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Geschwisterliebe

Vorwort

„Du, ich muss auflegen. Die nächste Untersuchung wartet.“
„Ok, kein Problem.“
Noch eine Zeit hielt ich das mittlerweile schon warme Telefon an mein Ohr. Ich wollte das knacksen hören, damit ich mir sicher sein kann, dass Fabi wirklich aufgelegt hat. Knacks. Fabi hatte aufgelegt. Ich nahm langsam das Telefon vom Ohr und wieder überkam mich das Gefühl, dass ich alleine bin. Eigentlich geht es mir ja ganz gut. Ich hab eine Familie, ein Dach über meinem Kopf und mir mangelt es wirklich an nichts. Aber am besten fange ich mal von vorne an zu erzählen.
Ich bin Lisa. Lisa Merkin. Ich bin ein sechzehnjähriges Mädchen, welches normale Interessen hat, die man nun mal in dem Alter hat. Ich treffe mich gerne mit Freunden, gehe ins Kino und spiele Basketball. Ich wohne mit meiner Familie, dazu gehören meine Eltern, meine zwei kleinen Geschwister und mein Hund, in einem kleinen Vorort von London. Meine kleine Schwester und ich habe ein super Verhältnis und wir sind mehr wie Freunde als wie Schwestern. Sie heißt Fabi und ist erst vierzehn Jahre alt. Eigentlich heißt sie Fabienne aber so nennt sie keiner. Zurzeit liegt sie im Krankenhaus, weil sie ständige Schmerzen im Bauch hat. Da das Krankenhaus aber ziemlich weit von unserem Haus entfernt ist, sehe ich sie jetzt nur noch dreimal in der Woche, deswegen haben wir uns auf das Telefonieren beschränkt. Meinen kleinen Bruder mag ich auch sehr gern auch wenn er ziemlich oft, ziemlich nervig ist. David ist erst 5 Jahre alt und versteht noch nicht viel vom Leben. Meine Eltern sind mal so mal so. Ich habe ziemlich oft heftigen Streit mit meinen Vater, aber mit meiner Mutter verstehe ich mich gut. Ich kann mit ihr über alles reden. Egal um welches Thema es geht, sie hört mir zu. Doch das wichtigste Lebewesen in meinem Leben ist mein Labrador Rüde, Ben. Ben ist 3 Jahre alt und wir haben ihn aus dem Urlaub aus Spanien mitgebracht. Ich hatte mich direkt in ihn verliebt und meine Eltern auch und deswegen war ziemlich schnell klar das wir diesen Hund mit nach England nehmen würden. Er hat zwar manchmal etwas komische Eigenschaften, aber vielleicht Liebe ich ihn gerade deswegen so sehr.

Kapitel 1

„Lisa, kommst du bitte Essen?“
„Ja Mum, ich komme schon!“
„Hast du schon was Neues von Fabi gehört heute?“ fragte ich neugierig.
„Ja, deswegen wollte ich auch mal mit dir reden Lisa.“ Sagte meine Mutter.
„Ist es denn so schlimm? Was hat sie denn?“
Ich war völlig neben der Spur als meine Mutter mit so ernster Stimme gesagt hat, das sie mal mit mir reden müsste.
„Erst mal Essen wir in Ruhe fertig und dann können wir beide hoch in dein Zimmer gehen und dann kann ich dir alles genau erklären!“
Ich aß mein Mittagessen mehr oder weniger freiwillig auf. Ich bekam diesen einen Satz nicht mehr aus meinem Kopf. Nach dem Mittagessen rannte ich sofort in mein Zimmer und wartete bis meine Mum zu mir kam. Nach zehn Minuten kam sie dann endlich, doch diese zehn Minuten fühlten sich für mich an wie drei Stunden, da ich nicht wusste was los war. Meine Mutter setze sich neben mich. Jetzt sah ich, dass es ihr nicht gut ging und sie offensichtlich geweint hatte. Mir lief eine Gänsehaut durch den ganzen Körper. Meine Mutter setzte an und brach wieder ab. Anscheinend fiel es ihr schwer darüber zu reden.
