Für Sabine zum fünzigsten Geburtstag
von Olaf
Punta del Este, 16. März 2008
Liebe Sabine,
Am 16. März spazierten Christiane und ich am schönen Hafen von Punta del Este entlang. Wir beobachteten die Fischerboote, die im Hafen ankamen und wir wollten frischen Fisch kaufen,die von den Frauen der Fischer gleich am Quai ausgenommen und zum Verkauf angeboten wurden.
Ich erzählte Christiane, dass zwei Tage zuvor Paul und Sabine in der Nacht ausgeraubt wurden. In ihrer ersten Nacht in dem gemieteten Haus in Punta del Este während sie schliefen sind Räuber in das Haus eingedrungen und haben die Taschen und Rucksäcke, die im Wohnzimmer lagen, mitgenommen. Dabei waren die Pässe, Anoraks, sogar die Laptops,
Bargeld und Karins Erbschaft verschwunden. (Nein, glücklicherweise war Karins Urne nicht dabei. Sie kam ein paar Tage später per Sonderpost).
Am nächsten Morgen war der Schock groß und die gute Urlaubstimmung vergangen. Was tun? Sabine ging heraus in den Garten und erblickte im Nachbarsgarten den Gärtner, der sich angelehnt an seinem Gartenbesen ausruhte. -Der Mörder ist immer der Gärtner-, dachte sie - und wie der so steht, angelehnt an seinem Gartenrechen, plant er schon den nächsten Coup-. Schnurstracks schreitete sie zu ihm, - Wir wurden in der Nacht ausgeraubt!-, rief sie.- Beruhigen sie sich, señora. In diesem Haus,
wird ständig eingebrochen, vor allem wenn Ausländer das Haus mieten-.
Sie untersuchten gemeinsam die Gegend und plötzlich in einem anderen Nachbarsgarten fanden sie auf dem Boden achtlos geworfen die Laptops, die Pässe und Kreditkarten, sowie die teueren Anoraks. Sabine war so glücklich, dass ihr böser Verdacht bezüglich des Gärtners sich in Luft auflöste und sie ihn spontan umarmte und sogar küsste. So ändern sich die menschlichen Stimmungen wie das Wetter. Der Gärtner sehr überrascht rief den anderen Gärtnern, die die ganze Handlung mit gelangweiltenIdiotenmienen beobachteten, begeistert zu -Hermanos, la alemana me besó, Brüder, die Deutsche hat mich geküsst!-
-Jetzt allemann zum Strand, um uns abzureagieren, dannach sehen wir weiter!-, ruft sie ihrer Familie zu, als sie mit ihrem Fund aber ohne den Gärtner, nach Hause zurückkommt. -Danach muss ich ein Wörtchen mit inspector Barbosa im Polizeirevier reden, auch wenn ich ihn aus seiner goldenen Siesta wecken muss. Den kenne ich nämlich gut, den mesieur l'inspecteur, vom letzten mal, bin ich sogar per du mit ihm-, erklärt sie beim Gang zum Strand.
Sie schwimmt ausgiebig in den Wellen und als sie aus dem Wasser kommt, nährt sich der salvavidas,der Strandbademeister, und sagt -Señora, ich bewundere sie, dass Sie in Ihrem Alter so mutig und elegant wie eine Robbe zwischen den Wellen schwimmen, aber unterschätzen Sie nicht die Strömung-. Sabine schluckt erstmal. -Was maßt sich der Typ an, mich auf mein Alter anzusprechen. Und überhaupt, der Vergleich mit der Robbe, da bin ich nicht ganz sicher, ob so was dem blöden salvavidas zusteht-. Ein paar Sekunden verharrt Sabine im tiefen Nachsinnen, und plötzlich ändern sich ihre Ansichten und neue Gedanken entstehen. -Schauen wir uns doch mal die Faktenan-, denkt sie -da kommt ein knackiger uruguayischer salvavidas und bewundert mich, und das auch in meinem Alter, und betreffend der Bemerkung mit der Robbe: tatsächlich sind die Robben sehr elegant, wenn sie in ihrem Medium, im Meer, tauchen und schwimmen-. So gelang sie also zu einer positiven Haltung, denn die Wirklichkeit hängt hauptsächlich von der Brille mit der wir sie betrachten, von unserer Interpretation ab.
