich weiß. Deshalb bekommst du ihn ja auch nicht.“ lachte ich und streckte ihr aus Spaß die Zunge heraus. „Du bist so fies.“ sagte sie gespielt beleidigt und ich stopfte meinen Bikini in meine Tasche. „Ich weiß.“ rief ich ihr hinterher, als sie übertrieben aus meinem Zimmer stapfte. Lachend packte ich eine kleine Tasche und ging ihr, als ich fertig war hinterher. Tsubasa stand im Flur und wartete auf uns. Sachiko war nun wieder normal und ich schloss die Tür hinter uns. Mein Blick schwang zu Tsubasa, danach zu Sachiko. „Seid ihr bereit? Dann können wir ja endlich los fahren.“ sagte ich und nickte beiden zu. Trotzdem vergas ich nicht, was passiert war. Ich unterdrückte es nur. Tief in meinem Inneren wusste ich jedoch, dass ich nicht mehr lange so weiter machen konnte. Irgendwann würde ich unter dem ganzen Gewicht der Last zusammen brechen. Nun vielleicht nicht heute oder morgen, aber irgendwann war es soweit. Sachiko stupste mich an und ich sprang lachend die Treppe herunter. „Mum? Wir gehen mit Haruka und Ren ins Schwimmbad! Wir nehmen Tsubasa mit, bis später!“ rief ich und verließ das Haus. Draußen war es frisch. Der Herbst war herein gebrochen. Nun durften wir uns auf einen eiskalten Winter freuen. „Ist ja gruselig.“ sagte Sachiko und schüttelte sich. „Müssen wir bei dieser Jahreszeit auch mit der Schuluniform herum laufen, Sachiko-Chan?“ fragte ich und überlegte mir, ob ich eine Jacke mit nahm. „Das wäre ja Selbstmord! Nein, Alyssa-Chan. Wir bekommen die Winteruniform zu geschickt. Es kann sein, dass du die Uniform heute noch bekommst, da morgen ja schon wieder die Schule weitergeht.“ Ich seufzte. „Erinnere mich bloß nicht daran.“ sagte ich und schlug mir mit der rechten Hand sanft gegen den Kopf. Sachikos grüner Käfer kam in Sicht und ich beschleunigte meinen Lauf. „Ich sitze auf dem Beifahrersitz!“ sagte ich und hob die Hand. „Ist okay, heißt das Tsu-Chan-Kun hinten sitzen muss.“ lachte Sachiko. Sie schloss ihren Käfer auf und ich riss die Tür auf, klappte den Sitz nach vorn. Ich wartete bis Tsubasa eingestiegen war und setzte mich schließlich hin. Die Taschen hatten wir im Kofferraum verstaut. „Wir treffen Ren-Kun und Haruka-Chan am Schwimmbad, oder?“ fragte ich, als ich mich anschnallte. „Jap.“ sagte Sachiko und ließ den Wagen an.

Fröhlicher Badetag-insgeheime Ablenkung


Die Reifen knirschten auf dem Kies der Auffahrt. Ich schaltete das Radio an, hörte die Musik jedoch nicht. Ich dachte nach, sowie ich es eigentlich immer tat, wenn ich in Sachikos Auto saß. Irgendwie war das der beste Ort nachzudenken. „Tsu-Chan? Wo hast du eigentlich vorher gewohnt?“ fragte Sachiko. „Also, ich komme ursprünglich aus Japan, aber ich habe mein ganzes Leben in Kroatien verbracht.“ sagte er und ich beobachte die näherkommenden Wolken. Ich dachte an den Tag, wo Haruka, Ren, Sachiko und ich ins Kino gehen wollten. Da war zuerst auch so ein Wetter. Seit ich hier war, passierten mir ständig gruselige Dinge. Zum Beispiel wurde ich fast vergewaltigt, und ich hatte Ailis Protector getroffen. Nur wenn ich an ihn dachte, machte mein Herz schon einen Sprung. Ich verdankte ihm mein Leben. Aber ich hatte nichts mehr von ihm gehört. Ich seufzte und dachte mir nur eins. Was würde wohl passieren, wenn ich ihn wiedersehen würde? Wie würde dieses Treffen ausgehen? Ach, ich wollte ihn wieder sehen, aber auch wieder nicht. Er hat mich nackt gesehen.

