Auch Eifersucht ist eine Sucht!
Es ist nicht einfach selbst etwas aus seinem eigenen Leben zu erzählen. Vor allem, wenn das was einem widerfahren ist, auf irgendeine Weise tragisch enden musste. Aber uns allen passieren Dinge, von denen wir denken, wir können sie niemals verkraften oder vergessen. Und genau deshalb schreibe ist es. Ich beschreibe, das größte was mir in meinen Jungen Jahren passiert ist. Und auch wenn ich möglicherweise manchmal ein wenig vom Thema abweiche und ein bisschen zu viel ins Detail gehe oder auch zu wenig: mir ist egal was Sie denken, denn es ist meine Geschichte. Die Geschichte von Aaron Wood.
Meine ganze Kindheit verlief meiner Meinung nach normal. Ich war ein äußerst guter Schüler. Überdurchschnittlich begabt, dennoch wurde ich nie als Streber oder sonst ähnliches bezeichnet. Und wenn ich mir meine Beliebtheitsskala vorstellen müsste, würde auch da alles bestens sein. Freunde hatte ich also zu genüge, auch wenn ein paar davon nicht die besten waren. So was gibt es aber überall, wie ich finde. Bis zu meinem 15 Lebensjahr war mir, wenn ich zurückdenke, nur eine Sache passiert, die schwer verdaulich war: Die Scheidung meiner Eltern. Für mich war es natürlich schlimm; wer würde schon wollen das seine Eltern die Scheidung einreichen? Ich aber fand mich damit ab, sie liebten sich einfach nicht mehr und es wäre für mich, ebenso wie für sie nicht gut auf einer Lüge aufzubauen. Nach der Scheidung lebte ich fast ein ganzes Jahr bei meinem Vater, Alec Wood, war arbeitslos, versuchte aich aber als Autor. Er hatte einen guten Freund - Ethan Jones, dieser war tatsächlich ein Bestseller Autor! - der ihm ohne darüber nachzudenken mehrere Chance gab, auch ein gutes Buch zu schreiben. Nach zwei missglückten Skripten, die es nicht gerade weit brachten, weil allein schon die Geschichten abstrakt und nicht im Ansatz nachzuvollziehen waren, schrieb Dad einen Bestseller. Ich glaube nicht, dass Jemand sich vorstellen kann, wie ich mich für ihn gefreut habe! Und nach diesem Buch, wurde er auch unter Vertrag genommen. Einfach so. Zwar war der Verlag nicht groß oder bekannt aber wenigstens konnte er von da an gezielt seinem Traum ins Auge sehen. Elena Wood, meine Mutter, arbeitete bei einem bekannten Mediensender. Da mein Dad die meiste Zeit Zuhause arbeitete, schauten wir öfters ihre Sendung. Da bemerkte ich auch, dass er sie noch immer liebte. Das sah ich in seinen Augen, die immer wenn Mum auf dem Bildschirm zu sehen war, anfingen zu glitzern. Man könnte auch behaupten, das seine Augen leuchteten.
In mir wuchs das Verlangen, meine Eltern wieder zusammen zu bekommen. Es schien aber unmöglich, da meiner Mutter ein neuer Job angeboten wurde. Und obwohl, wie ich finde, Redakteurin ein ganz anderer Beruf ist als Mediensprecherin, nahm sie ihn an. Vielleicht hatte sie andere Ansichten als ich oder sie sah ihre Chance noch etwas anderes im Leben zu erreichen, ich weiß es nicht genau. Für mich solle es eigentlich auch kein Problem sein meinten ein Paar meiner 'ach so guten Freunde' daraufhin zu mir. Dabei wussten sie über das Ausschlaggebende noch gar nicht Bescheid. Meine Mutter würde umziehen. und dabei wurde mir bewusst – und das nicht, weil Mum es mir gesagt hatte, nein – dass ich an der Reihe war. An der Reihe war eine Entscheidung zu treffen.