-So ein schöner Tag hier in Punta del Este- ruft sie.-Und was ist das bisschen Bargeld, das abhanden gekommen ist, das bisschen Papier, wenn die Sonne scheint, so wie jetzt, der Körper gesund, und der Geist glücklich ist!- Natürlich weiss ich nicht, ob wirklich diese Gedanken Sabienes Gedanken waren. Das kannst nur Du wissen, Sabine.
Das alles erzählte ich Christiane bei unserem Gang zum Fischkauf. -Aber, was ich dir sagen wollte, Christiane, ist, dass Sabine am 3. Mai in München ihren fünfzigsten Geburtstag feiert, und zwar ganz, ganz groß.- -Aha-, sagt Christiane, tracken norddeutsch. -Das heisst Konkret für uns, dass wir mit einem Beitrag dran sind!-, sage ich -Was heisst denn hier wir sind dran! Du bist dran!-, sagt Christiane. -Gut, ich bin dran, aber mir fällt nichts ein, ich weiss nicht wie ich eine Rede für sie anfangen soll, ausserdem bin ich unsicher was ich sagen kann und was nicht. Sie ist, wo sie jetzt fünfzig wird, an den unerwartesten Stellen extrem pingelich und empfindlich geworden.Also,Christiane, kannst du mir jetzt bitte einen ganz normalen Satz sagen, wie ich eine Rede für Sabine anfangen soll?-, -Nein, das wird dir schon selber einfallen!-,
sagt sie. Ich gebe mich mit dieser Absage nicht zufrieden, -Aber sonst verteils du gerne und unaufgefordert rechts und links deine Ratschläge, bist sogar vom Berufswegen als Beratungslehrerin sozusagen dazu verpflichtet. Jetzt bitte ich dich darum, und du willst nicht!-, -Fang einfach mit 'Liebe Sabine' an!,sagt Christiane, -Sehr witzig-, sage ich -Es kann nicht sein, dass einer hochgebildeten Beratungslehrerin, wie du es bist, nichts einfällt, und du weisst doch: mir fällt zur Zeit schwer was ein,- sagte
ich, um den Druck etwas zu erhöhen, aber vergeblich -Versteck dich jetzt nicht hinter dem Schlaganfall. Wenn du mich fragst...-, -Ich frage dich aber nicht!-, - Wenn du mich fragst sind das reine Alterserscheinungen. Meditiere ein bisschen über die Sabine und es wird dir bestimmt schon was einfallen. Und jetzt kauf endlich 1 Kilo Fisch ein, denn Luz, unsere Köchin, wartet schon darauf-, -Hmm, Sabine als Meditationsobjekt, kein
schlechtes Objekt-, überlege ich, und dann sage ich unvermittelt zu der Fischersfrau - 1 kilo Sabine, bitte-, -Nein, señor, wir haben heute nur brótola gefischt!-.
Nach dem Einkauf spazieren wir beide etwas mürrisch nach Hause an der schönen, sonnigen Promenade und Christiane sagt plötzlich, -Mein Gott, als ob wir keine weiteren Probleme hätten. Lass einfach los! Du bist doch Buddhist und wir sind im Urlaub, im schlimmsten Fall schreibst du gar nichts, das wird keiner merken und Sabine ist wahrscheinlich sogar erleichtert, denn wer weiss, was für Unannehmlichkeiten dir einfallen. Und wird bitte jetzt nicht zu kompliziert, denn so macht es keinen Spass mit dir Fisch einzukaufen!-. -ok-, sage ich abschließend, -Lassen wir erstmal dieses Problem beiseite, und üben wir uns im Schweigen bis wir zu Hause ankommen.-, -So ein Quatsch!, ruft Christiane.
Wir laufen schweigend weiter, und endlich die ersehnte Eingebung -Eureka, ich hab's!-, rufe ich begeister, -Dein Schweigen hat aber nicht gerade lange gehalten!-, sagt Christiane, -Danke, Christiane, jetzt weiss ich wie ich die Rede für Sabine anfange, und dazu brauche ich nichts neues zu erfinden, es ist ja schon alles da. Ich erzähle einfach dieses Gespräch!-. Sie, aber, war überhaupt nicht begeistert -Kannst du nicht dein Zeug alleine machen und mich einfach aus dem Spiel lassen!-.