Das wurde mir mit schrecklichem Gefühl bewusst. Ich bemerkte, wie ich rot wurde und schüttelte dann aber den Kopf. „Was ist los, Alyssa-Chan?“ fragte Sachiko und ich sah sie an. „Ach…äh…nichts. Ich habe gerade nur an etwas gedacht. Etwas sehr peinliches…“ sagte ich und wand mich wieder dem Fenster zu. „Okay…Magst du’s mir erzählen, Alyssa-Chan?“ fragte Sachiko mich. „Chi-San…Wenn wir allein sind, okay? Immerhin ist jetzt Tsu-Kun dabei.“ sagte ich und sah jedoch nicht zu ihm. „Ach so…ich verstehe. Okay, dann lass uns im Schwimmbad für eine halbe Stunde oder so in die Sauna gehen.“ sagte sie und in ihrer Stimme schwang ein leichtes Lächeln mit. „Chi-Chan…So hat mich bis jetzt noch niemand genannt.“ meinte sie grübelnd. „Ist das schlimm, dass ich dich so nenne?“ fragte ich und sah sie an. „Nein, nein. Ich finde es schön.“ lachte sie und fuhr von der Schnellstraße herunter. „Wir sind gleich da.“ meinte sie und ich streckte mich. Im Radio lief gerade irgendein alter Song, den ich vom Hören kannte, aber nicht wusste wie der Titel war. Irgendein ‘Oldtimer‘. Sachiko bog auf einen Parkplatz ein, wo bereits Rens orangener Golf auf uns wartete. Sachiko parkte ein und schließlich stiegen wir aus. Wir nahmen unsere Taschen und ich war überrascht, was ich sah. Haruka und Ren standen ineinander verschlungen da. Was war da passiert? Ich sah Sachiko an. „Was hab ich denn verpasst?“ flüsterte ich ihr zu. Sie zuckte mit den Schultern und meinte nur: „Ich bin genau so überrascht wie du.“ Mit hochgezogener Augenbraue gesellten wir uns zu den beiden Turteltäubchen. „Na ihr beiden? Hat’s endlich gefunkt?“ fragte ich und die Beiden ließen voneinander ab. Ich fühlte einen scharfen Schnitt in meiner Brust und unterdrückte es aufzuächzen. Ich merkte, wie Haruka rot wurde. „Ich wünsche euch viel Glück, Ren-Kun, Haruka-Chan.“ sagte Sachiko und umarmte die Beiden. Ich umarmte sie ebenfalls. Zuerst Haruka. „Es gab keinen Grund auf mich eifersüchtig. Haruka-Chan, ich wünsche dir viel Glück.“ Sie schien überrascht und ich dachte wirklich, dass sie mich weg stoßen würde, aber dem war nicht so. Ich ließ sie los und umarmte Ren, mein Blick haftete aber auf Haruka. „Ich wünsche dir und Haruka-Chan viel Glück.“ sagte ich und ließ auch wieder von ihm ab. Dann fiel der Blick von Haruka und Ren auf Tsubasa. „Wer ist das denn?“ fragte Haruka und ihr Blick haftete auf Tsubasa. Ich hatte bei ihrem Blick ein ungutes Gefühl. „Das? Das ist Tsubasa Yamamoto. Er ist neu, genau wie ich und die Direktorin meint, dass es doch ganz praktisch wäre, wenn wir gemeinsam Shirakawa-go und die umliegenden Städte zu erkunden. Finde ich zwar schwachsinnig, aber wenn sie meint.“ sagte ich und beobachtete Haruka skeptisch. Ren fühlte sich sichtlich unwohl, dennoch ergriff er die Chance und begrüßte Tsubasa. Er trat vor und hielt ihm die Hand hin. Tsubasa ergriff sie und Ren sagte: „Ich bin Ren Takamatsu und das ist Haruka Fujibashi, meine Freundin.“ Ich hörte die giftige Eifersucht in seiner Stimme förmlich sprühen. Natürlich musste ich auch zugeben, dass Haruka sich nicht richtig verhielt. Immerhin war sie gerade erst mit Ren zusammen gekommen und sie schien wirklich schon lange in ihn verliebt gewesen zu sein. Und jetzt himmelte sie bereits den nächsten Typen an? Ich verstand sie nicht. Gerade hatte sie ihren Traumtyp bekommen, da fand sie schon den Nächsten? Ich schnaubte verächtlich und alle sahen mich überrascht an. „Äh…Gesundheit. Tut mir leid, ich habe geniest. Wie wäre es, wenn wir jetzt rein gehen? Ich hab richtige Lust zu schwimmen.“ log ich lächelnd und machte mich auf den Weg zur Halle. Alle folgten mir und ich schüttelte nur meinen gesenkten Kopf. „Aus der soll mal jemand schlau werden.“ sagte ich und schnaubte abermals. Natürlich hatte mich jetzt niemand gehört. Ich beschleunigte meinen Schritt als ich den Eingang sah und stürmte beinahe hinein. Es war endlich wieder warm. Ich wartete, bis Haruka, Ren, Sachiko und Tsubasa aufgeholt haben und ging zur Kasse. An der Kasse stand eine Frau. Sie war blond und hatte grüne Augen. Sie mochte vielleicht ein oder zwei Jahre älter sein als ich. „Guten Tag und willkommen in der Schwimmhalle ‘Bernstein‘. Was kann ich für Sie tun?“ fragte die Frau und knautschte auf ihrem Kaugummi herum. Sie trug bestimmt mindestens fünf Kilo Make-Up im Gesicht. „Guten Tag, wir hätten gerne eine Gruppentageskarte.“ sagte ich und die Frau suchte fünf Schlüssel für die Schließfächer, die sie letztendlich auf die Theke legte. „Das macht dann 983¥.“ Ich öffnete mein Portmonee und legte den Geldbetrag auf den Tressen. „Ach, wenn Sie Hunger haben, können Sie in der Halle mit den Schlüsseln bezahlen.“ sagte sie und ich nickte. „Ich wünsche Ihnen viel Spaß.“ sagte die Frau und ich ging in Richtung der Umkleidekabinen. „Also, die Kabinen sind in Geschlecht getrennt. Heißt, dass Ren und Tsubasa sich zusammen umziehen und wir Mädels. Hier bitte schön.“ sagte ich und gab Ren und Tsubasa jeweils einen Schlüssel. „Bis später, Jungs. Oder wollt ihr euch etwa mit uns zusammen umziehen?“ fragte Sachiko und wir brachen in Lachen aus. Ren wurde rot und wir verkrümelten uns in die Umkleidekabinen. Haruka folgte uns und ich gab Sachiko und Haruka einen Schlüssel. „So jetzt lasst uns erst einmal die Schließfächer suchen.“ sagte ich und ging vor. Ich kannte mich zwar hier nicht aus, aber einfach der Nummer nach. Schließlich hatten wir die Schließfächer gefunden und zogen uns um. Haruka hatte ebenfalls einen Bikini an, aber ihrer sah mehr aus wie ein Bikini aus dem Sportunterricht oder so etwas. Ich hätte ihn nicht tragen wollen. Aber sie musste es ja wissen. Schließlich standen wir alle in Bikini da und suchten den Ausgang. Schon in den Kabinen roch es nach Chlor. Ich mochte den Geruch wirklich. Wir gingen gemeinsam durch die Tür und Ren und Tsubasa warteten schon, beide mit Bauchmuskeln. Wieder stieg in meinem Kopf ein Bild von Ailis Protector auf. Ich kniff die Augen zusammen und schlug mir mit der Hand auf den Hinterkopf. Das Bild war weg und ich konnte mich wieder auf normale Dinge konzentrieren. „Okay, dann sage ich jetzt, dass wir machen was wir wollen!