Es war Zeit.
Sie war die letzte Überlebende ihres Stammes und auch wenn ihre Meister ihnen im Training vor langer Zeit immer wieder eingehämmert hatten, dass jede nur für sich verantwortlich sei, fehlten ihr die anderen jetzt doch ein wenig.
Nicht während der Kämpfe, das gab sie ganz ehrlich zu.
Auf dem Schlachtfeld hatte sie jede Nachricht vom Fall einer der ihren immer eher beruhigt; denn jede war am Ende ja doch nur eine Konkurrentin um die Gunst des Monsters gewesen.
Müde betrachtete sie ihre Waffen und je länger sie sie betrachtete, umso mehr ergriff die Angst, die schon immer da gewesen war von ihr Besitz. Ihre Waffen wurden stumpf. Trotz der teuren Pflege, den vielen Reparaturen und den fast verbrecherischen Preisen für die besten Ersatzteile. Bitter dachte sie an den neuen Stamm, der jetzt überall auftauchte. Auf jedem Schlachtfeld, ausgerüstet mit den neuesten, funkelndsten Waffen, die sie für nichts auf dieser Welt bekommen konnte.
Wie gern hätte sie die Hälfte ihres Lebens, oder auch mehr (ja, viel mehr, wenn es sein musste!) für diese makellosen Waffen gegeben.
Und wie lässig und unbekümmert die damit umgingen. Ganz so, als gäbe es kein Morgen. Als würden nicht auch ihre Waffen schon bald stumpf und unbrauchbar sein und als würden nicht aus sie so leicht von den Nächsten, die immer kamen, vernichtet werden.
Da war diese Eine, die sie an sich selbst erinnerte. Der neue Liebling des Monsters, die sie beim letzten Kampf fast mitleidig angeschaut hatte. Ja, die würde schnell ihren Platz im Herzen des Monsters einnehmen. Nur schaudernd dachte sie an die letzte Schlacht, bei der die Beobachter, die ihr noch vor so kurzer Zeit fast ehrfürchtig gehuldigt hatten, mit unverhüllter Häme jeden einzelnen Makel ihrer Waffen begafft hatten.
Oh ja. Das Monster wusste es schon, da war sie sich ganz sicher.
Am liebsten hätte sie sich in eine Ecke verkrochen und geweint, aber das ging ja nicht.
Sie musste trainieren und dann stand schon wieder eine Reparatur an und dann musste sie auch noch die Schlachtenmeister überzeugen, dass ihre Waffen dem nächsten Kampf gewachsen waren.
Dem nächsten Kampf!
In weniger als ein paar Stunden würde einer der großen Kämpfe ausbrechen, alle Vorzeichen sprachen dafür, aber bis zu diesem Morgen hatte sie nicht der kleinste Hall des Rufes erreicht, der die Kämpferinnen traditionell zu den Waffen rief.
Ein paar Stunden. Ein paar Stunden waren nicht viel. Eine ihrer Hauptwaffen war defekt und dieses Mal würde die Reparatur länger dauern und teurer werden als je zuvor.
Verzweifelt starrte sie auf das reichhaltige Essen, wahre Mengen, die sie dennoch Tag für Tag essen musste
. Die Schüssel war fast dreiviertel voll, aber gerade als sie aufstehen wollte, hörte sie in der Ferne das unverwechselbare Heulen, das eine Botschaft ankündigte.
Der Ruf! Das musste einfach der Ruf sein.
In ihrer Hast stieß sie die Schüssel um und rannte verzweifelt keuchend in den großen Raum, aus dessen Mitte eine arrogante Stimme befehlend sprach.
Es war ein Großmeister! Und er sprach zu ihr! Nun, er sprach nicht wirklich zu ihr. Tatsächlich verkündete die Stimme befehlsgewaltig eine Nachricht, deren Nichtbefolgen – das konnte sie deutlich erkennen – furchtbarste Folgen haben würde.
Aber je länger die Stimme sprach, desto mutloser fühlte sie sich.
Ja, sie sollte an dem großen Kampf teilnehmen. Aber im Schatten ihrer Feindin, deren Gegenstück sie sein sollte. Das Gestern und das Heute. Ihr war völlig klar, wie das ausgehen würde. Und ihren Helfern, deren betretene Blicke sie nicht sehen musste in den gesenkten Gesichtern, war es auch klar.
Glasklar.
Ha! Die bessere davon machte sich nur Sorgen um ihr eigenes Leben, denn wenn sie fiel, war auch ihre Existenz gefährdet. Die andere…
Und alle hatten den demütigenden Befehl vernommen, dass sie – SIE - sich lange vor Beginn des großen Kampfes einzufinden hatte, zusammen mit dem gemeinen Fußvolk, das ihr bis heute nicht mal ein Lächeln wert gewesen war. Aber das Schlimmste hatte die Stimme leicht verächtlich am Ende gesagt: Für ihre maroden Waffen würde gesorgt, es sei alles bedacht worden, sie würde …
Sie konnte kaum atmen vor Scham.
Dann wurde es still und als sie aufblickte war sie allein. Niedergeschlagen packte sie ihre Ausrüstung in den großen Beutel, jene Extraanfertigung voller Hilfsmittel, die sie ein volles Preisgeld gekostet hatte.
Die Sonne stand fast über der großen Eiche.
Sie musste los.
Es war Zeit.
Als die Tür ins Schloss fiel, strich sich die kleinere der beiden Helferinnen ein grellrotes Strähnchen aus dem Gesicht, zupfte die schwarze Lederhose zurecht und meinte höhnisch: „Und? Was hat sie heute wieder alles gefressen?“
Die andere seufzte, schaute kurz in den Nebenraum und erwiderte dann ruhig: „Das Übliche. Mein Gott! Hast du das mitgekriegt? Das ist doch ein erbärmlicher Witz! Bis obenhin verhüllt in Schwarz. Soll sie die vielleicht zu Tode erschrecken
? Jedenfalls ein schöner Kontrast für das kleine Biest. 10 Jahre jünger, noch keine 15, aber ein richtiges As. Dagegen sieht sie uralt aus. Das wird kein Kampf, sondern eine Hinrichtung. Ich sehe es direkt vor mir: Ach, und hol endlich ein paar Tücher und wisch das da auf. Jeden Morgen derselbe Kotzgestank.“
Fashion-Week-Today meldet exklusiv!
Der heutige Auftakt der Pret-a-Porter-Schauen festigte einmal mehr seinen Ruf, die fantasievollsten Kreationen zu zeigen, auch beim Ausblick auf Frühjahr und Sommer. Der neue Schlachtenruf heißt KRISEN-MODE! Das Publikum war besonders von dem neuen Darling, der 15jährigen Russin X im Glimmer-Mini in Pink begeistert.
Während der Schau ereignete sich ein unangenehmer Zwischenfall, als der ehemalige Publikumsliebling Y sich in dem schwarzen 20er-Jahre-Thema-Cape verhedderte und recht unelegant vom Laufsteg fiel und verstarb. Der Meister sprach von einem Zwischenfall
, der die Freude an der gelungenen Schau jedoch kaum trüben könnte.
Später erhobene Vorwürfe einiger Medien, Y sei an extremer Unterernährung, sowie den Auswirkungen dutzender Schönheitsoperationen kläglich eingegangen“ wies der Meister empört von sich: „Bei einer Größe von 186 wog Y 42 Kilo! Ich habe sie aus Respekt mitlaufen lassen, das Cape war praktisch ein Gnadenakt. Die Frau war fett!
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Tag der Veröffentlichung: 29.01.2009
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Widmung:
All denen, die es besser wissen sollten