Als wir nach Hause kommen, setze ich mich auf dem schönen Balkon mit Blick zum Meer und während ich auf den Fisch mit Zwiebeln und Knoblauch warte, schreibe ich diese Zeilen. Ja, aller Anfang ist schwer, aber jetzt habe ich schon mal zwei Seiten! So, und jetzt meditiere ich über Sabine, wie mir meine werte Gattin empfholen hatte.
Wenn ich an Sabine denke, denke ich erstmal an die Unterstützung, die sie und mein Bruder Paul mir während meiner Krankheit gegeben haben.
Sie kamen eine Zeitlang fast täglich ins Krankenhaus, was mich freute, denn sie kamen mit vielen Ideen und Erzählungen aus der gesunden Welt,
und oft mit kleinen Geschenken, die genau passend zu meiner Situation waren. Beispielsweise schenkte Sabine mir einmal eine Mütze, die ich
nicht besonders beachtete. Aber ein paar Tage später, als meine Haare zu sehr ausfielen, und die Krankenschwester darüber etwas sauer waren,
entschied ich mich zum Friseur am Max Weber Platz zu gehen, um mein Kopf zu rasieren. Als ich aus dem Friseurladen kam war es eiskalt, vor
allem meine neue Glatze fror. Ich stecke die Hände in die Hosentasche und was finde ich da? Sabines warme und praktische Mütze. Ich schmuntzelte und zog sie an.
Auch das Buch von Hape Kerkeling 'Ich bin dann mal weg' brachte sie mir im richtigen Moment. Ich las es begeistert und einige Monate später, als ich in besserer Verfassung war, packte ich meinen Rucksack
und Schlafsack, sagte auch 'ich bin dann mal weg' und fuhr mit dem Nachtzug über Paris nach Saint Jean Pied de Port an den Pyrinnäen.
Das ist eine Gabe der Sabine, die ich heute zur Feier des Tages, aufzählen will, die Gabe passend und großzügig zu schenken.
Um gut schenken zu können, muss man allerdings auch das Einkaufen lieben, man muß eine gewisse Leidenschaft dafür entwickeln und dazu ein geschultes Auge für gute Angebote haben. Das hat Sabine, aber hallo! Diese Leidenschaft ist aber nicht ganz ungefährlich. Einmal, als sie auf dem Mittleren Ring fuhr, sah sie den Baum nicht, der ihr geschwind entgegenkam, so gefesselt war sie von einem Plakat mit einemunschlagbaren Angebot.
Ich selber habe auch neulich so einen Anfall bei der Sabine an dem Tag miterlebt, als sie und ihrer Familie nach einer strapaziösen Reise von München nach Montevideo über Madrid und dann nach Punta del Este kamen. Wir waren wir kurz am Strand und fuhren dann in das gemietete Haus am Meer. Alle waren erschöpft und wollten sich nun endlich ins Bett legen -Stopp! ruft Sabine plötzlich, -Was ist denn?-, fragt Paul, - Ich habe eine nette Boutique an der Gorlero Straße gesehen-, -Ja, und?-, -Vielleicht kann ich was schönes im Puntas Sommerschlußverkauf einkaufen-. -Nein, wir sind seit mehr als 30 Stunden auf den Beinen, wir sind gerade angekommen und erschöpft. Jetzt wird nichts eingekauft!-. - Paulchen, ich habe so viel für dich getan, du könntest jetzt halten und mich einfach rauslassen!-, -Nein!-, schreien Paul, Max und Nicki gleichzeitig. -Na gut, wenn wir zu Hause ankomme, rufe ich ein Taxi, das mich abholt und wieder hierher in die Gorlero bringt!-.
Was Sabine auch gerne verschenkt sind ihre Meinungen und Ratschläge, die immer eindeutig sind. Freilich, der Empfänger muss sie aber auch verkraften können.