“ sagte ich und hob die Hand. Dann ließ ich sie wieder sinken und nahm Sachikos Handgelenk. „Wir wollten in die Sauna.“ sagte ich und zog sie mit. „Bis später, Leutis!“ rief ich und beschleunigte meinen Schritt. Es dauerte nicht lange, da hatten wir auch schon die Sauna erreicht. Der Typ am Eingang reichte jedem von uns ein Handtuch und wünschte uns viel Spaß. Wir suchten uns eine leere Sauna und setzten uns hinein. Die Hitze stieg mir bereits entgegen, als ich bloß die Tür öffnete. Ich ging hinein und breitete das Handtuch auf der untersten Bank auf. Schließlich setzte ich mich hin und begann zu sprechen. „Ich muss dir was erzählen. Es geht um Tsu-Kun.“ sagte ich und legte die Beine auf die Bank. „Erzähl mal.“ sagte sie und legte sich auf die Bank mir gegenüber. „Also, ich hab dir doch von diesem Spinner erzählt. Der, der mich angerufen hat. Erinnerst du dich?“ Sie nickte. „Und du erinnerst dich auch noch an den Engel?“ Sie nickte abermals und ich atmete tief ein und aus. „Tsubasa gleicht dem Engel bis auf die Augen- und Haarfarbe.“ brachte ich schließlich heraus. „Heißt das, dass du denkst, das er der Spinner ist?“ fragte sie und sah mich an. Ich legte mich auf die Bank und winkelte die Beine an. „Ich denke gar nichts, aber ich meine, dass er dem Engel beängstigend ähnlich sieht. Das ist doch komisch, oder? Und es gibt solche Momente, wo ich dann Bilder von dem Engel im Kopf und wenn ich Bilder von ihm im Kopf habe, denke ich automatisch an jene Nacht. Und das macht mir Angst, deshalb schüttele ich mich dann immer. Also falls das demnächst nochmal vor kommt, wundere dich bitte nicht.“ sagte ich und beobachtete sie aus dem Augenwinkel. „Kein Problem, aber wenn Tsubasa aussieht, wie dein Engel…Dann sieht dein Engel ja mal richtig heiß aus.“ schwärmte sie. „Ey, vergiss es. Verlieb‘ dich jetzt bloß nicht in meinen Engel. Vor allen Dingen weiß ich ja nicht mal, ob er irgendetwas mit meinem Engel zu tun hat und außerdem…ist er nicht mein Engel.“ sagte ich und senkte meine Stimme. „Uh, das klingt alles total romantisch. Du bist in Gefahr, ein Engel rettet dir das Leben. Am nächsten Tag sitzt bei dir im Wohnzimmer ein Junge, der deinem Engel total ähnlich sieht und zum Schluss kommt ihr zusammen und fliegt zusammen durch die Nacht.“ Ich lachte kurz auf. „Jetzt übertreib‘ mal nicht. Aber mal etwas anderes. Hast du Harukas Blick vorhin gesehen?“ Sie grübelte. „Meinst du, als sie Tsu-Chan gesehen hat?“ fragte Sachiko. „Genau!“ Ich setzte mich hin und überschlug die Beine. „Ich meine, hallo? Sie ist gerade mit Ren-Kun zusammen gekommen und jetzt schaut sie sich schon nach dem Nächsten um, oder was?“ sagte ich und diese Tatsache machte mich unheimlich wütend. „Sag mal, kann es sein, dass du auf Haruka-Chama eifersüchtig bist?“ Ich begann zu lachen. „Sicherlich.“
meinte ich nur sarkastisch. „Ne, ich meine aber, jetzt hat sie Ren-Kun. Jetzt hat sie endlich ihren Traumjungen und interessiert sich gleich wieder für den nächsten? Und ich meine, ich habe sehr wohl Ren-Kun vorhin erlebt, wie er Tsu-Kun angemacht hat. Natürlich tut mir dann Tsu-Kun auch Leid, weil er kann ja gar nichts dafür.“ sagte ich. „Ja, da hast du Recht, aber ich finde es auch von ihr unmöglich. Naja, aber am besten zeigst du ihr nicht, was du von ihr hältst. Trotzdem könntest du deine Fäden ein bisschen spinnen und ihn unter deine Fittiche nehmen. Ich meine, dann realisiert sie wahrscheinlich, dass sie einen wundervollen Freund hat und keinen neuen braucht.“ Ich nickte. „Du hast Recht. Wartest du hier? Ich gehe ihn holen.“ Zwei Jungs etwas über unserem Alter betraten die Sauna und Sachikos Blick fuhr in die Höhe. „Lass dir ruhig Zeit.“ sagte sie und ich nahm das Handtuch, verließ die Sauna und hörte nur noch ein verführerisches: „Hallo Jungs.“ Ich schüttelte den Kopf und beschleunigte meinen Schritt. Als ich dann in der Schwimmhalle ankam, glaubte ich nicht, was ich denken sollte. Haruka saß mit Ren und Tsubasa im Whirlpool und hatte wahrscheinlich ganz vergessen, dass Ren ihr Freund war. Ich stellte mich hinter Haruka und sagte, während ich mit meinen Handknöcheln knackte, im zuckersüßen Ton: „Haruka-Chan, Ren-Kun, darf ich euch Tsu-Chan entführen?“ fragte ich und sah Rens erleichterten Blick. Haruka zuckte auf und drehte sich erschrocken zu mir um. „Alyssa-San…“ sagte sie nicht erfreut. „Tsu-Chan kommst du mit in die Sauna? Wir wollen doch Haruka-Chan und Ren-Kun etwas Zeit für sich selbst lassen. Immerhin sind sie ja zusammen.“
sagte ich und lächelte Ren an, der mich dankend beobachtete. Tsubasa stieg aus dem Whirlpool und gesellte sich zu mir. ¬„Danke schön.“ sagte ich und sah zu Ren. „Viel Spaß euch beiden noch.“ sagte ich und ging wieder in Richtung der Sauna. Die Spannung stieg. Hatte Sachiko sich an die Typen heran geworfen? Als wir dann endlich die Sauna erreichten, sah ich Sachiko, wie sie einen der Typen abknutschte. Sie erblickte mich und sprang elegant vom Schoss des Jungen. Ich bemerkte, wie sie zu dem Jungen so etwas, wie: „Sorry Jungs, die Pflicht ruft.“ sagte. Sie nah ihr Handtuch und kam zu Tsubasa und mir. „Siehst du, so geht das. Da braucht man keinen Freund.“ sagte sie und lächelte. „Kommt, lasst uns eine neue Sauna suchen.“ sagte sie und ich sah ihr bloß hinter her. „So ist unsere Chi-San.“ sagte ich und ging ihr schließlich hinter her.

