Ich bin derzeit neugeboren. Für den einen fängt das Leben mit achtzehn, mit dem Führerschein, für den anderen mit dreißig und der plötzlich eingetroffenen ,,Weisheit" an - für mich ist es jetzt.
Ex flammis - ein tagtäglich neu erstehender und sterbender Phönix, er ist widderköpfig und reißt die Wand eher mit den Schädel ein als die Tür zu finden. Das Sprechen, in dem er gescheitert ist, hat er aufgeben, und nun will er singen, ein Orpheus vor den Türen grauer Herren; laut will er sein göttliches, vielleicht etwas schiefes und krummes und dissonantes, aber klares, überaus klares Lied ertönen lassen - und er tut es.
Arbeit? Meditation? Liebe? Alles eins! Lieben heißt Schaffen und Schaffen heißt Lieben: In beiden Fällen werden Gegensätze vereint und Leben geht daraus hervor! Schreiben und singen, lieben! Seht nun die geborene Welt der zehntausend Dinge!
Es ist, und es ist in mir.
Es ist ein Etwas, weniger ein bloßes Dasein als ein Wille, ein Wollen, ein Freiwerdenwollen, ein Freiseinwollen, und weniger ein Sprechenwollen als ein Singenwollen. Singen, oh ja, ein Orpheus, der dunklen Herren auf schwarzen Thronen sein Lied der Göttin der Liebe ertönen lässt; ein Orpheus des Nordens, ein Tannhäuser will es sein, ein Tannhäuser der kalten Stahl- und Betonwelt, die sich „modern“ schimpft; ein Tannhäuser, der vor jene in ihrer verfälschten Moral gewandet dastehenden anderen Sänger tritt, mit denen er nach freudiger Begrüßung in freundschaftlichem Krieg steht, und er muss singen, mehr als nur singen, Lieder, die einem Herzen entstammen, das das übersinnliche Glück des Venusbergs von innen gesehen hat, oder wenigstens gleichwertig, „äquivalent“dazu.
Aber was muss gesungen werden? Es darf nicht mehr auf die Worte hören, muss sie um der Melodie willen vergessen, denn die Worte sind keine Melodie, aber eine Melodie trägt die Worte, wenn sie groß sind, und es lässt sich noch wachsen, bis die Welt vor einem einzigen dieser Worte erzittert, die Welt eines der seltenen Wesen mit verschlossenem Mund, offenem Ohr und – noch wichtiger – offenem Herzen. Die göttlichste Befreiung liegt in solchem Singen. Dieses Singen ist, wozu ich hier bin, und das Etwas ist nichts als eine Einbildung, ein Gedankenauswurf.
Seht doch aus dem Fenster und erkennt die Menschen, den grauen Himmel, die rauchenden Fabriken, die grauhaarigen Zombies, auf deren hängenden Stirnen Arbeitnehmer geschrieben steht, und die zerdrückten Knitter- und Knickerseelen von Arbeitgebern, jene Sorte, die wirklich glaubt, sie würden etwas geben und damit Glück stiften. Sehen Sie sie an!
Ich konnte mich nie mit den Kommunisten, Sozialisten und dem ganzen Pack identifizieren, das die bestehende Welt eher vor die Hunde gehen ließe als die eigenen Wunschvorstellungen, die sie „Theorien“ nennen, zu überdenken: Sie denken, schreiben und sind schreckliche intellektuell, und doch ist alles was sie tun nur eins: Sie rammen ein Messer in Fleisch und erwarten, dass das Fleisch die Form des Messer annimmt. Ich sage: Das Bewusstsein bestimmt das Sein! Diese Wahrheit leugnen sie. Wer annimmt, unterdrückt zu sein und kämpfen zu müssen, ob es nun „in Wirklichkeit“ so ist oder nicht, wird sich unterdrückt fühlen, wütend und verletzt, und er wird aufbegehren und kämpfen! Ich erwarte von Ihnen nur, dass sie ihre Augen öffnen und die Gestalten sehen! Wenn Sie jung sind, dann fragen Sie sich: Ist eines von beidem meine Zukunft? Und wenn sie alt sind, fragen Sie sich: Wie ähnlich bin ich einem der beiden beschriebenen Typen? Schwebe ich darüber?
Ich bin kein Bergprediger und kein liebevoller Wanderpriester, schon gar kein Mönch oder Heiliger – ich bin Sänger von Gottes Gnaden. Nie öffne ich auf eigene Faust meinen Mund. Tue ich es jedoch, soll Ihre Welt erbeben! Richten Sie ihre Augen auf diese Worte! Spüren sie die Hitze darin? Es ist kein irdisches Feuer, keine holzgemachte Glut, keine Lava – es ist reinstes Sonnenfeuer! Ich bin kein Pharao, kein „Abkömmling der Sonne“, das können Sie glauben, und doch – die Sonne scheint und lebt und spendet Leben, und sie ist – das kann ich sagen, ohne dass sie gleich die übliche Reaktion dem dem abergläubischen oder machtgierigen Esoteriker gegenüber an den Tag zu legen haben – die ursprünglichste, wahrhaftigste und bis heute die eine bestimmende Gottheit. Fiele es dieser Sonne ein, ihre Anstrengungen um das winzigstes Bisschen zu verringern oder aber zu verstärken – wir alle fielen mit dieser Entscheidung in ein glühendes oder vor Frost knirschendes Grab.
Pharaonen! Was denken Sie? Edle Gottkönige? Schlimme Tyrannen? Ich denke, diejenigen, die wir kennen, waren Witzfiguren. Sie trugen Kleider, die zu groß waren für ihre schmalen Leiber. Würde nur ein wahrer Pharao kommen, sähe ich keinen Grund, mich ihm nicht zu unterwerfen; täte man es nicht, füge ich hinzu, wäre man in der Tat ein Narr und ein Verbrecher, und jede Strafe wäre gerecht, aber ich sage ihnen: Käme dieser wahre Pharao, würde sich keiner mehr weigern, oder umgekehrt: Wenn sich keiner mehr weigert, wird der wahre Pharao kommen, als Abkömmling und Verkörperung, als Sohn und Vertreter des eigentlichen Sonnengottes auf Erden, im ganz und gar wörtlichen Sinn, wörtlich dann, wenn man versteht, wer oder was der Sonnengott, die Sonnenkraft ist, deren Symbol auf Erden der Phallus, deren Verkörperung die archetypische Majestät, das Horus-Kind ist. Esoterik! Sie schreien. Sie haben ganz und gar Recht damit zu schreien, wenn die Esoterik auf den Plan tritt als jener aus dem Osten heranwehende stinkende Staub für die ängstlichen, leichtgläubigen Narren, die sich vor nichts mehr als vor der Öffentlichkeit und ihrem Urteil fürchten, die sich in Parallelwelten zurückziehen, die das Licht fürchten und kleinliche Überwachungsmechanismen gegen die armen Teufel einsetzen, die das Unglück haben, in ihre Fänge zu geraten. Ich sage ihnen, sie schreien zurecht, wenn diese Esoterik auf den Plan tritt!
Aber ihr Schreien muss augenblicklich verstummen, wenn die verlogenen Esoteriker vor den Mysterikern abgelöst werden, den aufrichtigen Mystikern, denen, die die Tiefen Wahrheiten ergründen und jenen Schatz aus den Urschluchten der Zeiten heben, die sich auf lange Nachtmeerfahrten und Odyseen begeben und alle Heldentaten vollbracht, alle Monster vernichtet, alle Umwege gemacht und alle fernen Inseln verlassen und wiedergefunden haben. Wenn diese aufrechten Mystiker erscheinen, und das tun sich höchst selten, und wenn, dann niemals als Mensch in Fleisch und Blut, dann müssen sie ihren Mund verschließen und ganz und gar empfänglich werden.
Nichts macht die Menschen leichter beherrschbar als die Furcht: Die Furcht zu versagen, die Furcht lächerlich zu erscheinen, die Furcht vor dem Unbekannten. Flößt man den Kindern und auch den Erwachsenen von heute große Furcht vor dem ein, was in uns ruht, vor allen Schattenklüften, allen Narrenfreiheiten, allen Heldentaten, und tut sie mit mathematischen und „wissenschaftlichen“ Argumenten ab, dann schaden diese Künste nicht nur mehr als sie nützen, sondern dann macht man sich die Menschen auch untertan; und wenn man sich vor all diesen Dingen Angst einjagen lässt, dann lässt man sich auch beherrschen, dann hat man die Seele eines Sklaven, dann läuft man den bleichgesichtigen Geldsäcken und Menschenhändlern entgegen und schreit: „Die Freiheit ist mir zu schwer! Die Gefangenschaft wünsche ich, denn sie ist wenigstens ruhig und geordnet und sicher, und man braucht sich nicht mit den Plagen des göttlichen Menschenlebens herumschlagen, sondern steigt zu einem menschlichen Tier herab! Wo sind meine Fußeisen?“ Wenn man aber das tut, dann ist man der elendste Mensch und verdient jeden einzelnen Peitschenhieb!
So viel zur Präambel, was sage ich, zum Auftakt! Ist der Auftakt voller Kraft, welches Stück ist dann zu erwarten?