Ich erinnere mich noch gut an einen Sonntag, an dem Sabine am späten Nachmittag ins Krankenhaus kam. Vor ihr kamen andere Freunde zu Besuch. Der eine kam mit einer Liste von berühmten Ärzten und Kliniken in Deutschland und in Amerika. Ich sollte mir zweite und dritte Meinungen holen, es ist immer gut zweite Meinungen zu hören, es kann ja nicht schaden. Ein anderer war ein Fan von der Jungfrau von Lourdes, wo ich barfuß pilgern sollte. Es kann ja nicht schaden, und das Barfußpilgern
brauche ich nicht zu eng zu sehen, es reiche auch, wenn ich nur die letzten 10 Meter barfuß gehe. Ein dritter Freund hatte von einem berühmten Heilpraktiker gehört, der Hände auflegt und so heilt. Nur, dieses Ritual soll bei Vollmond und in der Nähe des Grabes von Tutanchamuns stattfinden, wo eine besondere Energie herrscht. -Und wo ist das?, frage ich -Bei Luxor, in dem berühmten Tal der Toten-. -Da bin ich schon auf dem besten Weg dorhin-, -Lass deine Witze beiseite, und schon morgen Montag schickst du jemand ins Ägypitschen Konsulat,um die Visa-Formalitäten rechtzeitig zu regeln, denn der Andrang und der Bedarf nach Heilung sind groß in dieser Welt-.
Als Sabine kam, war ich etwas genervt, was sie gleich merkte, so dass sie sich neuer Vorschläge enthielt. Sie fragte nur wie es weiter geht, ich sagte ich wisse es nicht. -Nein, das geht nicht!-, sagt sie. Ich solle sofort den Chefarzt hertrommeln. Die Ärzte müsse man fordern, sie seien schließlich auch Menschen und legen sich auch mal gerne auf die faule Haut. Der Chefarzt solle uns klipp und klar den Behandlungsplan
vorstellen und einen ganz genauen Weg aufzeichnen.
Da fiel mir ein schönesGedicht von Antonio Machado ein 'caminante no hay camino sino estelas en la mar, caminante no hay camino, se hacecamino al andar, paso a paso, golpe a golpe, verso a verso', Ja, so ist es manchmal dachte ich 'Wanderer, es gibt keinen Weg, der Weg entsteht beim Wandern, Schritt für Schritt, Schlag für Schlag, Vers für Vers,' und Tropf' für Tropf' fügte ich hinzu, und schaute dabei die Tropfen im Infusionsschlauch ihren Weg in meinen Körper wandern.
Aber eine wirklich bewundernswerte Gabe von Sabine ist, genau da zu sein, wenn sie gebraucht wird. Es ist mir mehrmals passiert, dass sie plötzlich aus dem Nichts erschien, als ich sie brauchte. Ein paar
Tage nach meiner Operation, besipielsweise , war mein Zimmer überbelegt und kurzzeitig warteten Kranke im Gang des Krankenhauses auf ein Bett. In meinem 4 Bettzimmer waren wir zu fünft, noch dazu war ein Opa dabei, der kontinuierlich in lauter Stimme aufgeregt lamentierte, und seine Frau, eine vornehme Dame, die neben ihm saß, wiedrholte ständig den gleichen Satz -Beruhige dich, Hans-Peter!-. Irgendwann kam ein Arzt und fragte mich, ob ich nach Hause gehen wollte. Natürlich! Ich war so froh aus der Enge des Krankenhauses zu entkommen, dass ich zustimmte und in null komma nichts packten die
Schwester meine Sachen und ich saß mit meinem Zeug auf dem Gang. Ich wußte aber nicht, wie ich nach Hause kommen sollte, denn ich war zu
schwach, um alleine zum Taxistand zu gehen und hatte auch kein Geld dabei. Plötzlich schaue ich hoch und Sabine steht vor mir -Bist du Geist oder Mensch?-, frage ich -Ich bin die leibhaftige Sabine!
Wahrscheinlich wirkt die Narkose noch. Meine Freundin, die Kranken-schwester ist, hat mich schon vorgewarnt, dass du vielleicht noch nicht ganz dicht bist, aber keine Sorge, das wird schon. Also, jetzt fahren wir nach Hause!-
Ich möchte jetzt keine weiteren Gaben der Sabine aufzeichnen, die spare ich mir für's nächste Laudatio.
Ich bin froh, heute wieder gesund hier zu stehen und möchte abschließend die Glegenheit nutzen, um mich für Deine und auch Pauls Unterstützung während meiner Krankheit zu bedanken. Ich wünsche Dir, Sabine, alles Gute für Deine zweite Lebenshälfte.
Olaf Alejandro
Tag der Veröffentlichung: 20.09.2008
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