In der Sauna-Das Wiedersehen?


„Sag mal, Alyssa-San…Warum hast du mich jetzt geholt?“ fragte Tsubasa mich. „Warum? Das ist doch ganz offensichtlich. Weil Haruka-San mit dir geflirtet hat, obwohl sie gerade erst mit Ren-Kun zusammen gekommen ist. Aber du kannst nichts dafür, also…Mache dir keine Vorwürfe.“
meinte ich und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Bist du etwas eifersüchtig?“ fragte Sachiko. Das machte sie mit Absicht. „So ein Quatsch.“ sagte ich und bemerkte aber, wie Tsubasa mich lächelnd beobachtete. Aber vielleicht würde ein neuer Freund gut tun, dachte ich und beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Ich drehte mich zu ihm um, ging rückwärts weiter. „Hey…Tsu-Chan. Tut mir Leid. Für alles. Tut mir wirklich--“ Ich konnte nicht weiter sprechen, da ich gerade ausrutschte. Der Boden war nass und ich fiel rückwärts zu Boden, doch bevor ich mir etwas antun konnte, schnellte eine Hand nach meinem rechten Arm und zog mich zurück auf die Füße. Aber nicht nur auf die Füße, sondern in seine Arme. Genau, wie Ailis Protetor es getan hat. Ich riss meine Augen auf. Mein Herz klopfte, jedoch wehrte ich mich nicht. Sachiko zog schneiden die Luft ein und ich bemerkte, wie Tsubasa mich los ließ. „Tut mir Leid, dass gerade eben war bloß ein Reflex.“ sagte er und ich drehte mich schnell zu Sachiko um, die mich viel versprechend musterte. Ich hätte sie dafür am Liebsten getreten. Aber das wäre zu auffällig gewesen. „Ist nicht schlimm, sonst hätte ich mich ja verletzt. Danke schön.“ sagte ich und Sachiko rief von weiter vorn: „Hey! Hier ist eine Sauna frei.“ Ich rannte schnell zu ihr hin. „Was sollte das gerade eben?“ fragte ich sie und legte ihr meine Hand auf die Schulter. Sie ging hinein und ich folgte ihr. Meine Hand immer noch auf ihrer Schulter. „Spaß.“ lachte sie und streckte mir die Zunge heraus. „Warte. Irgendwann, da werde ich mich an dir rächen.“ sagte ich und legte mich wieder auf die untere Bank. Sachiko legte sich wieder mir gegenüber und Tsubasa legte sich auf eine Bank über mir. Ich unterhielt mich nicht, dachte nur nach. Jemand goss mehr Wasser auf und die Sauna wurde heißer. „Sachiko, es reicht doch.“ sagte ich und öffnete die Augen, als ich keine Antwort bekam. Plötzlich war Tsubasa neben mir und hatte den Arm vor mir ausgestreckt. Meine Augen weiteten sich, als ich den Mann erblickte. Ich schrie auf und warf mich an Tsubasas Brust. Ich begann zu zittern, obwohl mir nicht kalt war. Der Mann, der neues Wasser aufgegossen hatte, sah aus wie einer der Männer vom jenen Abend. „Was hat die denn? Ich weiß nicht, was mit der Jugend von heute los ist. Komm Baby, lass uns gehen.“ Ich sah zu dem Mann. Hinter ihm stand eine junge Frau, die mich argwöhnisch beobachte. „Eigentlich hatte ich vor ein Wenig Spaß zu haben, aber es sieht wohl nicht so aus, dass wir hier ungestört wären.“ sagte der Mann und verließ die Sauna wieder. Ich atmete hektisch. Die Erinnerungen, die durch den Mann aufgewühlt worden waren, überwältigten mich und ich zog mich automatisch zusammen. Tränen rannen über mein Gesicht. Tsubasa legte mir seine Hände auf die Schultern und Sachiko kam zu uns herüber. „Alyssa-Chan, es ist okay. Er ist weg und niemand wird dir weh tun.“ sagte Tsubasa und Sachiko umarmte mich von hinten. „Es tut mir Leid.“ sagte Sachiko an meinem Ohr.

Nun hatte Ailis Protecter das, was er wollte. Er hatte endlich eine zwischenmenschliche Beziehung zu Alyssa aufgebaut. Es war wirklich schwerer gewesen, als er gedacht hatte. Aber schließlich war er über seinen errungenen Erfolg glücklich. Jetzt lag sie in seinen Armen, so verletzlich und zerbrechlich. Endlich konnte er sie auch so beschützen. Ailis Protecter war noch nicht lange Schutzengel. Er war erst so lange ein Schutzengel, wie Alyssa alt war. Er hatte sechszehn Jahre gebraucht, um sie so wie in diesem Moment beschützen zu können. Ailis Protecter genoss es so nah bei Alyssa zu sein. Ein kleiner Windhauch berichtete ihm, dass Alyssa gerade an ihn dachte.