Die Welt ist heute voller Schmutz, voller Verkrustungen, Verknöcherungen, Verhärtungen und abgetöteten organischen Materials. Überall Schmutz, nichts als Schmutz, und alle Sklaven zusammen werden es nie schaffen, den Schmutz abzutragen, denn sie sterben selber und schwitzen und scheißen und erzeugen so viel mehr Dreck und Scheiße als sie wegwischen, das selbst der größte Putzmann unter ihnen noch die Welt verdreckt! Was ist nötig? Nötig ist eine Flutwelle, ein überquellender, überschwemmender Geist, der alle Dämme durchbricht, allen natürlichen Fluss wiederherstellt und jedem menschengemachten, antropogenen und humanpathogenen Hindernis spottet; ein Geist, der das Obere nach unten und das Untere nach oben kehrt, die Gebirge überflutet, die Wüsten ergrünen lässt und die Ozeane trockenlegt, sodass sich die Walfische Füße und Lungen, die Menschen und Schweine und Menschenschweine dagegen Flossen und Kiemen zulegen müssen! Nichts darf daran erwartungsgemäß sein; was nass scheint, muss samtweich, was salzig scheint, muss scharf sein, und allem muss eine über alles erhebende Leichtigkeit und Süße innewohnen, dass es die Menschen heiligt und zu sonnengekrönten Häuptern macht, die sich mit apollinischer Sicherheit und dionysischer Unaufhaltsamkeit in einem Universum bewegen, das sie fest- und kleinhalten will; und als allererstes wird ihr flammender Zorn jener falschen Götze gelten, die ihnen die Farben vorenthalten und sie in einer grauen Welt der Freudlosigkeit, Arbeitsamkeit und der Rendite dahinvegetieren lassen hat, und wenn man diese Götze ans Kreuz schlägt, werden alle jubelnd zusammenkommen, sie auslachen und auf ihre Leiche spucken, wenn all das farblose Blut herausgeflossen und der Erde zurückgegeben, von der es gestohlen worden ist.
Und dann wird der Rausch herrschen! Ist der Rausch aber eines Tages, nach Äonen, zu einem gewaltigen Schlussende gekommen, so wird alles wieder in Ausgeglichenheit vorliegen, und die armgewordene Welt wird wieder ihren unendlichen Reichtum genießen können, ihre urtümliche Einheit, die sie mit dem Anbeginn der Zeit aufgegeben hat!
Ich muss zugeben, ich will derzeit mit dem Kopf durch die Wand, ob ich nun die Wand auf meinen Kopf oder den Kopf auf die Wand zubewege, oder ob ich nur das Universum anspreche und sage: Die Mauer zerbreche! Kein Stern allein, eine ganze Clique von Sternen in ihrem göttlichen Sonnenfeuerlicht und ihrer machtgekrönten Majestät ist nötig, all diese grauen Mauern, die hohlen Tafeln und die ebenso hohlen Worte darauf, und dazu die den Tod ausatmenden Giftschlangen auszumerzen, zu erwürgen, zu ersticken – zu vernichten. Apoll, tu dein Werk, und dann geh mit Dionysos Hand in Hand und erobere mit ihm ein gewaltiges Reich! Mehr sage ich nicht. Tu dein Werk, göttlicher Bogenschütze! Und du, ausgelassener Lachgott, unterstützte jenen mit der unendlichen Gewalt der Rebe, vernichte die verlogenen Menschen, verwandle sie in Delfine, und dann geh an Land, vernichte allen Widerstand und lache dabei wie nur ein Unsterblicher, der unaufhaltsame lachende Weingott lachen kann, vor dessen genialer Lache die engen Grenzen der Welt erzittern, und steigere, steigere dich in einen Rausch, der kein Ziel hat, kein Ziel hat, kein Stottern und Stammeln und keine Schreibfehler mehr zu fürchten braucht, in dem das Denken und das Handeln eins ist, in dem der Atem ruhig fließt, in dem das Ende den Anfang vergessen und ihn dennoch küssen wird, steigere dich, steigere dich in jenen Rausch, singe ohne Pause, höre dieses Lied und stimme ein, übernimm du die Melodiestimme, lass den größten Solisten der gerahmten Welt die simpelste Begleitung spielen, sodass er sich bei seiner göttlichen Aufgabe trotz allem zurücklehnen, eine Zigarre rauchen und eine Flasche Wein leeren kann!
***
Manchmal zerschießt sich alles in Chaos. Nur in diesem Chaos ist Ordnung, denn alle menschengemachte Ordnung ist nur ein ganz bestimmter Zustand des Chaos, des Ungleichgewichts zwischen Schwarz und Weiß; alle Gesetze, alle Völkerrechtsabkommen, alle „Erkenntnisse“ der Physik und aller Wissenschaften – menschengemacht und nichts als ein ganz bestimmter und doch sehr kurzlebiger, prekärer Zustand des natürlichen Chaos.
Oft genug habe ich das Gefühl, ich spräche weniger mit Menschen als mit Tieren und Vögeln, die gerade unterscheiden können, ob man ihnen liebevoll zuredet oder sie anschreit, mehr aber nicht, nicht den unterschiedlichen Sinn der Worte und Sätze; und oft genug empfinde ich die Menschen, nicht den einzelnen, sondern ihre schiere Masse, als einengende Dämme und Mauern, die den natürlichen Fluss des Wassers um jeden Preis verhindern wollen, weshalb auch immer, und die entweder dabei Erfolg haben oder zerbrechen. Dem Wasser muss es entweder gelingen, alle Mauern zu zersprengen, oder es muss über die Mauerkronen hinwegschwappen. Ein gutes Geschäft für die Mauer: Sie ist die Last los und wird obendrein gratis gereinigt!
Eine solche Reinigung müssen auch die Ohren der Leute erfahren! Wenn man die Ohren der Gebildeten, der Selbstgefälligen, der Geschäftigen gründlich ausgeputzt und von jenem eingeträufeltem Gift gereinigt hat, dann werden sie wohl oder übel hören müssen, den ein gesundes Ohr kann man nicht verschließen! Zum Ohrenverschließen haben sie jedoch viele Mittel erfunden: Mit Zeitgeist und Zeitgeistphilosophie, mit „Bildung“, mit Geschäftigkeit und Anstand und verlogener Moral kann man sich die Ohren verkleistern, bis man die Wahrheit nicht mehr hören muss, und auch schlechte Musik macht allmählich taub! Aber es gibt Hoffnung: Gute Musik lässt selbst Taube wieder hören!
Was ist über den Kern jenes Kleisters zu sagen? Zeitgeistphilosophen, Wissenschaftler, Literaten, Künstler und Kunstwissenschaftler und wie das ganze Pack heißt – alle ihre Probleme, alle wissenschaftlichen Probleme, alle künstlerischen, ästhetischen Probleme, alle „Kulturkrisen“, all das und noch viel mehr ist im Grunde nichts als ein Haufen Geistesstörungen, deren Ursache unter anderem darin zu suchen ist, dass man philosophiert, wissenschaftlich arbeitet, literarisch tätig ist, die Kunst studiert, ausübt oder konsumiert oder sonst etwas „Geistiges“ tut. Danke, Ludwig von Wittgenstein! Eine Krone, eine Krone für den Sonnenkönig der Schweiz!
Der Teufel selbst ist ein Witz. Lustigerweise gibt es ihn, muss es ihn geben – er ist die Summe allen Kleisters, aller Mittel zum Taubwerden. Er ist all die verlogene Moral und aller Anstand, alle Geschäftigkeit und aller Erfolgsdruck. Er ist der Karren, vor den sich die Leute spannen lassen wie Ochsen. Er ist alles, was uns kontrolliert, alles was uns abstumpfen lässt; er kratzt uns die Augen aus, träufelt uns Gift ins Ohr, sodass wir taub werden – und doch ist er ein Witz. Er kann nur verlieren, ist ihm das nicht klar? Natürlich nicht! Wer anderen die Ohren verkleistert, kehrt erst vor der eigenen Haustür und ist längst selbst taub! Wüssten nur die christlichen Sektierer, mit wem sie sich einlassen, wenn sie von diesem und jenem Gebot hören und dieses und jenes Vorurteil von der Kanzel bestätigen lassen... wüssten sie nur!
Ich bin davon überzeugt, dass es eine Hölle gibt – der Ort, an dem Satan lebt – doch das ist nicht tief unter der Erde und nicht hinter den Sternen: Es sind die großen Stadtwohnungen; die Bankenviertel; die Parlamente und Kabinette; die Schulen und die Polypen von Fabriken; die roten Teppiche und die OP-Tische der Schönheitschirurgen, das Fegefeuer der Eitlen, das nur scheinbar schmerzfrei ist!
Satans Dreizack durchbohrt sie und sie nennen es ein erfolgreiches Leben; seine Hufe erschüttern den Boden und sie nennen es Finanzkrise; sein Blick schweift in eine andere Richtung, der Besessene bricht zusammen und man nennt es Burn-Out. Ein Paradies unter der Brücke, vielleicht einer der heiligsten Orte überhaupt!
Man muss es heute wie damals mit Zarathustra halten. Die „letzten Menschen“ sind aktueller, „zeigeistiger“, moderner denn je. Die letzten Menschen sind es, die uns auf der Straße, im Internet, im Fernsehen begegnen. Wir kaufen bei den letzten Menschen ein, leben mit den letzten Menschen zusammen, nennen sie Mutter und Schwester und Tochter und Schatz.