Eine die vielleicht mein gesamtes Leben noch einmal umkrempeln würde. Daraufhin saß ich jeden Abend – und das eine ganze Woche lang! - fragend auf dem Fensterbrett meines Zimmers und dachte darüber nach. Dabei schaute ich in die Nacht, meine Gedanken schweiften hin und wieder ab, so als ob mein Gehirn nicht darüber nachdenken wollte. Es fiel mir einfach zu schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Am Ende wählte ich eine Lösung, die wohl keiner in Betracht gezogen hätte. Niemals.
Ich wählte ein Internat, ganz in der Nähe, wo meine Mum leben würde. Das schien mir das einzig Richtige zu sein, nur war mir da noch nicht klar, dass sich mein Leben von Grund auf verändern würde. Wenn man das überhaupt so nennen kann.
Ich packte meine Sachen sehr zügig, in der Hoffnung mich nicht doch noch um zu entscheiden. Alec – manchmal nannte ich meinen Vater einfach beim Vornamen, weil wir sonst wahrscheinlich nicht so eine Beziehung hätten, die wir haben. So konnte ich irgendwie freier mit ihm reden – hatte nichts gesagt, als ich ihm meine Entscheidung mitteilte. Vermutlich wollte er nicht das ich ging, vielleicht brauchte er mich auch. Aber irgendwann hätte ich eh meinen Weg gehen müssen. Warum nicht schon mit fast 16 Jahren?
Die Fahrt zum Internat verlief ebenso ruhig, wie das Gespräch am vorigen Abend. Nichtssagend lauschte ich einfach meiner dröhnenden Musik, doch der Versuch Dads immer wieder kommendes Stöhnen zu ignorieren, brachte nicht das geringste. Ich verdrehte genervt die Augen, um deutlich zu machen, das er endlich damit aufhören solle, das brachte aber auch nicht viel, weil er es so wie ich ignorierte oder nicht sah. Also konzentrierte ich mich einfach wieder auf die graue Straße, mit ihren weißen unendlichen Streifen, die mir Kopfschmerzen bereiteten und
meiner Musik. Trotzdem schaffte es Alec, das ich meinen Blick immer wieder zu ihm wendete. Er tippte mit seinen Fingern, die fein säuberlich auszusehen schienen, auf das Lenkrad. Sein Haar war dunkelbraun, hatte aber schon gewisse Anzeichen von grauen Strähnchen. Vielleicht war ihm der ganze Stress um mich und die Arbeit zu viel, denn vor ungefähr – ich weiß nicht mehr genau, wie viele Tage es genau waren – zwei Wochen waren diese Haare noch nicht da gewesen! Schon deprimierend, was das Leben mit einem anstellt... Dabei sahen seine grünen Augen noch total jung aus, fast so wie die meine. Ich muss gestehen: Ich sehe aus wie mein Dad, außer das ich etwas kleiner bin als er, so um die 1,77 cm und er 1,82 cm groß ist. Vielleicht auch noch die Haare, die bei ihm einen Farbton dunkler sind als bei mir. Natürlich zogen wir uns auch – zum Glück! - anders an. Er trug öfters einen Anzug, weil er viele Termine bewältigen musste, die Ethan ihm aufgebrummt hatte. Mein Stil war eher lässig wie sportlich, manchmal auch ein wenig chic, wie manche Mädchen es nannten. Ich weiß wirklich nicht genau, wie ich es noch genauer beschreiben könnte. Auch die Länge unserer Haare ähnelte sich nicht annähernd, da ich einen jugendlichen Schnitt bevorzugte: etwas länger und ein wenig ins Gesicht fallend. Dad hatte einen kürzeren Schnitt, der anscheinend etwas für ältere war, da ich andauernd solche Menschen, die in solch einem Alter waren sah, die eben diese Frisur hatten. Und jüngere halt nicht. Das verschwieg ich ihm aber, es sollte nicht wieder eine dieser vielen Diskussionen geben, die am Ende zu überhaupt nichts führten, außer vielleicht einem langen Streit.