Ich fühlte mich so schwerelos, so beschützt in Tsubasas Armen. Das Gefühl hatte ich schon mal. In den Armen von Ailis Protecter. Warum dachte ich immer an ihn? Ich musste ihn aus meinem Kopf bekommen. Ich spürte Tsubasas warmen Atem auf meinem Kopf und entspannte mich langsam. „Danke.“ flüsterte ich, doch mein Flüstern war zu leise, dass es jemand hätte hören können. Tsubasa hebt seine Hand und legte sie an meinen Kopf. Mein Kopf ruhte an seiner Schulter, meine Tränen waren getrocknet. Ich hob meinen Kopf und sah ihn an. Sachiko schlich auf Zehenspitzen und verließ die Sauna. Tsubasas Augen strahlten und ich umarmte ihn, ließ meine Arme um seinen Oberkörper gleiten. Ich richtete mich auf, ließ ihn aber nicht los. „Tsu-Kun…Es tut mir so leid.“ sagte ich und meine Augen füllten sich abermals mit Tränen. „Ich war so dumm. Habe dein wahres Gesicht nicht gesehen. Aber du siehst ihm einfach zu ähnlich.“
Meine Tränen ließen meine Sicht verschwimmen und ich senkte meinen Kopf. Meine Arme fielen herunter und ich saß hilflos vor ihm. „Es tut mir so leid. Du musstest so viel wegen mir durch machen. Ich hätte mich dir nie zeigen dürfen.“ sagte er und seine Tränen füllten sich ebenfalls mit Tränen. Ich sah auf. Vor mir saß nicht mehr Tsubasa. Vor mir saß ein junger Mann, braune Haare, grüne Augen und weiße Schwingen, die ihn und mich einhüllten. „Du bist Ailis Protector.“ sagte ich und er drückte mich an sich. „Ailis Protector…Ich liebe dich.“ sagte ich und weinte so herzzerreißend.
Ich wachte auf. Das alles war bloß ein Traum gewesen? Ich war in der Sauna und Sachiko lag genau dort, wo sie liegen sollte. „Sachiko?“ fragte ich und richtete mich auf. Ich rieb mir mit der rechten Hand den Sand aus den Augen und beobachtete sie. Sie rührte sich ein Bisschen und ich sah auf die Bank über mir. „Hey Tsu-Kun.“ sagte ich und stupste ihn an. „Was ist denn, Alyssa-Chan?“ fragte er und sah mich an. „Wie lange sind wir jetzt schon hier?“ fragte ich ihn. Er pustete und richtete sich auf. Sein Schweiß ran seine Bauchmuskeln entlang. Ich riss mich von dem Anblick davon und zwang mich ihm ins Gesicht zu sehen. „Keine Ahnung, wir sind ungefähr eine viertel Stunde oder so hier.“ sagte er und sah mich an. „Warum fragst du?“ Ich schüttelte den Kopf und ließ mich wieder auf die Bank sinken. „Entweder habe ich gerade eine total krasse Zukunftsvision gehabt oder ich habe echt was echt abgedrehtes geträumt.“ sagte
ich und strich mir über meinen Kopf. „Na was hast du denn geträumt?“ fragte Sachiko mich, die plötzlich hinter mir stand. Ich zuckte zusammen, stand auf und ging so viele Schritte zurück, bis ich Beide sehen konnte. „Secret.“ sagte ich schließlich, nahm mein Handtuch und rannte aus der Sauna heraus. Ich brauchte jetzt etwas Abwechslung. Sachiko rief mir irgendetwas hinterher, aber ich verstand es nicht. Dafür war ich schon weit genug weg. „Verdammt. Was träume ich denn für Mist?“ fragte ich mich selbst.
Der Rest des Tages gestaltete sich ruhig. Nachdem ich aus der Sauna sozusagen geflüchtet war, hatte ich mich im Wasser der Schwimmhalle treiben lassen. Sachiko und Tsubasa waren mir irgendwann gefolgt, aber ich wollte allein sein. Das hatte ich ihnen auch gesagt und so war ich beinahe den Rest des Tages allein. Haruka und Ren hatten mit uns getauscht und waren in die Sauna gegangen. Was Sachiko und Tsubasa gemacht hatten, wusste ich nicht. Nun saßen wir wieder im Auto und befanden uns auf dem Rückweg. Abermals wie zuvor schaute ich nur aus dem Fenster und belauschte das Radio. Die Musik war langweilig, trotzdem lenkte sie mich ab. „Alyssa-Chan, ist etwas mit dir?“ fragte Sachiko mich. Ich sah sie an. „Was soll sein?“ fragte ich sie. „Du bist irgendwie komisch. Du kannst mir ruhig erzählen, wenn du etwas auf dem Herzen hast. Das weißt du.“ Ich drehte mich zu ihr um. „Ja, ich weiß. Tut mir leid, aber es gibt im Moment zu viele Dinge, die mir durch den Kopf gehen.“ sagte ich und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie sah mich fragend und überlegend an. „Auch über jenen Abend?“ Ich sah sie an. „Auch über jenen Abend.“ antwortete ich ihr bestätigend. Sie schwieg, sah mich nur eindringlich an. „Das wird schon.“ sagte sie und konzentrierte sich wieder auf die Straße. „Danke Chi-Chan.“ sagte ich und beobachtete, wie sie die Auffahrt der Waldsiedlung hinauf fuhr. „Ich werde heute dann wieder nach Hause fahren. Immerhin ist morgen wieder Schule und meine Uniform liegt bei mir zu Hause.