Cover

DÄMON - Gefallener Engel

 ALEXANDER FROST

 

 

 

 

Lektorat:

Katrin Hämmerling

Anita Peuker

 

 

 

Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.

(Epheser 6, 12)

I

Mike ging langsamen Schrittes in Richtung Fahrstuhl. Die Absätze seiner schwarzen Lederschuhe knallten auf dem Marmorboden der Empfangshalle und gaben seinem düsteren Anblick eine gewisse Härte. Sein Outfit war stets in dunklen Farben gehalten, um sich der Dunkelheit optimal anzupassen. Der lange schwarze Ledermantel wippte im Takt seiner Schritte. Abgerundet wurde dieses bedrohliche Outfit mit einer verspiegelten Sonnenbrille, die es unmöglich machte auch nur zu erahnen, welchen Punkt er gerade mit seinem Blick fixierte. Seinen linken Arm hielt er angewinkelt und trug so einen Strauß roter Rosen. Er betätigte den Türöffner des Fahrstuhls und sofort öffnete sich dieser. Mike war sichtlich zufrieden, weil sich niemand im Inneren befand. Er betätigte die Taste, über der die Bezeichnung „Konferenzraum I“ angebracht war. Die Türen schlossen und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung nach oben. Mike´s Gesichtsausdruck und seine gesamte Körperhaltung strahlten die gewohnte Entschlossenheit aus.

Er war hochkonzentriert, als die Leuchtdioden der Stockwerkanzeige auf „Konferenzraum I“ wechselten. Die Türen des Aufzugs öffneten sich. Mike ließ den Strauß Rosen auf den Boden fallen und zum Vorschein kam eine Schrotflinte.

Ehe der Wachmann, der vor der marmorierten Eingangstür des Konferenzraumes stand, die Miene verziehen konnte, drückte Mike ab und traf ihn genau in die Brust. Das Blut schoss aus dem Rücken und spritzte gegen die weiße Wand.

 

Blitzschnell warf sich Mike mit seinem ganzen Körpergewicht gegen die Tür, die daraufhin aufsprang. Nun stand er in einem Raum, in dessen Mitte ein großer ovaler Tisch platziert war. An diesem saßen sechs Männer in edlen, maßgeschneiderten Anzügen. Der Erste, der zur Tür hin saß, erhob sich, doch bevor er richtig aufrecht stand, feuerte Mike auf dessen Körper, woraufhin dieser zuckend in seinen schwarzen Ledersessel zurück rutschte. Innerhalb von wenigen Sekunden ließ Mike nun das Gewehr fallen und holte aus der Innentasche seines Mantels eine Pistole hervor. Er streckte seinen Arm aus, feuerte fünfmal und die fünf übrig gebliebenen „feinen Herren“ sackten, am Kopf tödlich verwundet, in sich zusammen oder knallten mit den Köpfen auf den schweren Eichentisch. Der Letzte in der Runde brach sich, beim Aufprall auf den Tisch, unter einem „Knacken“, das Nasenbein. Allerdings dürfte er das mit Sicherheit nicht mehr gespürt haben.

 

Nun war es für einen Moment totenstill. Er hielt kurz inne, als wollte er die Stille in sich aufsaugen. Dann holte er ein Maschinengewehr unter seinem Mantel hervor und schoss damit mehrere Salven auf die komplett verglaste Außenwand. Unter einem lauten Knall brach diese in tausend Stücke.

Die Splitter flogen durch den ganzen Raum und bedeckten den Boden, den Tisch und die sechs Leichen. Aus der Ferne vernahm er die Rotorengeräusche eines Helikopters, der sich ziemlich schnell näherte. Plötzlich tauchte dieser, der wie ein aussortierter Militärhelikopter aussah, direkt vor der zerschossenen Glaswand auf. Papiere und Akten die auf dem Tisch lagen, wurden durch den Sog der Rotorblätter durch den Raum gewirbelt. Mike huschte ein Lächeln über die Lippen, als er zu seiner Freundin Kimberly Blickkontakt hergestellt hatte. Sie drehte den Helikopter zur Seite und bot somit die offene Verladetür zum Einstieg an. Mike trat zwei Schritte zurück, rannte los und sprang mit einem riesigen Satz in den Helikopter. Geschickt rollte er sich im Inneren ab, erhob sich, schloss die Schiebetür und begab sich nach vorn ins Cockpit.

 

„Ich dachte mir, ich hol dich direkt ab“, lächelte sie ihn an und brachte ohne lange zu zögern den Hubschrauber auf Kurs.

 

Mike gab ihr einen Kuss auf die Wange, ließ sich in den Sitz fallen und lachte: „Deine Pünktlichkeit ist erschreckend."

 

Kimberly erwiderte das vermeintliche Kompliment mit einem Lächeln, zog den Helikopter nach oben und manövrierte ihn zwischen den Wolkenkratzern aus der City hinaus. Mike nahm die Sonnenbrille ab und verstaute diese in einer der vorderen Taschen seines Mantels. Er sah lächelnd zu Kimberly hinüber und ließ seine Blicke über sie streifen. Er bewunderte sie. Sie war klug und sah zudem noch verdammt gut aus.