„Lisa, wenn wir das nächste Mal Fabi besuchen gehen, weiß ich nicht wie sie aussehen wird. Sie wird wahrscheinlich ziemlich schwach sein.“
„Was ist? Was hat sie? Ist es denn so schlimm?“
Mir gingen Tausende von fragen durch meinen Kopf.
„Ihr Arzt hat vorhin hier angerufen. Sie haben herausgefunden was sie hat.“
Meine Mutter brach in Tränen aus und ich saß nur hilflos daneben.
„Ja? Sag schon!“
„Sie hat… Sie hat Krebs! Der Krebs ist in der Bauchspeicheldrüse ausgebrochen. Es ist fast unheilbar. Sie hat nicht so eine große Chance das ganz zu überleben…“
Für mich hörten sich diese Worte nicht real an. Mit diesen Worten brach für mich meine eigene, kleine und schöne Welt zusammen. Ich brach zusammen und bat meine Mutter zu gehen. Meine Mutter stand auf und als sie an der Tür angekommen war, schaute sie mich nochmal traurig an und sagte: „ Das ist für uns alle jetzt eine schwierige Zeit, doch wenn wir zusammen halten, dann können wir das Gemeinsam schaffen.“ Das einzige was mir in diesem Moment noch durch den Kopf ging war, dass ich so schnell wie möglich zu meiner Schwester wollte. Ich wollte sie wenigstens noch einmal lebendig sehen. Ich schloss mich den ganzen Tag in meinem Zimmer ein und wollte einfach nur alleine sein und mich alleine mit dem Gedanken zu beschäftigen, dass meine Schwester schwer krank ist. Mir war klar, dass sich nun mein Leben ändern würde, nicht nur auf meiner Seite, sondern auch das Leben meiner restlichen Familie würde sich stark ändern. Doch ich war fest entschlossen, stark zu sein und zu bleiben. Ich redete mit meiner Mutter und sie versprach mir am nächsten Tag mit mir zu meiner Schwester zu fahren. Die ganze Nacht schlief ich unruhig. Ich hatte Angst, meine Schwester nie wieder zu sehen und sie für immer zu verlieren. Am nächsten Morgen stieg ich zitternd in unser Auto ein. David wollte unbedingt mitfahren und mir tat es leid, dass er nicht mit durfte, denn vielleicht wird er seine große Schwester nie wieder sehen. Dann wird er sich nie von ihr verabschieden können und er liebte Fabi genauso wie der Rest der Familie Fabi liebte.
„Darf ich vielleicht alleine zu Fabi hinein gehen?“ fragte ich unsicher.
Ich wollte meine Mutter nicht verletzen und sie sollte auch das nicht falsch verstehen, dass ich mit Fabi alleine sein wollte.
„Ja, aber zuerst einmal rede ich mal mit dem Arzt.“ Sagte meine Mutter.
Während der vierzig minütigen Autofahrt überlegte ich angestrengt, was ich zu meiner Schwester sagen könnte, ohne dass es unpassend kommt. Doch auch so sehr ich mich anstrengte, mir fiel nichts ein. Als wir im Krankenhaus endlich angekommen waren und ich sofort aus dem Auto steigen wollte, hielt mich meine Mutter aber zurück.
„Lisa, ich hab dir noch nicht alles erzählt. Es tut mir leid, aber ich hab es einfach nicht über meine Lippen gebracht. Mir fällt es sehr schwer.“
Diese Worte meiner Mutter gefielen mir ganz und gar nicht und ich bekam ein komisches Gefühl im Magen.
