Cover


Der Maler im Selbstportrait:








Nehmen Sie sich Zeit und betrachten sie dieses Bild.


In aller Ruhe.


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Es ist:
Donaulandschaft von Albrecht Altdorfer

Öl auf Pergament, aufgezogen auf Buchenholz
30 cm x 22 cm, gemalt vermutlich kurz nach 1520

Das winzige Bild hängt in einem Kabinett der Alten Pinakothek in München.

Albrecht Altdorfer wurde um 1480 in Regensburg geboren, wo er auch am 12. Februar 1538 starb. Er war Maler, Kupferstecher und Baumeister und gilt als Hauptmeister der sogenannten Donauschule.



1520!

Dieses Bild war seinerzeit der HAMMER! Die Leute waren ganz von den Socken! Diese kleine Tafel war absolut unerhört! Der lichterlohe WAHNSINN!!

Sehen sie genau hin: Auf diesem Bild sind keine Men- schen! Es ist tatsächlich seit der Antike die erste reine Landschaft in der europäischen Malerei!

Das war seinerzeit sensationell! Vorher malte man immer Menschen: Zur Erbauung und Belehrung malte man biblische Gestalten oder Heilige, antike Helden und Götter. Man fertigte Portraits wichtiger Persönlichkeiten, deren Konterfeis der Welt überliefert werden mussten. Die selbständige Bildgattung "Stillleben" gab es noch nicht! Das Unpersönlichste, was man malen konnte, waren allegorische Figuren, wie die vier Jahreszeiten, die sieben Tugenden oder die Musen der 9 schönen Künste.


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Landschaft war bisher immer nur Hintergrund gewesen, die Figuren waren das Thema. Doch hier, auf diesem Bild gibt es keine Geschichte mehr, hier ist nichts zu sehen als der Hintergrund.

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Ein gutes Bild spricht den Betrachter an. Es "sagt" ihm etwas und hat eine Botschaft. Mal sehen, ob wir dieser Botschaft auf die Spur kommen können.

Lassen sie das Bild eine Weile auf sich wirken. Gönnen sie sich ein paar Minuten. Manches entdeckt man erst auf den zweiten oder dritten Blick.

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Das Bild hat kein "Panorama-Format"! Es geht dem Maler nicht um die Dokumentation der Landschaft. Das Bild ist keine typische Vedute. Dafür wäre ein Querformat sicher viel geeigneter. Auch die Winzig- keit des Bildes, das nur so groß ist wie eine DIN-A4-Seite, ist gewiss nicht ideal, wenn man eine Land- schaft einfangen möchte.

Altdorfer wählt dennoch ein kleines Format und stellt es als Hochformat auf seine Staffelei. Um das Panorama geht es ihm nicht. Offensichtlich will Altdorfer etwas anderes.

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Spüren sie es? Das Bild hat einen gewaltigen Sog in die Tiefe! Altdorfer betreibt sehr viel gestalterischen Aufwand betreibt er mit der Darstellung der räumliche Tiefe. Sie ist Albrecht Altdorfer offensichtlich ein wichtiges Anliegen:

Die Bäume links und rechts am Bildrand, die wuchtig das Bild einrahmen, die sogar das Format überragen, ver- ankern das Bild in der vordersten Bildebene, geben optischen Halt. Dennoch gelingt es ihnen nicht, den Sog in die Tiefe zu behindern.

Passen sie auf! Altdorfer spielt mit ihren Sehgewohn- heiten. Wir orientieren uns beim Kucken gerne an Konturen. Mit viel Geschick wird unser Blick von oben und von unten immer wieder an Konturen entlang im Zickzack zum Zentrum des Bildes geführt:

o Der Weg durch die Hügellandschaft.
o die Wolkenformationen
o die Äste der Bäume

All diese Formen manipulieren das Auge des Betrachters. Unaufdringlich aber zwingend wird der Blick gelenkt und zum Bildmittelpunkt geleitet: Zu der in der Ferne unter- gehenden Sonne hinter dem Berg.

Diese Tiefenwirkung unterstützt Altdorfer durch die Technik der Farbperspektive. Sie wissen schon: Entfernte Dinge werden immer blasser und bläulicher gemalt als die nähergelegenen. Ein Kniff, mit dem ein Maler zeigen kann, dass sich die im Bild gezeigten Objekte in der scheinbaren Wirklichkeit des Bildes weiter hinten und in weiter Entfernung befinden sollen.