Sie hatte lange schwarze Haare, die sie zu einem Zopf zusammengebunden hatte und ihrem Gesicht eine gewisse Strenge verlieh. Sie brauchte Mike nur mit ihren braunen Augen ansehen und er konnte ihr nicht widerstehen. Er hätte ihr niemals einen Wunsch oder einen Gefallen ausschlagen können. Auch wenn er ein gnadenloser Killer war, seiner Kimberly fraß er aus der Hand. Ihr Körper war durchtrainiert und sie teilte Mikes Geschmack des dunklen Kleidungsstils. Sie war eine willensstarke Frau, welche genau wusste wie sie sich in dem Milieu der Berufskiller und Bankräuber durchzusetzen hatte.

 

Mike lernte Kimberly in einer New Yorker Bank kennen. Er hatte gerade seinen Dienst bei der New Yorker Mordkommission quittiert und war gerade dabei das letzte Guthaben, was er besaß von seinem Konto abzuräumen.

Ein halbes Jahr zuvor hatte er seine Frau Cheryl beim Seitensprung mit seinem Partner Kevin Shoeman erwischt. Dieser war damals auch noch sein bester Freund. Eigentlich sogar wie ein Bruder. Es stellte sich heraus, dass er mit Cheryl schon seit zwei Jahren ein Verhältnis hatte. Doch dies war nicht der eigentliche Grund, der Mike zu schaffen machte. Viel mehr war es das Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Cheryl zog sich schon seit geraumer Zeit zurück. Auf der zwischenmenschlichen Ebene lief nicht mehr viel ab und auf der Sexuellen sowieso schon lange nicht mehr. Als der Sex anfing mechanisch zu werden, was sich dahin gehend äußerte, dass sich seine Frau wie ein Brett hinlegte und keine Reaktion auf seine Zärtlichkeiten zeigte, stellte er die körperliche Nähe ein.

 

Er hatte das Gefühl, als „ließe sie es über sich ergehen“ und dies wollte er sich und ihr ersparen. Erst dachte er sich nichts dabei und schob es auf die Fehlgeburt, die seine Frau erlitten hatte. Er brachte sogar Verständnis für ihr Verhalten auf und versuchte die Tatsache, dass sie aneinander vorbei lebten, einfach auszublenden. Schließlich war es sein Stolz, der ihm im Wege stand, sich immer wieder einen Korb bei der eignen Ehefrau abzuholen. Umso mehr traf ihn der Schlag, als er die wahren Gründe sah, warum sie sich ihm verweigerte.

 

Er verließ sofort das gemeinsame Haus und lebte zeitweise in seiner roten Corvette. Er fing an zu trinken, um seinen verletzten Stolz zu betäuben, denn er war stets der Meinung so etwas könne ihm nicht passieren. Es war auch nicht der Schmerz, dass er seine Frau verloren hatte und sein ganzes Leben zerbrach. Es war der Schmerz des verletzten Stolzes und diesen wollte er bekämpfen.

 

Er versuchte es nicht zu verarbeiten, er versuchte eine gewisse Gleichgültigkeit zu erlangen, um weiterhin über den Dingen stehen zu können. Er konnte es sich selbst gegenüber nicht gestatten, über etwas die Kontrolle zu verlieren. So versuchte er seine Sinne zu vernebeln, um zu verdrängen, damit er weiterhin „der Starke“ sein konnte. Er nahm Tabletten zu sich, die seine Gefühlswelt abstumpfen ließen. Dies ermöglichte es ihm, in seinem Alltag zu überleben. Als er merkte, dass dies sein Urteilsvermögen im Polizeidienst beeinträchtigte, quittierte er den Dienst.

 

Er ging somit einem internen Verfahren der Polizeirevision aus dem Weg. Er hatte den Ruf, in Verhören zu Gewaltausbrüchen zu neigen.

 

Zudem wurden ihm Gewaltausbrüche an mehreren Gefangenen vorgeworfen und ihm drohte eine sofortige Suspendierung. Er hatte sich im Laufe der Jahre ein kleines Sümmchen zusammengespart, welches er nach der Quittierung seines Dienstes immer mehr mit beiden Händen ausgab.

 

So fiel er zumindest fürs Erste in keine finanzielle Krise und konnte sich seinen Lebenswandel im Alkohol- und Drogenrausch leisten. Aufgrund seines verletzten Stolzes stürzte er sich ins New Yorker Nachtleben und tobte sich zunächst in Bordellen und Nachtclubs aus. In dieser Phase kam er fast jede Nacht bei einer anderen Frau unter. Selten, dass er mal länger als drei Tage bei ein und derselben Partnerin blieb. Nach Jahren der selbst auferlegten Abstinenz, ging es ihm nun darum, sich endlich wieder als Mann beweisen zu können.