Als wir am Eingang des Internats angekommen waren, fiel mir sofort eine Frau auf, die auf uns zu stürmte. Meine Mum – und das total Peinlich! - lief versuchsweise auf ihren hohen Schuhen von ihrem Citroën zu uns herüber. Alec schaute sie wie immer total bescheuert an und ich freute mich schon, endlich in das Internat zu kommen. Mum versuchte erst gar nicht ein Gespräch mit Dad anzufangen, sie war sofort auf mich gestürzt und hatte mich wie wild umarmt. Zwar freute ich mich über die Nähe meiner Mutter aber ich wünschte mir, Vater würde auch etwas davon spüren können, wenn auch nur ein wenig. „Ich sollte jetzt besser reingehen … bin eh schon spät dran, also … solltet ihr vielleicht gehen“, murmelte ich sichtlich verlegen und drückte meinem Vater noch einmal leicht. „Ich werde dich vermissen, mein Sohn. Machs gut!“ antwortete er daraufhin und blieb so trocken wie ein Kaktus. Mum dagegen kämpfte mit ihren Tränen, während ich mich von Dad verabschiedete. Schon merkwürdig, wie Frauen ihren Gefühlen einfach freien Lauf lassen können und Männer nicht. Als alle ihre letzten Worte gesagt hatten, griff ich schnell nach meinem Koffer. „Ich geh dann mal.“ , sagte ich noch und rollte mit dem Koffer in der Hand, die Auffahrt hinauf. Ich hörte noch wie meine Mutter irgendetwas murmelte. Allerdings nicht zu Alec, sondern zu sich selbst. Ich fragte mich in dem Moment, wie schnell die Zeit einen Menschen verändern könne. Früher war sie nicht so gewesen. Sie war voller Lebensfreude, besonders ihr Lachen zeigte mir immer wie schön sie das Leben fand. Und von einem Tag auf den anderen war sie ein völlig anderer Mensch! Unfassbar. Mit langsamen Zügen, schluckte ich den Klos in meinem Hals herunter und versuchte nicht über meinen ganzen Stress nachzudenken. Einfach loslassen und einen neuen Weg einschreiten…
Als ich durch die Tür zum Internat ging, blieb mir der Atem stehen. Die Eingangshalle war riesengroß! Ein paar beige Sofas standen in Mitten des Raumes und zeigten einem einen wahnsinnigen Ausblick in die Ferne, da man so durch zwei große Fenster sehen konnte. Ich setze mich auf eines der Sofas und spürte sofort den seiden weichen Teppich. Wieso hat mir keiner gesagt dass das hier ein Luxus-Internat ist?! Auf jeden Fall ziemlich merkwürdig hier.
Mein Blick wanderte weiter und ich erhaschte ein Piano, welches in einer der vielen Ecken stand. Vielleicht würde ich mal darauf spielen? Ich müsste es nur noch lernen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raums stand ein Schreibtisch. An ihm saß eine ältere Frau mit Hochsteckfrisur. Sie schaute grimmig auf ihr Notizbuch und fing an zu schreiben. Anscheinend war sie Linkshändlerin, auch wenn ihre rechte Hand viel abgenutzter und rauer wirkte als die andere. Mir wurde klar das ich wieder zu viel über zu viel nachdachte. Also stand ich einfach auf und schlenderte zu ihr, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Ich sah ein Namensschild an ihrer linken Brust und betrachtete den draufstehenden Namen. „Mrs. Clarks?