Was muss auf sie folgen? Der Übermensch kann es nicht sein. Es fehlt uns an Übermenschen. Haben wir noch genügend Chaos uns uns? Wir haben genügend Chaos in uns, um – um was zu tun? Einen tanzenden Stern zu gebären? Die Tafeln ihrer Werte zu zerbrechen, die Tafeln der Guten und Gerechten? So zu Brechern, zu Ver-Brechern zu werden? Die letzte, alles reinigende Flutwelle zu überstehen, abzutauchen und das Licht erst wieder zu sehen, wenn es auf eine gereinigte Welt fällt?
1. Vom Was-Genau-Ist-Das?
Dies ist keine Fiktion. Aber eine Geschichte. Von Wirkung und Ideen, von Zeit. Doch weitaus mehr. Lassen Sie sich nie zu vorschnellen Schlüssen verleiten. Der Weise verharrt in körperlich, geistig und seelisch stiller Beobachtung, bis sich von Natur aus Wissen einstellt. Alles andere Wissen ist unaufrichtiges Wissen. Das Folgende lässt sich als Tagebuch auffassen. Auch als Apokalypse. Wen nur das Was-Genau-Ist-Das beschäftigt, für den verlieren viele Dinge ihren Wert und er beginnt, sie zu verachten. Doch Verachtung ist hier Blindheit.
2. Von ALASTOR
Eines Tages war er da. Vielleicht schon vorher. Vielleicht schon immer. Wer in seiner vermeintlichen Einsamkeit schon immer Gesellschaft hatte, für den muss sich die Zweisamkeit anfühlen wie Einsamkeit. Die meisten sind zu zweit allein. Er ist allein zu zweit.
Wer ist „er“? „Er“ ist derjenige, zu dem ALASTOR kommt. Wer es auch ist.
3. ER kommt
ALASTOR suchte mich wiederholt in früher Jugend auf. Jedes Mal lehrte er mich etwas:
Am Anfang lehrte ER mich das Zuhören.
Später lehrte ER mich das Lernen von Meistern ohne Gespräch, nur durch achtsame Beobachtung.
Dann lehrte ER mich die Grundlagen der intellektuellen Kampfkünste und das hohe Denken und Sprechen.
Später führte ER mich zu den Ehrfurcht gebietenden den Grabmälern der Alten Meister, von denen ich noch mehr Kampfkunst, aber auch Nützlicheres lernte.
Dann führte ER mich in die gesetzlose Wüste und ließ mich an Gott zweifeln – und ich verstand und lachte, als mich der Antichrist versuchte.
Kurz darauf führte ER mich in die Tiefe, wo es Schätze der Wahrheit zu heben galt.
Dann verließ ER mich und ich verfiel den satanischen Versuchungen, bereute, sündigte wieder, bereute erneut - und brach alle Treue außer die zu ALASTOR. Da kehrte er zurück.
„Woher kommst du?”, fragte ich ihn.
„Von Gott.”, erwiderte er.
4. ALASTOR erscheint wieder
Er traf mich in einem Moment der Versuchung. Damals schwor ich mir: Was auch passiert - nie wieder werde ich Opfer sein.
ALASTOR spricht: „Opfer-Sein ist kein Zustand, sondern eine Geisteshaltung. Alle Menschen sind zu allen Zeiten Opfer, Täter, Zeuge, Ankläger und Richter. Die einen fühlen sich als Opfer, die anderen nicht.”
Seine Weisheit beeindruckte mich.
ALASTOR spricht: „Ich nämlich sage: Bittenicht um deine persönliche Ration Glück, nicht bei den Herren des Universums, den Mächten der Welt, den Valar, noch sonst wo - sondern nimm, was und wieviel dir zusteht - denn das Wiekennst du schon! Und suche nicht nur in den Tiefen und Höhen der Welt - sondern bei Gott!”
Und ALASTOR spricht: „Frag dich: Was bin ich? Und dann lebe mit und nach deiner Antwort! Bist du Kamel, so stell dich in die Herde! Bist du Löwe, so ziehenicht mit den Kamelen, sondern wildereunter ihnen! Und auch mit den Wölfen darfst du nicht ziehen, obgleich du ihnen zu ähneln scheint - mit ihnen kannst du bestenfalls in guter Nachbarschaft leben.”
ALASTOR spricht: „Du sollst weder glauben, eigenen Willen hervorbringen zu können, noch dass ein anderer Mensch es könne - denn da ist nur EIN WILLE im Universum, und nichts ist da, das gegen oder unabhängig von IHM geschehen könnte. So dienst du dir, dem Universum und allen anderen am besten, wenn du den EINEN WILLEN durch Beobachtung kennenlernst und ausführst.”
ALASTOR spricht: ,,Wenn du das CHAOS siehst, in das die Welt im Zeitalter der Sonne gestürzt worden ist - der ,Moderne’ - dann darfst du nicht verzagen! Sehnst du dich danach, Ordnung hineinzubringen, gedanklich oder wirklich, so bist du Diener der toten Kräfte des vergangenen Alters; ein Agent des Totenreiches unter den Lebenden. Sehnst du dich aber danach, dem Gekrönten&Eroberndem Kind, dem Sonnengott, dem Geheimen Feuer zu dienen, so sollst du das CHAOS nicht fürchten - sondern lachen und es lieben!”
Und ALASTOR spricht: ,,Denn erst im CHAOS gebären jene, die noch CHAOS in sich haben, einen tanzenden Stern! Ordo abchao, das ist Sklaverei anstatt Freiheit, Tod anstatt Leben. Liebst du erst das CHAOS, dann kannst du herrschen in Seinem Namen!”
Und ALASTOR spricht schließlich: ,,Orientierung? Alle großen Lichter sind gelöscht, alle Götzen tot, alle Ideologie im Schatten des Nihilismus versunken - so spricht der mit wachem Verstand heute. Ist es so? Große Räder drehen sich weiter und weiter, unberührt. Willst du dich orientieren, so erleuchte deinen Weg mit deinem inneren Lichtund nimm die Wracks, Leichname und Grabmäler als Anhaltspunkte! Und wisse dabei - Verstand und Wissen ist Teil des inneren Lichts, doch Verstand allein macht noch kein Licht!”
ALASTOR spricht: ,,Noch besser, als durch das innere Licht die Finsternis zu vertreiben, ist es freilich, im Dunkeln sehen zu lernen - mit Uhu-Augen! Doch dazu musst du Nachtgeschöpf werden im Herzen. Das ist nur wenigen vergönnt.”
ALASTOR spricht: ,,Jeder Augenblick, der dunkelste wie der lichtduchflutetste, gehört zu deiner Irrfahrt. Betrachte ihn als solchen distanziert, als seiest du bereits heimgekehrt. Bedenke dies im höchsten Glück und ihm tiefstem Schmerz: Du bist nur Reisender, Irrender, Gestrandeter, dessen Segel einst über dem Horizont der Welt segeln und vor deinem persönliche Ithaka erscheinen werden!”
Und ALASTOR spricht: ,,Deine Taten in der Ferne aber, die sind deine wahren Taten, über die man singen wird, und im Guten wie im Bösen sind sie, was du der Welt hinterlässt, obwohl sie dein eigentliches Sein nicht berühren können. Bedenke das stets.”
Ich ging ein wenig weiter und ALASTOR betrachtete mich.
Er sprach: „Nur ein Esel rafft und belastet seinen Weg mit Dingen, mit Reichtum, mit Anerkennung, mit Schuld und Schuldscheinen: Denn kaum etwas brauchst du auf deinem Weg, umso weniger, je näher du dem Ziel kommst; und an seinem Ende brauchst du gar nichts.”
Nachdenklich geworden, wagte ich es zum allerersten Mal, eine Frage an IHN zu richten: „Was ist mit all den Lehren in der Welt? Du sprachst vom inneren Licht – welche Hilfe können mir die all die Lehren und Lehrer geben, um meinen Weg zu finden?”
ALASTOR spricht: „All die Lehren? Welche Lehren meinst du? Ich sehe nur eine Lehre! Alle Propheten sind wahr!”
Ich dachte lange darüber nach und seine Saat gedieh in mir.
Da fragte ich: „Was soll ich studieren, wenn ich wahres Wissen über die tiefen Wahrheiten erlangen will?”
ALASTOR spricht: „Die Tiefen Wahrheiten- das sind die Wahrheiten über das Seelenleben, über die Entstehung der Welt, über das Ende der Welt und über die verwirrungsreiche Geschichte, die Ende und Anfang verbindet. Einsicht in sie wünschst du? Dieses Wissen ist über die Alter treu weitergegeben worden. Am Anfang gab es eine kosmische Wahrheit, die sich allmählich verformte und verfiel, und doch ist sie noch immer erhalten in den alten Geschichten, den Mythen, im Kollektiv- und Unterbewusstsein der Menschen.”
Und ALASTOR spricht: „Ein Volk, das noch Mythen hat, das hat noch seinen Teil der Ur-Wahrheit. Kenntnis der Mythen eines Volkes heißt Kenntnis eines Volkes.”
Und ALASTOR spricht: „Siehe die sagenhaften Herrscher!
Woher hat Arthus seine Macht? Ein magisches Schwert, ein Symbol ‚überirdischer’ Macht, verliehen von Gott!
Woher hat Jesus seine Macht? ‚Abkömmling Gottes’ ist er!