„Es ist so, dass Fabi sehr schwache Nieren hat und das diese jeden Moment versagen könnten. Sie braucht dringend einen Spender, doch einen passenden Spender zu finden ist nicht so leicht. Wenn die Nieren versagen und kein Spender bis dahin gefunden wurde, dann wird Fabi sterben.“
Ich wusste nicht was ich darauf antworten sollte. Ich weinte still vor mich her und stürmte aus dem Auto. Ich wusste auf einer Seite das es unfair war meine Mutter alleine zu lassen, weil für sie das auch eine schwierige Situation war, doch ich musste alleine sein. Ich musste meine Gedanken ordnen. Nach etwa einer viertel Stunde, lief ich dann zurück Richtung Krankenhaus. Ich fuhr hoch in den 8. Stock und ging geradeaus in Gang B. Schon von weitem sah ich meine Mutter auf dem Boden vor Fabi’s Zimmer sitzen. Ich lief zuerst zu meiner Mutter und wollte mich entschuldigen, doch bei mir kam kein Ton heraus. Also ging ich in das Zimmer meiner geliebten Schwester. Dort lag sie. Sie sah viel zu klein und zerbrechlich aus für die ganzen Geräte die an ihr angeschlossen waren. Man sah sofort, dass sie kraftlos war. Ich traute mich nicht näher zu treten.
„Lisa? Bist du es?“ fragte eine zittrige Stimme.
„Ja.“ Antwortete ich unsicher.
„Komm zu mir!“
Ich trat näher, aber nur langsam, denn ich hatte Angst. Als ich endlich neben ihr stand brach ich erneut in Tränen aus.
„Wie geht es dir?“ fragte ich.
„Naja, wie soll es mir schon gehen?“
„Kopf hoch, meine Maus. Wir packen das zusammen.“
Ich dachte an den Satz den meine Mutter zu mir gesagt hatte. Wenn ich so überlegte stimmte es wirklich. Zusammen sind wir stärker.
Fabi schaute mich traurig an.
„Kann ich was für dich tun, Fabi?“
„Ja, ich würde so gerne nochmal bevor ich sterbe die Geschichte mit dir und Toby hören.“
„Ok, na gut, aber nur weil du es bist.“
Ich begann zu erzählen, auch wenn es mir schwer fiel. Denn so ganz hatte ich Toby nie vergessen können. Ich glaube ich liebe ihn sogar immer noch, doch so genau weiß ich es nicht. Als Toby und ich noch zusammen waren, war ich immer so glücklich gewesen. Ich hatte mit ihm meinen ersten Kuss und auch mein erstes Mal. Doch beim ersten Kuss ging so einiges schief und genau diese Geschichte wollte meine Schwester jetzt hören.
„Also,“ begann ich „Toby und ich standen vor unserer Tanzschule und wir redeten. Wir waren schon vier Wochen zusammen und haben uns noch nie geküsst. Also beschloss ich dieses an diesem Abend zu ändern, doch das war ein Fehler von mir. Ich ging ein Schritt auf ihn zu und zuerst küssten wir nur so, doch dann fanden wir es so schön, dass wir einen Zungenkuss probieren wollten. Doch das war eine ganz schlechte Idee. Als wir mit unserem Kuss fertig waren, kam er nicht mehr aus meinem Mund heraus. Nach einigen Sekunden verstand ich dann was passiert war. Da wir beide Brackets hatten, hatte sich meine Zahnspange in seiner Zahnspange verhakt gehabt und wir kamen nicht mehr auseinander. Ich wurde panisch, weil ich nicht wusste was ich tun sollte. Also schrieb ich meiner Mutter eine SMS und sie kam sofort zu uns gefahren. Die hat sich einen abgelacht. Sie fuhr uns zu meinem Kieferorthopäden und der half uns. Nach geschlagenen Dreizig Minuten waren wir dann voneinander getrennt. Alle hatten uns ausgelacht und haben sich sehr amüsiert.“
Ich hörte von meiner Schwester ein fast lautloses schwaches lachen. Sie sah glücklich aus und trotzdem so krank. Ich erinnerte mich nochmal an jenen Tag, wo Toby und ich aneinander hingen. Dieser Tag wird mir wohl für immer in Erinnerung bleiben, denn noch in derselben Nacht schliefen wir miteinander. Seine Eltern waren für ein paar Tage beruflich verreist und deswegen fragte ich meine Eltern ob ich bei meiner Freundin schlafen dürfte. Ich musste diese Notlüge benutzen, sonst hätte ich wahrscheinlich eh nicht gedurft. Also lief ich an diesem Abend zu Toby. Zuerst schauten wir uns einen Film an und wir kuschelten. Und dann ist es passiert, völlig unvorbereitet. Ich war damals erst 15 Jahre und Toby war gerade 16 Jahre geworden. Es war so schön ich hätte niemals gedacht, dass es so schön sein würde. Als ich am nächsten Tag nachhause ging, lief ich direkt in mein Zimmer. Ich setze ich mich an meinen Schreibtisch und begann das erlebte in mein Tagebuch zu schreiben. Es klopfte an der Tür.