“ sagte Sachiko, als sie endlich vor unserem Haus hielt. Wir stiegen aus Sachikos grünem Käfer aus und nahmen unsere Taschen aus dem Kofferraum. Mum wartete bereits an der Tür, ihre kurzen Haare glatt wie eh und je. Sie hatte sich in einen dicken Wollmantel gepackt und ich sah wie der Kamin im Wohnzimmer flackerte. Wir gingen auf die Veranda zu und ich musste zu geben, es war kalt geworden. Nicht, dass es heute Morgen nicht auch kalt gewesen wäre. „Hallo Frau Kobayashi.“ sagte Sachiko und huschte an meiner Mutter vorbei. „Wir sind wieder da, Mum.“ sagte ich und küsste sie auf die Wange. „Ich sehe schon. Und wie war’s?“ fragte sie und sah Sachiko kurz hinterher. „Schön.“ sagte Tsubasa an meiner Stelle und ich sah ihn überrascht an, genau wie meine Mutter. Ich nickte. „So ist es.“ Sachiko stürmte an meiner Mutter vorbei, ihre Tasche in der Hand. „Dein Bikini liegt in deinem Badezimmer in der Wanne. Meine Mutter hat gerade schon angerufen. Ich muss jetzt los.“ sagte Sachiko zu mir, wandte sich dann zu meiner Mum. „Vielen Dank, Frau Kobayashi. Ihr Essen ist lecker und ich hoffe, ich kann irgendwann noch mal bei Ihnen übernachten.“ Meine Mum lächelte. „Natürlich und ich muss dir danken, dass du meine Tochter so herzlich aufgenommen hast, Sachiko-Chan.“ sagte Mum lachend. „Ist doch kein Problem.“ Sie drehte sich zu mir und umarmte mich. „Aber ich muss jetzt auch wieder los, sonst bekomme ich wahrscheinlich noch riesengroßen Ärger.“ sagte sie und verabschiedete sich mit einem Winken auch von Tsubasa. Sie lief in großen Schritten auf ihren Käfer zu und verabschiedete sich mit einem Winken ein letztes Mal. Wir warteten noch auf der Veranda, bis ihr Auto nicht mehr zu sehen war, und gingen dann hinein. „Alyssa-Chan? Dir wurde eine Winteruniform geschickt. Sie liegt in der Küche auf dem Tisch.“ sagte Mum und ich bewegte mich automatisch in Richtung Küche. Ich nahm die Uniform in die Hand und ging zurück in den Flur. „Das ist doch wohl ein schlechter Scherz!“ sagte ich und deutete auf den schwarzen Rock, der leicht rotkariert war. „Also, ich glaube das ist normal.“ sagte Mum und ich verdrehte die Augen. „Wie lange soll ich denn da überleben? Bei so einem Rock erfriere ich ja schon, wenn ich bloß fünf Minuten an der Bushaltestelle auf den Bus warte.“ sagte ich und betrachtete die Uniform mit einem skeptischen Blick. Mum verkniff es sich zu lachen. „Ist doch so.“ sagte ich. Die Uniform bestand aus einem schwarzen Jackett, auf der linken Seite oberhalb der Brust das Wappen der Schule, das sich auch auf der Sommeruniform befand. Anstatt einer Krawatte war eine rote Schleife um den Hals zu binden und der Rock war genauso kurz, wie bei der Sommeruniform. Ich schüttelte den Kopf, wünschte jedoch dann allen einen guten Abend. Tsubasa würde sich wahrscheinlich noch ein Wenig mit meiner Mum unterhalten, aber ich war echt zu müde. Ich würde mich oben gleich waschen und schlafen gehen. Doch eines wusste ich bereits. Ich würde so schnell nicht einschlafen können.

Es ist noch nicht vorbei!


Die Nächte strichen an uns vorbei, die Zeit unaufhaltsam weiter laufend. Nun wurden die Nächte bereits unerträglich kalt und der Winter klopfte an die Tür. Wir alle mussten ein Stückchen zusammen rücken und somit wuchs auch unsere Verbindung. Tsubasa hatte sich mittlerweile eine eigene Wohnung in der Nähe der Schule gesucht. Er war in unsere Klasse gekommen und Sachiko und ich hatten ihn freudig bei uns in der Clique aufgenommen. Ren und Haruka hatten ihr vierteljähriges Jubiläum und waren glücklicher als je zuvor. Ich war echt zufrieden gewesen, dass Haruka endlich eingesehen hatte, dass sie mit Ren glücklich sein sollte. Endlich hatte ich die horrorähnlichen Ereignisse von dem vergangenen Kinoabend mit meinen Freunden soweit verdaut, dass ich nicht mehr ständig an die Dinge denken musste. Langsam glaubte ich auch mir Ailis Protector nur eingebildet zu haben. Ich hatte nicht mehr von ihm geträumt, geschweige denn Bilder von ihm im Kopf gehabt. Es lief im Moment alles wirklich gut. Naja, fast. Von Kathy und Heath hatte ich auch nichts mehr gehört, aber ich glaubte, es war eine gute Entscheidung nach Japan zu ziehen. Ich meinte, ich hatte Freunde! Wahre Freunde und nicht solche Heuchler wie Kathy und Heath. Außerdem lief es in der Schule auch besser. In Atlanta war mir es egal gewesen, was ich für Noten schrieb. Mir war es damals nur wichtig gewesen, gut auszusehen und beliebt zu sein. Mein ganzes Leben hatte sich geändert. Nun gut, jetzt hatte ich zwar keinen festen Freund mehr, aber dafür eine Hand voll wahrer Freunde. Und mit Tsubasa verstand ich mich auch besser als je zuvor. Ich war glücklich mit meinem Leben.