Erkenne: Alle Macht kommt von IHM, dem EINEN WILLEN!
Was muss Orpheus tun, der göttliche Sänger, nachdem er sich in etwas Weltliches verliebt hat? In die ‚Unterwelt’ muss er hinabsteigen, Schwierigkeiten überstehen, er hat Erfolg - und muss doch alles zurücklassen, als das Ende kommt und er wieder aufsteigt.
Solche Tiefen Wahrheiten bergen die Mythen! Studiere den Mythos und hebe diese Schätze!”
Und ALASTOR spricht: „ Denn die Menschen der Mythos-Zeit waren noch Nachtwesen mit Uhu-Augen, denen noch nicht das Feuer des Verstandes die Nachtsicht verdorben hatte! Ihre Weisheit war die Weisheit des Blutes, des Rückenmarks, in der die Weisheit aller Tiere, allen Leben ist; und sie wurden noch von der Quelle unseres Seins, von IHM gelehrt; und was sie gelehrt worden sind, die Tiefen Wahrheiten, das ist erhalten - im Mythos der Mythos-Zeit!“
ALASTOR spricht zuletzt: „Nun schließe deine Augen, bedenke alles, was du gehört und gelernt hast, und dann sieh auf deine alltägliche Umgebung – mit neu geöffneten Augen!“
16.03.14
„Ich ersticke am meinem gewaltigen Geist.“
Wer hätte schon solchen Abfall gehört? Klugheit, Bildung, Intelligenz und dabei der Wille, alles zielgerichtet einzusetzen – das ist der gemeinte große Geist. Und dieser ist das große Ziel des Zeitalters. Ein großer Geist ist Kapital. Kopfarbeiter sind ohnehin die wichtigsten und höchstbezahltesten, außerdem die verantwortungsvollsten und bedeutendsten Leute. Selbst dann, wenn man seinen Geist nicht vermieten will wie eine Hure ihren Körper und ein Beamter seine Seele – ein großer Geist, eine einzigartige Begabung, Dinge zu durchschauen und das Erkannte mitteilen zu können, das ist doch ein großes Geschenk! -
Ein Geschenk? Eine Büchse der Pandora! Sieh hinein und stirb. Es ist kein Geschenk, es ist eine Bürde. „Wer trüge Lasten und stöhnte und schwitzte unter Lebensmüh?“ Dieses Pandora-Geschenk ist eine solche Last zum Tragen. Man kann sich ihr nicht verweigern und man kann sie nicht abwerfen. Todessehnsucht macht keinen Sinn, denn der große Geist tut sogar sie ab und behält die Oberhand.
Und dabei kann man nicht Berufung einlegen gegen das Urteil des Schicksals, und wer mit großem Geist beschenkt ist, muss die daraus resultierenden Übel ertragen und dennoch ein glückliches Wesen sein. Oder zumindest sein Schicksal erfüllen, indem er ein nützliches Werk vollbringt – durch diese Gabe.
Ein nützliches Werk, eine göttliche Aufgabe – was für ein schlechter Witz! Die Schaffenden, die „Zerbrecher der Tafeln ihrer Werte“ - der Werte der „Guten und Gerechten“ - wenn das die von Gott gesandten „Engel“ sind – die „guten Engel“ - dann ist Gott in Wahrheit voller Hass gegen seine Kinder, die Menschen. Doch wir sind keine Engel. Es sind Dämonen, im Guten wie im Bösen. Wir verwirklichen irgendeine Sache, eine Idee, ein Werk, im Dienste von etwas Höherem, das jenseits von Gut und Böse ist.
Nein, dieser große Geist, von dem ich spreche, ist weder gut noch hell noch kann oder konnte er jemals zu etwas verwandt werden, das der Menschheit nützt. Dieser Geist, von dem ich spreche, hat im Laufe der Jahrhunderte die Menschheit Tag um Tag in Stücke geschlagen. Er ist ihr großer Heimsucher und wird eines Tages, wahrscheinlich schon bald, ihr Untergang sein. Und doch liebt die Menschheit insgesamt den Geist und hasst ihn dabei instinktiv, wie der Alkoholiker den Schnaps gleichzeitig hasst und liebt, der eines Tages sicher sein Ende ist.
Eigentlich sind es verbotene Worte, die vorangegangenen und die folgenden. Eigentlich sollten Sie gar nicht weiterlesen. Sie sind die Warnung eines Serienmörders an die Polizei, ehe er erneut zuschlägt, ohne je gefasst zu werden. Denn diesen Serienmörder wird man nicht fassen können, solange die Menschheit menschlich bleibt. Eigentlich ist es sinnlos, zu warnen, denn es wird weitergemordet werden. Eigentlich sollten Sie es aus diesem Grund nicht lesen, und eigentlich sollte ich aus diesem Grund nicht weiterschreiben. Und eigentlich schreibe ich nur aus einem Grund doch weiter: Ich nehme an, dass es ohnehin niemand lesen wird. Das ist der einzige Grund.
Dies ist keine Literatur. Ich setzte keine Mittel ein, um mich selbst zu verschleiern. Was ich sage, sage ICH. Da gibt es keine Ausreden mehr a lá „Das hat nur dieser und jener Charakter in dieser und jener fiktiven Situation gedacht oder gesagt, ich denke ganz anders.“ All das ist eine Emanation der Liebe zur Weisheit und zur Wahrheit.
Was ist bedeutsamer? Mut zur Wahrheit oder Liebe zur Wahrheit?
Mut ist etwas für Feiglinge. Mut heißt, dem großen Schicksal das individuelle Schicksal zu überlassen. Wer mutig handelt, gibt einen Teil seiner Verantwortung an das Universum ab. Mut erfordert vor allem Selbsthass. Sich klug zu verhalten erfordert Selbstliebe, Egoismus. Mutig ist es, Crystal Meth zu nehmen. Mutig ist es, für eine verlorene Sache zu kämpfen: Am Leben zu hängen, ohne nur um der bloßen, toten Existenz willen weiterzuvegetieren.
Ich glaube nicht daran, dass uns die Philosophie, die sich immer weiter verzweigt, komplizierter und spezieller wird wie eine Maschine auf einem immer höheren Entwicklungsstand, irgendeine Hilfe ist. Ich glaube, dass jede Tiefe Wahrheit einfach sein muss. Komplizierter werden Konflikte, Kriege, Maschinen, menschliche Beziehungen – aber nicht die Wahrheit. Die Wahrheit kann nicht komplizierter werden, und so darf es auch die Philosophie, die Liebe zur Weisheit, nicht werden. Im Grunde ist sie bloß ein Zeitvertreib, ein schönes Hobby, etwas, das an die gute alte Zeit erinnert. Fürs echte Leben hat sie keine Bedeutung mehr. Sie ist gestorben, wie einst Gott gestorben ist.
Ebensowenig wie an die Verkomplizierung der Philosophie glaube ich daran, dass es möglich (oder auch nur notwendig) ist, die Welt innerhalb eines geschlossenen Systems zu erklären oder auszudeuten. Das ist schlechte Philosophie, bösartige Philosophie, die den Menschen und den Philosophen eher knechtet als befreit.
Darüber hinaus glaube ich nicht an den Sinn. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, Sinn herzustellen oder sinnvoll zu leben, zu denken, zu schreiben. Sinn ist ein Hirngespinst, der Glaube daran eine Geistesstörung. Man fragt sich: Welchen Sinn hat es, dass man sterben muss? Ich frage: Welchen Sinn hat das Leben? Welchen Sinn hat die Welt? Es gibt keinen. Und auch ein scheinbar sinnvolles Etwas, eine „sinnvolle Tätigkeit“, hat in Wahrheit keinen Sinn, es sei denn, man fasst das Enden als den Sinn des Seins auf. Ansonsten gibt es keinen Sinn.
Alles, was da ist, ist der menschliche Glaube an den Sinn.
All diese Worte sind wirkungslos. Indem ich sie schreibe, bin ich ein Zuhörer, der an der lautesten Stelle des Konzerts von aller Ohren unbemerkt einen Furz lässt. Es ist einer, der inmitten eines gewaltigen Chores „Hallo, Julia!“ singt anstatt „Hallelujah!“. Es dient überhaupt niemand – höchstens dem Ego des Furzers.
Dies ist ein erderschütterndes Lied, eine donnernde Sinfonie, eine tosende Kakophonie des Mutes. (Sie erinnern sich an den Mut?) Sie hat keine Aussage, keinen Sinn. Und doch ist sie ein Goldstück im schlammigen Flussbett, durch das unsere Existenz fließt. Wer hat die Courage, die Hand nach dem Gold auszustrecken?
Noch steht der göttliche Sänger schweigend in der Unterwelt. Noch ist die Nachtigall im Käfig eingeschlossen. Noch verwundet mich die dornige Welt. Doch die Sonne geht bereits auf. Schon füllt er seine Sangeslungen.
Eine zentrale Figur der geheimnisvollen Clique, die wir die Archetypen nennen, ist die Bestie, der Drache, der Lindwurm, das furchterregende Monster, das weder dem Guten noch dem Bösen hilft und das doch dein Feind ist. Alte Lieder lehren uns: Wem es gelingt, den Drachen zu töten, der wird unverwundbar, und das muss er sein. So bleibt mir nichts, keine Wahl: Ich muss mutig sein, hingehen und den Drachen erschlagen. Im Schlafe habe ich davon geträumt. Ich werde es tun müssen.