„Herein?!“
Meine Mutter trat in mein Zimmer ein und setzte sich auf mein Bett.
„Wie war es heute bei Toby?“
In dem Moment dachte ich, meine Mutter würde mir den Kopf abreisen.
„Wie bei Toby? Ich war doch bei Jenny, genauso wie ich gesagt hatte.“
„Ich hab dich aber bei Toby gesehen als ich mit David auf dem Spielplatz war. Du brauchst keine Angst zu haben, dass du ärger bekommst. Ich hab das früher genauso gemacht. Aber das nächste Mal brauchst du nicht sagen, dass du zu einer Freundin gehst. Ich hätte es dir auch erlaubt zu Toby zu gehen.“
„Ja, ok, ich war bei Toby.“
„Was habt ihr gemacht?“
„Zuerst haben wir uns einen Film angesehen und dann…“
„Habt ihr miteinander geschlafen?“
„Ja, es war so toll.“
„Das freut mich!“
„Lisa, Lisa?“
Meine Schwester holte mich zurück in die Wirklichkeit und damit auch wieder zurück ins Krankenhaus.

Kapitel 2

Als ich mit meiner Mutter wieder im Auto saß, wusste ich nicht so wirklich wie es mir geht und was ich denken sollte. Das mit der schweren Krankheit konnte ich immer noch nicht verkraften und ich fragte mich warum es ausgerechnet mich treffen musste. Ich war mit meinen Gedanken immer noch bei Fabi. Die Autofahrt verlief stumm. Als wir zuhause ankamen, lief mein Vater schon aus unserem Haus. Am Abend setzten wir uns gemeinsam in unser Wohnzimmer und sprachen über das Geschehene. Doch schon nach wenigen Minuten, musste ich gehen, denn ich hielt es nicht mehr aus. Mir fiel es schwer immer wieder darüber zu reden. Ich schnappte mir meinen Hund Ben und legte mich in mein Bett. Ich weinte leise, doch ich verstummte als ich das läuten unserer Klingel hörte. Wer mag das wohl sein? Um diese Uhrzeit? Ich richtete mich ein wenig auf und hielt inne. Ich hörte Schritte und dann meinen Vater wie er zu jemanden sagte: „Ja, da sind sie richtig. Kommen sie doch erst mal hinein.“ Mehr verstand ich nicht. Ich legte mich wieder zurück in mein Bett und schlief ein. Doch ich schlief nur kurz, denn irgendetwas hatte mich geweckt. Bis ich begriff was mich geweckt hatte, war meine Mutter vor meinem Bett zusammen gebrochen. Ich sprang sofort auf und rief meinen Vater. Ich war total durcheinander. Mir schwebten so viele Fragen durch den Kopf. Was wollte der Mann von meinen Eltern? Wie geht es meiner Schwester?