 

Dann kam der Tag, an dem er am Bankschalter stand, gerade den letzten Rest vom Konto abhob und in der Tasche verstaute. Während er das letzte Bündel Geldscheine in die Innentasche seines Mantels steckte, hörte er eine energische Frauenstimme.

 

„Und jetzt halten alle hier mal die Luft an! Keine Bewegung!“

 

Es war Kimberly. Mit einer Maschinenpistole bewaffnet, stand sie in der Mitte des Raumes und um ihren Worten etwas Nachdruck zu verleihen, schoss sie ein paar Salven in die Luft, woraufhin etwas Putz von der Decke viel.

 

Mike sah zu ihr hinüber und war von ihrem Wesen sofort eingenommen. Ihr Körper war makellos und ihre durchtrainierte Figur wurde durch das enge Leder-Outfit unterstrichen.

 

Ihre langen schwarzen Haare waren das i-Tüpfelchen welches in Mike ein plötzliches Verlangen auslöste. Diese Frau ebnete ihm letztlich den Weg seinen schon lange gefassten Entschluss, der Polizei den Rücken zu kehren nun tatsächlich umzusetzen. Er hasste den Staatsapparat und hielt ihn für korrupt und verlogen. Zwei Stunden bevor er am Bankschalter stand, hatte er einen Nachtclub in Schutt und Asche gelegt und er vermutete eh, dass die Polizei bereits nach ihm suchte. Die Begegnung mit Kimberly festigte nicht nur seinen Entschluss sondern versüßte es ihm auch noch. Kimberly war nun sein Wegweiser in eine völlig neue Richtung in seinem Leben.

 

Als ein Wachmann der Bank und ein Polizist in Zivil, dabei waren den Überfall zu vereiteln, entschloss sich Mike endgültig die Seiten zu wechseln. Blitzschnell trat er dem Wachmann die Pistole aus der Hand, wodurch sich ein Schuss löste und den Polizisten schwer verwundete.

 

„Ihr habt doch gehört, was die Lady gesagt hat!“ rief er unterstützend in die verunsicherte Menge.

 

Kimberly war über die Rettung sehr verblüfft, aber nahm diese natürlich dankend an. Gemeinsam ließen sie die Taschen bis zum Rand füllen und verschwanden. Dies war die Geburt eines Duos, welches es seit Bonnie und Clyde nicht mehr gegeben hatte. Als hätten sie sich gesucht und gefunden.

 

Sie waren optimal aufeinander abgestimmt und hatten sogar eine Phase, in der sie aus purem Ehrgeiz Banken und Casinos überfielen, um die Polizei und Behörden zum Narren zu halten. Schließlich bemerkten sie allerdings, dass sie den Bogen reichlich überspannt hatten, provozierten eine wahre Hetzjagd des United States Marshals Service, flüchteten äußerst knapp über die mexikanische Grenze und tauchten dort ein ganzes Jahr ab.

 

Nach einem Jahr ging den beiden das Geld aus und so kehrten sie in die USA zurück. Dort bezogen sie Quartier bei Kimberlys Bruder Frasier, welcher sich vor einigen Jahren ein altes Lagerhaus gekauft und mit viel Mühe und natürlich Geld restauriert hatte. In diesem Haus bewohnten sie ihr eigenes Domizil im Dachgeschoss und von dort brachen sie gemeinsam oder manchmal auch allein auf, um die Mordaufträge durchzuführen, die ihnen von Frasier vermittelt wurden.

 

Vor allem Mike erwarb sich einen gefürchteten Ruf in der Szene und avancierte zum meistgesuchten Kriminellen Amerikas. Er perfektionierte sich und die Durchführung seiner Tötungen von Mal zu Mal. Die Aufträge wurden immer schwieriger und die Bezahlung immer besser. Ab und zu wurde er sogar von Mitgliedern der Regierung oder Behörden angeheuert, um diverse Gegner oder „Hindernisse“ beseitigen zu lassen.

 

Mike fragte nicht nach seinen Auftraggebern und wer da jedes Mal dahinter steckte, war ihm völlig gleichgültig. Aber manchmal kam ihm schon das eine oder andere Gesicht sehr bekannt vor.

 

Irgendwann hörte er allerdings auf, die Leichen zu zählen, die den Weg seines Lebens, auf dem er ging, pflasterten. Er wurde im Laufe der Jahre völlig gefühlskalt. Vielleicht hatte er diesen Zustand aber auch schon in den letzten Zügen seiner Ehe gehabt, ohne es zu merken. So genau wusste er

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Alexander Frost
Cover: Alexander Frost
Lektorat: Katrin Hämmerling & Anita Peuker
Tag der Veröffentlichung: 08.02.2015
ISBN: 978-3-7368-7659-0

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich danke meiner Mutter, der selbstloseste Mensch der mir je begegnet ist. Danke für Deinen Beistand, gerade in schwierigen Zeiten. Ich hoffe sehr uns bleibt noch genügend Zeit, vielleicht auch die schönen Momente zu teilen!

Nächste Seite
Seite 1 /