Die Angst, die Angst. „Sich seiner Angst stellen“ – Allerweltsgeschwafel! Und doch eine Tiefe Wahrheit. Nicht wenn die Wahrheit schmutzig, sondern wenn sie seicht ist, fürchte ich mich davor, in ihr Wasser zu steigen! (Man verzeihe mir dieses nicht regelkonforme Zitat...aber ich werde es nicht ändern.)
18.03.14
Oh, verflucht! Jetzt ist etwas gekommen und hat mich unterbrochen. Eine Drehung im Schlaf eines Gottes, eine achtlose Bewegung, bedeutungslos für ihn, doch fatal für alle, die unten stehen. Für einen, der unten steht. Für mich. Ich starre diese fremden Worte an und frage mich, ob es wahr sein kann. Können sie real sein? Kann es wahr sein? Ja, man muss wieder zum Kind werden und den Mund offen stehen lassen. Manchmal erkennt der Verurteilte an, dass das Urteil gerecht war, nachdem er monatelang, jahrelang verächtlich gewütet hat.
Mir ist ein Einfall gekommen, heute Morgen war das, ich sitze gerade in Physik. Die Lehrerin fadenpendelt und federpendelt, rechnet, schreibt an die Tafel, es geht um Schwingungen. Ab und zu kommt man zu Wort oder man kommt dran, im wahrsten Sinne des Wortes. Meistens knirscht es dann und kriselt rötlich. Mir ist die Idee gekommen, einen Roman zu schreiben. Das wäre doch was, nicht? In Physik konnte ich mich noch ein wenig konzentrieren. In der Pause ging ich spazieren, dabei dachte ich nach. In Mathe war die Konzentration bereits unmöglich. Auf dem Weg nach Hause dachte ich wieder nach. Als ich zuhause war, hatte ich schon eine gute Vorstellung. Nach einer Stunde hatte ich mehrere gefüllte Seiten in meinen kleinen schwarzen Notizbuch, seine duldsamen Seiten haben alle meine Gedanken, meine Pläne und Unpläne getrunken. Es ist noch kein Text, nur Architektur. Ich habe mir vorgenommen, auf keinen Fall früher als in einem Monat mit dem Schreiben zu beginnen. Wenn mir die Idee dann noch gefällt. Wenn sie das tun wird, wird sie sich ganz ausgeformt haben, in einem Monat. Das wird am 18.04 sein, zwei Tage nach meinen Geburtstag, ein interessantes Datum.
Den ganzen gestrigen Tag lang, der 17. des Monats, bin ich krank gewesen. Doch erst heute scheint das seinen Weg in mein Bewusstsein gefunden zu haben. Ich bin heute immer noch krank. Gestern habe ich nur darunter gelitten, heute sehe ich es wirklich ein. Vitamine sollen gesund sein und gegen Krankheit helfen. Doch Zucker soll das Immunsystem schwächen, oder? Ist Orangensaft also schädlich oder nützlich?
Es heißt auch, wir seien antifragile Systeme, irgendein Amerikaner hat das festgestellt. Das bedeutet: Wenn wir uns das Bein brechen, wächst es wieder zusammen und ist an der Bruchstelle härter als vorher. Wenn wir unsere Muskeln trainieren und uns dabei Muskelkater holen, werden wir stärker als vorher. Was soll man da von den Fastenden halten? Was von den Sportlern? Was von den Rauchern? Denen, die sich selbst kreuzigen und heiligen?
Erinnern Sie sich noch an den Drachen, an das Drachentöten, an das Unverwundbarwerden? Es geht darum, die eigene Angst zu erschlagen und in ihrem Blut zu baden, ganz genau. Etwas dichterischer bitte! Ich schreibe heute auf, welche Ängste das sind. Dann werde ich herausfinden, wo sie wohnen, meine Zorn nähren, meine Waffen sauberhalten und eines Tages besuchen kommen, wenn sie nicht damit rechnen. Eines Tages...
Mittlerweile verstehe ich die Literatur ein wenig, glaube ich. Sie ist für die Noch-nicht-Unverwundbaren eine feste Burg. Literatur ist eine adelige Form des Lügens. Das ist kein Vorwurf, das ist ein Lob! Die Angst, verstanden zu werden, treibt uns dazu. Nein, nicht ganz: Die Angst, verstanden zu werden, und das Problem, nicht verstanden zu werden, beide sind es. Darum verbergen wir uns hinter „Formen der Kunst“, wenn wir uns ausdrücken wollen.
Nietzsche etwa war zu ehrlich dafür, liebte die Wahrheit zu sehr und besaß zu viel Willen zur Wahrheit, schrieb die Wahrheit und – die letzten Menschen wenden sich geblendet ab und blinzeln. Da lobe man sich die Literatur: Da kann man mit tausend Worten dem Kleid, dem Make-Up, dem Schmuck schmeicheln, ohne die Frau darin eines Wortes würdigen zu müssen. (Je hässlicher und eindimensionaler die Frau, desto aufwendiger der Schmuck und das ganze Brimborium!)
Dass die Sprache so vielfältig gebraucht und missbraucht wird, macht am Ende nicht nur die Sprache, sondern auch den Geist krank. Haha! Was für ein Gesülze! Anglizismen, Überfremdung der Sprache, dass ich nicht lache! Was würde Homer über Ovid über Dante über Shakespeare über Bertold Brecht und Franz Kafka sagen? Wir müssen uns nur an eines gewöhnen: An das sprachliche Durcheinander, das Chaos, die Vielfältigkeit; an die Zeitlosigkeit des einen und die Eintagesfliegenhaftigkeit der anderen!
Was zu viele Augen sehen, verliert über die Jahrhunderte seine Farbe und sein Leben. Was Wenige sehen, bleibt dagegen ewig frisch und bunt. Stellt das Leben in ein Museum und es stirbt. Ich will um keinen Preis zu Lebzeiten verstanden und ausgestellt werden, es graust mich der bloße Gedanke daran!
19.03
Erinnern Sie sich noch an die Tiefen Wahrheiten? Ich habe behauptet, sie müssten im Grunde einfach sein, nicht verkünstelt und komplex. Wovon ich spreche, sind Lehren wie die Patjantalis, des Genies des Yoga-Sutras. Zehn Gebote – fünf für den Umgang mit uns, fünf für den Umgang mit anderen und anderem. Das ist doch etwas! Diese Lehre hat universelle Gültigkeit, auch wenn die praktischen Anweisungen für uns schwer zu verstehen und umzusetzen sind. Genau so ist es beim Daoismus: Den religiösen Aspekt kann der Westen nicht wirklich verstehen und er sollte ihn keineswegs importieren; der philosophische Aspekt dagegen hat universelle Gültigkeit und deckt sich im Kern mit allen anderen großen Lehren (Buddhismus; Yoga-Philosophie; Urknalltheorie...)
Literaten sind wie schöne Frauen: Einerseits wollen sie etwas von sich zeigen. Andererseits fürchten sie, dass es beschämend für sie und andere werden könnte, wenn sie es falsch anstellen. Entsprechend wählen beide ihre Kleidung: Die Schöne trägt ausgeschnittene Kleider, Schmuck, das Haar und die Schuhe sind hoch, der Bauch flach. Der Literat spricht nicht über sich, sondern über Charaktere, deren Geschichte, deren Gefühle, deren komplexe Situation und Entwicklung. In beiden Fällen kann es miserable und ausgezeichnete Kompositionen geben. In beiden Fällen kann man versehentlich zu wenig oder zu viel zeigen. In beiden Fällen erkennt das geschulte Auge aller Verwirrungen zum Trotz das, was unter dem Make-Up und den hübschen Kleider geboten wird. Nur sind die wirklich geschulten Augen selten, und an ungeschulte Augen verkaufen sich falsche Brüste am besten.
„Die Situation, die ich mir ausgemalt habe: Ich sitze da und stelle mir vor, sie fragt mich aus. Welche Vorlieben habe ich, fragt sie mich, und ob ich diese oder jene attraktiv finde. Kopfnicken, Kopfschütteln, wieder Nicken. Nein, ich bin nicht homosexuell, ich lache, als ich das sage, es ist ja die Wahrheit. Ob ich noch Jungfrau bin. Ja, sage ich, und du? Sie schüttelt den Kopf. Ich plötzlich mutig: Daran interessiert, es zu ändern? Nicken. Ob das ein Angebot ist? Ich nicke. Ob sie offen wäre? Vielleicht sollte ich mal mittwochs oder so zu ihr kommen, Mittagspause, Mittagessen, sagt sie. Ihre Mum nicht da. An dieser Stelle bin ich gedanklich weitergesprungen. Ich bin bei ihr zuhause. Der ganze Zirkus von vorn. Sie zeigt mir den Gartenteich, voller Quaken und Laich. Ob wir reingehen wollen. Nicken. Der ganze Zirkus eben. Ich gehe rein.“
Verstehen Sie jetzt, was ich oben gemeint habe? Nichts als Show, aber keine Botschaft.