„Hast du gehört, Alyssa-Chan?“ fragte jemand und stupste mich unsanft an. Ich blickte auf und sah in Sachikos blaue Augen. „Was? Ich war gerade abwesend.“ sagte ich und versuchte sie anzusehen. „Ich habe gesagt, wäre es nicht schön, wenn wieder Sommer wäre?“ wiederholte sie und ich nickte. „Na klar. Mir geht die Kälte langsam wirklich auf die Nerven. Ich meine, fass meine Nase an! Die ist jetzt noch eiskalt und wir haben schon seit vier Stunden Unterricht.“ sagte ich aufgebracht und deutete auf meine Nase. Tsubasa berührte meine Nase und ich sah ihn überrascht an. Haruka und Ren begannen zu lachen. „Das war ironisch gemeint!“ sagte ich und schlug seine Hand sanft weg. Wir saßen in der Kantine an einem runden Tisch. Haruka neben Ren, neben Ren saß Sachiko, daneben wieder Tsubasa und ich saß zwischen Haruka und Tsubasa. Die Tabletts mit dem Essen standen vor uns auf dem Tisch. Haruka und Ren hielten Händchen. Ich freute mich für sie. „Alyssa hat aber wirklich eine kalte Nase.“ meinte Tsubasa und biss in seinen roten Apfel. „Ist schon ungewöhnlich mit den Wintern.“ sagte Sachiko und lehnte sich mit einem Stück Paprika in ihrem Stuhl zurück. „Und wie! Aber ich finde es romantisch.“ sagte Haruka und sah Ren vielsagend an, der sie auf Anforderung ihres Blickes küsste. Sachiko hob ihre Hände und fuchtelte wild in etwas Abstand vor ihrem Gesicht herum. „Sucht euch ein Hotelzimmer!“ rief sie aus Spaß und ich kicherte. Selbst Tsubasa neben mir musste sich ein Lachen verkneifen. „Ach, Chi-Chan so etwas nennt man wunderbare Liebe.“ sagte ich und begann zu lachen. „Genau das besitzt du nicht.“ sagte Sachiko und mein Lachen verstummte. „Jetzt wirst du aber gemein.“ sagte Ren lachend. „Ach, ist nicht so schlimm. Ich weiß ja wie Chi-Chan ist. Aber mal etwas anderes…Bist du verliebt?“ fragte ich sie. Sie wurde rot. „W-Wie kommst du denn darauf?“ antwortete sie mir und schnaubte verächtlich. „Ich doch nicht!“ Sachiko begann panisch den Kopf zu schütteln. „Du weißt, du kannst mit mir darüber reden.“ sagte ich. „Ich bin nicht--“ Es klingelte und alle sprangen auf. Ich nahm mein Tablett und stand auf. So wie auch Haruka, Ren, Tsubasa und Sachiko. „Sehen wir uns nach der Schule noch?“ fragte ich, als wir gemeinsam die Tabletts wegbrachten. „Ja, klar. “ sagte Haruka, die bei Ren im Arm lag. Ich stellte das Tablett weg und sagte: „Super! Dann sehen wir uns nachher an der Bushaltestelle, okay?“ Ren nickte und küsste Haruka auf den Kopf. „Wir werden auf jeden Fall da sein.“ sagte er und wir trennten uns voneinander. Sachiko, Tsubasa und ich gingen neben einander zurück zu unserem Klassenraum. Sachiko lief dicht neben mir uns flüsterte mir ins Ohr: „Ich bin froh, dass du nicht mehr so stark traumatisiert bist.“ Ich nickte. „Ich auch. Aber ich bin auch froh, dass wir alle so schön zusammen gefunden haben.“ sagte ich und stupste Tsubasa mit der Schulter an. „Ach was! Ich sollte dankbar sein.“ sagte er und blickte auf mich herab. Er war größer als ich. Das regte mich tierisch auf. „Ich finde es gut, dass wir alle mit einander befreundet sind.“ sagte ich und sah Sachiko an. Endlich hatten wir das Klassenzimmer erreicht und gingen hinein. Alle waren schon da, aber zum Glück hatte der Unterricht noch nicht begonnen. Sachiko und ich setzten uns auf unseren Platz und Tsubasa setzte sich in die erste Reihe. Darüber war ich auch ein Wenig froh. Denn so konnte ich ihn ein Bisschen beobachten. Ich musste zu geben, er war mir in den paar Monaten wirklich wichtig geworden. Haruka, Ren und Sachiko waren mir natürlich auch wichtig geworden, aber Tsubasa war irgendwie besonders gewesen. „Also, ich habe dich jetzt schon ein paar Mal erwischt, wie du Tsubasa beobachtet hast. Sag mir jetzt ganz ehrlich…Bist du in ihn verliebt?“ fragte Sachiko mich und diese Frage brachte mich total außer Fassung. „Verliebt? In ihn? Nein.“ sagte ich und zog das letzte Wort in die Länge. „Komm schon, sowie du ihn immer anschaust? Und du wirst immer rot, wenn er mit dir redet.“ sagte sie und ich sah sie an. „Beobachtest du mich so genau?“ fragte ich und mein Herz schlug schnell. In diesem Moment spukten mir so viele Gedanken durch den Kopf, das war unglaublich. Sie zuckte mit den Schultern und nickte. „Natürlich fällt mir so etwas auf.“ sagte sie bedrückt. „Also. Liebst du ihn?“ Ich pustete mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Was heißt Lieben? Ihr alle seit mir in den letzten Monaten super wichtig geworden und ich möchte euch wirklich nicht mehr verlieren. Aber er…“ sagte ich und mein Blick schwang wieder zu Tsubasa. „Ich weiß nicht, warum….aber ich weiß, dass er mir auf eine besondere Art wichtig ist. Auf eine Art, die ich noch nie für jemand anderen empfunden habe.“ sagte ich und seufzte. „Kann man das etwa ‘Lieben‘ nennen?