“, noch bevor ich weitersprechen konnte, fiel ihr Blick auf mich. Sie zog ihre Augen zu schlitzen und musterte mich eingehend. Ich wünschte ich hätte weitersprechen können aber irgendetwas hielt mich davon ab. „Ja bitte? Was kann ich für dich tun?“ plötzlich wirkte sie gar nicht mehr so als wie zuvor gedacht und auch ihre grimmige Art war wie weggeblasen. Mir gefiel, wie sie mich ansprach, kein Siezen. Das gab mir einen Ruck und mit wenigen Silben formte ich meinen Wunsch in einen Satz um. „Ich bin Aaron Wood und soll ab heute hier aufs Internat gehen, um …“, sagte ich und wurde mit einem Handzeichen unterbrochen. „Natürlich weiß ich wer du bist und was du hier machst. Aber nun gut, es ist schon spät. Wir sollten dich in dein Zimmer bringen, nicht wahr?“ ich erwiderte nicht das geringste. Schließlich wollte ich nicht ewig mit ihr reden. Ohne noch ein weiteres Wort mit mir zu wechseln stolzierte Mrs. Clarks los und ich hatte mühe ihr überhaupt zu folgen. Sie trug einen schwarzen Rock, der ihr bis zu den Knien reichte und eine weiße, Ellbogen lange Bluse. Auf mich wirkte sie wie eine Lehrerin. Na wollen wir mal hoffen das sie keine ist
, hatte ich gedacht und ging ihr weiterhin hinterher. Mit einem Ruck blieb sie stehen, drehte sich um und schaute mir wieder in die Augen. „So, das hier ist dein Zimmer!“, sagte sie und zeigte mit ihrem Zeigefinger auf eine Tür rechts von ihr. Mittlerweile befanden wir uns in einem großen Flur, der ebenso wie die Eingangshalle in einem weichen Beige gehalten wurde. Bilder hingen an den Wänden und machten mitsamt den gelben Rosen in goldenen Vasen eine schöne Atmosphäre. Wäre da nur nicht dieses leise Geräusch zu hören, welches mich aufhorchen ließ. Eines wie >KlickGanz sicher
. Mrs. Clarks stellte sich als Betreuerin heraus, die hauptsächlich meinen Jahrgang betreute. Gewöhnlich würde es Doppelzimmer geben, da aber kein Zimmer mehr frei war, bekam ich ein Einzelzimmer. Ich schätzte mich glücklich und betrat das Zimmer, nachdem die Betreuerin mir meinen Schlüssel gegeben hatte. Dieser Raum war glücklicherweise nicht in diesem trachten Beige zu begutachten: Mokka war hier angesagt. Tatsächlich, ich wollte schon immer mal ein Zimmer das überall an den Wänden die Farbe Mokka trägt! Warum auch nicht? Außer das mit großer Wahrscheinlichkeit die Hälfte der jugendlichen in diesem Internat diese Farbe nicht ausstehen können. Aber was solls. Wir müssen hier ja nicht jeden Tag ein und ausgehen, nur …
Noch bevor ich meinen Gedankengang zu ende bringen konnte, klopfte es an der Tür. Zumindest dachte ich es. In meinem gewohnten Gang ging ich zur Tür, griff nach dem Knauf und zog sie auf. Ich erspähte ein junges Mädchen, - vielleicht so alt wie ich und hatte den Verdacht sie schon von irgendwoher zu kennen. Das bildete ich mir wahrscheinlich aber auch nur ein. Sie schaute zu mir hoch. Dabei lächelte sie und ich entdeckte süße kleine Grübchen in ihrem Gesicht. „Hi, ich bin Claire Heaton und wohne nebenan, du bist neu hier, nicht wahr?“ Im Grunde dachte ich nur eins: verschwinde endlich, kleine.