Ich weiß, selbstkritische Reflexion beißt sich mit dieser vom-Berg-gepredigten Kritik persönlichster Sorte, und dennoch: Ich habe heute mehr mit meiner Hand geschrieben als seit Wochen, und ich habe jede Menge Charaktere erschaffen. Ihre bloße Masse ist weniger eine Leistung als ein kritischer Punkt, denn die Masse wirkt erschlagend! Obwohl sie bislang nicht einmal Namen haben (bloß Nummern und Buchstaben) habe ich von jedem Einzelnen eine präzise Vorstellung, sie leben gewissermaßen bereits. Was ich heute an Plot gestaltet habe... wenn das einen Monat so weiter geht, bis ich mir erlauben werde, zu schreiben, werde ich so viel Stoff haben, dass das Buch in hundert Jahren nicht fertig wird!
20.03.
Ich habe einige Geschichten gelesen und einige geschrieben. Es ist wirklich seltsam: Je mehr ich lese, desto mehr schreibe ich. Lese ich nicht, schreibe ich trotzdem. Gar keine Linearität, keine Funktion, keine Zuordnung.
Ich muss mich endlich selbst erkennen. Endlich muss ich aufhören, dem System die Schuld für irgendetwas zuzuschieben. Dazu haben Leute wie ich kein Recht. Ich hätte in einem Totalstaat, in Amerika, in China, in einer sozialistischen Diktatur oder in einer Esoteriker-Kommune aufwachsen können, es hätte diesbezüglich keinen Unterschied gemacht. Ich wäre dagegen gewesen.
Hören Sie her, Sie, Herren des Universums: Ich will dafür kämpfen. Es hat mich soeben überkommen. Es kann nicht sein, dass das Um-Sich-Selbst-Drehen der deutschen Literatur so beklagt wird und ich stumm bliebe. Ich will für mein eigentliches Werk kämpfen und es nicht verfälschen. Ich bin stolz darauf. Aber mir fehlte bislang der Mut. Das klingt so simpel und ist so wahr. Es hat einfach der Mut gefehlt, aber jetzt nicht mehr! Ich will dafür kämpfen.
Ich sitze auf einer Bank an einer befahrenen Kreuzung. Es ist warm für die Jahreszeit. Ich weiß nicht, ob es früher Frühling oder später Winter ist. Eine Jacke brauche ich nicht. Gerade habe ich den Notizzettel verloren. Ich habe ihn gestern Abend geschrieben. Er enthält die „Ordnung des Tages” in Stichpunkten.
Es ist hell. Ich werde mir eine Sonnenbrille zulegen müssen. Es sind weniger gekommen, als ich gedacht habe. Aber die Stimmung war besser. Ich glaube, ich habe überzeugt. Es ist 13:54. Langsam sollte ich aufstehen und zur Nachhilfe gehen. Gleich werde ich es
tun. Ich habe einen Coffee-to-go und die Sonne wärmt meine Haut. Ich bin zufrieden.
Wir müssen uns endlich über eine Sache klar werden: Alle Künste, die Musik, die Malerei usw. und am stärksten die Literatur, will ich meinen, sind Drogen des Geistes. Die Dinge, die der Konsum der fertigen Werke und auch deren Herstellung in uns auslösen, bemerken wir teilweise sofort – wir sind beispielsweise verzückt, gerührt, leiden mit – doch teilweise brauchen die Veränderungen lange, um ans Tageslicht zu kommen. Es ist wie beim Kiffen: Man weiß vorher nicht, wie sich eine Person verändern wird, manche stark, manche zum Guten, manche zum Schlechten, manche weniger. Aber sie verändern sich.
Wir sind alle Junkies. Als Künstler lassen wir irgendetwas in uns zum Vorschein kommen. Das kann der Narr, der Schatten, das Ungeheuer oder der Held sein, in der Regel ist es ein Mix aus allem. Die einen Dinge lassen wir stark werden, andere halten wir klein. So verändern wir uns. Der Prozess ist nicht zu kontrollieren.
Es ist auch viel schöner, sich als Drogenkoch, Drogendealer oder Junkie zu sehen als als „Musikant“, als „Schreiber“, als „Buchhändler“ - das klingt doch langweilig!
Als Sie erfahren haben, dass ich derzeit Henry Miller lese – müssen Sie da nicht „Ahaaa...“, gerufen haben? Hihihi....!
22.03
Der Bewusstseinstrom der letzten Tag ist gestern abgeflaut. Nicht als eine neue Dramentheorie. Seltsam lakonische Gedanken. Wieder mit dem Planen angefangen: Heute die Fantasy-Sache abschließen, dann widme ich mich vielleicht der unbenannten Geschichte. Ich will mein Versprechen noch immer einlösen und für „Schatten im Spiegel“ meine Lanze brechen. Aber es ist außerhalb meiner Reichweite. Ich muss warten bis Dienstag. Bis gestern musste ich noch bis Freitag warten. Warten auf Godot...
Wissen Sie – der Fehler ist kein Systemfehler. Es liegt nicht am Was-muss-gelernt-werden und nicht am Wie-muss-das-vermittelt-werden. Es liegt auch nicht am Was-nützt-das-mir oder dem Was-nützt-es-der-Allgemeinheit. Der Fehler ist kein Fehler im System. Das System ist der Fehler.
Es lebt nicht ein kluger und kein außerordentlich fähiger Mensch auf der Erde, der sich, was er kann, nicht selbst vermittelt hätte. Ob er dabei Hilfe hatte, Bücher, Vorbilder, spielt keine Rolle. Ich bin überzeugter Autodidakt.
Das Schreiben, die mechanische Fähigkeit, kann man einem Kind gegen seinen Willen beibringen, das Rechnen, das In-Reih-und-Glied-stehen, das Ja-und-Amen-Sagen. Aber das Denken kann man ihm nicht einhämmern – und das ist auch erwünscht. Man kann dem Kind auch nicht das Leben beibringen. Nicht das Sein. Eine Schule, die diesen Anspruch nicht erheben kann, ist jedoch sinnlos. Würde eine Schule diesen Anspruch erheben, könnte ich trotzdem nur lachen.
Alles, was die Allgemeinheit zu leisten hat, ist die Hilfestellung zum autodidaktischen Lernen. Lernen ohne zu denken und vor allem, ohne zu wollen, ist ein gewaltiges Verbrechen, ein Verbrechen an der eigenen Natur und am Lauf der Dinge. Man versucht, mit beiden Händen einen Fluss aufzuhalten. Es kann nur in Tränen enden.
Mein Blick springt zwischen iPod, Handy und Buch hin und her. Soll ich es wagen? Ich stehe auf und notierte es in mein Handy.
Wir leben in einer sich verhärtenden Zeit metallener Roboter. Eisen zerschneidet Fleisch, glaubt man. Ich aber sage: Jede Maschine rostet und zerfällt, wenn sie nicht
mehr gepflegt wird. Das Blut aber ist unendlich und unbesiegbar. Es erneuert sich ununterbrochen, Phönix aus der Asche. Das sind wir alle. Unzerstörbar das Leben.
Die Roboter sollen doch glauben, dass sie dem Fleisch überlegen seien! „Wir haben das Geld. Wir haben die Technik. Wir ermöglichen und leben das moderne Leben. Euch Anachronismen überdauern wir. Die archaische Lebensweise rotten wir aus.“ So denkt der junge Mensch von heute, der im Herzen schon Roboter geworden ist und daher so unverletzlich wirkt. Ich aber sage: Die Materie verrostet und zerfällt. Das Blut ist ewig. Es erneuert sich bis in die Unendlichkeit. Der Geist, von dem ich spreche, ist ebenso ewig. Kein Meteoriteneinschlag und keine Klimakatastrophe wird ihn auch nur berühren können, selbst dann nicht, wenn alle Roboter längst verglüht und annihiliert sind.
Was wollt ihr von den Wissenschaftlern lernen? Sie sind im Herzen selbst Roboter. Sie betrachten ihr eigenes Leben, ihren eigenen Denkprozesse als erklärbare Naturphänomene, bemerkenswert, aber nicht „wundervoll“. Durch ihren Glauben werden sie tatsächlich zu handelndem Material und sinken damit noch unter die Pflanzen herab. Sie betätigen sich nicht „dem rationalen Element angemessen“, sondern äffen diesen Prozess spöttisch nach, den sie nie wirklich begriffen haben. Sie glauben nur noch an Eisen und Staub und Energie. Was wollt ihr von solchen Gestalten lernen?
Vielgestalt die Höllen und Fegefeuer, durch die zu Lebzeiten ich gehen musste und muss! Da hat sich einer was dabei gedacht! Ich halte es an dieser Stelle mit Miller: Es spielt gar keine Rolle, ob man etwas „wirklich“ erlebt hat – was soll das heißen? – es spielt bloß eine Rolle, wie man es wahrgenommen hat. Da war die Trägheit, da war die Geringschätzigkeit, da ist und verwelkt die Mutlosigkeit, die Feigheit; es röchelt im Sterben die Gescheitheit, und die Gelehrsamkeit hat´s aufgegeben. Aufrecht steht die Isoliertheit. Ich ziehe. Ich lege an. Ich will schießen.
23.03
Es geht nicht darum, einen Plan zu machen und ihn auf Teufel-komm-raus durchzuprügeln, gegen jeden Widerstand, ungeachtet aller Verluste. In Wahrheit tut man seinen „wahren Willen“, wenn man das Übermaß an bewusster Kontrolle überwindet und es schafft, in einen ruhigen, intuitiven („vorsinflutlichen“) Zustand zurückzugleiten. So verwirklicht sich die Seele selbst in einem tätigen Leben. Das ist die wahre vita activa!