„Lisa, ruf schnell einen Krankenwagen!“
Ich war wie versteinert in diesem Augenblick. Langsam lief ich zu unserem Telefon.
„Mach schon! Beeile dich!“ rief mein Vater aufgebracht.
„Hallo? Hier ist Lisa Menik. Wir brauchen einen Krankenwagen.“
„Was ist hier eigentlich los, Papa? Warum ist Mum umgekippt? Wer war der Mann eben?“
Jetzt sprudelte es aus mir nur so heraus.
„Lisa, ich erkläre es dir später.“
„Nein ich will das jetzt wissen, weil wenn das mit Fabi zu tun hat, dann habe ich ein Recht darauf es zu erfahren, was mit ihr los ist.“
„Es hat mit Fabi zu tun. Sie ist sehr schwach und ihre rechte Niere hat versagt. Der Rest später, wir werden noch heute Nacht ins Krankenhaus zu ihr fahren.“
Schon wieder brach für mich meine Welt zusammen. Warum trifft es eigentlich immer mich? Ich wollte nicht mit zu Fabi ins Krankenhaus, nein selbst wenn sie heute Nacht noch sterben würde! Ich würde ihren Anblick und ihren schwachen Körper nicht nochmal ertragen können.
„Ich will nicht mit!“ sagte ich entschlossen.
Ich konnte es einfach nicht und ich wollte es auch nicht.
„Bist du dir sicher? Es kann sein das du sie nie wieder sehen kannst.“ Sagte mein Vater, während er weinte.
Ich habe meinen Vater noch nie so fertig gesehen. Entschlossen blieb ich auf meinem Bett sitzen. Als endlich der Krankenwagen vor unserer Haustür hielt, stürmte mein Vater nach unten und führte die Sanitäter in mein Zimmer. Mein Vater warf sich noch schnell eine Jacke über und rannte auch schon wieder hinunter. Ich hörte nur noch die Sirene des Krankenwagens und jetzt wusste ich, ich bin alleine. Ich schlich langsam die Treppen herunter bis zu unserer Küche, wo ich vor dem Messerregal stehen blieb. Ich nahm ein Messer in die Hand und ich wollte mich in meinen Arm ritzen. Ich wollte den Buchstaben ‘F‘ für Fabi in meine Haut reinschreiben. Ich wollte sie für immer bei mir haben. Entschlossen fing ich an in meine Haut zu schreiben. Es blutete so stark, dass das Blut schon nach kurzer Zeit auf dem Küchenboden zu sehen war. Auch an meiner hellbraunen Hose waren rote Flecken zu sehen. Ich bekam Panik, denn ich wollte nicht, dass meine Eltern das hier sehen. Schnell ging ich hoch ins Badezimmer und lies kaltes Wasser meinen Arm entlang laufen. Das Wasser schmerzte, doch es tat gut. Endlich war ich von meinen ganzen Lasten befreit. Ich erschrak als unser Telefon klingelte. Ich rannte wieder zurück ins Wohnzimmer. Um meinen Arm hatte ich mir ein altes Handtuch gewickelt gehabt. Mit zittriger Stimme meldete ich mich am Telefon.
„Lisa Merkin.“ Sagte ich ein wenig verunsichert.
„Kannst du bitte die Oma anrufen und ihr sagen, dass David bis übermorgen bei ihr bleiben muss?“ sagte eine vertraute Stimme.
Die Stimme gehörte eindeutig meiner Mutter. Doch was war passiert?
„Geht es dir gut Mum?“
„Ja, aber später erzähl ich dir mehr. Papa kommt jetzt gleich zu dir und wird dich abholen. Sei bitte fertig!“
Ich wollte noch fragen was passiert war doch dazu kam ich nicht mehr. Meine Mutter hatte schon aufgelegt gehabt. Als endlich mein Vater mit unserem Auto vor der Tür stand, rannte ich aus unserem Haus und stieg sofort ins Auto ein. Mein Vater weinte heftig.