Ich konnte mir schon vorstellen, wie ich ausgesehen haben musste. Wie ein alter Mann, der keine Kekse von kleinen niedlichen Pfadfindern abkaufen wollte aber dieses Mädchen nervte zutiefst. Um sie abzuwimmeln versuchte ich distanziert aber interessiert zu wirken, also nickte ich ab und zu, wenn ihre Augen größer wurden. Vielleicht war das eine gute Methode? Wer weiß? Aber vielleicht sollte ich einfach mit ihr reden, so schlimm, dass ich es nicht aushalten könnte, würde es sicher nicht werden. Dafür würde ich mir aber morgen Zeit nehmen. Der Schlaf packte mich, nachdem ich sie irgendwie – ich weiß überhaupt nicht mehr, was an dem einen Abend noch passiert ist! - abgewimmelt hatte. Ich schlief solange, bis ich aus meinem Schlaf herausgerissen wurde. Meine Augen öffneten sich und ich sah Mokka. Überall die Farbe Mokka! Da bemerkte ich erst, das es wie wild an meiner Tür hämmerte. Ich spurtete zu ihr hin und riss sie auf. Ich hatte Gedacht Claire würde wieder da sein, das war sie auch aber bei ihr war ein Junge, nein zwei und ich war nur in Boxer-Shorts. Für mich zwar kein Problem – ist ja nichts schlimmes aber Claire wandte sich ab. Die Jungs an ihrer Seite lachten über sie und der linke von ihnen reichte mir gleich seine Hand. „Ich bin Dimitri Wolkow – kannst mich auch Dima nennen“ sagte er. Mir fiel auf das er muskulös war. Nicht auf die übertriebene Art und weise, eher schon auf natürliche. Auch er wurde wahrscheinlich aus dem Schlaf gerissen, so wie er aussah. Er trug eine schwarze Sporthose, Sneakers und einen warmen grauen Pullover. Dima hatte ebenso wie ich braune Haare, nur einen Farbton heller. Und sie waren genauso kurz wie die von meinem Vater! Ich muss zugeben, ich war geschockt. Seine Augen schimmerten grün, welche sein Wesen noch sympathischer machten. Claire, in Mitten von ihnen, wirkte im Gegensatz zu ihm zierlich. Als wir uns das erste mal getroffen haben, um genau zu sein eine Nacht davor, war mir nicht mal aufgefallen das sie rote Haare hatte! Sie gingen ihr bis zu ihren Schultern und glänzten dabei abnormal. Okay, was heißt schon abnormal? Ich meine nur sie glänzten wirklich sehr sehr sehr … stark. Dann kamen noch ihre braunen Reh -augen ins Spiel, die den Glanz von ihren Haaren weitertrugen. Claire war allerdings schon angezogen und wirkte total ausgeschlafen. Geschminkt war sie aber nicht, was ich im ersten Moment auch nicht gesehen habe, vielleicht lag es aber auch nur an den Haaren, die meine Augen voll und ganz beanspruchten. Ich sah an ihr herunter und neben ihren sorgfältig ausgesuchten Klamotten, die auf schwarz und rosa abgestimmt waren – ich verstand aber wirklich nicht fiel davon – bemerkte ich ihre Hand, die fest umschlungen die seine hielt. Die vom Unbekannten. Ich schaute ihm wenige Sekunden in die Augen und wusste sofort, das er einer der ruhigeren sein würde. Naja, vielleicht auch nur, wenn jemand dabei ist, den er nicht kennt. Ist ja auch verständlich. Zur Begrüßung reichte ich ihm die Hand und schaute ihm wieder in die Augen. Grün-Blaue Augen schauten ein wenig abwesend in die meine. Ich wusste nicht genau, was ich von ihm halten sollte, auch wenn ich ihn genauso wenig wie die anderen beiden kannte. Und obwohl er mit seinen blonden Haaren,- sie waren nicht so kurz wie die von meinem Vater! - etwas schüchtern wirkte, strahlte er eine unfassbar starke Selbstsicherheit aus. Nur war sie hinter der äußeren Fassade gefangen. Zumindest war sein Händedruck schon mal ein Anfang. „Hallo...“ versuchte ich anzusetzen, stieß dennoch nur auf ein bescheidenes „Hey“, mehr nicht. Natürlich sagte er mir auch seinen Namen. Sean Wolkow hieß er und stellte sich als der gleichaltrige Bruder von Dima Wolkow vor. Kaum zu glauben! Nicht einmal im Ansatz hätte ich vermutet, dass die beiden Brüder wären. Sean aber hatte zumindest etwas besseres an, als wir. Eine Jeans, die gut zu ihm passte, würde ich mal sagen und ein einfaches Shirt, das an seinem Körper schmiegte. Dazu trug er an den Füßen total angesagte Chucks. Wenn man bedenkt, dass ich zuvor gedacht hatte, erst mal als Außenseiter auf der Bildfläche zu erscheinen, war das hier schon wirklich krass.