24.03.
Abgestumpfte Erschöpfung. Klausur geschrieben, Film gesehen, Musik gehört, das war´s. Kleines Glück.
Ich fürchte, die Zukunft zu kennen. Es wäre schrecklich, wenn es so wäre, aber ich glaube, es ist so. Eine Randnotiz, was sage ich, ein Glimmspan genau am Rand des Gesichtsfeldes der Geschichte, das ist die Zukunft; ein Glimmspan neben einigen ähnlichen Glimmspänen, die noch viele weitere Späne, doch einst ein großes Feuer entfachen mögen... ich bin dieses Feuer nicht.
Was ist, wenn die Muslime Recht haben und Jesus nicht Gottes Sohn, sondern nur ein weiterer Prophet, ein weiterer Wegbereiter war? Worauf dürfen wir uns noch gefasst machen? Große Spannung!
Ich glaube, wir sind einfach gern traurig. Es ist das Schicksal unserer großmäuligen nordischen Rasse, die ein Mal im Leben etwas Gewaltiges zuwege bringt und ansonsten nur säuft und Witze reißt und dabei irgendetwas oder jemandem hinterhertrauert. Es stimmt schon: Der Gott des neuen Äons hat seinen Sitz im Osten. Die alte nordische Rasse ist verbraucht; vielleicht war sie es schon, als sie in Europa ankam. Alle Rassentheorien sind Unsinn. Doch Sinn ist eine Illusion, der Glaube daran eine Geisteskrankheit – erinnern Sie sich? Nichts ist wahr – das ist wahr! Alle Dinge sind gleichzeitig wahr und unwahr. Kein Unterschied.
Soll ich noch mehr theoria von mir geben? Die nächste sähe etwa so aus: Wir müssen aufhören, an Sinn zu glauben; die Versuche des postmodernen Romans, die Handlung „spannend“ zu gestalten, indem man vom Kriminalroman lernt, sind schrecklich; die Literatur sollte sich nicht vor den vermeintlichen Bedürfnissen eines nur auf den Papieren der Marktforscher existenten Lesers beugen, der nur noch Konsument ist; die Literatur sollte dem Leser etwas Besseres aufzeigen als diese erlernten Wünsche. Wir müssen uns von der scheinbaren „Logik“ und der illusorischen „Spannung“ lösen; ein Roman sollte mehr wie ein Gemälde und weniger wie ein Algorithmus von Anfang bis Ende aufgebaut sein – es gibt zwar oben und unten, Start und Stopp und eine räumliche Ordnung, aber keine Linie mit Anfangs- und Endpunkt; für die wahre Freiheit braucht es die surrealistischen Elemente, die notwendig ist, den notwendigen Inhalten Platz zu machen: Und Blablabla und noch mehr bla.
25.03.
Es hat nichts, rein gar nichts mit ewiggestrigem Reaktionärsgehabe zu tun, wenn man etwas gegen die Wissenschaft und ihre Entzauberung der Natur hat; dieses Tun, dieses Bewusstmachen, lässt ganze Zivilisationen an die Wand fahren; das Leben selbst wird unter solchem kranken Licht schwach, doch es wird sich wehren; alles wird enden in unendlichem Leid, das sich seit dem Beginn der Zivilisationsgeschichte stetig vermehrt hat und exponentiell wächst; wir aber müssen zurück zum Blut und zum Ur-Rythmus, ins Intuitive und ursprünglich Ästhetische zurück; dann sind wir gerettet.
Das ist kein blindes Hoffen, kein Warten-auf-Godot, sondern eine Weisung für den Alltag!
Das Jahr 2013 war für mich literarisch ein verlorenes Jahr insofern, dass kaum ein Werk irgendetwas taugt, während das Gros unerträglich ist, und insofern nicht, dass es doch ein Jahr der Selbstfindung und Grenzfindung war; 2013 habe ich meinen Kopf reingemacht, 2014 will ich mein Selbst in Ordnung bringen; 2015 aber will ich ernten. Nein, das ist kein platter Platonismus!
Meine Hände sind den ganzen Tag kalt. Nichts als Kälte, tagein, tagaus.
Junge Männer sind Meister im Unglücklichsein. Im Grunde ist das unser Schicksal: Beim Kämpfen und Sterben sind die nie ausgeglichenen Gefühle durchaus hilfreich; der zivilisierte Mensch hat eigentlich nur Nachteile davon. Am Ende kommt ein langes, doch unterm Strich unglückliches Leben anstelle eines kurzen, chaotischen - aber lebendigen. Vielleicht ist es besser für uns, jung, doch im Vollbesitz unserer Kräfte zu sterben.
Doch aus der Wut und dem.Selbsthass erwächst normalerweise die Kraft, sich etwas aufzubauen, in der Regel geht das mit Selbstausbeutung einher, für die das Unglücklichsein von Nutzen ist, natürlich. Dann kommt die Erschöpfung und der
vergleichsweise frühe, doch noch immer zu später Tod.
Was will ich doch in der Höhe?
27.03.
Einer der größten Fehler, die man machen kann, gerade als Mann: Allen anderen das Gefühl zu geben, unverwundbar und nicht auf sie angewiesen zu sein. Denn dann werden sie – wenn sie es glauben – aufhören, sich um einen zu sorgen, bis er ihnen irgendwann egal ist. Es ist eine tödliche Sackgasse. Manchmal muss man sich einfach bei anderen ausheulen!
28.03
Es steht geschrieben: „Der Schmerz ist das Zerbrechen einer Schale, die euer Verstehen umschließt.“ Aber was da für Verstehen ans Licht kommt! Ich sage: Aus dem Leiden wird alles große Schaffen geboren. Der ängstliche Adler; der Misanthrop, der sich vor Stachelschweinen fürchtet; der große Bruckner und sein Te deum, um nur wenige Beispiele zu nennen. Doch auch Goebbels, Robespierre, Lenin, Bakunin, Hitler und Hamlet und all die anderen müssen im Grunde ihres Herzen unglücklich gewesen sein. Wie gesagt: Alles große Schaffen wird aus dem Leiden geboren. Auch die Teufel in Menschengestalt waren Schaffende; alle Großen, ob „gut“ oder „böse“, sind Schaffende. Wir alle sind im Herzen gleich – schreiende Babys, die geliebt werden wollen, hungrig und durstig sind – nichts weiter.
Muss ein Mensch zu großes Leid tragen, wird Feuer an eine unbekannte Substanz gelegt: Vielleicht passiert etwas Nützliches, vielleicht nichts, vielleicht etwas Beeindruckendes – oder es fliegt alles in die Luft und jede Menge Leute kommen um.
Das Verstehen des einen, das ans Licht kommt, mag das Verstehen der Musik sein; das Verstehen des anderen das Verstehen, wie man Leute gefügig macht und manipuliert – jedes Mal wird russisches Roulette gespielt, wenn so etwas geschieht.
Wären einige Zufälle anders gekommen, wäre Jesus kein Erlöser, sondern der fürchterlichste Tyrann aller Zeiten geworden, ein Messias der Gewalt, der erlöst, indem er alles „Feindliche“ zu Staub zermalmt.
Es ist unglaublich, wie wir es immer wieder schaffen, sehenden Auges in die falsche Richtung, in unseren Untergang gar zu rennen ohne stehen zu bleiben, sogar ohne langsamer zu werden.
Ich muss boxen gehen, schlagen und treten, damit mir wieder warm wird, buchstäblich!
29.03.
Glück beim Schwitzen und In-der-Erde-wühlen. Wut auf das Schreiben, das Denken, die verlogene Literatur – mal wieder so eine Phase, Parsifal flucht mal wieder auf Gottes unergründliche Wege. Glück beim Schwitzen und In-der-Erde-wühlen.
Je mehr ich über das Glück nachdenke, desto ferne rückt es, will mir scheinen. Vielleicht sollte ich anfangen, über den Schmerz, über Arbeit, über Krebs nachzudenken, sobald ich dazu Zeit habe, vielleicht klappt es umgekehrt! Nein, natürlich nicht. So viele Dinge, die keiner versteht – da muss man einfach gläubig werden!
Die Menschen von heute haben ja den ganzen tragischen Geist verloren; wenn man ihnen von „der tragischen Geschichte des und der...“ und so weiter erzählt, lachen sie wissend oder winken ab, das ganze „Drama“ ist ja ausgelutscht und irgendwie doof, eine Mode aus Griechenland; doch sie haben den tragischen Geist nicht gegen den „komischen“ Geist eingetauscht und auch gegen sonst nichts – sie haben ihn einfach weggegeben.
Man kann lange Briefe schreiben, ohne ein Wort zu sagen.
Ganz im Ernst: Die Welt braucht nicht eine einzige neue Lehre; keine neuen großen Künstler, keine Werke mehr; keine Denker, keine Philosophen, keine Theoretiker und auch keine Poeten und überhaupt nichts mehr – es gab von allem und allen und jedem genug, mehr als genug! Die Welt brauchte heute Leute, die die Lehren befolgen und die Werke einstudieren oder genießen – Leute, die leben.
