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Sanft streicht der Wind über ihren Körper, der regungslos am Boden liegt. Ihre Augen sind fest geschlossen, versiegelt. Einzig eine kleine Träne will nicht in ihren Augenhöhlen verweilen und dringt an die kalte Außenwelt. Wie viel Zeit mag bisher vergangen sein? In Ihrem Kopf sind so viele Gedanken, dass sie sich schon länger nicht mehr im Klaren darüber ist, wo sie sich befindet. Die Trauer in ihr, lässt die Umgebung in Raum und Zeit übergehen und hinterlässt ein schwarzes Loch der Leere, in welches sie langsam versinkt.
Zu Beginn des Tages, war Claire müde, aber doch voll Lebensfreude. Es war ein Tag wie jeder andere, mit dem einzigen Unterschied, dass sie wieder einmal in das Krankenhaus fahren musste, in welchem ihre Mutter eingeliefert wurde, nachdem man bei ihr einen schweren psychisch labilen Zustand diagnostizierte. Früher, am Anbeginn der Zeit, als Claire noch ein kleines Mädchen von fünf Jahren war, hielt das Leben noch so viel Schönheit und Liebe für sie bereit. Es war ein Leben ohne Sorgen und Leid. Doch bekanntlich wächst man mit der Zeit, und mit ihr kommen die Probleme. Erwachsen sein bedeutet nicht mit dem Leben klar zu kommen, vielmehr ist es die Reife die in dir mit der Zeit erblüht. Es ist die Einstellung des Herzens, welchen Weg es einschlägt, um die Unbeschwertheit der Jugend auch im Alter zu erleben. Claire, obwohl sie bereits zwanzig Jahre alt ist, ist nie erwachsen geworden. Ihr Vater starb als sie neun Jahre alt war und ihre Mutter ist nun nicht mehr sie selbst. Natürlich gab es über all die Jahre Freunde, die Claire auch glückliche Zeiten schenkten, doch auch dieses Rad dreht sich unwillkürlich weiter. Nichts wehrt ewig. Den wahren Schmerz über verlorene Vaterliebe und über eine Mutter die vielleicht bald nicht mehr weiß wer ihre eigene Tochter ist, können auch Freunde nicht von dir nehmen. So kann man mit gutem Recht behaupten, Claire ist ein Kind, welches es nie leicht im Leben hatte. Trotz alledem hat sie versucht immer ihr Bestes zu geben, versucht nie den Mut zu verlieren, eines Tages in dieses schwarze, leere Loch zu fallen, von dem man sagt man findet nie mehr einen Weg zurück. So versuchte sie dieses unheimliche Loch zu umgehen und begann Nebenjobs während ihres Studiums anzunehmen um das Rad anzuhalten. Die einzige Verwandte die sich um sie kümmerte war ihre Tante, die ihr aber auch selten einen herzlichen Besuch abstattete. Es war mehr oder weniger ein Gefallen den sie gegenüber Claires verstorbenen Vater verrichtete. So verging dennoch die Zeit und Claire war wieder einmal unterwegs in das Spital in dem ihre Mutter sich befand.
Als sie an diesem morgen das Krankenzimmer betrat, sah sie eine leere, seelenlose Hülle vor ihr. Eine Frau, die jeglichen Lebenswillen aus ihren Augen verloren hatte. Ein stiller Schatten lag über ihrem Gesicht, der sich langsam in ihr Inneres zu schleichen schien. Langsam tritt die Tochter an das Bett ihrer Mutter und berührt sie sanft an der linken Schulter. Claire weiß nicht mehr wie oft sie versucht hat ihre Mutter wachzurütteln, sie aus ihrem langen Schlaf zu befreien. Allerdings war das Einzige was sie immer erhielt ein verständnisloser Blick und die Frage wer sie überhaupt sei und warum ihr Mann noch nicht vorbeigekommen ist, um sie zu besuchen, sie sei so einsam. Der plötzliche Tod von Claires Vater, hatte sie nie wirklich verkraftet, die Folgen ihres Kummers, kamen nur viele Jahre später. Claire blieb eine Weile. Stumm saß sie neben dem Krankenbett und verspürte nichts anderes als die einsame Zeit mit ihrer Mutter. Es war ein Tag von vielen. Leer und bedeutungslos. Nachdem Claire das Krankenhaus wieder verlassen hatte, ging sie nicht nach Hause. Stattdessen rannte sie. Sie rannte bis sie keine Luft mehr bekam und ihre Füße so sehr schmerzten, dass sie keinen einzigen Schritt mehr machen konnte. Mittlerweile hatte sie die Stadtgrenze erreicht und war auf eine große Wiese gelangt, auf der sie als Kind früher mit ihren Eltern Zeit verbracht hatte. An einer Stelle brach sie zusammen und ihr Körper lies sich fallen. Der Sturz schien endlos. Sie fiel in das Nichts vor dem sie solange floh. Alles drehte sich in ihrem Kopf. Tränen rannen unaufhörlich. Claire konnte nicht mehr, ihr Leben war eine einzige, schwarze Hülle, leer und bedeutungslos.
Der Wind streicht über die endlos lange Ebene und verschlingt den Körper des Mädchens und verschwindet zwischen Raum und Zeit.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 20.11.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
für die Lichter in meinem Leben

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