... will und kann wahlweise oder nacheinander oder gleichzeitig:
Die Winterreise (Schubert)
O`Melly´s Bar (Nick Cave And The Bad Seeds)
The Big Dream (David Lynch)
Lascia ch´io pianga (Händl)
Liebesleid (Kreisler)
oder Is God dead (Black Sabbath)
...als Soundtrack zu diesem kurzen Buch verwenden.
Das Klagen einer Stradivari. Der dunkle Regen der Winterreise. Doom-Metal im Blut wie schwarzes Hämoglobin. Eine Exposition.
Ein Mann geht eine lichtlose Straße hinab. Seine Anzugsjacke ist blau, sein Zylinder pink.
Neben ihm flaniert eine Frau. Sie sieht besser aus als die Polizei erlaubt. Sie gehören zusammen, sie und er. Unübersehbar ist das. Keine Komplikation.
Aus einem Auto läuft Benzin raus, der Tank leckt. Es regnet nicht.
„Benzin!“, schreit jemand.
„Keine Kippen fallenlassen!“, sagt der Mann im pinken Anzug betont vernünftig.
Wegen seines Aufzugs nimmt ihn niemand ernst, aber Zigaretten schmeißt trotzdem keiner.
Eine Mutter streitet mit ihrer Tochter. Sie reden und schreien, aber sie sind taub. Sie schlägt sie. Sie schlägt sie zurück. Ihr Mann reißt die Zimmertür auf und brüllt und donnert die Tür wieder zu, dass die Wand wackelt, und die Frauen sind still. Eine Retardation.
Einer kommt, einer von Bedeutung, und er scheucht die Leute weg, sorgt für eine Absperrung, und die Leute gehen über Umwege weiter. Keine Katastrophe. Eine Parabel. Binnenparabel?
Das Gespräch ist aus und das Geschrei setzt ein. Die Luft bewegt sich wie zuvor, doch es wird nicht mehr kommuniziert.
Ein Dritter, ein junger Mann, kommt ins Zimmer.
„Hilflos!“, brüllt er. „So fühle ich mich! Taube Arschlöcher!“
„Fick dich.“
„Lass uns das ausmachen, unter uns. Du Hurensohn.“
Der junge Mann geht.
„Ich bin total geladen“, sagt er zu sich, als würde er Rotz hochziehen, „wenn ich runterkomme und er noch an ihr rumfummelt, dann... bin ich nicht auch ganz hübsch?“
„Hast du sie endlich zum Schweigen gebracht?“, brüllt ihn der Alte an, als der Junge ins Zimmer kommt. „Bring die da oben zum Schweigen. Sonst gibt’s ein verdammtes Donnerwetter!“
„Für wen?“, fragt der Junge.
„Mach, was ich sage!“
„Hört ihr das?“, fragt der Junge mit verträumtem Gesicht. „Eine Stimme. Sie spricht. Sie singt: I´m tall am I am thin...“*
„Geh endlich, Mistkerl, oder soll ich...?“
Der junge Mann geht.
Der Alte wendet sich der Jungen zu.
„Du bist das schönste Mädchen“, flüstert er ihr ins junge, weiße Ohr und streichelt die jungen Titten, „das schönste Mädchen, das ich diesen Monat hatte.“
Sie kichert und führt seine Hand zwischen ihre Beine.
Er legt ihre Titten frei und vergräbt den kahlen Hinterkopf darin.
„Schließ die Augen...“, bittet sie ihn.
Er schließt die Augen und öffnet sie nie wieder, denn ein Baseballschläger zertrümmert ihm den Kopf.
Das Mädchen macht große Augen und hält ihre Titten fest wie einen Schatz.
„Donnerwetter“, sagt sie.
Ein schnaufender, erhitzter junger Mann steht vor ihr.
Die Spelunke ist voller bösartig aussehender Leute, Huren und Zigarrenrauch. Im Hintergrund spielt eine miese Band.
Draußen gewittert es.
„Ist das so?“, fragt der Dicke mit der Waffe und den zwei Mädchen rechts und links.
Der Untersetzte nickt.
„So ist das also.“
Der Untersetzte nickt nicht noch einmal.
„Töte ihn.“
Der Untersetzte erhebt sich.
„Warte“, sagt der Dicke, „nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist das. Kennst du das?“
„Was?“
„Die Redensart. Vom heißen Stein.“
„Ja.“
„Was sollte man besser mit dem Scheißstein machen? Anstatt einen Tropfen draufzumachen?“
„Was?“
„Draufpissen.“
„Verstehe.“
„Es braucht jede Menge Pisse. Es braucht Ströme von Blut. Blutregen, ein Gewitter mit Blutregen.“
„Verstehe.“
„Wirklich?“
„Ja.“
„Dann lass es Blut regnen.“
„Es regnet Blut.“**
Der Untersetzte geht.
„Zähl einmal bis fünf“, bittet der Alte das Mädchen, das neben ihm sitzt.
„Eins, zwei, drei, vier, fünf“, zählt sie.
„Falsch.“
„Was?“
„Es geht so: Eins, drei, fünf. Fertig.“
„Wirklich?“
Der Alte küsst seine Waffe auf den Lauf, hält ihn dem Mädchen hin.
„Ja. Küsse sie.“
Sie kneift die Augen zusammen, verkrampft sich, küsst.
Der Alte lacht.
„Hast du Angst? Du hast Angst. Brauchst keine Angst zu haben. Erledige einfach den Job.“
Sie gehen in die Wohnung über der Bar.
Das andere Mädchen bleibt zurück.
„Wo steckt nur der Junge...“, murmelt der Alte, „die verdammten Frauen schreien den ganzen Tag, man bekommt richtige Kopfschmerzen! Er soll ihnen die hässlichen Fressen stopfen!“
Sie sitzen auf dem Sofa.
„Junge?“, brüllt der Alte. „Auf der Stelle hierher!“
Der Junge kommt.
„Eine Hölle“, sagt er, „Rausch oder Auamachen. Ficken oder unerträgliches Dasein. Heroin oder Weltschmerz. Ein feuchtes Loch mit Saft oder Seelenfrost. Porno oder Welt als Wille und Vorstellung. Eine Hölle.“
Sie findet den Mann einen seltsamen Vogel, aber cool. Allein sein Zylinder, die Farbe, und der seltsame Anzug, aber seine Hände sind schön und seine Haut, und er hat eine wahnsinnig tiefe, sinnliche Stimme, und für einen Mann redet er sehr umsichtig, auch wenn es nichts als schräges Zeug ist.
„Bei mir oder bei dir?“
„Bei allen Menschen ist Hölle!“
Sie kichert.
„Du weißt, was ich meine...“
„Gehen wir zu mir.“
„Warum eigentlich der Zylinder?“, fragt sie im Gehen.
„Der Teufel trägt Prada.“
„Wie?“
„Hör auf, so viel zu quasseln... ich brauche jetzt eine Flasche Rotwein und dann dich.“
„Hört sich gut an.“
Er lächelt und spürt das Blut pulsieren, und dabei denkt er, dass auf der ganzen Welt keiner mehr eine Vorstellung hat, und dass es eh doof ist, da kann man auch auf die emotionale Ebene verzichten.
*
Liedzeile aus:
"O'Malley's Bar", Nick Cave And The Bad Seeds.
**
Vergleiche: „Spielmannsfluch“, In Extremo.
Tag der Veröffentlichung: 11.06.2014
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Der Verfasser besitzt keinerlei Rechte an irgendwelchen der genannten Musikstücke.