“ fragte ich sie. „Meiner Meinung nach bist du ganz klar verliebt.“ sagte sie und ich ließ meine Stimme sinken. „Aber ich kann ihm doch nicht sagen, dass ich in ihn verliebt bin! Das würde doch die ganze Freundschaft zerstören!“ sagte ich aufgebracht. Die Lehrerin kam herein und wir standen auf. Als sie uns aufforderte uns wieder hinzu setzen, setzten wir uns wieder hin und führten unsere hitzige Unterhaltung fort. „Du kannst nicht wissen, was passiert, wenn du’s es noch nicht versucht hast.“ sagte sie und sah mich besorgt an. „Aber wie soll ich es ihm sagen?“ fragte ich sie. Sachiko musste erst überlegen, bevor sie mir antworten konnte. „Vielleicht solltest du dich nach der Schule oder am Wochenende mal mit ihm treffen und leichte Andeutungen machen. Aber wenn du dich traust, kannst du es ihm ja auch direkt sagen.“ meinte sie und ich zog meine Augenbrauen zusammen. „Musst du wissen, was du machst.“ sagte sie schließlich und somit war unsere Unterhaltung vorzeitig erst einmal beendet. Ich musste ihm also sagen, was ich für ihn empfand? Aber das konnte ich nicht. Ich konnte das wirklich nicht. Was wenn nun dadurch wirklich die Freundschaft zerbrach? Das durfte nicht passieren. Und was war, wenn er mich abwies? Wenn er meinte, ich wäre nicht gut genug für ihn? Diese Fragen gingen mir den Rest des Unterrichts durch den Kopf und ich vergas die Zeit. Als mich Sachiko dann anstieß und meinte, dass der Unterricht zu Ende sei, ich aufsah und sah, wie Tsubasa am Lehrerpult auf uns wartete, war mir plötzlich ganz mulmig im Magen. Ich wusste nicht, ob ich es ihm sagen sollte. Schließlich stand ich auf und nahm meine Schultasche. Mein Herz raste und ich spürte meine Beine nicht mehr. Ich versuchte mir aber nichts anmerken zu lassen. So gingen Sachiko, Tsubasa und ich zur Bushaltestelle. Ich ging in der Mitte, Sachiko und Tsubasa neben mir. Sachiko sah mich an, das spürte ich. Sie lief so nah neben mir, als wollte sie mir bedeuten, näher an Tsubasa heran zu treten. Ich wusste, dass sie mir damit nur helfen wollte, aber dadurch wurde ich auch nicht mutiger.

Das Geständnis-Erfolg oder Niederlage?


Warum war das alles so verdammt kompliziert? „Tsu-Kun? Hast…du heute noch Zeit?“ fragte ich schließlich, als wir fast die Haltestelle erreicht hatten. Ich wurde rot und als ich merkte, dass er mich überrascht ansah, senkte ich meinen Blick und ballte die Hände zu Fäusten. „Nein…Aber warum fragst du?“ fragte er mich. Diese Fragerei erleichterte mir die Sache nicht wirklich. „Weil ich mit dir reden möchte. Ich möchte dir etwas sagen, dass ich nicht am Telefon tun kann.“ sagte ich zögernd und bemerkte Sachikos überraschten Blick. „Okay, dann würde ich sagen, dass ich gleich mit zu dir kommen würde. Deine Mutter kennt mich ja.“ sagte er einfach und ich war erstaunt. Er wollte gleich einfach mit kommen. „Das wäre gut, aber ich möchte dir das nicht zu Hause sagen. Ich kenne einen Platz, etwas abgelegen der Waldsiedlung, aber ich mag diesen Ort und möchte es dir gerne dort sagen.“ Sachiko legte mir ihre zierliche Hand auf die Schulter, drückte sie sanft. Ich sah sie an, lächelte unbeholfen, doch mein Herz war schwer wie Blei. Ich seufzte noch, als wir die Bushaltestellen erreicht hatten. Ren saß auf der hölzernen Bank und Haruka auf seinem Schoss. Sie saßen so vertraut dort und erwärmten gleich mein Herz. Der bloße Gedanke daran, dass ich mit Tsubasa so vertraut um gehen könnte, ließ meinen Atem stocken. „Da seid ihr ja endlich.“ meinte Ren, der immer noch Harukas Hand hielt. „Ja, es gab ein Paar…Komplikationen.“ sagte Sachiko und sah mich unverwandt an. „Aber jetzt sind wir ja da.“ sagte ich zu Haruka und Ren, sah aber Sachiko an. Ihre Anspielungen hatte bestimmt jeder mitbekommen, so wie man sie kannte. „Ja, aber leider so spät, dass euer Bus schon kommt.“ sagte Haruka und stand von Rens Schoss auf. Der Bus kam tatsächlich schon langsam auf uns zu gefahren. „Stimmt.“ sagte Tsubasa und ich verabschiedete mich von Ren und Haruka mit der üblichen Umarmung. Sachiko und Tsubasa umarmten die Beiden ebenfalls und der Bus hielt gerade an. Ich atmete tief durch, bevor ich in den Bus stieg und setzte mich auf meinen gewohnten Platz in der hintersten Reihe. Sachiko setzte sich wie immer eine Reihe vor mir und Tsubasa setzte sich ihr gegenüber. Sachiko drehte sich mir zu, sah wahrscheinlich mein kalkweißes Gesicht. „Das schaffst du.“ sagte sie und sah mich unterstützend an. Ich nickte, war mir aber trotzdem nicht wirklich sicher. So saßen wir schweigend da und warteten auf die nächste Bushaltestelle. Je näher wir der Bushaltestelle kamen, desto zappeliger wurde ich.

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Texte: Copyright liegt ganz allein bei dem Autor AliceCullen
Tag der Veröffentlichung: 11.12.2010

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