„Was ist passiert?“
„Fabi…“ er stockte.
„Ja?“
„Sie liegt im Sterben. Sie will dich nochmal sehen!“
Jetzt konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten und fing lautlos an zu weinen. Mein Vater schaute mich traurig an. Ich wusste, dass er sich Vorwürfe gemacht hat. Aber er konnte Fabi genauso wenig helfen wie ich. Als wir endlich im Krankenhaus ankamen, zitterte ich so doll, dass ich fürchtete jeden Moment zusammen zu brechen. Am ganzen Leib zitternd betrat ich das Zimmer meiner kleinen Schwester.

Kapitel 3

Ich stand immer noch in der Tür und wäre am liebsten weg gelaufen. Noch nie habe ich einen so schlimmen Anblick gehabt. Ich glaube das war der schlimmste Moment meines Lebens. Als ich endlich neben ihrem Bett stand, hatte Fabi kaum noch Kraft mich anzuschauen. Vorsichtig nahm ich ihre Hand, diese wirkte sehr zerbrechlich. Ich spürte nur noch leicht ihren Puls an ihrem Arm. Mit letzter Kraft versuchte Fabi nochmal was zu sagen.
„Ich hab dich lieb. Tschüs.“
„Nein, geh nicht!“
Doch das hörte sie schon nicht mehr.
Langsam sank ich zu Boden. Ist das echt was hier grade passiert? Ich schaute zu ihr nach oben. Ihre Augen waren verschlossen. Es war so weit, nun musste ich mich von ihr verabschieden. Ich blieb noch eine Weile neben ihr sitzen und löste langsam meine Hand von ihrer. Unter Tränen gab ich ihr einen Kuss auf die Wange und verließ das Zimmer. Ich lief den langen weißen Gang entlang. Immer noch liefen mir die Tränen runter. Ich hatte alles verloren.
„Ist bei dir alles in Ordnung? Brauchst du Hilfe?“
Verwirrt schaute ich nach oben und blickte in ein Gesicht, welches mir Unbekannt war.
„Geht schon.“ Erwiderte ich.
Meine Eltern und ich blieben noch die ganze Nacht im Krankenhaus, weil keiner sich von Fabi trennen konnte. Ich redete lange mit meiner Mutter über meine Gefühle. Es tat gut endlich den ganzen Kummer von der Seele zu reden. Meine Mutter verstand mich. Die nächsten Tage waren schrecklich, bei uns im Haus war es so still ohne Fabi. Wir bekamen jede Menge Trauerkarten. Meine Eltern und ich planten die nächsten paar Tage die Trauerfeier und die Hochzeit und ich bereitete eine Grabrede vor. An dem Tag der Beerdigung war es regnerisch und ungemütlich. Ich hatte die ganze Nacht durch geweint und war dementsprechend auch fix und fertig. Ich stand auf und zog mich an, schminkte mich und ging nochmal meine Rede durch. Etwa drei Stunden später stiegen wir vier dann in unser Auto ein. Während der ganzen Autofahrt wechselten wir kaum ein Wort miteinander, stattdessen weinten wir alle stumm vor uns hin. Als wir an der Kirche ankamen, standen schon einige Leute, die in schwarz gekleidet waren vor der Kirche. Schon von weitem sah ich meine Oma, die in Deutschland wohnt. Als wir hielten lief ich direkt zu ihr und fiel ihr in die Arme. Ich hatte sie schon lange nicht mehr gesehen und ich hatte sie vermisst. Um Punkt 13:00 Uhr fing die Trauerfeier an. Ich saß zusammen mit meinen Eltern, meinem kleinen Bruder, meinem Opa, meiner Oma und der allerbesten Freundin von Fabi in der ersten Reihe der Kirche. Julie weinte heftig, denn sie war mit Fabi schon dreizehn Jahre befreundet. Für sie war es nicht einfach eine so gute Freundin zu verlieren. Der Sarg von Fabi war auf einem kleinen Podest in der Kirche aufgestellt und er war wunderschön geschmückt. Die Blumen die auf dem Sarg waren, waren in ihren Lieblingsfarben rot und gelb. Als der Trauergottesdienst vorbei war, trugen vier Männer, die ebenfalls in schwarz angezogen waren, den Sarg von Fabi hinaus auf den Friedhof. Die ganze Trauergemeinde folgt in gemäßigten Schritten. Vor der Grabstelle hielt der Pfarrer nochmal eine Rede. Nachdem seine Rede zu Ende war trat ich vor das Grab und hielt unter heftigen Tränen meine Rede.