Die drei wollten mit mir zum Frühstück gehen, also ließ ich sie in mein Zimmer, wo Dima auch schon gleich über meine Wandfarbe losprusteten. Er hatte gemeint, dass er noch keinen mit so einer Wand gesehen habe. Claire hätte ein rosa Zimmer und das von Sean und von ihm solle grau sein. War ja klar
. Schnell zog ich mich um und zusammen gingen wir zu meinem ersten Frühstück. Das Frühstück mit meinen neuen Freunden. Alles lief sehr gut, ich hatte wirklich nichts zu beklagen. Wir saßen alle am Tisch, fast fertig mit dem essen. Okay, Claire brauchte wohl noch ein bisschen, als jemand an unseren Tisch kam. Es war ein Mädchen, vielleicht ein bisschen kleiner als unsere Claire. Ihre Haare waren auch kürzer als die ihre und hatten die Farbe von stehengelassener Schokolade. Wenn ich es genauer sagen müsste, würden sie wohl ausgeblichen sein. Trotzdem empfand ich sie als schön, da ihr kurzer Schnitt, sie hatte gemeint es wäre ein Bob oder so ähnlich, ihr gut stand. Ich schaute sie an und schon hatte sie meinen Blick bemerkt. Sie schien verlegen und versuchte mich zu ignorieren. Und dennoch wanderte ihr Blick immer wieder zu mir. Ich erspähte ihre dunklen Augen. Sie sahen aus wie schwarz, hätten aber auch dunkelbraun sein können. So genau konnte ich es zu diesem Zeitpunkt nicht erkennen.
Nachdem sie Claire irgendetwas gesagt hatte, ging sie plötzlich einen Schritt auf mich zu. Dann drehte sie sich wieder zu Claire um. „Wer ist das?“, fragte sie, als wäre ich überhaupt nicht anwesend. Mein Auge zuckte ein wenig, diese Angewohnheit hatte ich aber schon seit Kindertagen. Immer wenn mich etwas, wenn auch nur ein wenig aufregte, zuckte mein Auge. Das war ein Anzeichen dafür das ich mich zusammenreißen musste. Nicht gut. Und noch bevor Claire höflicherweise freundlich antworten konnte, ignorierte sie sie wieder. Was war das denn?! In mir fing es an zu brodeln, wenn es auch nur ein bisschen war aber noch konnte ich es zurückhalten. Irgendwie würde ich schon noch da raus kommen. „Ich bin Aaron. Aaron Wood. S-schön dich kennen zu lernen“, sagte ich. Und ich hatte es wirklich versucht! „Und…wer bist du?“ fuhr ich fort. Dima fing wieder an zu lachen und ich zog bloß noch eine meiner Augenbrauen hoch. Wenigstens hatte er Humor, wenn auch unpassend. Er wurde wieder still, so dass das Mädchen endlich zu Wort kommen konnte. „I-ich heiße Aleksandra Nowak. Und falls es dich interessiert, ich komme aus Polen. Um genau zu sein aus Lublin“, wow, vielen Dank für die Details in unserem erstes Gespräch. Genau das wollte ich als erstes von dir wissen!
