495
Traum eines Kindes
Prolog
495 Ja so werd ich genannt und ich bin jetzt ungefähr 13 Jahre alt. Sie sagen ich bin die 495. und sei deshalb hier. In einer Höhle wo ich jeden Tag Gestein rausschlagen darf. Eine Mahlzeit am Tag und wenig zum trinken. Ja dies ist mein leben als vierhundertfünfundneunzigste.
Meine Mutter hat mir von der Welt draußen erzählt. Vögel zwitschern, eine große Kugel, ich glaube sie nannte sie Sonne, erwärmt den Boden. Ich weiß noch wie sie mir immer gewünscht hat, dass ich einmal da hinausgehen könne.
Nun ist sie leider verendet, woran, dass weiß ich bis heute nicht. Sie sagte einmal wenn wir raus kämen, würde sie mir sagen wie ich heißen solle.
Ich solle nie den Mut verlieren.
Der erste Tag
Ich streckte mich ausgiebig und rieb mir über meinen leicht krummen Rücken. Verwirrt schaute ich mich im Raum um. Wo waren denn alle hin?
Normalerweise wurden wir alle durch einen schrillen Ton geweckt und mussten sofort an die Arbeit. Ich schlich durch die Gänge der Höhle und wich gekonnt der Pfütze aus, durch die ich Anfangs immer durchgelaufen bin.
Unsere Höhle wurde Jahr zu Jahr feuchter, hoffentlich passiert nichts Schlimmes.
Ich schaute in mehreren Löchern rein, doch niemand war zu Hause.
Nicht das schon alle an der Arbeit sind. Das hieße ich müsste bestraft werden für meine Ungehorsamkeit. Panik stieg in mir auf und ich rannte schnell los, schnappte mir eine Spitzhacke und rannte zu meinem Stollen.
Ich war erleichtert das niemand an der Arbeit war, sonst hätte ich höchstwahrscheinlich 3Tage nichts zum Essen bekommen und ich hatte schon gestern nichts bekommen, aber wo steckten alle?
Ich lief durch mehrere Gänge. Einige waren schon so niedrig, dass ich kriechen musste, doch nirgends fand ich jemanden. Da bemerkte ich etwas.
Hat sich grad die Luft um mich bewegt?
Das musst ich mir eingebildet haben, hier ist doch niemand der an mir vorbei gegangen ist.
Ich wollte grad wieder zurückgehen, da bemerkte ich es schon wieder. Was ist hier bloß los?
Ich ging noch ein Stück weiter, doch dann konnte ich plötzlich nichts mehr sehen.
Ich blinzelte es wurde ein klein wenig besser, trotzdem, es war viel zu hell. Hatten die Menschen hier ein Feuer gelegt? Aber es ist nicht warm.
Fast blind ging ich weiter und prompt schlug ich mit meinem Knie gegen einen Stein.
Anscheinend ging es hier Bergauf. Ich rieb mir noch mal schnell über mein Knie und tastete mich vorsichtig voran.
Oben angekommen ertastete ich etwas Weiches. Was ist das?
Jetzt fingen meine Augen langsam an zu tränen. Wo bin ich hier gelandet?
Ich versuchte es durch blinzeln weg zu bekommen, doch es klappte nicht. Es war einfach zu hell.
Ich legte mich auf den Bauch und versuchte mit meinen Händen, meine Augen vor dem Licht zu schützen. Was ich dann unter meinen Händen sah überraschte mich sehr. Es war Gras, zumindest glaubt ich das. Es sah so aus, wie meine Mum es mir früher beschrieben hatte.
Doch nie hat sie mir erzählt, wie schmerzvoll es ist hier zu schauen.
Ich blieb eine Weile so liegen bis ich es wirklich realisiert hatte. Ich war frei, frei von Arbeit, ich war dort wo ich sein sollte, draußen.
Ich stand auf und hielt meine Hand über meine Augen. Es war die Hand wo für immer meine Zahl stand, in meiner Handfläche unter meinem Daumen. 495.
Ich seufzte, wenn nur meine Mutter jetzt hier wäre. Sie würde sich sicher freuen.
Jetzt blieb nur noch eine Frage offen, wo sollte ich jetzt hin?
„Hey!“
Ich zuckte verschreckt zusammen. Wer war das?