„Für mich war Fabi nicht nur meine Schwester, nein, sie war auch gleichzeitig auch meine beste Freundin. Ich werde sie sehr vermissen, doch ich habe ihr versprochen sie oft zu besuchen. Für sie war es besser sich zu verabschieden, denn sie hatte heftige Schmerzen.“
Ich blickte in den Himmel auf und wieder kullerte mir eine große Träne über mein Gesicht. Ich setzte wieder an.
„Sie hat im Himmel schon ihren Platz gefunden und sie schaut zu uns herunter. Sie ist der hellste Stern der am Himmel leuchtet. Und wenn wir sie mal brauchen, dann wird sie uns genauso helfen wie vorher. Sie wird immer in meinem Herzen bleiben und ich hoffe das ihr sie auch nicht so schnell vergesst.“
Langsam drehte ich mich um in Richtung Grab. Ich wusste, dass es jetzt soweit war mich von ihr endgültig zu verabschieden. Ich schaute zuerst erneut in den Himmel und dann schaute ich hinunter auf ihren Sarg, der mit Blumen geschmückt war. In meiner rechten Hand hielt ich die Grabrede und in meiner linken Hand hielt ich eine rote Rose. Zuerst warf ich den Abschiedsbrief hinunter und dann die Rose. Noch eine Weile blieb ich vor dem Grab stehen und weinte heftig. Dann drehte ich mich um und verließ die Beerdigung, da ich es nicht mehr aushielt. Ich setzte mich in den nahe gelegenen Park und dachte nach. Das Leben musste weitergehen auch wenn mir ein großer Teil meines Lebens weggenommen wurde. Ich hatte ja noch meine Familie und meine Freunde und Fabi war jetzt zwar nicht mehr lebendig aber sie wird trotzdem immer bei mir bleiben. Als ich langsam zurück zum Friedhof lief, war die Trauergemeinde schon wieder im Gemeindezentrum. Doch ich wollte mich nicht anschließen und ging nochmal zu meiner Schwester. Als ich näher kam sah ich, dass Julie am Grab meiner Schwester saß. Still setzte ich mich neben sie. Da saßen wir und redeten nicht, erst als ich nach einer Weile die Stille durchbrach, redeten wir miteinander. Ich glaube Julie hat es gut getan mit mir zu reden und sich die Last von der Seele zu reden. Als sie fertig war, standen wir auf und gingen zu der Trauergemeinde dazu. An jedem besonderen Tag gehen Julie und ich seitdem an das Grab von Fabi. An Weihnachten haben wir ihr einen kleinen Tannenbaum daraufgestellt und geschmückt und an ihrem Geburtstag haben wir ihr Grab mit Luftschlangen geschmückt. An Silvester hat sie Raketen und Wunderkerzen bekommen. So hab ich sie nie vergessen und ich werde sie auch nie vergessen. Fast jeden Tag gehe ich sie besuchen und rede mit ihr. Für mich ist sie immer noch meine beste Freundin.
Sie ist der hellste Stern der am Sternenhimmel leuchtet und sie leuchtet jeden Tag.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 18.12.2011

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