Die mehrfach gestaffelten, sanft verblauenden Berge erzeugen den Eindruck von Weite und Tiefe. Ebenso der Himmel, der sich von sehr kräftigem Blau zu einem goldhellen Schein aufhellt, im Zentrum des Bildes, wohin unser Blick immer wieder geführt wird.

Aber Moment mal: Dieses Zentrum ist gar nicht die Mitte! Der Horizont ist sehr tief: ziemlich genau 2/3 des Bildes bestehen aus Himmel. In der abendländischen Malerei war bislang das Verhältnis meist eher andersherum, wenn der Himmel nicht sogar zu einem schmalen Streifen unter der oberen Leiste des Bilderrahmens reduziert wird.

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So viel Himmel hat natürlich auch Auswirkungen auf die Farbigkeit. Es gibt ungewöhlich viel Blau. Nur im unteren Drittel herrschen die gedeckte Grün- und Brauntöne vor. Rot fehlt fast völlig. Und im Zentrum steht der goldhelle, beinahe schon weißen Schein der verdeckten Sonne.

Auch wenn Altdorfer kein Buch über Feng Shui zurate ziehen konnte, wusste er sehr genau: Farben üben eine Wirkung auf den Betrachter aus.

Wir finden Blau, Grünbraun und blaßgelbes Weiß.

Blau ist eine kühle Farbe. Sie beruhigt und weckt Sehn- sucht. Grün ist die Farbe von Gras und Wald. Auch sie beruhigt, doch sie vermittelt auch Sicherheit und Harmo- nie, ganz ähnlich übrigens wie Brauntöne! Weiß ist schließlich ist die Farbe von Reinheit, Klarheit, Erhabenheit und Unschuld.

Aufwühlendes, aktives Rot finden wir nicht, oder besser gesagt nur in Spuren.

Hier herrschen: Blau, Grünbraun und ein Klecks Weiß. Wir können es auch übersetzen: Ruhe und Harmonie und ein wenig Erhabenheit.

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Ein gutes Bild hat eine Botschaft. Welche Botschaft liegt hier in diesem kleinen Täfelchen? Es ist keine Geschichte: Keine Flucht nach Ägypten, nicht die badende Diana oder eine tugendhafte Lukretia. Ganz bewusst wird auf Men- schen verzichtet. Das Bild muss auf die Betrachter des jungen 16. Jahrhunderts gewirkt haben wie eine leere Bühne: Still und leer. Friedlich.

Dazu gesellt sich aber der kunstvoll inszenierte Effekt der Weite und der Tiefe und die beruhigende Kühle des Kolorit.

Ruhe, Weite, Kühle! Das sind emotionsgeladene Begriffe. Und genau darum geht es auch! Es sind genau diese Emotionen, um die dem Maler geht. Diese Emotionen sind das Thema dieses Bildes!

Anders ausgedrückt: Das Thema des Bildes ist die Reaktion des Betrachters! Auch dies ist neu und ein sensationeller Gedanke: Wirkung statt Darstellung!

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Strenggenommen ist das zwar nicht ganz richtig: Man kann den Ort, der abgebildet wurde, genau bestimmen: Es ist ein Fleckchen über der Donau bei Schloß Wört, unweit von Regensburg. Aber das ist nebensächlich.

Dieses Bild will kein transportables Fenster zum Donautal sein, es ist kein Ansichtskartenpanorama. Man kann ja das Bild auch verstehen, ohne, dass man das Bild mit genau diesen Ort verbinden kann. Das wissen um das "Wo" macht dieses Bild weder schöner noch besser. Es geht umd die Wirkung des Bildes beim Betrachter.

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Das Bild ist die Erinnerung an einen zufriedenen Augen- blick der Besinnung, ein großes abendliches Ausatmen.


Der vorstehende Text war in leicht
veränderter Form Teil eines Vortrages.


Impressum

Texte: © Alexander Bálly 2010 Alle Rechte vorbehalten! Besuchen sie auch meine Homepage: alexander-bally.de
Tag der Veröffentlichung: 11.04.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet den Besuchern der Alten Pinakothek in München. Also auch Ihnen, wenn Sie hingehen. Es lohnst sich in jedem Fall!

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