Ein letzter Tagesgedanke: Denk an Piazzolla und die dunkle Straße. Die verletzte Unverletzlichkeit soll dein Schild sein, bis die Unverwundbarkeit kommt! Aussprechen, unverschämt fragen, es versuchen, dreist sein – die innere Trägheit, der dunkle Herrscher, dem all die Ungeheuer dienen, die du noch erschlagen sollst, diesem dunklen Herrscher sollst du dich nicht beugen, den er ist Sklave der namenlosen Finsternis, in der nur Nein! und Tod! zu hören sind.
Junge Männer sind Meister im Unglücklichsein. Im Grunde ist das unser Schicksal: Beim Kämpfen und Sterben sind die nie ausgeglichenen Gefühle durchaus hilfreich; der zivilisierte Mensch hat eigentlich nur Nachteile davon. Am Ende kommt ein langes, doch unterm Strich unglückliches Leben anstelle eines kurzen, chaotischen - aber lebendigen. Vielleicht ist es besser für uns, jung, doch im Vollbesitz unserer Kräfte zu sterben.
Doch aus der Wut und dem.Selbsthass erwächst normalerweise die Kraft, sich etwas aufzubauen, in der Regel geht das mit Selbstausbeutung einher, für die das Unglücklichsein von Nutzen ist, natürlich. Dann kommt die Erschöpfung und der
vergleichsweise frühe, doch noch immer zu später Tod.
Was will ich doch in der Höhe?
27.03.
Einer der größten Fehler, die man machen kann, gerade als Mann: Allen anderen das Gefühl zu geben, unverwundbar und nicht auf sie angewiesen zu sein. Denn dann werden sie – wenn sie es glauben – aufhören, sich um einen zu sorgen, bis er ihnen irgendwann egal ist. Es ist eine tödliche Sackgasse. Manchmal muss man sich einfach bei anderen ausheulen!
28.03
Es steht geschrieben: „Der Schmerz ist das Zerbrechen einer Schale, die euer Verstehen umschließt.“ Aber was da für Verstehen ans Licht kommt! Ich sage: Aus dem Leiden wird alles große Schaffen geboren. Der ängstliche Adler; der Misanthrop, der sich vor Stachelschweinen fürchtet; der große Bruckner und sein Te deum, um nur wenige Beispiele zu nennen. Doch auch Goebbels, Robespierre, Lenin, Bakunin, Hitler und Hamlet und all die anderen müssen im Grunde ihres Herzen unglücklich gewesen sein. Wie gesagt: Alles große Schaffen wird aus dem Leiden geboren. Auch die Teufel in Menschengestalt waren Schaffende; alle Großen, ob „gut“ oder „böse“, sind Schaffende. Wir alle sind im Herzen gleich – schreiende Babys, die geliebt werden wollen, hungrig und durstig sind – nichts weiter.
Muss ein Mensch zu großes Leid tragen, wird Feuer an eine unbekannte Substanz gelegt: Vielleicht passiert etwas Nützliches, vielleicht nichts, vielleicht etwas Beeindruckendes – oder es fliegt alles in die Luft und jede Menge Leute kommen um.
Das Verstehen des einen, das ans Licht kommt, mag das Verstehen der Musik sein; das Verstehen des anderen das Verstehen, wie man Leute gefügig macht und manipuliert – jedes Mal wird russisches Roulette gespielt, wenn so etwas geschieht.
Wären einige Zufälle anders gekommen, wäre Jesus kein Erlöser, sondern der fürchterlichste Tyrann aller Zeiten geworden, ein Messias der Gewalt, der erlöst, indem er alles „Feindliche“ zu Staub zermalmt.
Es ist unglaublich, wie wir es immer wieder schaffen, sehenden Auges in die falsche Richtung, in unseren Untergang gar zu rennen ohne stehen zu bleiben, sogar ohne langsamer zu werden.
Ich muss boxen gehen, schlagen und treten, damit mir wieder warm wird, buchstäblich!
29.03.
Glück beim Schwitzen und In-der-Erde-wühlen. Wut auf das Schreiben, das Denken, die verlogene Literatur – mal wieder so eine Phase, Parsifal flucht mal wieder auf Gottes unergründliche Wege. Glück beim Schwitzen und In-der-Erde-wühlen.
Je mehr ich über das Glück nachdenke, desto ferne rückt es, will mir scheinen. Vielleicht sollte ich anfangen, über den Schmerz, über Arbeit, über Krebs nachzudenken, sobald ich dazu Zeit habe, vielleicht klappt es umgekehrt! Nein, natürlich nicht. So viele Dinge, die keiner versteht – da muss man einfach gläubig werden!
Die Menschen von heute haben ja den ganzen tragischen Geist verloren; wenn man ihnen von „der tragischen Geschichte des und der...“ und so weiter erzählt, lachen sie wissend oder winken ab, das ganze „Drama“ ist ja ausgelutscht und irgendwie doof, eine Mode aus Griechenland; doch sie haben den tragischen Geist nicht gegen den „komischen“ Geist eingetauscht und auch gegen sonst nichts – sie haben ihn einfach weggegeben.
Man kann lange Briefe schreiben, ohne ein Wort zu sagen.
Ganz im Ernst: Die Welt braucht nicht eine einzige neue Lehre; keine neuen großen Künstler, keine Werke mehr; keine Denker, keine Philosophen, keine Theoretiker und auch keine Poeten und überhaupt nichts mehr – es gab von allem und allen und jedem genug, mehr als genug! Die Welt brauchte heute Leute, die die Lehren befolgen und die Werke einstudieren oder genießen – Leute, die leben.
Ein letzter Tagesgedanke: Denk an Piazzolla und die dunkle Straße. Die verletzte Unverletzlichkeit soll dein Schild sein, bis die Unverwundbarkeit kommt! Aussprechen, unverschämt fragen, es versuchen, dreist sein – die innere Trägheit, der dunkle Herrscher, dem all die Ungeheuer dienen, die du noch erschlagen sollst, diesem dunklen Herrscher sollst du dich nicht beugen, den er ist Sklave der namenlosen Finsternis, in der nur Nein! und Tod! zu hören sind.
01.04
Mache mir überraschend ernste Gedanken über dieses Manifest, das einer puren Schnapsidee entspringt. Was soll daraus bloß noch werden?
Die Philosophie ist tot. (Wolfgang hat Recht!) Sie ist gestorben, wie einst Gott gestorben ist. Mit der Erkenntnis, das „Zeitalter der kosmischen Faulheit” im Mikrokosmos vorwegnehmen zu können – sprich: Das Dao verwirklichen; auf die Intuitive Ebene hinaufsteigen; seinen „True Inner Will” tun – endet die Geschichte der Philosophie, der Mystik, selbst die philosophischen Aspekte der Religionen.
Miller glaubte nicht an Arbeit und hatte Recht damit. Sie ist eine Störung, ein
Schlagloch auf der Straße zur Vollendung, eine not-wendige Dummheit.
03.04.
Immer wieder hofft man auf den Moment, den richtigen Moment, den Moment für den Lucky Punch, und mit diesem Warten kann man sein ganzes Leben verschwenden. Man muss in irgendeinem Moment kraftvoll herausfahren und es tun! Warum auf ein Loch in der Mauer warten, wenn man die Mauer selbst durchlöchern kann?
Ich wirke vielleicht so schwach und verletzlich wie jeder normale Mensch, besonders in meinen schwachen und verletzlichen Momenten; es scheint, als könne jeden Augenblick jemand durch die Tür kommen, eine Waffe ziehen und mir das Hirn mitsamt der hochtrabenden Gedanken darin wegblasen; es scheint, als könne ich eines schönen Tages vom Fahrrad fallen und, weil ich meinen Helm vergessen habe, mit offenem Schädel liegen blieben, mein Hirn auf dem Asphalt verschmiert; es scheint, als könne ich ebensogut sterben wie jeder andere auch, der sich nur sehr begrenzt körperlich wehren kann, ja sogar so, als sei ich noch ein wenig angreifbarer, weil es mir in vielen Situationen am Motivation fehlt, mich oder meinen Standpunkt zu verteidigen, aber ich sage – ich kann und werde nicht sterben, nicht so, und wenn es doch geschieht, dann heißt es, alles ist erledigt, die Saga am Ende, und dann kann ich tatsächlich sagen: Gott hat mich zu sich genommen. Diesem Tag kann ich mit Freude entgegensehen.
10.04
Ich habe ein Fahrrad gesehen. Es ist alt, aber noch ganz. Es ist festgeschlossen, damit niemand es wegnimmt. Es steht seit Monaten, wo es steht, und wird niemals gefahren. Das Schloss hat etwas genutzt.
12.04
Unglück ist, wenn man aufschreit - vor Schmerz, Freude, Überraschung – und keiner hinhört.
Dieses sogenannte Glück ist eine unstete Mätresse. Es ist eine kurzlebige Fickbeziehung zwischen ihr und mir. Sie kommt unregelmäßig, bleibt aber nie lange fort; wenn sie da ist, ist es eine kurze Zeit schön; wenn sie geht, nicht mehr; aber wenn ich sie dazu bringe, länger zu bleiben oder es versuche, werden wir einander schnell überdrüssig und es dauert länger bis zum nächsten Mal. Niemals werde ich sie heiraten.
Wieder einmal – die Erschöpfung, die schöpferische Erschöpfung, wenn die eigenen Schöpfungen zu Schröpfungen werden... muss raus!
Bildmaterialien: Lave
Tag der Veröffentlichung: 16.04.2014
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Allen Sängern.