„Äh..“
„Warum siehst du so anders aus?“
„Was meinst du, ich sehe doch aus wie jeder andere.“
„Nein du stehst gebückt, deine Haare sind nicht gekämmt und du trägst Lumpen als Kleidung.“
„Sag ich doch, wie jeder andere.“
Er kam näher und langsam erkannt ich etwas, wenn diese Helligkeit nur nicht so stark wäre.
„Wieso hältst du dir die Hand über die Augen?“
„Es blendet alles.“
„Willst du dir meine Sonnenbrille ausleihen?“
„Äh.. Entschuldige, was ist eine Sonnenbrille?
„Das weist du nicht?“ Er klang schockiert ob er auch so aussah?
Warum ist er denn so schockiert?
„Was ist denn, ich bin nun mal nicht allwissend.“
„Warte ich setz sie dir auf, nicht erschrecken.“
Er bewegte sich auf mich zu und setzte mir irgendwas auf die Nase.
„Ist es jetzt besser?“, fragte er sanft.
Ich blinzelte noch einmal und konnte ihm jetzt direkt in das Gesicht schauen. Er hatte blaue Augen und ein rundliches Gesicht. Sein Gesicht wirkte freundlich und seine Haare waren dunkel blond und lang.
„Ja schon viel besser, danke.“
„Und wie heißt du?“
„Ich bin 495 und du?“
Er schaute beleidigt. Wieso schaute er denn jetzt beleidigt?
„Haha verarschen kann ich mich auch selber. Wenn du mir deinen Namen nicht sagen willst, dann sag das doch gleich.“
„Nein ich heiße wirklich so, warum denn auch nicht?“
Darauf hatte er erwidert: „Weil niemand nach einer Zahl benannt wird.“
„Dort wo ich herkomme werden alle nach Zahlen benannt.“
Er wirkte nicht wirklich überzeugt und meinte: „Und woher kommst du?“
Oh man, so wie er bis jetzt immer reagiert hat, wird er mir wohl nicht glauben, dass ich aus einer Höhle komme.
„Das wirst du mir sowieso nicht glauben“, meinte ich deshalb nur und zog Kreise mit meinem rechten Fuß.
„Doch erzähl schon.“
„Naja ich komm von einer Höhle, gleich hier.“ Und deutete mit meiner Hand nach hinten.
Er schaute mich ungläubig an und sagte: „Na dann zeig mir den Eingang.“
Ich ging dorthin wo ich meinte vorhin hergekommen zu sein, doch weit und breit war nichts, nur Wiese.
„Ich.. Er ist nicht mehr da.“
„Nun gut wenn du mich zum Affen machen willst, dann nenn ich dich halt ab jetzt Jen einverstanden?“
Ich dachte darüber nach Jen. Ein Wort das aus drei Buchstaben bestand wie meine Zahl aus drei Ziffern besteht.
„Ja ich glaub das ist in Ordnung. Wie ist denn dein Name?“
„Ich“, er grinste Frech, „bin Frederico“
„Hast du Lust bei meiner Familie heute zu essen?“, fragte er und fügte noch hinzu: „Da deine Höhle ja verschwunden ist.“
Essen? Jetzt? Ich würde dafür wirklich töten.
„JA!“, ich schluckte kurz, „Ich meine gerne.“
Er lächelte. „Na dann komm“
Das erste Mal Spaghetti
Auf dem ganzen Weg habe ich mich so sehr auf das Essen gefreut. Ich fand es merkwürdig, diese großen Gebäude. Ende
Frederico hat gesagt, dass wären Häuser und darin leben Menschen. Ich glaube er dachte, dass ich ihn reinlegen wollte, als ich ihn fragte was diese „Häuser“ seien.
Seine Mutter grüßte mich herzlich, aber sie musterte mich komisch.
„Komm mal mit. Du armes Kind, was für Kleidung musst du bloß tragen?“
Sie führte mich eine Treppe hoch. Es war für mich ungewohnt in so einer Umgebung, ohne Steine.
Sie brachte mich in einen Raum.
Es ist schon komisch in einem Raum mit richtigen Ecken zu stehen und das noch ebenmäßig ist. Außerdem war alles gleich hoch.
Sie holte ein Material aus einem Gegenstand, dass ich noch nie gesehen hatte. Ich machte große Augen. Was ist das? Meine Frage musste man mir wohl angesehen haben, denn sie sagte: „Dies, meine Liebe, ist ein Kleid aus Seide. Das dunkle Lila wird dir sicher stehen. Du hast wirklich schöne braune Augen, hat dir das schon mal jemand gesagt?“
Ich schüttelte nur den Kopf und fragte: „Darf ich das wirklich anziehen?“
Sie lächelte mich nur an und gab es mir. „Ich mach noch schnell das Essen fertig.“ Mit den Worten ging sie und ließ mich allein mit dem wunderbaren Kleid.