Ich aber wusste nicht was ich sagen sollte, weshalb ich das erste Sagte was mir durch einen einfachen Stuhl einfiel. „Möchtest du dich vielleicht zu uns setzen?“ und schon wurde gegen mein Bein getreten. Anscheinend konnten sie an diesem Tisch nicht viele leiden. Besonders Sean wohl nicht, wenn man bedenkt das er nicht gerade wie der stärkste aussieht und doch so einen harten Tritt drauf hat. Claire, die neben Sean saß, lächelte aber ich konnte ihr ansehen das es nicht echt war. Von Dima möchte ich gar nicht erst anfangen, nur eins: Sein Lachen verging nicht so schnell wie es gekommen war. Aleksandra zog sich einen Stuhl an unseren Tisch und setzte sich neben mich. Zuerst hatte ich gedacht, sie wäre schüchtern oder so aber in unserem weiteren Gespräch stellte sich heraus das sie wie ein Vulkan war. Alles sprudelte nur so aus ihr heraus und anscheinend würde das noch eine Weile so weitergehen. Aleksandra und ich verstanden und allmählich immer besser, auch wenn es am Anfang nicht so gewirkt hatte. Sie war ziemlich lustig, wenn man ihren Humor einzuordnen wusste. Und ich konnte ihn mir gerade noch vorstellen. Beinahe unmöglich war das für Dima. Er wollte es nicht einmal im Ansatz versuchen, was ich schon wieder amüsant fand. Irgendwie war er in den zwei Wochen, seid denen ich im Internat lebte – ich hatte nun einen normalen Alltag. Morgens trafen wir uns bei Claire im Zimmer, manchmal auch in meinem, wenn ich länger brauchte als die anderen und gingen wie gewohnt zum Frühstück, danach war 'Unterricht' angesagt und am Abend verbrachten wir meistens unsere ganze Zeit zusammen – zu meinem besten Freund geworden. Klar, Dima und Sean sind Brüder. Aber das ist etwas anderes als Freundschaft, auch wenn es sich manchmal ähnelt. Sean schien aber auf keiner Weise eifersüchtig zu sein, vielleicht weil er noch Claire hatte? Könnte ich mir gut vorstellen.
Wir wurden zu einem vierer-Gespann: waren überall gemeinsam, hatten oftmals dieselben Interessen, was bei einer Gruppe von vier Leuten nicht allzu üblich ist und verstanden uns einfach super! Aleksandra war dann eher doch das fünfte Rad am Wagen. Auch wenn wir uns gut verstanden. Aber irgendwie kam ich nicht mehr mit ihr zurecht. Sie war zu aufdringlich, was wohl nicht nur mich beunruhigte aber es ging noch viel weiter als ihr zuzutrauen war. Dazu komme ich aber noch. Ich fing an sie zu ignorieren, auch wenn das nicht so einfach war, wie es sich vielleicht anhört. Und sie schien immer unglücklicher zu werden. Von Tag zu Tag wurde es schlimmer, bis sie sogar in der Nacht versuchte in mein Zimmer einzudringen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn sie es geschafft hätte. Natürlich versuchten wir alles daran zu setzen das sie uns nicht mehr zu nah kam; wir setzten uns mit unserer Betreuerin, Mrs. Clarks, in Verbindung, konnten bis zu diesem Zeitpunkt aber nichts erreichen, auch wenn sie uns beteuerte alles in ihrer Macht stehende zu tun. Dann aber geschah etwas, von dem ich nicht gedacht hätte, das es soweit kommt. Und dabei wurde mir ganz schlecht, nicht allein wegen der Situation, in der ich mich befand. Sondern weil es meine Schuld war, weil ich das ganze erst auslöste und weil ich es nicht verhindern konnte. Irgendwie fühlte ich mich zum ersten mal richtig allein. Ohne Familie und ohne Freunde. So was hat niemand verdient und plötzlich wurde mir klar, das genau das geschehen war. Aleksandra war allein gewesen. Nur hatte es keiner von uns Wahr haben wollen. Die ganzen Fehler, die ich durch meine Ignoranz hervorgerufen hatte, brachten Licht in die Sache. Und nicht nur ich war zutiefst erschüttert. … Fortsetzung folgt!!! ??
Tag der Veröffentlichung: 22.05.2011
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