Ob meine Mutter früher auch solche Kleider getragen hat?
Als ich mich umgezogen hatte, lief mir schon die Sabber im Mund zusammen.
Es roch so lecker, noch nie hab ich so was Ähnliches riechen dürfen.
Ich stürmte fast die Treppe runter den Geruch folgend und habe leider nicht mit bekommen, dass Frederico vor der Tür stand. Natürlich bin ich direkt in ihn rein gerannt.
„Äh.. Entschuldigung“
Er grinste und meinte nur: „Da ist wohl jemand sehr hungrig.“
Ich lächelte schwach: „Ein wenig.“
Als ich den Raum betrat war ich geschockt. Was ist das bloß alles?
Ich sah, dass Fredericos Mutter warmes Essen gemacht hat und es auf einen Tisch stellte.
Ich wusste nicht was ich tun sollte, da sagte Frederico: „Komm setz dich neben mich.“ Dabei zeigte er auf einen Gegenstand neben sich. Ich setzte mich.
„Mum kannst du mir mal die Gabel geben?“ Nachdem er das ausgesprochen hatte, zwinkerte er mir zu.
Mit der „Gabel“ aß er.
Ich probierte es und schlang es sofort runter und verbrannte mir sofort den Mund. Ich Tollpatsch. Oh verdammt, ich glaub ich hab etwas von dem roten Zeug auf das Kleid gekleckert. Ok, ich darf mir jetzt nichts Anmerken lassen, deshalb fragte ich drauf los. „Wie heißt das Essen das Sie gekocht haben?“
Nun schaute mich die Mutter mit dem gleichen Blick an wie Frederico zu vor schon paar Mal. Nur diesmal schwang auch Besorgnis mit drin.
„Dies, mein Süße, sind Spaghetti mit Bolognese und es ist nicht schlimm das du gekleckert hast. Du musst ja verdammt hungrig sein. Wann hast du denn zuletzt was gegessen?“
„Naja… also ich hab vor 2 Tagen was gegessen.“
Jetzt schaute sie noch besorgter und Frederico musterte mich noch mal.
„Sag mal Liebes wo sind denn deine Eltern?“
Ich schaute kurz weg und antwortete dann langsam: „Meine Mutter ist verstorben vor ungefähr 1-2 Jahren und meinen Vater hab ich nie kennengelernt.“
„Sag bloß und wo lebst du dann jetzt?“
„Eigentlich nirgendwo.“ Betrübt schaute ich durch die Gegend. Hier sah es wirklich besser aus als in meiner muffigen Höhle, wo ich Tag für Tag arbeiten muss.
„Na dann bleibst du erst mal bei uns, dass ist ja schon mal klar.“
Frederico und ich schauten sie beide gleichzeitig verwundert und dann fröhlich an.
„Wirklich?“, fragte ich sicher halber nach.
Ich glaube momentan kann man sagen, dass ich eins der glücklichsten Menschen der Welt bin. Ich strahlte sie regelrecht an und dann umarmte ich sie. „Danke, danke danke…“
Vor Freude flossen mir bereits die Tränen.
„Aber, aber beruhig dich Kleines.“
Sie streichelte mir den Kopf und dann viel ich Frederico um den Hals.
„Frederico ich kann hier bleiben.“ Ich lachte schon vor Glück.
Er erwiderte meine Umarmung und kam mir immer näher. Ich sah ihm verträumt in das Gesicht und dann hörte ich es. Das schrille Geräusch. Ich musste los, weg von hier. Ob ich es nun wollte oder nicht.
Ich schaute ihm das letzte Mal noch ins Gesicht bevor ich von Frederico und seiner barmherzigen Mutter entrissen wurde.
Zurück in der Realität.
Ja dies war nicht das leben das mir vergönnt war, aber wer weiß vielleicht irgendwann ja schon.
Nun ich arbeite weiter und hoffe so wie es meine Mutter tat.
Vielleicht werd ich ja eines Tages doch noch geblendet.
Tag der Veröffentlichung: 03.06.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Nicht jeder hat das Leben, das er verdient.